Auswanderer. Polen hat sie wieder

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Was für die Heimkehr spricht.

Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Seit 2020 sind unter anderem 30.000 Polen aus Irland, 40.000 aus Spanien, 50.000 aus Italien und 300.000 aus England in die Heimat zurückgekehrt.

Die verstärkte Rückkehrwelle macht sich auch in den Personalabteilungen polnischer Unternehmen und Institutionen bemerkbar. „Ich bearbeite Bewerbungen in einer großen öffentlichen Einrichtung, und wir hatten noch nie so viele Anfragen von Menschen, die aus dem Ausland zurückkehren. Das ist bereits ein Trend“, zitierte die Zeitung „Dziennik” im Juli 2023 eine Warschauer  Personalchefin.

Nach dem EU-Beitritt 2004 haben etwa 2,5 Millionen Menschen Polen auf der Suche nach Arbeit und Wohlstand verlassen. Armut, Wohnungsmangel, hohe Arbeitslosigkeit, karge Löhne, fehlende Sozialleistungen und ein Arbeitsmarkt, auf dem Leiharbeit, Zeitverträge und die Scheinselbstständigkeit vorherrschten, ließen ihnen oft keine Wahl. Das Polen der Neunziger- und Nuller-Jahre war ein raubkapitalistisches Eldorado, wie es im Buche steht.

Inzwischen ist der Westen für viele polnische Emigranten nicht mehr attraktiv genug, um ein Leben in der Fremde zu führen. Sie werden angezogen von der guten Lage auf dem heimischen Arbeitsmarkt (Mai 2023: 2,7 Prozent Arbeitssuchende laut Eurostat), von den deutlich gestiegenen Löhnen und neuen Sozialleistungen. Die immer noch höheren Löhne im Westen werden inzwischen durch die erheblich gestiegenen Lebenshaltungskosten gemindert. Es bleibt kaum etwas übrig, um es auf die hohe Kante zu legen oder der Familie in der Heimat zu schicken.

Viele der Rückkehrer kamen zudem mit der Mentalität der vielen Migranten aus Afrika und dem Mittleren Osten nicht mehr klar, mit denen sie an ihren Wohnorten zusammenlebten. Nicht wenige sorgten sich um ihre Kinder in Anbetracht der ausschweifenden LGBT-Präsenz im öffentlichen Raum und im Schulwesen.  Die Rückkehr wird auch durch die Erlebnisse während der Pandemie beeinflusst, als die Trennung von geliebten Menschen besonders schmerzhaft war. Viele wollen so etwas in Zukunft nicht mehr erleben.

Ein harter Job

Marcin und seine Frau Maria hatten eine mittelgroße Firma, die Hotels, Privatwohnungen und Büros reinigte. Ihr Spezialgebiet waren Teppiche, Polstermöbel, Matratzen und Stoffe aller Art. Ursprünglich aus Lublin stammend, beschlossen sie vor mehr als einem Jahrzehnt auf Anregung von Freunden, ihr Unternehmen in England zu gründen.

„Verlockend waren vor allem Einnahmen, die höher waren als in Polen. Wir hatten immer im Sinn, jeden Monat etwas Geld zu sparen und eines Tages damit in die Heimat zurückzukehren. Die Preise für Dienstleistungen waren tatsächlich besser, und es gab auch viel mehr zu tun als an ähnlichen Orten in Polen. Es war einfach schmutziger, manchmal konnten wir uns nur schwer vorstellen, wie eine Wohnung in einen solchen Zustand gebracht werden konnte. In den Unterkünften in England sind viel mehr Menschen untergebracht als in Polen. Sie kommen  aus der ganzen Welt und  nehmen es oftmals mit der Hygiene weniger genau“, sagt Marcin. Auch die Arbeitsatmosphäre sei viel schlechter als in Polen. Die Briten brachten sehr deutlich zum Ausdruck, dass sie Außenseiter waren und nicht zu ihnen gehörten.

„Für mich war die Zahl der Migranten dort immer ein Problem. Außerdem war es nicht nur in den Wohnungen oder Hotels, die wir reinigten schmutzig, sondern auch auf den Straßen und in den Höfen. Nur die Zentren, die Innenstädte, sind gepflegt, der Rest ist weit mehr heruntergekommen als in Polen. Und welcher in England arbeitende Pole kann es sich leisten, eine Wohnung im Zentrum zu mieten? Wir wohnten in einem heruntergekommenen Außenbezirk der Stadt. Dort lebten auch Engländer, aber man sah vor allem Afrikaner, Inder und Araber auf den Straßen. Das war mir einfach nicht geheuer“, erinnert sich Maria.

