Kaczyński und die Juden

image_pdfimage_print

Ob für oder gegen Kaczyński, beide verfeindeten Lager der polnischen Juden fordern gleichermassen die Achtsamkeit des mächtigen Politikers ein.

Die einen preisen das heutige Polen als ein gutes Land für die Juden, die anderen warnen vor dem angeblich sprunghaft wachsenden Antisemitismus.

Dazu veröffentlichen wir ein Gespräch mit Jonny Daniels, erschienen im Wochenmagazin „wSieci“ („imNetzwerk“) vom 28.August 2017.

Jonathan Daniels, geboren 1986, lebte bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr in London, zog dann nach Israel. Er studierte den Talmud an einer Jeschiwa Hochschule, leistete Wehrdienst in der israelischen Armee und studierte anschlieβend Politologie an der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv. Daniels arbeitete als Assistent und Berater in verschiedenen höheren Behörden der israelischen Verwaltung. Eine Zeit lang beriet er Unternehmen, die in Israel Fuβ fassen wollten.

Mit dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda.

Vor einigen Jahren kam er nach Polen, ins Land seiner Vorfahren, die in dem Zweitausend-Seelen-Städtchen Dobrzyń nad Wisłą (Dobrin an der Weichsel), ungefähr sechzig Kilometer südöstlich von Toruń/Thorn lebten. Während der polnischen Teilungen gehörte Dobrzyń zu Russisch-Polen, in der Zwischenkriegszeit 1918-1939 zu Polen. Juden stellten zeitweise bis zu einem Drittel der Stadtbevölkerung. Die meisten von ihnen, darunter Daniels Vorfahren, wanderten um 1900 in die USA aus.

Mit Pater Tadeusz Rydzyk. Daniels pflegt den jüdisch-polnischen Dialog als Gast des Senders Radio Maryja und seines Fernsehablegers TV Trwam.

Daniels hat inzwischen seinen Lebensmittelpunkt nach Polen verlegt. Er gründete die Stiftung „From the Depths“ („Aus den Tiefen“) mit dem Ziel, diejenigen Polen, die Juden während der deutschen Besatzung retteten (worauf die Todesstrafe für die ganze Familie stand, siehe das Beispiel der Familie Ulma) ausfindig zu machen und zu ehren. Daniels, mit seinen exzellenten Kontakten in die höchsten Kreise der Politik in beiden Ländern, gehört inzwischen zu den wichtigsten Mittlern zwischen Polen und Israel.

War der von Ihnen organisierte Besuch jüdischer Führungspersönlichkeiten bei Jarosław Kaczyński (am 19. August 2017 – Anm. RdP) eine Reaktion auf den Brief der Vorsitzenden einiger jüdischer Gemeinden, in dem behauptet wird, in Polen hätten „antijüdische Haltungen“ an Bedeutung gewonnen?

Nein, das Gespräch war schon vorher geplant. Es traf sich jedoch gut, dass es gerade in dieser Zeit stattfand, denn so konnten wir, teilweise wenigstens, die unangenehmen Folgen des unklugen Vorgehens der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden abschwächen.

Treffen Jaroslaw Kaczyńskis mit Vertretern polnischer Juden am 19. August 2017.

Unklug?

Wie überall, gibt es zweifelsohne auch in Polen Antisemitismus, aber man sollte das rechte Augenmaβ behalten. Wir sitzen hier in einem koscheren Warschauer Restaurant. Um uns herum sind Juden mit Kipas. Niemand sieht beunruhigt aus. Die Tür zum Lokal ist weit geöffnet, das Schild über der Tür gibt eine eindeutige Auskunft darüber, was sich hier befindet. Es gibt keine Bewachung, weil sie nicht notwendig ist. So etwas ist mittlerweile in Paris und in vielen anderen westeuropäischen Städten unvorstellbar. Dort haben die Juden allen Grund Angst zu haben und sie haben Angst.

Wie steht es also um den Antisemitismus in Polen?

Er ist unvergleichbar schwächer und unvergleichbar weniger rabiat als in Westeuropa. Zudem, er nimmt nicht zu, wie es die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden behaupten.

