10.05.2022. Vom polnischen Traum Russland loszuwerden

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Es kann sein, dass wir in Polen, und mit uns die Bewohner der ganzen Region zwischen Russland und Deutschland, bald den Moment erleben werden, von dem wir noch bis vor Kurzem nur träumen konnten. Den Augenblick, in dem wir sagen können: Die Sicherheit unsrerer Staaten und Nationen ist für eine oder vielleicht sogar mehrere Generationen nachhaltig gewährleistet. Voraussetzung dafür ist eine dauerhafte, tiefgreifende militärische, wirtschaftliche und politische Schwächung Russlands.

Alles nur Wunschträume? Eine gesunde Portion Skepsis ist bei solchen Gedankenspielen ist stets angebracht, doch spricht vieles dafür, dass die erhoffte Entwicklung eintreten könnte.

Als US-Präsident Joe Biden sich am 26. März 2022 in Warschau, vom Redemanuskript abweichend, auf Putin bezogen zu dem Ausruf hinreißen ließ:Um Gottes willen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben“, da sah sich das Weiße Haus genötigt diese Aussage abzumildern. „Man strebe keinen Regimewechsel in Russland an“, hieß es im Nachhinein.

Nur einen Monat später eröffnete sich uns ein Epochenwechsel in der amerikanischen Politik, als Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin, nach ihrem Besuch in Kiew, freimütig die „Kriegsziele“ Amerikas umschrieben, und niemand in Washington machte Anstalten etwas daran zu korrigieren.

„Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es nicht mehr das tun kann, was es jetzt in der Ukraine tut.“ „Wir wollen nicht, dass sie ihre Fähigkeiten schnell wieder aufbauen können.“ (Austin). „Eine unabhängige Ukraine wird viel länger bestehen, als Wladimir Putin auf der politischen Bühne. Unsere Unterstützung für die Ukraine wird weitergehen (…) bis wir den endgültigen Erfolg sehen.“ (Blinken). Europäsche Polkitiker zogen nach. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach Klartext: „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz übte sich in Eindeutigkeit: „Es wird keinen russischen Diktatfrieden geben. Putin wird den Krieg nicht gewinnen.“

Von der Leyen, Scholz, Macron & Co. möchten, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert, würden danach aber am liebsten wieder politisch und wirtschaftlich mit Russland ins Gespräch und ins Geschäft kommen. Ganz nach dem altbekannten Motto und Vorwand: Russland kann und darf nicht isoliert werden.

Biden und seine Leute wollen viel mehr. Amerika soll den Ukraine-Krieg gewinnen. Die Amerikaner sprechen heute so, wie sie während des Zweiten Weltkrieges über Deutschland und Japan gesprochen haben. Sie wollen den geopolitischen Rahmen umbauen, in dem seit Ende des Zweiten Weltkrieges die Unabhängigkeit der Polen, Balten, Ukrainer und anderer Völker des sogenannten Zwischeneuropas stets zur Disposition stand, wenn es um gute Beziehungen und Geschäfte mit der Sowjetunion, bzw. Russland ging. Russland, wie es jetzt ist, ob mit oder ohne Putin, soll geschwächt und isoliert werden, so Washington.

Das entspricht voll und ganz den polnischen Wahrnehmungen, Erwartungen und Erfahrungen. Sie besagen, dass jegliche engeren, vielschichtigen, auf Vertauen in den Partner beruhenden Beziehungen mit dem heutigen Russland sehr gefährlich sind. Alles, was Gegenstand der Beziehungen ist, kann zu einem Zeitpunkt, der den Russen passt, und zu einem von ihnen festgelegten Zweck gegen uns verwendet werden. Alles. Vom Handel mit Äpfeln und Fleisch, über die Anwesenheit russischen Kapitals in Polen bis hin zum kleinen Grenzverkehr und den Feierlichkeiten zu wichtigen Jahrestagen.

Polens nationalkonservative Regierung hielt sich seit 2015 konsequent an diese Sichtweise. Es gab und gibt für sie keine bessere Option, als die erwähnten Risiken zu minimieren. Je weniger Handel wir treiben, je weniger wir kooperieren, umso besser für uns. Wenn ein Partner nur böse Absichten im Schilde führt, sollten wir uns so weit wie möglich von ihm fernhalten. Fazit: Man muss Politik gegenüber Russland betreiben, aber man sollte keine Politik mit Russland machen.

Das Jahr 2022 könnte, neben Daten wie 1918 (Wiedererlangung der Unabhängigkeit), 1920 (das Aufhalten des bolschewistischen Vormarsches auf Europa vor den Toren Warschaus), 1945 (die Sowjets zwingen Polen den Kommunismus auf) oder 1989 (Ende der Sowjetherrschaft in Polen) in die Geschichtsbücher eingehen und den Beginn einer neuen Ära markieren. Das Jahr 2022, ein Jahr ab dem Europa nicht mehr in ewiger Angst vor Russland, dessen Einfluss, seinen Manipulationen und Intrigen, und schließlich den von Moskau angezettelten verbrecherischen Kriegen leben muss.

Es gilt, nach dem für den Kreml verlorenen Ukraine-Krieg Russland in seine Grenzen weit im Osten zu drängen, sowohl geografisch, wie auch politisch. Die Amerikaner sehen das richtig und hoffentlich bleiben sie dabei. Eine Chance von historischer Bedeutung tut sich auf und eine einmalige Gelegenheit, die nicht verpasst werden sollten.

RdP