Kein Pardon 1. Polens Strafrecht wird verschärft

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Täter sollen sich fürchten.

Die vom Sejm verabschiedete Änderung des Strafgesetzbuches sieht unter anderem die Einführung einer absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe mit feststehender Strafverbüßung bis zum Tode, die Abschaffung der Verjährungsfrist für bestimmte Sexualstraftaten und die Beschlagnahmung von Fahrzeugen, deren Fahrer Alkohol oder Drogen konsumiert haben, vor.

Besserer Schutz durch höhere Strafen

Wie die Verfasser der Strafrechtsnovelle betonen, besteht das Hauptziel der Änderungen darin, den Schutz vor schwersten Straftaten zu verstärken: Gegen die sexuelle Freiheit, insbesondere zum Nachteil von Minderjährigen, bei Verkehrsdelikten, die im Alkoholrausch oder unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln begangen werden. Der Weg zu mehr Schutz führt über höhere Haftstrafen. In erster Linie durch die Anhebung der Strafobergrenze von 15 auf 30 Jahre, die Abschaffung der gesonderten Haftstrafe von 25 Jahren und die Einführung einer absoluten lebenslangen Haftstrafe. Bis jetzt galt ein dreistufiges System: Haftstrafen bis zu 15 Jahren, dann 25 Jahre und anschließend die Höchststrafe lebenslänglich.

Die Verschärfung der strafrechtlich auferlegten Verantwortung stößt auf Kritik derjenigen, die Haftstrafen auch als eine erzieherische Maßnahme betrachten. Sie betonen, dass beides, sowohl die Unvermeidlichkeit von Strafen als auch die Resozialisierung von Gefangenen, wichtig ist. Aus diesem Grund halten sie beispielsweise die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters für Jugendliche von 15 auf 14 Jahre für einen Fehler. Sie argumentieren, dass die Inhaftierung eines Straftäters in einem so jungen Alter nicht sicherstellt, dass er in Zukunft keine Straftaten mehr begeht. Die Gefahr bestehe, dass er, wenn er unter älteren Straftätern lebt, deren Verhaltenskodex übernimmt.

Das Justizministerium entgegnet, dass die Änderungen nur für schwerste Straftaten und Wiederholungstäter vorgesehen sind, und in solchen Fällen müsse das Wohl der Bevölkerung an erster Stelle stehen. Dementsprechend beginnt die Vorstellung der neuen Regelungen auf der Website des Ministeriums mit zwei Aussagen, die gleichsam das Motto der Reform darstellen: „Kriminelle müssen sich fürchten“ und „Die Polen müssen sich sicher fühlen“. Das Ministerium beruft sich dabei auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CBOS, die zeigt, dass 69 Prozent der Polen strengere Strafen für Straftäter befürworten.

Die absolute lebenslange Freiheitsstrafe

Vor einigen Jahren erlangte der Fall des Serienmörders und Pädophilen Mariusz Trynkiewicz Berühmtheit. Er wurde 1989 zu viermal lebenslänglich verurteilt. Nach einer Amnestie hat man das Urteil jedoch in 25 Jahre Gefängnis umgewandelt. Im Jahr 2014 sollte Trynkiewicz nach Verbüßung seiner Strafe entlassen werden. Das Gericht befand jedoch, dass der Mann immer noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, und ordnete eine Sicherheitsverwahrung in der Sonderanstalt in Gostynin an. In den folgenden Jahren wurde er wiederholt wegen Besitzes von Kinderpornografie zu insgesamt sechs Jahren Gefängnis verurteilt, zuletzt im Jahr 2021.

Die Novelle ändert diese absurde Situation. Sie sieht eine lebenslange Freiheitsstrafe, ohne die Möglichkeit sie auf Bewährung auszusetzen, vor, wenn die Umstände der Tat sowie das Verhalten und der Charakter des Täters darauf hindeuten, dass seine Entlassung eine ständige Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Freiheit anderer darstellt. Die lebenslange absolute Haft droht auch Wiederholungstätern, die erneut einen Mord, eine schwere Sexualstraftat oder einen Terroranschlag begehen.

Die Frist, nach der „einfach“ lebenslänglich Verurteilte eine bedingte Entlassung beantragen können, wurde von 25 auf 30 Jahre verlängert. Die Bewährungszeit bei einer bedingten Entlassung währt dann bis zum Tode. Aktuell sind es noch 10 Jahre. Die Verjährungsfrist für Mord wird ebenfalls heraufgesetzt: von 30 auf 40 Jahre.

Straftaten ohne Verjährungsfrist

Sexualstraftaten haben sehr oft tragische Folgen für das Leben der Opfer. Ein Beitrag zur Überwindung solcher traumatischen Situationen ist die Bestrafung des Täters, die es dem Opfer leichter macht, sich nicht mehr selbst die Schuld am Erlebten zu geben. Bislang war diese Möglichkeit durch die Verjährungsfrist eingeschränkt. Bei Pädophilen beispielsweise waren es fünf Jahre, in besonders schweren Fällen 10 Jahre. Da es sich bei den Opfern um Kinder handelt, ist die Straftat oft schon verjährt, wenn sie das Erwachsenenalter erreicht haben und psychisch reif genug sind, Anzeige zu erstatten.

