Amber Gold Affäre. Freibrief zum Betrug

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Erste Bilanz. Hauptverdächtige vom Gefängniswärter geschwängert.

Der Sommer 2012 stand in Polen ganz im Zeichen der Amber Gold Affäre. Knapp drei Jahre später zieht die Staatsanwaltschaft in Łódź, die in diesem Fall ermittelt, eine erste Bilanz ihrer Tätigkeit. Mit einer Anklageerhebung wird bis Mitte 2015 gerechnet.

Nach Meinung der Ermittlungsbehörde war Amber Gold mit Sitz in Gdańsk von Anfang an eine Schattenbank, deren Geschäftsmodell auf einem Anlagesystem mit Schneeballcharakter beruhte. Amber Gold gelang es, Anlagen von etwa 18 Tausend Personen mit einem Gesamtwert von 851 Mio. Zloty (ca. 213 Mio. Euro) anzuhäufen. Die 2009 gegründete Firma gab vor, auf Anlagegold und andere Edelmetalle spezialisierte Investmentfonds zu betreiben, und versprach den zumeist älteren Anlegern bis zu 16,5 Prozent Zinsen pro Jahr zu zahlen. Physisches Gold besaβ sie dabei lediglich im Wert von knapp 10 Mio. Zloty (ca. 2,5 Mio. Euro). Die Schattenbank meldete am 13. August 2012 Konkurs an.

Zur Amber Gold Affäre empfehlen wir Ihnen die folgende Sendung.

Inzwischen wurden 19 Tausend Zeugen, dabei handelt es sich zum größten Teil um Geschädigte, verhört. Die schriftlichen Unterlagen umfassen 51 Tausend Blatt. 28 Fachleute aus dem Beratungsunternehmen Ernst &Young erstellten im Auftrag der Staatsanwaltschaft ein 230 Seiten starkes Gutachten. Demnach wurde Amber Gold nicht von auβen finanziert, bekam keine Zuschüsse, Subventionen oder Kredite und betrieb keine Geldwäsche.

Amber Gold betrieb 60 Filialen im ganzen Land, beschäftigte rund 400 Mitarbeiter und war Hauptgesellschafter, und somit wichtigster Investor, der Fluglinien OLT Express Germany, OLT Express Poland sowie OLT Express Regional, die 2011 im groβen Stil ins Fluggeschäft in Polen eingestiegen sind. Obschon nur einige Monate am Markt, waren diese Billigfluglinien zu einem ernsten Konkurrenten der größten polnischen Fluggesellschaft LOT geworden, und hatten sie zu deutlichen Preissenkungen auf parallel betriebenen Strecken gezwungen.

Regisseur Wajda, Oberbürgermeister Adamowicz, Tusk-Junior

Amber Gold und seine Fluglinien machten durch eine auffällige Werbekampagne, sowie das Sponsern des von Andrzej Wajda gedrehten Spielfilms über Lech Wałęsa und des Zoos von Gdańsk, von sich reden. Nach dem Konkurs von Amber Gold gab Wajda das erhaltene Geld zurück.

Bis heute bleibt die Frage offen, wieso man diese Schattenbank so lange gewähren lieβ. Die Firma betrieb Bankgeschäfte ohne eine Banklizenz zu besitzen. Die von ihr versprochenen Riesengewinne legten einen Betrug nahe. Obwohl schon im Jahr 2010 die polnische Finanzmarktaufsicht KNF (Komisja Nadzoru Finansowego) auf ihrer Webseite vor Amber Gold warnte, genoss das Unternehmen die oft zur Schau getragene Gunst, vor allem, der Danziger Regionalpolitiker der regierenden Bürgerplattform (PO) mit Oberbürgermeister Paweł Adamowicz an der Spitze.

Der Sohn von Ministerpräsident Donald Tusk, Michał (Jahrgang 1982), war PR-Berater der Fluggesellschaft OLT Express. Diese Tätigkeit wurde als möglicher Interessenskonflikt in Bezug auf seine Beschäftigung beim Flughafen Gdańsk ausgelegt, mit dem OLT die Landegebühren aushandelte. Hat Tusk Junior die als streng gehütetes Handelsgeheimnis geltende Höhe der Landegebühren anderer Fluggesellschaften auf dem Flughafen Gdańsk an OLT weitergegeben? Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen ihn vor einem Jahr ein.

Kriminelle Vergangenheit? Macht nichts

Auch Hinweise auf die zwielichtige Vergangenheit des Amber Gold Gründers und Geschäftsführers Marcin P. (Jahrgang 1984) blieben knapp vier Jahre lang unbeachtet. Bereits im Jahr 2008 war er (unter dem Namen Marcin Stefanski) wegen Veruntreuung mit seinem damaligen Finanzdienstleistungsunternehmen Multikasa zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Daraufhin nahm er den Namen seiner Frau an. Im Juni 2010 wurde P.  dann wegen Krediterschleichung bei der GE Bank in 57 Fällen verurteilt, die Strafe wurde wiederum zur Bewährung ausgesetzt.

Trotz aller Indizien und Hinweise blieben die Finanzmarktaufsicht, die Polizei, die Staatsanwaltschaft und alle anderen Behörden zwischen 2009 und 2012 untätig, lieβen Anleger in die Falle laufen.

Wie man heute weiβ, haben Marcin P. und seine Frau Katarzyna, die sich ebenfalls seit August 2012 in Untersuchungshaft befindet, etwa 300 Mio. Zloty (gut 75 Mio. Euro) der Anlagegelder für die Finanzierung der Fluglinien verbraucht. Etwa 214 Mio. (gut 53 Mio. Euro) verschlang die Firma (Gehälter, Werbung, Kauf von Liegenschaften). Das Ehepaar zahlte sich selbst Gehälter in Höhe von knapp 19 Mio. Zloty (nicht ganz 5 Mio. Euro) aus.

Ende März 2015 wurde gemeldet, dass Katarzyna P., die sich im Frauen-Untersuchungsgefängnis in Łódź befindet, eine Liaison mit einem der Gefängniswärter eingegangen ist und von ihm geschwängert wurde. Dennoch will die Staatsanwaltschaft beim bevorstehenden Haftprüfungstermin für sie, wie für ihren Mann, um die Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere drei Monate nachsuchen.

Da es sich bei Amber Gold um keine Bank handelte, unterlagen die Einlagen somit auch keinen staatlichen Sicherheitsgarantien. Die Veräuβerung der durch den Konkursverwalter sichergestellten Werte (eine umfangreiche Autoflotte, Edelmetalle im Wert von knapp 5 Mio. Euro, zwei Liegenschaften des Ehepaares P.) werden den Anlegern die entstandenen Verluste lediglich zu einem kleinen Bruchteil ersetzen können.

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