Wenn Kirchenfeindschaft den Verstand trübt.
Es sollte ein historischer Akt der Gerechtigkeit sein und zugleich eine saftige Ohrfeige für die katholische Kirche. Robert Biedroń, Bürgermeister von Słupsk/Stolp, hatte beschlossen „eine Frau, ein Opfer der katholischen Inquisition“, die in seiner Stadt „auf dem Scheiterhaufen endete“ zu rehabilitieren, und einen Kreisel nach ihr zu benennen.
Seit den letzten Kommunalwahlen im November 2014 regiert Robert Biedroń (Jahrgang 1976), der seine Homosexualität offen lebt und als sein politisches Markenzeichen führt, die neunzigtausend Einwohner zählende Kreisstadt Słupsk/Stolp nahe der Ostseeküste. In Polen selbst hat sein Wahlsieg für weit weniger Aufregung gesorgt als z.B. in den deutschsprachigen Medien, wo Biedrońs Einzug in die Kommunalpolitik als ein kolossaler Triumph des Fortschritts in dem stets „konservativen“, „erzkatholischen“, „intoleranten“ und „verstaubten“ Polen dargestellt wurde.
Mit seinem Auftreten und den enormen Hoffnungen, die er zu entfesseln vermochte, hat er sich in den Boulevardmedien den Beinamen „Obama von Słupsk“ eigehandelt.
Skandalnudel bleibt Skandalnudel
Eigentlich, so hieβ es gleich nach seiner Wahl zum Bürgermeister, Ende 2014, habe Biedroń einen Reifungsprozess durchgemacht, sich von der „Skandalnudel“ in einen fleiβigen, ernstzunehmenden Politiker verwandelt. Nach knapp zwei Jahren im Amt nehmen sich Biedrońs Erfolge bei der Sanierung der hochverschuldeten Stadt jedoch eher dürftig aus. Auch die von ihm versprochene Belebung der sündhaft teuren Investitionsruine eines Aquaparks, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte, ist längst noch nicht erfolgt.
Der vermeintliche Sieg des Fortschritts ging in Biedrońs Fall nicht automatisch einher mit einem Triumph der Vernunft. In die Schlagzeilen gerät der Bürgermeister regelmäβig lediglich dank seines leeren Aktionismus, seiner kleinen und gröβeren Provokationen, für die er in seiner Anfangszeit als Warschauer Sejm-Politiker auch schon bekannt war. Viele Menschen stöβt das ab, viele klatschen ihm aber auch Beifall, zieht doch wenigstens auf diese Weise, die ansonsten vergessene Provinzstadt, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.
Nachfolgend einige Schlagzeilen.
April 2015. „Biedroń gesteht im TV! Ich bin immer weniger kompetent in Sex-Fragen. Bin 39 und fange langsam an zu vergessen was Sex ist.“
Juni 2015. „Biedroń wirft Portrait Johannes Paul II. aus seinem Amtszimmer weg.“ Der heiliggesprochene Papst ist Ehrenbürger der Stadt. Das so entsorgte Bild wurde anschließend feierlich in der Słupsker Marienkirche aufgehängt.
September 2015. Biedroń verfügt „Allgemeine Erfassung aller Kruzifixe in Schulklassen und Kindergärten in Słupsk. Eltern befürchten ein Verbot.“ Ein erzwungenes Abhängen fand nicht statt.
September 2015. „Biedroń will neue Straβen ausschließlich nach Frauen benennen. Männeranteil ist bereits viel zu hoch“. Die Medien berichten darüber groß und breit, es blieb aber alles beim Alten.
Dezember 2015. „Biedroń verbietet Weihnachtsbaum und Weihnachtsschmuck vor dem Rathaus.“ Nach Protesten lieβ er sich doch noch umstimmen.
Dezember 2015. Für Biedroń ist „Weihnachten nur ein verlängertes Wochenende“.
Februar 2016. „Biedroń stellt sich hinter Wałęsa“, als der Ende 2015 endgültig seiner bezahlten Spitzeltätigkeit für die polnische Stasi Anfang der 70er Jahre überführt wurde.
