9.07.2022. Es tut Polen gut, den Euro nicht zu haben

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Die meisten Polen haben sich weder durch den Ukraine-Krieg noch durch die hohe Inflation von ihrer Überzeugung abbringen lassen, dass der Euro nicht gut für sie und ihr Land wäre. Das geht auch aus den zwei neuesten, repräsentativen Meinungsumfragen von Ende Juni und Anfang Juli 2022 hervor. Etwa 65 Prozent der Befragten wollen die nationale Währung, den Zloty, beibehalten. Nur gut 25 Prozent sind dagegen, der Rest hat keine Meinung dazu.

Mit dieser Haltung erbringen die meisten Polen den Beweis dafür, dass sie vorerst dem gesunden Menschenverstand nicht abgeschworen haben. Und das, trotz einer ebenso naiven wie massiven Propaganda der EU-Enthusiasten, die wollen, dass das Land so schnell wie möglich und um jeden Preis der Eurozone beitritt.

In ihrer ablehnenden Haltung bestärkt wird diese Mehrheit durch ihre Beobachtungen diesseits und jenseits der Grenzen zu den drei Nachbarländern, die den Euro haben: zu Deutschland, zur Slowakei und zu Litauen. Vor allem die beiden letztgenannten Staaten, mit denen sich Polen besser vergleichen lässt als mit Deutschland, gelten als warnende Beispiele.

Wochenende für Wochenende packen Abertausende von Slowaken und Litauern in den grenznahen Orten ihre Autos bis unters Dach voll mit polnischen Lebensmitteln, Baustoffen und Haushaltsgeräten, weil all das bei ihnen durch die Bank teurer ist. Inwieweit ist tatsächlich der Euro schuld daran? Fest steht: „Als sie noch ihre eigene Währung hatten, sind wir zu ihnen einkaufen gefahren“.

Die Katastrophe des Euro-Staates Griechenland stets vor Augen, schauen die finanzpolitisch besser bewanderten Polen heute auf das Vereinigte Königreich. Dank des Pfunds gelingt es den Briten, die wirtschaftlichen Verluste infolge des Brexits erheblich abzufedern. Da sind auch noch Schweden und Dänemark. Beiden geht es blendend ohne den Euro, beide haben die große Finanzkrise von vor mehr als einem Jahrzehnt trockenen Fußes überwunden. Ebenso das benachbarte Tschechien macht sich ganz gut ohne den Euro.

Da Polen weiterhin über eine eigene Landeswährung verfügt, hat es auch eine Zentralbank, die ihren Namen verdient, die Polnische Nationalbank NBP mit ihrem wichtigsten Gremium, dem Rat für Geldpolitik. Damit verfügt Warschau über Instrumente, mit denen man, bei Bedarf, den Zloty stärken oder schwächen und die Höhe der Inflation selbstverantwortlich beeinflussen kann. Die Regulierung der Geldmenge und der Leitzinsen sind beileibe keine Allheilmittel, aber generell und umso mehr in einer geldpolitisch so turbulenten Zeit wie der heutigen sind sie auf jeden Fall sehr hilfreich.

Länder, die der Eurozone beigetreten sind, haben sich dieser eigenständigen Instrumente entledigt. Und was nun? Nun müssen sie machtlos, geduldig und hinnehmend auf die Entscheidungen der weit entfernten, allmächtigen Europäischen Zentralbank warten.

In den europaweiten geldpolitischen Debatten ist viel die Rede vom Missmut deutscher Sparer und dem Risiko des Zusammenbruchs der maroden italienischen Staatsfinanzen. Der Renditeabstand zwischen deutschen Staatsanleihen und denen des hoch verschuldeten Italiens hatte sich zuletzt, allein infolge der Ankündigung einer sehr bescheidenen Straffung der lockeren EZB-Geldpolitik, ausgeweitet. Es kam zu einem weiteren Zinsanstieg für 10-jährige italienische Staatsanleihen.

Aber wer macht sich bei der EZB groß Gedanken über die konkreten geldpolitischen Belange Estlands, Litauens, Lettlands, der Slowakei, Sloweniens oder Kroatiens, das am 1. Januar 2023 den Euro einführen wird?

Von den Logenplätzen außerhalb des Euroraums, in Warschau, Prag, Kopenhagen, Stockholm, London, wird man mit Interesse beobachten, wie die EZB, die seit 2016 den Zinssatz für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte bei 0,00 Prozent hält, die Quadratur des Kreises zu lösen gedenkt. Die Inflation in den Ländern der Eurozone schwankt extrem. Sie reichte von 20,1 Prozent in Estland, 18,5 Prozent in Litauen, 16,8 Prozent in Lettland, über 8,7 Prozent in Deutschland, 8,5 Prozent in Spanien, 8,1 Prozent in Portugal bis, am anderen Ende der Skala, hin zu 5,8 Prozent in Frankreich und auf Malta. Im Eurozonen-Durchschnitt lag sie im Mai 2022 bei 8,1 Prozent (alle Angaben laut Eurostat).

Was also wird die EZB in den kommenden Monaten tun? Wird sie die Geldpolitik stark straffen, einschließlich einer drastischen Anhebung der Leitzinsen, um das Leiden Estlands, Litauens und Lettlands, die vom Albtraum der Hochinflation geplagt werden, zu lindern? Oder wird sie die Geldpolitik nur ganz geringfügig verschärfen, um Italien vor dem Staatsbankrott zu retten und das Wachstum des bisher weit weniger unter der Inflation leidenden Frankreichs und Deutschlands zu unterstützen?

Man spricht in solchen Fällen von einer teuflischen Alternative, aber teuflisch ist sie in Wahrheit nur für die baltischen Staaten, denn die EZB wird sich ganz gewiss nicht nach deren Interessen richten.

Es ist also auf jeden Fall besser, es erst gar nicht darauf ankommen zu lassen und sich nicht vergewissern zu wollen, ob sich die EZB um polnische Nöte scheren würde. Daraus resultiert die Devise: Pole, bleib bei deinem Zloty.

RdP