Ein Blick auf die Karte genügt, um das bestätigt zu bekommen. Von Polens knapp 1300 Kilometer langer Ostgrenze entfallen gerade einmal einhundert Kilometer auf den EU-Staat Litauen. Ansonsten grenzt Polen an die beiden Kriegsparteien Russland (Kaliningrader Gebiet ca. 230 Kilometer) und die Ukraine (ca.530 Kilometer).
Hinzu kommt eine gut 400 Kilometer lange Grenze zu Weißrussland, wo die russische Armee inzwischen schaltet und waltet, wie sie will. Sie schießt von dort Raketen ab und schickt ihre Kampfflugzeuge in Richtung Ukraine, versorgt in dortigen Krankenhäusern ihre Verwundeten und lagert in weißrussischen Leichenhallen ihre Gefallenen. Zudem ist jeden Augenblick mit dem Kriegseintritt des Lukaschenka-Regimes gegen die Ukraine zu rechnen.
Polens Verankerung in der Nato und die bilateral mit Washington ausgehandelte Anwesenheit von US-Truppen, die inzwischen auf 10.000 GI’s aufgestockt wurden, bewirken, dass, laut Umfragen, die Mehrheit der Polen nicht an eine Ausweitung des Ukraine-Krieges auf das eigene Territorium glaubt.
Dennoch ist das Frontstaat-Sein eine ernste Angelegenheit. Frontstaat war Pakistan in den zehn Jahren des sowjetischen Afghanistan-Krieges. Es beherbergte Hunderttausende von Kriegsflüchtlingen, war Waffenschmiede, Rückzugs- und Ausfallgebiet für antisowjetische Partisanen. Zwar liegt Polen nicht am Hindukusch, aber eine ähnliche Situation ist denkbar. Polen, ein zweites Pakistan? Das wäre kein gutes Szenario.
Andererseits zeigt die Geschichte, dass es Frontstaaten gab und gibt, die enorme wirtschaftliche und technologische Entwicklungssprünge vollbracht haben: Bis 1989 war Westdeutschland Frontstaat. Bis heute sind es Israel, die „asiatischen Tiger“ Taiwan und Südkorea.
Fundamentale Voraussetzungen für ein gesichertes Dasein am Abgrund all dieser Länder waren und sind: die militärische Anwesenheit der USA, amerikanische Sicherheitsgarantien, enorme eigene Verteidigungsanstrengungen und der Wille, Widerstand zu leisten.
Polen kann das alles vorweisen. Die Weichen für ein sicheres Fronststaat-Dasein sind gut gestellt. Den Rest muss jetzt die hohe Kunst der Außen- und Innenpolitik bewerkstelligen. Und eine gehörige Portion Glück gehört auch dazu.
RdP