26.06.2022. Die Freiheit zu töten ist keine Freiheit

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Am 23. Juni schmetterte der Sejm den Gesetzentwurf zur Einführung faktisch uneingeschränkter Abtreibungen in Polen mit einer überwältigenden Mehrheit ab. Den Vorschlag ausgearbeitet hatte die Bürgerinitiative „Legale Abtreibung ohne Kompromisse“. Mit 201.000 Unterschriften versehen, wurde er im Parlament eingereicht und kam auf die Tagesordnung.

Die polnische Verfassung sieht vor, dass Gesetzentwürfe von Bürgerinitiativen, die innerhalb von maximal drei Monaten von mindestens 100.000 Menschen unterschrieben wurden, im Sejm debattiert werden müssen. Dabei entscheiden die Abgeordneten, ob sie den Entwurf in zweiter (Ausschüsse) und dritter Lesung (Abstimmung im Plenum) behandeln oder ihn bereits in der ersten Lesung (Debatte und Abstimmung im Plenum), wie jetzt geschehen, verwerfen wollen.

Die Initiative hielt, was ihr Titel versprach. Sie öffnete einer Abtreibungspraxis, die durch nichts beeinträchtigt werden sollte, Tür und Tor. Abtreibung auf Wunsch bis zur 12. Woche, ohne jegliche Beratung. Danach fast genauso, denn die Kriterien wurden bewusst verschwommen definiert und der Katalog war umfangreich: „Gefahr für das Leben der Frau“, „für ihre körperliche und geistige Gesundheit“, „falls das Ergebnis der pränatalen Diagnostik“ oder „andere medizinische Hinweise“ „auf das Vorliegen von Entwicklungsstörungen oder genetischen Anomalien des Fötus hinweisen“ sollten. In Anbetracht solch dehnbarer Begriffe wie „geistige Gesundheit“, „andere medizinische Hinweise“, „Entwicklungsstörungen“ hätte der ungeborene Mensch auch nach der 12. Schwangerschaftswoche, bei entsprechendem Wunsch, keine Überlebenschance gehabt.

Zwar gilt die Schwangerschaft (noch) nicht als Krankheit, dennoch sollte deren Beseitigung vom Nationalen Gesundheitsfonds erstattet werden. Bereits 13-jährige Mädchen sollten entscheiden dürfen, ob sie abtreiben wollen.

Im 460-köpfigen Sejm stimmten 265 Abgeordnete gegen die Gesetzesinitiative, 175 dafür, 4 enthielten sich der Stimme, 16 waren abwesend. Mit seinem klaren Votum für das Leben hat das Parlament alles beim Alten belassen. Nur eine Vergewaltigung und eine akute Gefahr für das Leben der Mutter rechtfertigen in Polen eine Abtreibung. Abtreibende Frauen werden strafrechtlich nicht verfolgt, dafür aber, zumindest theoretisch, alle, die ihnen dabei zur Hand gehen.

Seit dem Verfassungsgerichtsurteil vom Oktober 2020 genießen nicht nur gesunde, sondern auch kranke und behinderte ungeborene Menschen in Polen ein uneingeschränktes Recht auf Leben. Kurzum: Was nach der Geburt gilt, gilt auch vorher. Führen Kranke und Behinderte etwa ein „lebensunwertes“ Leben und dürfen deswegen schon vorab eliminiert werden? Der Stolz, mit dem so „fortschrittliche“ Länder wie Dänemark verkünden, man habe „erfolgreiche Arbeit“ geleistet und es geschafft, dass praktisch keine Kinder mehr mit dem Down- oder Turner-Syndrom zur Welt kommen, lässt jeden empfindsamen Menschen schaudern.

Ein noch größeres Schaudern empfindet man beim Lesen von Berichten über brutale „Fließband-Abtreibungen“ in Sowjet-Russland kurz nach seiner Entstehung. Die erste Regierung der Welt, die vor fast genau einhundert Jahren ein uneingeschränktes Töten von ungeborenen Kindern erlaubte, war nämlich das verbrecherische bolschewistische Regime.

Nach Polen brachten die deutschen Besatzer die uneingeschränkte Abtreibung auf Wunsch. Am 9. März 1943 wurde diese, vorher bereits im Rahmen der deutschen Vernichtungspolitik praktizierte, Verfahrensweise, durch einen „Führererlass“ offiziell sanktioniert. Deswegen haben die heutigen Appelle und Initiativen, dass bevorzugt Ärzte in Deutschland bei polnischen Frauen Abtreibungen vornehmen sollen (wollen), einen wahrlich makabren Beigeschmack. Für deutsche Frauen übrigens standen auf Abtreibung im Dritten Reich bis zu fünfzehn Jahre Zuchthaus oder die Todesstrafe.

So gesehen, war der 23. Juni 2022 in Polen ein guter Tag für die Menschlichkeit. Gewiss, der Staat darf und soll sich nicht in das Intimleben der Bürger einmischen, solange sexuelle Vorlieben einvernehmlich und nicht mit Kindern praktiziert werden.

Doch die Abtreibung ist eine ganz andere Sache. Hier wird kein Blinddarm herausoperiert, sondern ein Schmerz empfindender, werdender Mensch mit einer eigenen DNA, Fingerabdrücken und anderen nur für ihn typischen Wesensmerkmalen durch Tötungspillen, tödliche Injektionen, das Heraussaugen oder Herausreißen, um sein Leben gebracht. Es handelt sich um eine Verletzung einer Grundfreiheit, des Rechts auf Leben der Schwächsten. Und der demokratische Staat ist dazu da, um die Schwächsten zu schützen.

RdP