Die andere Facette der polnischen Migrationspolitik.
Polen verfolgt eine klare Politik: keine Migranten ins Land lassen, dafür Kriegsopfern und Flüchtlingen im Mittleren Osten direkt helfen. Über den vehementen polnischen Widerstand gegen die EU-Zwangsumverteilung von Migranten gab und gibt es in den deutschsprachigen Medien unzählige kritische Berichte. Über die humanitäre polnische Hilfe vor Ort vernimmt man so gut wie nichts.
Dabei lassen sich die Zahlen durchaus sehen. Die polnische Regierung hat 2017 umgerechnet knapp 88 Millionen Euro an verschiedene Stellen und Organisationen überwiesen, die das Leid der Menschen im Irak, in Syrien und dem Libanon lindern sollen.
Koordiniert werden die mannigfaltigen polnischen staatlichen und privaten humanitären Vorhaben im Ausland neuerdings von einer eigens im Dezember 2017 hierfür geschaffenen Dienststelle. Sie ist angesiedelt im Amt des Ministerpräsidenten (entspricht dem deutschen Bundeskanzleramt). Als erste Koordinatorin der polnischen humanitären Hilfe ist seither Beata Kempa tätig, Sejm-Abgeordnete und namhafte Politikerin der seit 2015 regierenden Vereinigten Rechten.
Geld aus Warschau
Der gröβte Teil der 88 Millionen Euro, nämlich 50 Millionen Euro, flossen 2017 von Warschau an die Europäische Investitionsbank (EIB) in einen neugegründeten Fonds, der den betroffenen Regionen zu Gute kommen soll. Polen ist hier der gröβte Geldgeber vor Italien (45 Millionen Euro), Slowakei (2 Millionen Euro), Slowenien (0,5 Millionen Euro) und Luxemburg (0,4 Millionen Euro).
Etwa 25 Millionen Euro gingen 2017 an den EU-Spezialfonds für Flüchtlinge, die in der Türkei Aufnahme gefunden haben. Der polnische Gesamtanteil an diesem Fonds beträgt 57 Millionen Euro. Die zweite Tranche soll 2018 überwiesen werden.
Etwa 5 Millionen Euro aus Warschau bekamen das Internationale Rote Kreuz und die Behörde des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge.
Knapp 8 Millionen Euro betrug 2017 die staatliche Unterstützung für die fünf polnischen Hilfsorganisationen, die im Mittleren Osten tätig sind. Diese Organisationen wiederum haben 2017 zusätzlich etwa 12 Millionen Euro polnischer Spendengelder im Mittleren Osten ausgegeben.
Von Familien in Polen zu Familien in Syrien
Die mit Abstand meisten Spenden für den Mittleren Osten, knapp 8 Millionen Euro, sammelte 2017 Caritas Polska, die Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche. Führend war hier deren Hilfsprogramm „Rodzina rodzinie“ („Von Familie zu Familie“).
Etwa sechzehntausend Einzelpersonen, Familien, Firmen, Pfarrgemeinden, Orden folgten dem Aufruf von Caritas Polska und verpflichteten sich, allein oder im Verein mit anderen, jeweils eine syrische Familie aus Aleppo regelmäβig mit monatlichen Spenden zu unterstützen.
Das Programm sieht vor, ein halbes Jahr lang jeden Monat umgerechnet ca. 120 Euro zu überweisen. Im zerstörten Aleppo kann eine Familie davon ihre elementarsten Bedürfnisse finanzieren. In derselben Zeit können Spender auch einen beliebigen, kleineren Betrag einzahlen, der zusammen mit anderen Kleinspenden zu einem „Familienpaket“ von 120 Euro gebündelt wird.
Jeden Monat erhalten knapp neuntausend Familien in Aleppo diesen Betrag von der Caritas Polska ausgezahlt. In der vollkommen zerstörten Stadt, in der es keine Energie- und keine Wasserversorgung mehr gibt, können sie dafür Trinkwasser und die teure Elektrizität aus privaten Stromgeneratoren zum Betreiben wenigstens einer Glühbirne und der Kochstelle kaufen. Dazu noch die einfachsten Lebensmittel.
Geld für Studenten, Wintersachen für Kinder
Mitte 2017 hat Caritas Polska ein weiteres halbjähriges Vorhaben in Aleppo begonnen. Achthundert Studenten aus den ärmsten Familien bekommen pro Monat 46 US-Dollar Beihilfe für Lehrbücher, Fotokopie-Kosten, Internetzugang, alles Dinge, die für dortige Verhältnisse sehr teuer sind. Zum Vergleich: wer in Aleppo Arbeit hat verdient zwischen 30 und 65 US-Dollar im Monat.
Die dritte gegenwärtige Maβnahme ist die Versorgung der Kinder mit Wintersachen. Sehr viele von ihnen laufen drauβen bei drei bis vier Grad über Null in leichten Flip-Flops herum, haben keinen Anorak.
