Windparks im Sumpf

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Saubere Energie, schmutzige Geschäfte.

Immer mehr Windräder ragen aus der polnischen Landschaft. Ende 2014 gab es im Land 37 Windparks mit 627 Windrädern, die 3,5% des in Polen erzeugten Stroms herstellten.

Wie sehr die saubere Energie durch Korruption, Missachtung der Anwohner, übermäβige Lärmerzeugung und mangelnde technische Überwachung belastetet ist, das zeigte der Ende Juli 2014 veröffentlichte Prüfbericht der Obersten Kontrollkammer (Najwyższa Izba Kontroli – NIK).

Sitz der Obersten Kontrollkammer in der Warschuer Filtrowastrasse
Sitz der Obersten Kontrollkammer in Warschau

NIK ist der oberste polnische Rechnungshof, das höchste Organ der staatlichen Kontrolle im Staat und untersteht dem Sejm. Sie überprüft die Tätigkeit der Organe der Regierungsverwaltung, der Nationalbank, staatliche juristischer Personen und anderer staatlicher Organisationseinheiten unter den Gesichtspunkten der Legalität, der Wirtschaftlichkeit, der Zweckmäßigkeit und der Redlichkeit (nach Art. 203 der Verfassung) Die Oberste Kontrollkammer kann auch unter Legalitäts- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten die Tätigkeit anderer Organisationseinheiten und Wirtschaftsteilnehmer überprüfen, wenn diese Gelder und Vermögen des Staates oder der Gemeinden nutzen oder finanzielle Verpflichtungen zugunsten des Staates erfüllen.

Krzysztof Kwiatkowski, Chef der Obersten Kontrollkammer NIK
Krzysztof Kwiatkowski, Chef der Obersten Kontrollkammer NIK

Der Präsident der Obersten Kontrollkammer wird vom Sejm mit Zustimmung des Senats für sechs Jahre berufen. Er kann nur einmal erneut berufen werden. Den Posten bekleidet seit 2013 Krzysztof Kwiatkowski (geb. 1971, zwischen 2009 und 2011 Justizminister im Kabinett Tusk). Entgegen vielen Befürchtungen, auch die NIK werde, wie die Zentralbank, die Bankenaufsicht, der Landesrat für Rundfunk und Fernsehen und einige andre Institutionen, ganz und gar im politischen Kampf gegen die Opposition in den Dienst der Tusk-Regierung treten, bewahrte Kwiatkowski die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit des Obersten Rechnungshofes, der in seinen Prüfberichten immer wieder die Korruption und Unfähigkeit der Verwaltung brandmarkt.

Die Kontrolle der Windparks fand zwischen August 2013 und Februar 2014 statt in zehn Woiwodschaften. Sie umfasste 28 Gemeindeämter, 19 Landrats- und 19 Kreis-Bauaufsichtsämter.

Nachstehend, zusammengefasst die wichtigsten Feststellungen des Prüfberichtes.

1.Behörden missachten durchweg Beanstandungen der Anwohner

Keine der kontrollierten Gemeinden hat eine Volksbefragung in Sachen Unterbringung von Windparks durchgeführt, obwohl die Anwohner oft heftig dagegen protestiert haben. Entscheidungen wurden durch Abstimmungen in den Gemeinderäten gefällt. Zwar konnten die Anwohner ihre Argumente gegen einen Windpark in allen Phasen der Entscheidungsfindung vorbringen, doch ihre Beanstandungen wurden in keinem einzigen Fall berücksichtigt.

2. Bestechlichkeit

In 30% der kontrollierten Gemeinden wurden Windparks auf Parzellen errichtet, die Gemeinderatsmitgliedern, Bürgermeistern oder Angestellten der Gemeindeverwaltungen gehörten, Personen also die an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen waren. Interessenkonflikte und Korruptionswahrscheinlichkeit lagen in solchen Fällen auf der Hand.