Antisemitische Schmiererei.

Hat Polen also kein Problem mit dem Antisemitismus?

Kein Problem, das kann man natürlich nicht sagen. Auch die Regierung macht diesbezüglich Fehler, aber das bezieht sich ausschlieβlich auf die Öffentlichkeitsarbeit. Polen ist ein leichtes Ziel. In Sachen internationale Öffentlichkeitsarbeit hinkt es Israel und den amerikanischen Juden dreiβg Jahre hinterher.

Die polnische Regierung reagiert zu spät und zu schwach auf solche, eher seltenen Zwischenfälle, wie der öffentlichen Verbrennung einer Judenstrohpuppe in Wrocław (am

Staatspräsident Andrzej Duda an der Klagemauer in Jerusalem. Januar 2017.

19. November 2015, der Täter wurde zu drei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt – Anm. RdP) oder den Überfall von Fuβballhooligans auf israelische Sportler (am 3. August 2017 in Płońsk bei Warschau, die zwei Opfer erlitten leichte Schürfwunden, die Täter wurden ermittelt und warten auf ihren Prozess – Anm, RdP).

In Zeiten von Twitter muss man sofort die 140 Zeichen mit einer eindeutigen moralischen Verurteilung veröffentlichen. Wenn es Opfer gibt, muss man sie spätestens am nächsten Tag besuchen. Es geht hier jedoch nur um Öffentlichkeitsarbeit. Wenn aber jemand der jetzigen nationalkonservativen polnischen Regierung Antisemitismus vorwirft, dann ist das eine niederträchtige Lüge.

Warum niederträchtig?

Weil die jetzige Regierung nicht nur nicht antisemitisch ist, sie gehört zu den pro-israelischsten auf unserem Planeten. Ich kann nicht über alles reden was ich weiβ, aber beide Staaten arbeiten auf vielen Gebieten auβergewöhnlich eng zusammen und begegnen sich mit groβer Achtung. Ich möchte unterstreichen: das gilt gerade für die jetzige Regierung von Recht und Gerechtigkeit.

„Die jetzige polnische Regierung gehört zu den pro-israelischsten auf unserem Planeten.“ Ministerpräsidentin Beata Szydło und Amtskollege Benjamin Netanjahu in Tel Aviv. November 2016.

Sehr bezeichnend ist eine Episode von vor einigen Jahren. Ich habe damals eine Reise von Knesset-Abgeordneten nach Polen organisiert und wollte nach den offiziellen Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz noch eine halboffizielle Begegnung mit ranghohen polnischen Politikern arrangieren. Die damalige Tusk-Regierung war daran nicht sonderlich interessiert. Zu dem Treffen kamen schließlich ganz wenige Abgeordnete der regierenden Bürgerplattform, dafür aber sehr viele Sejm-Abgeordnete von Recht und Gerechtigkeit, sogar Europa-Abgeordnete dieser Partei, darunter der jetzige Staatspräsident Andrzej Duda. Das gab mir zu denken.

Das bedeutet noch lange nicht, dass man in Polen nicht mit Antisemitismus in Berührung kommt.

In der ersten Jahreshälfte 2017 haben einhundertfünfzigtausend israelische Touristen Polen besucht, meistens auβerhalb von Holocaust-Gedenkfeierlichkeiten. Es kamen auch achtundsiebzig israelische Journalisten. Polen ist dicht dran das touristische Reiseland Nummer eins der Israelis zu werden.

Weil es in Polen keine islamistischen Terroranschläge gibt?

Ja, das auch, aber kämen diese Menschen nach Polen, wenn es hier auf Schritt und Tritt eine antisemitische Stimmung gäbe? Außerdem kommen viele von ihnen ein zweites oder drittes Mal. Polen ist ein gutes Land für Juden.

Das „Tel Aviv“ in der Poznańskastrasse. Eines von zwanzig jüdischen Restaurants in Warschau.

Warum also schreiben die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden einen Brief, in dem sie das Gegenteil behaupten?