Ende 2017 ist in Aleppo, dank Caritas Polska, die erste mobile Krankenstation aus Polen eingetroffen. Kosten, ungefähr 200.000 Euro.
Seit 2012 hat Caritas Polska im Mittleren Osten insgesamt neunzehn groβe Vorhaben durchgeführt. Darunter die mehrjährige Bezuschussung eines Krankenhauses in Damaskus, die Aktion „Milch für Kurdistan“, die Finanzierung der Arbeit von mehreren mobilen Krankenstationen im Nordirak, letzteres gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hl. Elisabeth in Bratislava in der Slowakei (dieses Projekt läuft derzeit noch), ebenso wurden mehrere Weihnachtspaket-Aktionen für Kinder in Flüchtlingslagern in der Türkei organisiert.
Milch für Aleppo
„Kościół w Potrzebie“ (fonetisch „Kostsiul w Potschebie“), der polnische Ableger des internationalen katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ bezuschusste mit 250.000 Euro an polnischen Spendengeldern den Wiederaufbau des Hl. Ludwig-Krankenhauses in Aleppo. Mit umgerechnet 300.000 Euro finanziert die Organisation das laufende Vorhaben „Milch für Aleppo“. Es kommt regelmäβig 2.800 Kindern zugute von der Geburt an bis zum 10. Lebensjahr.
Seit November 2017 werden Spenden für den Wiederaufbau einer Schule im syrischen Homs für 1.500 Kinder gesammelt. Zusammen mit der ungarischen Botschaft in Warschau finanzierte und verschickte die Organisation im November letzten Jahres 1.300 Weihnachtspakete für Kinder eines Flüchtlingslagers im kurdischen Erbil im Irak.
Wasser für Flüchtlinge
Polska Akcja Humanitarna (Polnische Humanitäre Aktion), das gröβte nichtkirchliche Hilfswerk Polens, ist seit 2012 in Syrien, in den Provinzen Idlib und Aleppo tätig. Die PAH beliefert 53 Flüchtlingslager mit frischem Wasser in Tankwagen, kümmert sich um die Leerung von Fäkaliengruben, besorgt die Müllabfuhr, baut Pumpstationen, Latrinen und dazugehörige Waschstellen. Verteilt Hygieneartikel. Beliefert Backstuben mit Mehl und Hefe. In türkischen Flüchtlingslagern finanziert die PAH Schulbusse, die Kinder zum Unterricht und wieder nach Hause bringen.
Wärme im Winter
Das Polskie Centrum Pomocy Międzynarodowej (fonetisch Mendsinarodowei – PCPM) – Polnisches Zentrum für Internationale Hilfe, ebenfalls eine nichtkirchliche Organisation, ist in den syrischen Flüchtlingslagern im Libanon tätig. Zwischen Oktober und Dezember 2017 zahlte es monatliche Beihilfen von 147 US-Dollar an 1.100 Flüchtlingsfamilien in der Provinz Akkar aus.
Die Menschen konnten so ihre provisorischen Unterkünfte abdichten, Wintersachen und Brennstoffe kaufen. Bei Temperaturen, die sich um null Grad bewegen eine lebensrettende Maβnahme. Sie wurde vom polnischen Auβenministerium bezahlt.
Alle geschilderten Aktivitäten sollen 2018 fortgesetzt werden.
Das PCPM betreibt in Akkar auch eine Grundschule für Flüchtlingskinder. In diese Schule fuhr am 13. Februar 2018, während seines zweitägigen Besuches im Libanon, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, um sich mit den polnischen Helfern zu treffen. Dort gab er auch bekannt, Polen werde 10 Millionen US-Dollar für den Bau von Feritighäusern für syrische Flüchtlinge in Akkar bis Mitte 2018 bereitstellen.
Den Straβenkindern von Akleppo helfen
Groβes haben der Franziskanerorden, der bereits in Aleppo einige Hilfsprojekte betreibt, und die Stadt Katowice vor. Das Vorhaben heiβt „Śląskie dzieciom z Aleppo“ („Die Woiwodschaft Schlesien den Kindern von Aleppo“) und sieht den Bau eines Waisenzentrums in der zerstörten Stadt vor.
Dort leben, oft auf der Straβe, bis zu dreiβigtausend Kinder, die ihre Eltern und nicht selten auch weitere Verwandte verloren haben. Für sie soll ein Tagesaufenthaltszentrum entstehen mit psychologischer Betreuung, Bildungsangeboten, vollwertiger Ernährung, ebenso sind ein Sportplatz und ein Schwimmbad geplant.
Kosten: etwa vier Millionen Zloty (knapp eine Million Euro). Die Spendenaktion läuft seit Januar 2018, getragen vom Franziskanerorden, der Stadt und der Diözese Katowice. Die ganze Summe dürfte bis Ende 2018 zusammenkommen. Gleichzeitig laufen die Planungsarbeiten. Die Bauarbeiten in Aleppo sollen Anfang 2019 beginnen.
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