Nach Inkrafttreten der Novelle wird der Katalog der Straftaten, die nicht verjähren, um die Vergewaltigung eines Minderjährigen unter 15 Jahren erweitert. Andere pädophile Straftaten verjähren erst, wenn das Opfer das Alter von 40 Jahren erreicht hat. Das Strafmaß für Pädophilie wird verschärft: Die Vergewaltigung eines Kindes wird mit 5 bis 30 Jahren Gefängnis oder lebenslänglicher Haft bestraft. Gegenwärtig geht ein Verurteilter für 3 bis 15 Jahre ins Gefängnis.

Ebenfalls erhöht wird die Strafe bei Sexualdelikten gegen Erwachsene. Wurden sie mit besonderer Grausamkeit begangen, gibt es keine Verjährungsfristen mehr. Eine Vergewaltigung, bei der der Täter besondere Grausamkeit an den Tag legte, wird mit 5 bis 30 Jahren Gefängnis oder lebenslänglicher Haft bestraft (heute sind es bis zu 15 Jahre Gefängnis). Die gleiche Strafe gilt, wenn auf die Vergewaltigung eine schwere Körperverletzung folgt (derzeitiges Strafmaß liegt zwischen 2 und 12 Jahren).

Die Novelle enthält des Weiteren neue qualifizierte Vergewaltigungstatbestände, z. B. Vergewaltigung einer Schwangeren, Vergewaltigung unter Bedrohung mit einer Waffe oder Vergewaltigung mit Bild- und Tonaufzeichnung der Tat. Diese werden derzeit mit 2 bis 12 Jahren Haft bestraft, nach der Änderung mit 3 bis 20 Jahren.

Bei Trunkenheit am Steuer wird das Auto konfisziert

Für viel Aufregung sorgt die neue Bestimmung, die neben dem Entzug der Fahrerlaubnis vorsieht, dass ein Fahrzeug ab 1,5 Promille Alkohol im Blut des Fahrers beschlagnahmt werden muss. Das geschieht unabhängig davon, ob er einen Verkehrsunfall verursacht hat oder nicht. Die Polizei beschlagnahmt den Wagen umgehend für bis zu sieben Tage. In dieser Zeit entscheidet der Staatsanwalt über die Sicherstellung des Fahrzeugs und das Gericht muss die Beschlagnahme sanktionieren.

Kritiker weisen darauf hin, dass sich die Rolle des Gerichts in diesem Fall darauf beschränkt, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft automatisch zu akzeptieren, ohne dass es zu einem Prozess kommt. Unter besonderen Umständen kann das Gericht jedoch von der Anordnung des Entzugs des Fahrzeugs abweichen.

Für Wiederholungstäter im Straßenverkehr, die unter Alkoholeinfluss fahren, gibt es kein Pardon. Sie verlieren das Fahrzeug bereits, wenn der Test einen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,5 Promille ergibt. Ist ein Wagen nicht das alleinige Eigentum eines Fahrers, ordnet das Gericht die Hinterlegung des Fahrzeuggegenwertes durch den Fahrer an. Die Wertermittlung des Fahrzeugs erfolgt ohne Einbeziehung von Sachverständigen. Sollte das Fahrzeug zusätzlich in einen Unfall verwickelt gewesen sein, wird der Wert vor diesem Ereignis angesetzt.

Die Strafen für das Fahren unter Alkoholeinfluss werden ebenfalls verschärft, z. B. bei schweren Verletzungen oder dem Tod eines Unfallopfers drohen bis zu 16 Jahre Gefängnis (derzeit bis zu 12 Jahre). Auch Mehrfachtäter bei solchen Unfällen müssen mit einer schweren Strafe rechnen. Bei wiederholter Trunkenheit am Steuer droht ihnen automatisch eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung, bei Todesfolge sind es mindestens 5 Jahre.

Das Ministerium verteidigt diese Bestimmungen und weist darauf hin, dass Betrunkene am Steuer eine tödliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Es präsentiert auch eine Liste von EU-Ländern, in denen Fahrzeuge wegen Trunkenheit am Steuer beschlagnahmt werden. Dazu gehören Dänemark, die Schweiz, Frankreich, die Slowakei, Belgien, Finnland. Überall dort hat diese Maßnahme zu einem deutlichen Rückgang bei der Anzahl dieser Delikte geführt.

Protestierende Strafrechtler wurden nicht erhört

Mehr als 170 Strafrechtswissenschaftler appellierten an Staatspräsident Andrzej Duda, sein Veto gegen die Änderung einzulegen. Ihrer Ansicht nach „führt dieser Gesetzentwurf das polnische Strafrecht in die kommunistische Ära zurück“, da er die Resozialisierung als eines der Ziele der Bestrafung ausschließt und eine absolute lebenslange Freiheitsstrafe einführt, „die nach der Europäischen Menschenrechtskonvention verboten ist“. Die Verfasser weisen auch darauf hin, dass die Novelle Verfahrensmängel aufweist, da die Änderungen einiger Bestimmungen erst nach der ersten Lesung des Entwurfs in einer Sejm-Sitzung eingebracht wurden.

Der Staatspräsident teilte diese Einwände nicht und hat die Strafrechtsnovelle am 2. Dezember 2022 unterzeichnet. Sie wird am 3. März 2023 in Kraft treten.

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