21.10. 2023. Polen. Ein demokratisches Land in Europa

image_pdfimage_print

Die Kassandrarufe der polnischen totalen (noch) Opposition und ihrer deutschen politischen und medialen Unterstützer und Wegbegleiter haben sich nicht bewahrheitet. Acht Jahre lang bombardierten sie uns mit der Botschaft, dass die Demokratie in Polen im Sterben liege. Wenn irgendetwas an der Weichsel in den letzten Jahren tatsächlich gestorben ist, dann war es ihr Monopol, die Wirklichkeit zu benennen und den Menschen zu sagen, was sie denken sollen. Das hat jedoch nichts mit dem Tod der Demokratie zu tun. Denn was für den etablierten liberalen Mainstream gut ist, muss nicht unbedingt gut sein für die Demokratie oder für Polen. Und meistens ist es das auch nicht.

Was hinter uns liegt, ist eine Wahl, die unter den Bedingungen einer lebendigen und pluralistischen demokratischen Debatte stattgefunden hat. Vor den Polen breitete sich ein weites politisches Spektrum aus:  viele Parteien mit unterschiedlichen politischen Farben, Programmen und Empfindlichkeiten.

Auch die Wahl zwischen den beiden größten Akteuren: der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und der Anti-PiS-Koalition war eine echte Wahl. Es handelte sich um zwei grundsätzlich unterschiedliche Visionen von Polen, Europa, der Wirtschaft, der Kultur, der Vergangenheit und der Zukunft.

Die Menschen sahen das und nutzen dieses Angebot. Schon bei früheren Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die nach einer ähnlichen Logik abliefen, war die Wahlbeteiligung rekordverdächtig hoch. Dieses Mal wurde mit knapp 75 Prozent eine neue Rekordmarke aufgestellt. Das ist der beste Beweis dafür, dass die polnische Demokratie lebendig ist. Sie ist nicht nur ein leeres Ritual. Und die Menschen, anders als in manchen westlichen Ländern, winken nicht resignierend ab und denken sich: „Wenn Wahlen wirklich etwas bewirken könnten, wären sie schon längst verboten worden“.

Auch ist keine der alarmistischen Vorhersagen über das Abweichen Polens vom demokratischen Weg eingetreten. Das Polen des Jahres 2023 ist ein Land, in dem Wahlen pünktlich abgehalten werden, die Opposition volle politische Rechte genießt und ihre erklärten Anhänger einen hohen sozialen und materiellen Status haben. Die Kritiker der Partei Recht und Gerechtigkeit sagen offen auf der Straße, am Arbeitsplatz und in den nationalen Medien, was sie von Kaczyński und Morawiecki halten. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

In Polen gilt der Grundsatz der demokratischen politischen Kontrolle über die Armee, und die Rücktritte von zwei einflussreichen Generälen vor den Wahlen haben gezeigt, dass dieser Grundsatz weitestgehend respektiert wird. Es gibt keine politischen Gefangenen. Kein einziges Internetportal, keine Zeitung, kein Sender wurde von Amtswegen geschlossen. Die größte Oppositionszeitung des Landes, die „Gazeta Wyborcza”, residiert weiterhin in ihrem riesigen Glaspalast inmitten von Warschau und der Agora-Verlag, ihr Herausgeber, verzeichnete 2022 immerhin einen Umsatz von umgerechnet knapp 260 Millionen Euro.

Polen ist ein Land, in dem das Oberhaus (Senat) und alle Großstädte von der Opposition kontrolliert werden. Die Gerichte urteilen so oder so. Erst kürzlich wurde der Vorsitzende der Regierungspartei, Jarosław Kaczyński, rechtskräftig zu einer astronomischen Geldstrafe von 750.000 Zloty (ca. 170.000 Euro) verurteilt, weil er gegenüber einem Oppositionspolitiker eine falsche Anschuldigung geäußert haben soll. Kaczyński stand vor dem Ruin und schickte sich schon an, sein bescheidenes Haus in Warschau zu verkaufen. Eine von seinem Kontrahenten im Nachhinein vorgeschlagene außergerichtliche Einigung reduzierte die Verbindlichkeit auf umgerechnet ca. 11.500 Euro zugunsten der Ukrainehilfe.

Deutsche Medien haben seinerzeit mit allem Ernst Tatarennachrichten kolportiert, Kaczyński werde den Ausnahmezustand ausrufen, um die Wahlen zu verhindern. Dann hieß es, in der Wahlnacht werde er die Armee auf die Straßen schicken. Wer so etwas behauptet, befindet sich im geistigen Ausnahmezustand der Paranoia. Derweil haben sich Recht und Gerechtigkeit und dessen Vorsitzender schon einmal, 2007, nach verlorenen Wahlen, für acht Jahre anstandslos auf die Oppositionsbänke begeben und sie werden es, wenn sie keinen Koalitionspartner finden, wovon auszugehen ist, auch dieses Mal tun.

Selbst der Oberste Rechnungshof wird von einem Politiker geleitet, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Regierungspartei zu zerstören. Schließlich ist Polen ein Land, in dem die Bürgerrechte und die Rechte von Minderheiten in der Regel nicht weniger geachtet werden als irgendwo sonst in Europa. Wenn dies das Bild einer Musterdiktatur sein soll, dann muss man sich fragen, welches Land in der Welt in der Lage wäre, eine so hohe Messlatte für Demokratie zu überspringen. Die USA mit ihrer politischen Macht, die offen am Laufband der Plutokratie wandelt? Frankreich mit seiner Polizei, die jedes Jahr mehr als ein Dutzend Bürger bei verschiedenen politischen Demonstrationen tötet? Oder wie wäre es mit Deutschland mit seiner von Politikern bestimmten Zusammensetzung der obersten Gerichte?

Niemand behauptet, dass Polen perfekt ist. Das ist es nicht. Oder dass es nicht besser werden kann. Das kann es. Aber es geht auch darum, der Hysterie und der maßlosen Übertreibung Grenzen zu setzen. Polen ist,  im Gegensatz zu dem was u. a. deutsche Medien gebetsmühlenartig verkünden, nicht von einer schweren Krankheit befallen. Weder vom Autoritarismus noch von der Antidemokratie oder sonst etwas. Es gibt keinen Grund, die Hände dort zu ringen, wo es eigentlich etwas zu feiern gibt.

Die polnische Demokratie ist so gesund wie eh und je. Und sie hat sich dieses Mal, genauso wie 2015 und 2019, als Recht und Gerechtigkeit die Wahlen gewann, die Regierung gewählt, die sie haben will. Ob das die richtige Entscheidung war, steht auf einem anderen Blatt.

RdP