Die Kältewelle, die im Dezember 2022 über Europa hinwegfegte, hatte auch politische Folgen, und zwar von epochaler Bedeutung. Es ist nämlich klar geworden, dass Russland es nicht geschafft hat, Europa mit seinen Energiewaffen in die Knie zu zwingen. Die europäischen Energieversorgungssysteme haben zwar geächzt, aber sie sind nicht zusammengebrochen:
Die Lichter blieben an. Die Fabriken arbeiteten. Die Einkaufszentren waren geöffnet, und die Wohnungen wurden beheizt, auch wenn das alles viel mehr gekostet hat als noch vor einem Jahr.
Es geschah während die beiden Nord Stream-Gasleitungen außer Betrieb sind, die russischen Gaslieferungen durch Sanktionen auf ein winziges Rinnsal gestutzt wurden und die EU-Staaten sich auf einen Höchstpreis für russisches Erdgas festgelegt haben.
Europa wurde durch zusätzliche Flüssiggaslieferungen aus den USA und Katar und durch die ersten Transporte von den neuen Gasfeldern vor der Küste Mosambiks, einer sehr vielversprechenden Versorgungsquelle, gerettet. Zudem schaffte es der Westen, seinen Energieverbrauch zu drosseln.
Jetzt deutet alles darauf hin, dass unser Kontinent durch den Winter kommen wird, ohne in eine katastrophale Energienotlage zu geraten. Wir haben noch den Januar und den Februar vor uns, die beiden kältesten Monate des Jahres, aber es ist bereits klar, dass das neue System funktioniert. Der erste und wichtigste Test ist bestanden.
Für Russland gleicht das einer Katastrophe. Offensichtlich hat Putin den freien Markt unterschätzt. Gewiss, der freie Markt ist nicht perfekt, aber eins muss man ihm lassen: Er ist sehr flexibel. Höhere Preise generieren zusätzliche Lieferungen aus anderen Quellen.
Die Energiekarte in der Hand, wollte Putin den Westen zwingen, seine Unterstützung für die kämpfende Ukraine zurückzuziehen. Doch er konnte diese Karte nur einmal ausspielen. Jetzt kann er den Westen nicht mehr mit der Drohung einschüchtern, die Energielieferungen zu unterbrechen. Die Drohung hat sich als leer erwiesen.
Zudem hat Putin im Zuge dieser Inszenierung seine eigene Wirtschaft zerstört. Warum? Weil Russland, abgesehen von Gas und Öl, nichts produziert, was für die Außenwelt von existenzieller Bedeutung wäre. Und inzwischen gehören die Zeiten, in denen Russland ein großer Energieexporteur war, der Vergangenheit an.
Außer den Atomwaffen hat Russland alles in die Waagschale geworfen, was es besitzt. Vergeblich. Wenn der Westen den ersten Winter übersteht, wird er auch in den darauffolgenden Wintern Herr der Lage sein und umso besser ohne russische Importe auskommen. Er wird auch die Inflation in den Griff bekommen, die Europa und den Vereinigten Staaten so sehr zu schaffen macht.
Diese Gesamtentwicklung zeichnet sich immer deutlicher ab und sie wird sich durchsetzen, freilich unter einer Bedingung: Es werden mit Putin keine faulen Kompromisse geschlossen.
RdP