Februar 2016. „Biedrońs Skandal-Interview“ im Fernsehen. „Wenn man gut im Bett ist, dann muss man ein wenig herumhuren. Wenn man aber Politiker ist, dann muss man das unbedingt tun.“
Mai 2016. „Biedroń will ausdrücklich kommunistische Straβen-Namensgeber in Słupsk beibehalten“.
Biedroń setzt auf Provokation und Polarisierung, und nicht selten sind dabei Unwissenheit und Verblendung seine Wegweiser. So wie jüngst bei der „Rehabilitierung“ von Trina Papistin, die als Hexe 1701 in Stolp verbrannt wurde.
Doch nicht „unsere“ Hexe
„Es soll die Wiederherstellung der Ehre eines Opfers der römisch-katholischen Kirche sein, es soll zeigen, wie auch die Kirche Frauen gequält hat. Wir wollen, dass „unsere“ Hexe nicht vergessen wird, und wollen laut kundtun, wie man Frauen, auch in unserem Land, behandelt hat“, hieβ es auf der offiziellen Internetseite der Stadt.
Inzwischen wurde die Eintragung gelöscht. Zu groβ war die Blamage.
Trina war der Kosename von Katherina, eigentlich Katarzyna, denn Trina war Polin und verheiratet mit dem Kaschuben Martin (Marcin) Nipkow. Sie wurde Papistin genannt, weil sie katholisch war. Nach Nipkows Tod heiratete sie den Metzger Andreas Zimmermann.
Trina trug damals ihr Katholischsein so offen zur Schau, „wie Biedroń heute seine Homosexualität“, schrieb ein Regionalhistoriker, als der stets auftrumpfende Biedroń seiner Ignoranz überführt wurde. Das damalige Stolp war, bis auf wenige Ausnahmen, zu denen Trina gehörte, rein protestantisch. Und das Land, in dem sie ermordet wurde, war nicht „unser Land“ sondern hieβ Preuβen. Polnisch wurde Stolp erst 1945, also 244 Jahre nach Trinas Verbrennung.
Trina, als „Papistin“ verspottet, war eine ausgewiesene Heilkräuterkennerin, die oft um Hilfe gebeten wurde. Das konnte den örtlichen Quacksalbern und Apothekern gar nicht gefallen. Und es war tatsächlich der Apotheker Zienecker, der am 4. Mai 1701 beim Stolper Magistrat gegen Katherina Zimmermann, früher Nipkow, genannt Trina Papistin, Beschwerde wegen Hexerei einlegte.
Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Stadtrat Holz wandte sich an die Juristische Fakultät der protestantischen Universität Rostock, die im Juli 1701 das Martern einer Katholikin als rechtens befand. Eine der ältesten Universitäten Deutschlands, und nicht die katholische Heilige Inquisition, brachte daher Trina, die vermeintliche Hexe, auf den Scheiterhaufen.
Am 11. August 1701 begann das Foltern. Trinas Extremitäten wurden in einen Stock geklemmt, mittels Schraubstöcken brach man ihr die Beine und Arme. Sie gestand, widerrief, wurde daraufhin, einige Tage später, mit glühenden Eisen traktiert, blieb nunmehr jedoch standhaft bis an ihr Ende. Am 30. August 1701 starb sie auf dem Scheiterhaufen, zurück blieben ihr Ehemann und die Kinder.
Die Kirche hat zu danken
Einen Rückzieher konnte sich Biedroń nicht erlauben. Am 29. Juni 2016 fasste der 24-köpfige Stadtrat von Słupsk einen Beschluss über die Benennung von elf Kreiseln im Verlauf der neuen Umgehungsstraβe, die den Stadtkern entlasten soll. Auf diese Weise kam eine polnische, katholische Märtyrerin in Słupsk posthum zu Berühmtheit und Ehren.
Stadtpräsident Biedroń machte gute Miene zum unerwarteten Ausgang seiner Aktion. Dass sich der örtliche Bischof ausdrücklich bei ihm bedankte und erwägt, wie es heiβt, zum Todestag der Märtyrerin am Kreisel eine groβe heilige Messe zu feiern, war so nicht geplant.
Vor Ignoranz und ihren Folgen schützt auch der angeblich so rationale Atheismus offensichtlich nicht.
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