„Gelungenes Attentat auf Hitler hätte für Polen nicht unbedingt von Vorteil sein müssen“.
Aus Anlass des 70. Jahrestages des fehlgeschlagenen Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze bei Rastenburg (heute Gierłoż bei Kętrzyn) im ehem. Ostpreussen, veröffentlichte die Polnische Pressagentur PAP ein Gespräch mit Dr. habil. Piotr M. Majewski, Historiker an der Warschauer Universität, von 2008 bis 2011 Berater von Ministerpräsident Donald Tusk und seit Juni 2009 stellvertretender Direktor des von Tusk angeregten Museums des Zweiten Weltkrieges in Gdańsk/Danzig. Nachstehend die Besprechung der wichtigsten Thesen von Dr. Majewski:
● Der Tod Adolf Hitlers im Sommer 1944 hätte Veränderungen für alle kämpfenden Seiten mit sich gebracht, aber es hätten keineswegs nur Veränderungen zum Besseren sein müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verschwörer, die ja die Macht in Deutschland übernehmen wollten, den Krieg gegen die UdSSR und den Krieg gegen den Westen sehr unterschiedlich betrachtet haben. Gewiss, aus moralischen Gründen widersetzten sie sich den Verbrechen Hitlers, u. a. der Vernichtung der Juden und den Morden an der Zivilbevölkerung im Osten, doch im Prinzip hatten sie nichts gegen die Eroberung des Ostens einzuwenden. Nach der Beseitigung Hitlers hofften sie einen günstigen Friedensvertrag abschlieβen zu können.
● Ein gelungenes Attentat auf Hitler hätte für das besetzte Polen nicht unbedingt von Vorteil sein müssen, weil die Verschwörer bei den späteren Friedensverhandlungen darauf hinwirken wollten, die eroberten und ins Reich eingegliederten polnischen Gebiete zu behalten: den sogenannten polnischen Korridor mit Grudziądz, Bydgoszcz, Toruń, die ehemalige Freie Stadt Danzig, dazu das sogenannte Wartheland (Groβpolen mit Poznań und Lodz), den östlichen Teil Oberschlesiens, die an Ostpreuβen angeschlossenen polnischen Gebiete mit Ciechanów/Ziechenau. Die Attentäter wollten im Osten auf nichts verzichten, sondern lediglich einen Waffenstillstand mit den westlichen Alliierten erwirken.
☻ Noch in den 50er Jahren wurde Stauffenberg von den meisten Deutschen als Verräter angesehen. Es gab damals keinen Kult um die Verschwörer des 20. Juni. Das ist eine verhältnismäβig neue Erscheinung, die erst in den 80er Jahren entstand und nach und nach immer gröβere Ausmaβe annahm. Das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung, weil die Attentäter ein schreckliches Regime herausgefordert haben. Das Problem besteht jedoch darin, dass die Verschwörer und auch Stauffenberg selbst Nazis gewesen sind, die anfänglich Hitler akzeptiert haben. Das sehen wir beispielsweise in den Briefen Stauffenbergs aus dem Krieg gegen Polen im September 1939.
● Die Deutschen gedenken zu recht des Attentates vom 20. Juli 1944, aber man sollte nicht vergessen, dass die Attentäter Leute waren, die früher die nationalsozialistische Politik umgesetzt haben. Die heutigen Deutschen wollen sich mit der Opposition gegen Hitler identifizieren, aber sie müssen darauf Acht geben, dass dabei nicht ein falsches Bild entsteht von einem Volk in Opposition zu Hitler, dass von einer Verbrecherclique regiert wurde. So ist es nicht gewesen, denn die meisten Deutschen unterstützten das verbrecherische Regime und seine Anführer, so Prof. Piotr M. Majewski.
RdP