3. Interessenkonflikte ohne Ahndung

Ein nicht kleiner Anteil von betroffenen Gemeinderatsmitgliedern hat sich aus Abstimmungen über die Errichtung von Windparks nicht ausgeschlossen, was sie nach Art. 25a des Gesetzes über kommunale Selbstverwaltung hätten tun müssen. Leider sieht das Gesetz in solchen Fällen keine Ahndung vor. NIK fordert eine diesbezügliche Änderung des Gesetzes.

4. Der Korruptionsmechanismus

80% der kontrollierten Gemeinden haben ihre Zustimmung zu einem Windpark davon abhängig gemacht, dass der Investor alle Planungsarbeiten für die Anlage finanziert und auβerdem Geldbeträge an die Gemeinde überweist. Das Erste verstöβt eindeutig gegen die geltenden Gesetzte, die solche Planungsarbeiten als alleinige Aufgabe der Gemeinde ansehen und private Finanzierungen ausschlieβen, damit Investoren Planungen nicht im eigenen Interesse beeinflussen können.

5. Lärm

In der polnischen Gesetzgebung ist der Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohngebieten nicht festgelegt. In einzelnen EU-Staaten gelten unterschiedliche Regelungen. Für Polen maβgeblich ist der zugelassene Lärmpegel. Die gesetzlich festgelegte Messmethode sieht solche Messergebnisse als verbindlich an, die bei Windstärken von bis zu 5 Meter pro Sekunde festgestellt wurden. Jedoch verursachen Windräder den gröβten Lärm bei Windstärken zwischen 10 und 12 Meter pro Sekunde, doch da wurde nicht gemessen.

6. Infraschall und Stroboskopeffekt

Auch hier sieht die Gesetzgebung keine Mindestwerte vor, deswegen wurden beide Erscheinungen in der Nähe von Windparks seitens staatlicher Stellen nicht erforscht.

7. Keine technische Überwachung

Die Kreis-Bauaufsichtsämter haben nur die Konstruktion der Windräder geprüft (Fundamente, Maste). Völlig undefiniert in der geltenden Gesetzgebung bleibt jedoch, wer und nach welchen Kriterien die Generatoren, die Rotoren samt Gondeln, die Getriebe, die Transformatoren, die Propellerflügel begutachten und zulassen soll. Alle diese Bestandteile der Windräder unterliegen bis heute keiner Überprüfung.

8. Im Baurecht unbekannt

Windräder sind dem polnischen Baurecht bis heute unbekannt. In den Baugenehmigungen tauchen sie als „freistehende Schornsteine und Masten“, als „elektroenergetische Strecken“ oder als „andere Bauten“ auf. Dementsprechend wurde in manchen Landesteilen eine Betriebszulassung verlangt, während in anderen nur die Anmeldung bei Fertigstellung für die Betriebsaufnahme genügte.

9. Verschandelte Landschaft

Das juristische Chaos führte, trotz vieler Proteste, zur Aufstellung von Windrädern in Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Sie werden für viele Jahre die Landschaft z. B. die Suwałki-Seenplatte im Nordosten des Landes verunstalten.

10. Ein Beispiel

Als exemplarisch beschreiben die Kontrolleure das Geschehen in der Dreitausendseelen-Landgemeinde Przerośl im Suwałkigebiet, in der Woiwodschaft Białystok. Der dortige Bürgermeister hat mit der spanischen Firma Gamesa Energia einen Vertrag über 691.000 Zloty (ca.170.000 Euro) abgeschlossen. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Gemeinde einen neuen Flächennutzungsplan mit Berücksichtigung der neuen Windparks auszuarbeiten. Von der Firma Eko-Energia bekam die Gemeinde 1,7 Mio. Zloty (ca. 415.000 Euro) für weitere Korrekturen im Flächennutzungsplan, dieses Mal zu Gunsten der Errichtung ihrer Windkraftanlagen. Die Folge: diese Windräder sollen in einer Entfernung von nur 200 m zu den Wohnhäusern aufgestellt werden. Die Gemeinde Przerośl liegt in einem Landschaftsschutzgebiet.
Der Kontrollbericht fordert die Regierung auf alle diese Miβstände zu beheben.

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