Sie gingen 2013 nach England und kehrten Ende 2022 nach Polen zurück. „Wir hatten schon immer geplant, zurückzukehren. Allerdings wurde unsere Rückkehr durch die Pandemie beeinflusst, die unsere berufliche Tätigkeit zum Erliegen brachte und die Lebenshaltungskosten in die Höhe trieb, wir zahlten immer mehr Miete“, berichtet Marcin. „Unsere monatlichen Ausgaben stiegen um bis zu 800 Pfund pro Person.”

„Die derzeitigen Lebenshaltungskosten in Großbritannien erlauben es den Polen nicht, Ersparnisse beiseitezulegen, sodass es keinen Sinn macht, dort zu arbeiten, denn das Geld war eigentlich das Einzige, was uns und die meisten unserer Bekannten nach England lockte. Alles andere ist aus meiner Sicht eher von Nachteil, ich würde dort niemals dauerhaft leben wollen“, sagt Marcin. Er fügt hinzu, dass Auswandern in der Regel mit harter Arbeit verbunden ist. Und selbst wenn das Geld dafür entschädigt, hat man oft nicht die Kraft, noch etwas anderes zu tun, einmal das Land zu erkunden, in dem man sich befindet, soziale Kontakte zu knüpfen usw. Es ist unmöglich, auf Dauer so zu leben.

Flucht vor der Diktatur

Zofia lebte 28 Jahre lang in Kanada, ihr Mann 30 Jahre. Sie arbeiteten beide im Gesundheitswesen, sie als Krankenschwester, er als Krankenpfleger. Jahrelang führten sie in Kanada ein finanziell komfortables Leben. Die Gehälter waren hervorragend, dazu kamen zahlreiche Vergünstigungen. Dieses komfortable Leben wurde durch die Pandemie beendet.

„Der unmittelbare Grund, weshalb wir nach Polen zurückkehrten, war, dass wir uns nicht gegen Covid impfen lassen wollten. Uns drohte der Verlust des Arbeitsplatzes, unsere Tochter und unser Sohn konnten ohne die Impfung ihr Studium nicht fortsetzen, und unsere jüngste Tochter hätte nicht an außerschulischen Aktivitäten wie Schwimmen oder Volleyball teilnehmen können“, sagt Zofia.

„Wir wissen viel über die Viren, unsere ganze Familie hat Covid durchgemacht, meinen Mann hat es hart getroffen, aber wir haben alle überlebt, und wir haben beschlossen, dass die Impfung für uns keinen Sinn macht. Wir hatten nicht das Gefühl, dass es aus gesundheitlichen Gründen notwendig ist, wir wollten unsere Gesundheit nicht riskieren, denn wir kannten Menschen, bei denen es nach der Impfung zu Komplikationen kam oder die dadurch sogar gestorben sind. Wir hatten Familie in Polen, jemanden, zu dem wir zurückkehren konnten. Wir verkauften, was nicht nach Polen gebracht werden konnte, nahmen den Rest unserer Sachen mit nach Hause und begannen ein neues Leben“, berichtet Zofia.

Sie sagt, die Pandemie entblößte das wahre Gesicht der kanadischen Regierung. Für viele Polen war das ein Weckruf, sie erkannten, dass sich die Regierung zu sehr in das Leben der Menschen einmischt und versucht, die Bürger zu kontrollieren. Bisher war es ihr und ihrem Mann gelungen, die Familie und ihre Kinder zu schützen, z. B. vor dem Druck der Gender-Ideologie, aber in der Frage der Impfung beschloss die Regierung, Zwang anzuwenden. Die meisten ihrer Freunde haben sich impfen lassen, einige haben ihren Arbeitsplatz verloren, andere haben von sich aus aufgegeben.

„In Kanada haben sich diese ideologischen Veränderungen schrittweise vollzogen, wir haben uns an viele Dinge langsam gewöhnt, die für viele alltäglich geworden sind. Wir haben unsere eigenen Ansichten, und so haben wir auch unsere Kinder erzogen, aber die Gender-Ideologie und die frühe, oft ziemlich rabiate Sexualisierung der Kinder ließ sich sogar in einer katholischen Schule nicht vermeiden, wo im Juni neben der kanadischen Flagge immer eine Regenbogenfahne auf dem Dach wehte“, erzählt Zofia.

„Als ich im Sommer 2021 an den Protesten gegen die Impfpflicht in Kanada teilnahm, traf ich eine Lehrerin, die kurz davor war, ihre Stelle an der Schule zu kündigen, weil das, was die Regierung in das Bildungssystem einführen wollte, im Widerspruch zu ihren Überzeugungen stand und sie es nicht mehr unterrichten konnte. Eine andere befreundete Lehrerin erzählte mir, dass die Vermittlung der Gender-Ideologie in den öffentlichen Schulen mehr Gewicht hat als der Mathematik- oder Englischunterricht”, erinnert sich Zofia.

