Auf einen Blick.
Auch dieses Mal haben wir für Sie alle verfügbaren Angaben zusammengetragen und eine umfangreiche grafische Darstellung der Wahlergebnisse vorbereitet. Wir hoffen, dass Sie sich dadurch in der politischen Landschaft Polens besser zurechtfinden werden.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten alle Teilnehmer der polnischen Parlamentswahlen vom 13. Oktober 2019 die Ergebnisse des Urnengangs. Es waren die dritten Wahlen in Polen innerhalb von elf Monaten. Im November 2018 gab es Kommunalwahlen, im Mai 2019 Europawahlen, im Oktober 2019 Parlamentswahlen, und im Mai 2020 erwarten uns noch die Präsidentschaftswahlen.
Aus allen drei bisherigen Entscheidungen ging die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit als klare Siegerin hervor.
Sie konnte ihre absolute Mehrheit im Sejm behaupten und hat zudem knapp 2,5 Millionen Stimmen, im Vergleich zu den Parlamentswahlen von 2015, hinzugewonnen. Mit insgesamt gut acht Millionen Stimmen hat sie alle bisherigen Wahlrekorde gebrochen.
Doch die Logik des in Polen geltenden D’Hondt-Verfahrens zum Umrechnen der Wählerstimmen in Abgeordnetenmandate hat verursacht, dass sie kein einziges zusätzliches Mandat erhielt. Recht und Gerechtigkeit hatte und hat 235 Sitze im 460-köpfigen Sejm.
Ein zweiter Wermutstropfen ist die verfehlte Mehrheit in der oberen Kammer des Parlaments, dem 100-köpfigen Senat. Das Regieren wird für Recht und Gerechtigkeit dadurch etwas umständlicher, aber ein ernsthaftes Hindernis ist es nicht.
Die gröβte Oppositionspartei Bürgerplattform/Bürgerkoalition hat die fünften Wahlen in Folge verloren und knapp zwanzig Prozent Stimmen weniger auf sich vereinigen können als der Wahlsieger Recht und Gerechtigkeit. Ein Trostpflaster ist für sie die verfehlte Mehrheit von Recht und Gerechtigkeit im Senat.
Die Linke, bestehend aus den Postkommunisten von der Allianz der Demokratischen Linken (SLD), der „Frühling”-Partei des homosexuellen Aktivisten Robert Biedroń und der radikal sozialistischen Hipster-Partei „Razem“ („Gemeinsam“), hat nach vier Jahren Abwesenheit den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ins Parlament geschafft. Die Gefahr jedoch ist groβ, dass durch den Ehrgeiz der drei Parteichefs und deren Machtkampf die 49-köpfige Linke-Fraktion in drei parlamentarische Gruppen ohne Fraktionsrechte zerfallen wird.
Die Bauernpartei kann sich freuen, dass es ihr gelang im letzten Augenblick dem Sensenmann zu entkommen. Sie ist mit 30 Abgeordneten wieder dabei. Sie hat die Reste der Kukiz-Antisystembewegung des Rockmusikers Paweł Kukiz unter ihre Fittiche genommen. Es ist eine wahrlich exotische Allianz, aber sie erwies sich als überlebensfähig, obwohl niemand, auch die Betroffenen selbst, sagen kann wofür dieses Gebilde politisch eigentlich steht. Die Bauernpartei, einst die Königin der ländlichen Gebiete, hat sich von Recht und Gerechtigkeit das Zepter entreiβen lassen und vegetiert heute am Rande der polnischen Politik vor sich hin.
Grund zur Freude hat auch die radikalnationale Konföderation, die es zum ersten Mal ins Parlament geschafft hat, aber, und das ist der Wermutstropfen, mit nur elf Abgeordneten kein Fraktionsstatus haben wird. Es ist ein Sammelbecken von politischen Wirrköpfen: Anarcholiberalen, Nationalisten, Polit-Clowns, darunter manche alten politischen Haudegen, die zweifelsohne versuchen werden das Parlament „aufzumischen“.
Alles in allem ist infolge der Wahlen von 2019 ein sehr pluralistischer Sejm entstanden. Alle wichtigen politischen Richtungen sind in ihm vertreten. Zugleich ist die Regierbarkeit des Landes durch die absolute Mehrheit von Recht und Gerechtigkeit gewährleistet. Außerdem gab es eine für polnische Verhältnisse hohe Wahlbeteiligung von gut 61 Prozent. So gesehen war es eine gute Wahl.
Bitte ggf. vergrößern.
Sehenswert auch:
Prozente, Mandate, Sieger, Verlierer. Kommunalwahlen 2018.
Prozente, Mandate, Sieger, Verlierer. Europawahl 2019 in Polen.
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