Vor allem deswegen, weil es Personen sind, die sich tief in dem innerpolnischen politischen Konflikt auf der Seite der jetzigen Opposition engagiert haben. Es genügt ihre Facebook-Profile einzusehen, um festzustellen, dass sie keine Gelegenheit auslassen ihre tiefe Ablehnung gegenüber der jetzigen Regierung kundzutun.

Handelt es sich also ihrerseits um eine Instrumentalisierung des Antisemitismus-Vorwurfs im Kampf gegen Recht und Gerechtigkeit?

Das was sie tun, ist nicht nur dumm, sondern auch gefährlich. Sie schreien „Der Wolf kommt, der Wolf kommt!“ und es gibt keinen Wolf. Wenn sie so weiter machen, und der Wolf sollte eines Tages doch auftauchen, wird niemand ihr Rufen ernstnehmen.

Wird ihr Rufen von den Juden im Westen nicht schon heute ernstgenommen?

Unser Treffen mit Jarosław Kaczyński hat die Wirkung des Briefes weitgehend reduziert. Viele einflussreiche jüdische Medien, wie zum Beispiel das amerikanische Wochenmagazin „The Forward“, haben sowohl das Gespräch, wie auch unsere entschiedene Kritik an diesem Schreiben wahrgenommen. Ein unguter Beigeschmack ist leider geblieben.

Dabei muss man berücksichtigen, dass es zwei wichtige Zentren der jüdischen Meinungsbildung gibt: Israel und die USA. In Israel überwog lange Zeit eine antipolnische Stimmung. Das hat sich geändert.

Ist es in den USA anders?

Leider ja. Bei den amerikanischen Juden war die antipolnische Stimmung immer deutlich stärker und aggressiver als in Israel. Jetzt wird dieser Unterschied noch gröβer, weil sich die Stimmung in Israel zum Besseren wendet, während sie in Amerika unverändert bleibt.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Tatsache, dass viele amerikanische Juden mit der liberalen Linken sympathisieren und das macht sie automatisch zu Gegnern der jetzigen Regierung in Warschau.

In Israel dagegen hat die Linke sehr an politischer Bedeutung verloren. Dort ist der Brief kaum auf Resonanz gestoβen, in Amerika hingegen schon. In den USA wird er kolportiert und seine Aussagen werden verschärft durch entsprechende Kommentare der Anti-Defamation League (Antidiffamierungsliga – Anm. RdP). Sie ist immer noch eine der einflussreichsten jüdischen Organisationen, zu der jedoch immer mehr Juden wegen ihrer zunehmenden Linkslastigkeit auf Distanz gehen.

Zudem wissen die meisten amerikanischen Juden nicht, dass die Gemeinden nicht mehr die einzigen Vertreter der polnischen Juden sind. Das jüdische Leben in Polen wird immer vielfältiger.

Das alljährliche zehntägige Festival der Jüdischen Kultur in Kraków sucht seinesgleichen in der Welt.

Sie wissen wahrscheinlich auch nicht, dass die polnischen Juden heute politisch genauso gespalten sind, wie die gesamte polnische Gesellschaft, nämlich in Anhänger und Gegner der jetzigen Regierung. Der Brief der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden erweckt den Eindruck, eine solche Spaltung gäbe es nicht. Wurde er geschrieben und veröffentlicht, weil seine Verfasser der von ihnen ungeliebten Regierung zusetzen wollten?

Die Geldgeber der jüdischen Gemeinden in Polen sind fast ausschlieβlich linksliberale amerikanische Juden. Das wirkt sich eindeutig auf die politische Haltung der Vorsitzenden aus. Solche Attacken unter dem Vorwand der „Verteidigung der Juden“, wie der erwähnte Brief, sind so gesehen sehr lohnend. Man erhält leichter und auch mehr Geld, wenn die Geber überzeugt sind, dass das was sie sponsern bedroht ist.

Wie gesagt, die jetzige Warschauer Regierung ist auβerordentlich juden- und israelfreundlich, aber sie muss auf die gelegentlich vorkommenden antijüdischen Vorfälle entschiedener reagieren. Dieser Mangel diente den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden als Vorwand.

