„Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie“. Wilhelm Buschs klugen Ratschlag vermag der französische Staatspräsident leider bis heute nicht zu beherzigen. Im April 2022 nur noch deshalb ein zweites Mal in den Élysée-Palast gewählt, weil er nicht Marine Le Pen heißt, legt der ansonsten zu Recht als sprunghaft geltende Emmanuel Macron eine eiserne Beharrlichkeit an den Tag, wenn es darum geht, im Ukrainekrieg Verständnis für Russland aufzubringen.
Seit Beginn des russischen Überfalls am 24. Februar 2022 ließ Monsieur le Président wissen, dass Putin kein „Schlächter“ sei und die russischen Gräuel in der Ukraine kein „Völkermord“ sind. Er machte sich Putins Behauptung zu eigen, dass es sich bei den Russen und Ukrainern um zwei „Brudervölker“ handelt. Er warnte dringend davor, Russland am Ende künftiger Friedensverhandlungen zu „erniedrigen“.
Kürzlich (am 3. Dezember 2022) sattelte Macron im französischen Fernsehen noch einmal drauf. Nach mehr als zehn Monaten des russischen Vernichtungsfeldzugs und der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine verwies er auf Wladimir Putin, der noch vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine „Sicherheitsgarantien“ für sein Land gefordert hatte. Wenn Russland sich zu Friedensgesprächen bereit erkläre, müsse der Westen, so Macron, auf diese Forderungen „eingehen“.
Konkret gelte es, Russlands Widerstand gegen den Nato-Beitritt der Ukraine und die Stationierung von Waffen, „die Russland bedrohen könnten“, zu respektieren. So, als würde ein kriegslüsterner Westen nur davon träumen, seine Raketen auf Moskau zu richten. Doch die Wahrheit sieht anders aus, und Macron tut nur so, als würde er es nicht wissen: Der Westen erlaubt der Ukraine nicht einmal, Raketen auf russische Militärziele jenseits der ukrainischen Grenze abzufeuern, obwohl sie von dort aus angegriffen wird.
Mit anderen Worten, Macron vertritt die These, dass man dem Urheber des größten bewaffneten Konfliktes in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg brav zuhören und bei der Umsetzung seiner erfundenen Bedenken folgsam zur Hand gehen sollte.
Der französische Präsident ist zu seinen russlandfreundlichen Ideen zurückgekehrt, ausgerechnet in einer Zeit, in der Russland kaltblütig versucht, die Ukrainer durch Kälte und Hunger in die Knie zu zwingen. Ohne ein Wort über die Bestrafung des Kriegstreibers Putin zu verlieren und darüber, dass Russland für die Zerstörungen in der Ukraine aufkommen und den Opfern Entschädigungen zahlen muss, will er es erneut in die europäische Sicherheitsarchitektur einbeziehen.
Damit frönt Macron, als wäre nichts geschehen, einer alten französischen Vorstellung, die seit Charles de Gaulles Zeiten vor allem auf dem Unmut über die amerikanische Führung in der Nato fußt und durch die Ausblendung von Befürchtungen und Interessen der Bündnisländer, die an der Nato-Ostflanke liegen, ergänzt wird.
Der Krieg hat Macron nicht verändert. Für Polen ist das eine sehr ernüchternde Erfahrung. Und sie gibt Warschau recht, wenn es eine enge Anlehnung an Amerika sucht, massiv aufrüstet und seine Armee zahlenmäßig aufstockt. Alles um bloß nicht „verbündeten“ Politikern vom Schlage eines Emmanuel Macron ausgeliefert zu sein.
Lesenswert auch: ♦ „Lassen Sie ab von Polen“. Ein Franzose schreibt Staatspräsident Macron.“ ♦ „23.05.2022. Emma, Macron, New York Times & Co. Polen stellt sich quer“ ♦ „28.04.2022. Macron ist nicht gut für Polen“.
RdP