Das erste Jahr nach ihrer Rückkehr nach Polen war schwierig, denn es galt, einen Job und eine Wohnung zu finden, aber sie schafften es, alles unter Dach und Fach zu bringen. Heute haben Zofia und ihr Mann Arbeit und fühlen sich in Polen zu Hause. Hier denken die meisten Menschen wie sie, und so erziehen sie auch ihre Kinder. Auch Zofias Kinder, einschließlich der bereits erwachsenen, denen die Eltern ihre Entscheidung freigestellt hatten, wo sie leben wollten, haben den Weg zurück nach Polen gefunden.

Bekannte, zu denen sie viele Jahre lang keinen Kontakt hatten, sind ebenfalls aus Kanada nach Polen zurückgekehrt und leben jetzt nur 20 Kilometer von ihnen entfernt. So führt das Schicksal zerbrochene Bande wieder zusammen. „Ich glaube, dass alles, was in meinem Leben geschieht, nicht dem Zufall, sondern der Vorsehung zu verdanken ist und meinem Wohl dient. Und so ist es auch mit unserer Rückkehr nach Polen“, schließt Zofia.

Kindererziehung in Polen

Anna und ihr Mann lebten 17 Jahre lang in England, zuerst fand ihr Mann dort Arbeit, dann sie. Sie hatten nicht geplant, so lange im Ausland zu leben, aber es ergab sich anders. „Wir sind vor einem Jahr nach Polen zurückgekehrt, und der unmittelbare Grund waren die Kinder. Wir wollten sie dort nicht großziehen – wegen der völlig anderen Kultur und Mentalität. Britische Realität ist, dass es schwierig ist, Kinder im Glauben zu erziehen. Unsere älteren Töchter gingen zur Schule und hatten Religionsunterricht, aber in diesem Fach wurden alle Religionen in einen Topf geworfen und als eine Option unter verschiedenen Legenden und Märchen behandelt. Wir sind auch wegen der Familie, die in Polen lebt, zurückgekommen“, sagt Anna.

Die Anpassung an die Heimat nach so vielen Jahren der Abwesenheit fiel ihr leicht. Sie und ihr Mann hatten immer geplant zurückzukehren. „Wir haben uns beide in England nicht wohlgefühlt, also verlief die Rückkehr problemlos“, berichtet Anna.

Sie und ihre Familie waren in ihrer Gegend in England bei Weitem nicht die einzigen Polen, die heimkehrten. „Wir hatten acht Jahre lang eine Wohnung von Engländern gemietet, die acht Wohnungen besaßen und sie alle an Polen vergeben hatten, weil sie überwiegend gute Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Als wir abreisten, räumten alle Polen ihre Wohnungen und kehrten in die Heimat zurück“, erinnert sich Anna. Der britische Vermieter fragte sogar, ob die Polen noch auf die Inseln kommen würden, aber das ist in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich. Wegen des Brexits ist es einfacher, in der EU zu arbeiten, und der Verdienst in England ist nicht mehr so attraktiv wie früher. Ähnliche Summen lassen sich auch anderswo verdienen, sogar in Polen.

Anna ist mit ihrer Familie von England nach Rzeszów gezogen. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, fragte die Lehrerin ihrer Tochter, ob sie Angst hätten, so nahe an der Grenze zu leben. Aber ihrer Meinung nach ziehen es die Menschen in solchen Situationen vor, näher bei ihrer Familie zu sein, nicht weit weg, um sich nicht ständig fragen zu müssen, was mit ihren Angehörigen passiert. Das ist auch ein Beweggrund, der die Entscheidung zur Heimkehr beeinflussen kann.

Dieser Trend zur Rückkehr ist eine Chance, das Schrumpfen der polnischen Gesellschaft zu stoppen. Nach dem EU-Beitritt verließen 180.000 Menschen die Woiwodschaft Podlachien an der litauischen Grenze (10 Prozent der Bevölkerung) und 110.000 die Woiwodschaften Vorkarpatenland an der ukrainischen Grenze und Ermland-Masuren an der Grenze zum Kaliningrader Gebiet (8,5 bzw. 7,5 Prozent).

Das beste Mittel gegen Auswanderung ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass junge Polen dauerhaft in ihrem Heimatland bleiben wollen. Teilweise ist das bereits passiert, aber es gibt noch viel zu tun.

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