Das Verfassen des Briefes war eine politische Aktion mit dem Ziel die Aufmerksamkeit internationaler Medien zu wecken und ein Signal zu senden: „polnische Juden werden bedrängt“. Ansonsten hätten die Autoren ihren Brief nicht publik gemacht, und schon gar nicht sofort nachdem sie ihn abgeschickt hatten, ohne eine Antwort abzuwarten. Offensichtlich wollten sie der internationalen Öffentlichkeit einreden Kaczyński sei ein Antisemit, was einfach nicht wahr ist.

Staastpräsident Lech Kaczyński (1949-2010) mit dem Oberrabiner Polens Michael Schudrich (Mitte) am 21. Dezember 2008 in der Warschauer Synagoge am Beginn des Chanukkafestes.

Jarosław Kaczyński und sein ums Leben gekommener Bruder Lech hatten schon in ihrer Kindheit einige jüdische Freunde.

Ich sage es mit allem Nachdruck: wenn etwas den Antisemitismus in Polen erwecken kann, dann sind es solche Aktionen, wie der Brief der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden. Das wird deren Gewissen belasten.

Ihre Stiftung „From the Depths“ zeichnet Polen aus, die während des Krieges Juden gerettet haben. Woher diese Idee?

Bei meinen Reisen durch Polen bin ich ins Dorf Rekówka (ca. 150 Kilometer südlich von Warschau – Anm. RdP) gekommen. Nach dem Krieg war dort bisher kein Jude vor mir gewesen. In Rekówka haben deutsche Gendarmen zwei Familien, darunter sechs Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren, für das Verstecken von Juden ermordet. Ich war schockiert, weil niemand bis dahin den Nachkommen dieser Menschen auch nur ein offizielles Wort des Dankes gesagt hat.

Wie sind die Auszeichnungen Ihrer Stiftung im Vergleich zu dem Titel „Gerechter unter den Völkern“, den die Gedenkstätte Yad Vashem vergibt zu sehen?

Wir rivalisieren nicht mit Yad Vashem. Es soll einfach mehr Möglichkeiten geben solch tapfere Menschen zu würdigen.

RdP

Rede von Jarosław Kaczyński

am 18. September 2017 bei einer Gedenkveranstaltung im Warschauer Zoo. Dessen Direktor Jan Żabiński (1897 – 1974) und seine Frau Antonina (1908 – 1971) haben während der deutschen Besatzung einige Hundert Juden aus dem Warschauer Ghetto herausgeschmuggelt, sie auf dem weitgehend zerstörten Zoo-Gelände versteckt, um sie von hieraus an geheime Orte auf dem Land zu bringen. Dafür wurden sie 1965 mit dem Titel Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet. Bei der Gedenkveranstaltung, unter Beteiligung offizieller Vertreter Israels, wurden, meistens posthum, Polen geehrt, die Juden während der deutschen Besatzungszeit gerettet haben.

Kaczyński sagte unter anderem:

„Der Holocaust war ein unvergleichlich schweres Verbrechen, ein Ausdruck des Bösen in seiner radikalsten Form. Dieses absolut Böse trat in der Geschichte viele Male hervor, aber im zwanzigsten Jahrhundert zeigte es sein schrecklichstes Antlitz. Dem absolut Bösen widersetzte sich etwas, was man als das absolut Gute bezeichnen kann, ein Heldentum höchster Güte, das vor dem Tod nicht zurückwich. (…)

Der Antisemitismus von heute nimmt andere Formen an als früher. Der heutige Antisemitismus äuβert sich in der Feindschaft zum Staat Israel. Sie ist charakteristisch für die Linke und einige andere politische Kräfte in Europa. (…)

