18.01.2023. Leo bleibt nicht in Lodz

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Es gibt die Logik der Schützengräben und es gibt die Logik der politischen Kabinette. Nur manchmal, für eine gewisse Zeit, gelingt es, sie miteinander in Einklang zu bringen.

Es geschah am 1. März 2022. Wenige Tage nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, hat eine ukrainische Aktivistin den damaligen britischen Premierminister Boris Johnson auf einer Pressekonferenz in Warschau zur Rede gestellt. Sie warf ihm vor, er habe Angst nach Kiew zu fahren, wo Bomben auf ukrainische Kinder fallen. Und die Nato wolle nicht für die Verteidigung der Ukraine kämpfen oder wenigstens ein Flugverbot für den ukrainischen Luftraum verhängen, um den Dritten Weltkrieg nicht herauszufordern.

Die Erwartung, die Nato würde sich auf einen Krieg mit der Atommacht Russland einlassen, galt sogar für die größten Freunde der angegriffenen Ukraine als unzumutbar. Außerdem ereignete sich der Zwischenfall in Warschau bereits einige Wochen vor der Entdeckung der russischen Kriegsverbrechen, die durch Butscha symbolisiert werden. Danach änderte sich im Westen die Einstellung zum Krieg. Boris Johnson reiste als einer der ersten westlichen Politiker nach Kiew, und sein Land wurde zu einem der wichtigsten Verbündeten der Ukraine, auch in Sachen Waffenlieferungen.

Eines hat sich sicherlich nicht geändert: Niemand im Westen, auch nicht Polen, will den Dritten Weltkrieg. Und das ist verständlich. Auch die Errichtung einer Flugverbotszone ist nach wie vor unmöglich.

Ansonsten ist es aber schon zur Regel geworden, dass die öffentliche Meinung den Politikern in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine stets deutlich voraus ist. Unter ihrem Druck verschiebt sich die Grenze dessen, was den Ukrainern gegeben werden kann, darf und soll. Leider geschieht das viel zu langsam, auch wenn die Angst vor Putins nuklearer Vergeltung mit jeder überschrittenen Schwelle abnimmt.

Nach fast einem Jahr des Krieges ist man bei Panzern aus westlicher Produktion angelangt. Wir in Polen überlegen nur noch, wie wir unsere Leopardpanzer am schnellsten den Ukrainern zukommen lassen können. Derweil grübeln die Deutschen darüber nach, ob sie sie aus eigenen Beständen abgeben und den anderen, so auch uns, erlauben sollen, diese Panzer bereitzustellen. Als Hersteller der Leos hat Deutschland das letzte Wort.

Die Logik des Zauderns prallt wieder einmal mit der Logik der Schützengräben und der in Kälte, Dunkelheit und Ruinen ausharrenden Ukrainer zusammen: „Lasst uns die Angreifer vertreiben und ihnen die Möglichkeit nehmen, Raketen auf unsere Köpfe abzuschießen. So bald wie möglich!“.

Jeder Tag, an dem in Berlin beraten wird, bedeutet weitere tote Soldaten und Zivilisten, mehr Waisen, mehr Menschen, die für ihr Leben traumatisiert sind, und solche, die sich entschließen zu flüchten.

Die Logiken der Kabinette und der Schützengräben können miteinander in Einklang gebracht werden. Was noch im Wege steht, ist der Widerstand des deutschen Bundeskanzlers, der von Polen, Frankreich, Holland, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, anderen Verbündeten und deutschen Politikern, auch aus seiner eigenen Regierung, unter Druck gesetzt wird. Am Ende seines schon zum Ritual gewordenen Zauderns wird Olaf Scholz nachgeben müssen.

Doch machen wir uns nichts vor. Dieser Einklang wird von kurzer Dauer sein und es wird so kommen, wie schon oft zuvor. In Anbetracht der Größe des ukrainischen Kriegsschauplatzes werden es zu wenige Panzer sein, und sie werden spät, vielleicht sogar zu spät kommen.

Der Verschleiß an Waffen und Munition ist auf der ukrainischen Seite gewaltig. Um den Sieg davontragen zu können, werden uns die Ukrainer schon bald um Kampfhubschrauber und Flugzeuge, um noch weiter reichende Kanonen und Raketenabschussvorrichtungen, womöglich gar um Kriegsschiffe bitten. So gesehen, blickt das deutsche Zaudern, Schwanken und Innehalten in eine große Zukunft.

RdP