Der Krieg in der Ukraine stellt die politische Korrektheit auf eine harte Probe.
Seitdem er ausgebrochen ist, gibt es, anstatt der oft zitierten Vielfalt, nur noch zwei Geschlechter. Männer kämpfen für ihr Land, Frauen bringen Kinder und Großeltern in Sicherheit. Eine augenfälligere Prachtentfaltung des längst vergessen geglaubten patriarchalischen Rollenmodells kann es wahrlich nicht geben. Wo bleiben die Quoten in diesem Bereich, die gewährleisten, dass die Hälfte der Väter sich um Küche und Kinder kümmert, während die Mütter mit Panzerfäusten im Marschgepäck an die Front ziehen?
Auch überprüft niemand in der ukrainischen Armee den Anteil der Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Veranlagungen. Dieser Überprüfung müssten selbstverständlich auch die russischen Streitkräfte unterzogen werden. Da wir Russland jedoch ohnehin verurteilen, mit der Ukraine sympathisieren, sie unterstützen, sollten wir vor allem diejenigen genauer betrachten, denen unsere Gunst zuteil wird.
Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, wie bei den Ukrainern überkommene Männlichkeitsbilder hochgespült werden. Plötzlich steht die „toxische Männlichkeit“ hoch im Kurs: Männer die keine Schwäche zeigen, ihre Gefühle unterdrücken und, man glaubt es nicht, dem Konflikt mit dem Aggressor Putin durch Gewalt beikommen wollen.
Für diesen Männertypus steht exemplarisch der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj, der ungerührt im russischen Raketenhagel ausharrt, statt sich in Sicherheit zu bringen. Selenskyjs Spruch: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit“, als die Amerikaner anboten ihn gemeinsam mit dem US-Botschaftspersonal aus Kiew herauszubringen, hätte auch von John Wayne oder Clint Eastwood stammen können. Diese erschreckende Diskursverschiebung zu mehr Männlichkeit widerspricht der „feministischen Außenpolitik“ und hat schwerwiegende „psychopolitische“ Folgen.
Selenskyj, einem offensichtlich aus der Rolle gefallenen drolligen Komiker, dem bei seinem Amtsantritt niemand so viel Medienwirksamkeit bei der Darstellung maskuliner Charakterstärke zugetraut hätte, steht, mit seinem ärgerlichen Machogehabe, der einstige Boxer, jetzt Kiews Bürgermeister, Vitali Klitschko zur Seite. Zwischen Wohnhäuserruinen verkündete er: „Wenn ich sterben muss, dann sterbe ich. Es ist eine Ehre, für sein Land zu sterben.“
Wäre es nicht an der Zeit den Ukrainern deutlich zu sagen, wie irrational sie sich verhalten, wenn sie ausgerechnet den aus der reaktionären Mottenkiste herausgeholten Begriff des „Vaterlandes“ in den Vordergrund ihrer „toxischen Männlichkeit“ rücken? Wie dumm verhalten sie sich zudem, wenn sie darauf bestehen, dass ihr Land das Recht habe in den, seinerzeit von allen Seiten anerkannten, rechtmäßigen Grenzen zu existieren, wo doch jeder weiß, dass Grenzen eigentlich längst abgeschafft gehören. Wird da nicht im Grunde viel Lärm um nichts gemacht?
Und die „Nation“, von der Selenskyj, Klitschko & Co. unentwegt schwadronieren? Sie ist doch nur eine erfundene, abgenutzte und zudem brandgefährliche Zwangsgemeinschaft. Es mutet geradezu absurd an, für sie sterben zu wollen.
Und warum bringt niemand die Ukrainer davon ab, sich ständig auf ihre Tradition und Geschichte zu berufen, was sie nur mit ihrer Vergangenheit verstrickt und ihre Entscheidungsfreiheit einschränkt? Ist es nicht an der Zeit zu verurteilen, dass den in der Ukraine lebenden Menschen eine kollektive nationale Identität übergestülpt wird, die ihre Selbstverwirklichung verhindert? Dabei weiß doch jeder, dass die Loyalität eines Menschen einzig und allein ihm selbst und niemals irgendeinem abstrakten Ganzen gehört.
Wen kümmert es, dass diese Art von Emanzipation Menschen wehrlos macht gegenüber skrupellosen Gangstern wie Putin? Wichtig ist, statt Waffen zu liefern, den Ukrainern bei der Dekonstruktion und Entmystifizierung solch muffiger Begriffe wie Heimat, Volk und Heldentum beizustehen, was einer Anleitung zum selbstbestimmten, politisch korrekten Sterben gleichkommt.
RdP