Jemand hat gesagt, Israel sei ein kleiner Staat. Nein, Israel ist nicht klein. Israel hat bewiesen, dass nicht das Territorium, sondern die Kraft des Geistes und die Entschlossenheit von der Gröβe eines Staates Zeugnis ablegen. Israel ist auf seine Weise ein groβer Staat. Diese Gröβe ist der Beweis für die Kraft des Geistes aber auch der Beweis dafür, dass es über uns eine höhere Kraft gibt, die über alles entscheidet, denn ohne sie könnte Israel nicht existieren. Das ist das Wunder unserer Zeit. Der heutige Antisemitismus richtet sich gegen Israel. (…)

Es ist sehr gut, dass es eine Stiftung gibt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Würdigung derer, die diesen Heldenmut aufgebracht haben fortzusetzten und zu erweitern. Die Stiftung „From the Depths“ will, dass viele, die nicht die höchste Genugtuung erfahren haben, bisher nicht als Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet wurden, doch noch aus der Vergessenheit geborgen und geehrt werden. (…)

Antonina und Jan Żabiński.

Diejenigen, die der Opfer des Holocaust gedenken, erinnern auch an jene, welche Menschen vor dem Holocaust retteten. Es waren die tapfersten der Tapferen. Dafür gebietet ihnen ewiger Ruhm. Ich verneige mich vor ihnen.“

Brief der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden in Polen an Jarosław Kaczyński

Warszawa, den 4. August 2017

Herrn Jarosław Kaczyński Vorsitzender von Recht und Gerechtigkeit

Geehrter Herr,
mit groβer Beunruhigung nehmen wir in den letzten Monaten eine Zunahme von antisemitischen Haltungen in Polen wahr, eine Brutalisierung der Sprache sowie von Verhaltensweisen, von denen viele gegen unsere Gemeinschaft gerichtet sind.

Mit besonderer Empörung erfüllen uns die Ereignisse der letzten Tage, die die Befürchtung wecken, dass wir in einem für uns immer weniger sicheren Umfeld leben. Ein wachsender Antisemitismus in der öffentlichen Debatte, die dem Senator Marek Borowski vorgehaltene jüdischen Herkunft seiner Vorfahren durch die Journalistin des Polnischen Fernsehens Magdalena Ogórek, das Auftauchen faschistischer Fahnen und Parolen von ORN Falanga bei staatlichen Feierlichkeiten; dies alles weckt schlimmste Erinnerungen. Vor einigen Tagen verbreitete der Abgeordnete von Recht und Gerechtigkeit, Herr Bogdan Rzońca (fonetisch Schontza – Anm. RdP) über die sozialen Medien seine absurden, menschenverachtenden Gedankengänge: „(…) Ich überlege warum es, trotz des Holocaust, so viele Juden unter den Befürwortern der Abtreibungen gibt.“ Das zeigt einen vollkommenen Mangel an Sensibilität sowie ein Unverständnis dafür, was das Wesen des Holocaust war.

Dafür gibt es unsererseits keine Billigung. Polen ist unsere Heimat und wir wollen hier nicht unerwünscht sein, doch immer öfter haben wir diesen Eindruck. Der Vorfall von vor einigen Tagen, als israelische Sportler aus antisemitischen Beweggründen tätlich angegriffen wurden, zeigt, dass der Antisemitismus aus der Sphäre der Worte in die Sphäre der Taten übergeht. Wir haben Angst um unsere Sicherheit und unsere Zukunft in Polen, wir wollen keine Wiederholung des Jahres 1968.

Als Sie vor vierzehn Monaten bei den Gedenkfeierlichkeiten zum Jahrestag der Beseitigung des Ghettos von Białystok gesprochen haben empfanden wir Ihre Worte als ermutigend. Wir haben gehofft, dass Sie unsere Gemeinschaft unterstützen werden, dass wir Ihrerseits auf Verständnis sowohl für unsere Geschichte als auch für unsere jetzige Lage treffen würden.

Daher wäre für uns, Ihre starke und entschiedene Verurteilung des Antisemitismus, eine Stellungnahme zu unseren Gunsten, besonders wichtig.

Mit Hochachtung

Anna Chipczyńska, Vorsitzende der Jüdischen Glaubensgemeinde in Warschau
Lesław Piszewski, Vorsitzender des Verbandes der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen

RdP