Am 29. Januar 2015 starb Jan Skrzek.
Besonders herzzerreiβend schluchzte die Mundharmonika, die er so meisterhaft beherrschte, immer dann, wenn er in seinen Bluesballaden von seinem Górny Śląsk, von Oberschlesien erzählte.
Von der langsam verödenden, sich entvölkernden Heimat („O mój Śląsku, umierasz mi w biały dzień“/Oh, du mein Schlesien, du stirbst mir am hellichten Tage„). Von Bergleuten die unter Tage zu Tode gekommen sind („To był chłop“/“Das war ein Kerl“). Vom Bier, von der Eckkneipe, von Taubenschlägen und Kohlehalden. „Kyks“, so sein Spitzname, wusste sehr gut wovon er sang, denn er schuftete eine Zeitlang als Hauer. Und so sang er in der unverwechselbaren polnisch-oberschlesischen Mundart:
Steiger, ich schäme mich ein klein wenig, ich schlage keine Kohle mehr,
Steiger, ich schäme mich ein klein wenig, ich spiele Blues, ich fühle Blues, das liegt mir sehr,
Steiger, ich schäme mich ein klein wenig, weiβe Hände, schwarzer Blues,
Steiger, ich schäme mich ein klein wenig, mit Maloche ist jetzt Schluss,
Steiger, ich schäme mich ein klein wenig, doch Deine Worte sind in meinem Ohr: „egal was Du tust, mein Junge, mach‘s richtig, und sei kein Tor.“
(Übers. RdP)
„Sztajger, jest mi trocha wstyd“/“Steiger, ich schäme mich ein klein wenig“
Blues ist die Musik der Wahrheit, sie muss sagen was Sache ist, sonst verkommt sie zu einer seelenlosen Spielerei. „Kyks“ hatte ein besonderes Gespür dafür. Seine Texte waren bitter, so wie der Anblick seiner Heimat Bitterkeit hervorruft. Auswechselbare Städte und Dörfer gehen ineinander über, hinter Grauschleiern liegen Industriegebäude und Arbeitersiedlungen aus dunkelrotem Backstein wie ausgestreut aus einem Füllhorn der Geschichte. Dazwischen, hingeworfen nach dem Zufallsprinzip, lieblos, ohne Gestalt, hässliche Wohnwaben aus Beton, Garagen, Baracken, Buden, Straßen. Der Geist des ausgehenden Industriezeitalters materialisiert sich zwischen Katowice/Kattowitz, Bytom/Beuthen, Gliwice/Gleiwitz und Jastrzębie/Jastrzemb im Süden, in einer Büßerlandschaft von oft durchdringender Traurigkeit.
Jan Skrzek (phonetisch: Skschek) wurde 1953 Mitten im Kohlerevier, in Siemianowice Śląskie/Laurahütte geboren. Der Vater Bergmann, die Mutter Hausfrau, die beiden Söhne Józef und Jan vernarrt in Rock and Roll, Beat, Blues, Jazz… Der ältere Bruder Józef Skrzek mit seiner Rock-Jazz-Band SBB (ursprünglich für „Silesian Blues Band“, später für „Szukaj, Burz, Buduj“ –„Suchen, Brechen, Bauen“ bzw. „Search, Break & Build“) genieβt seit Jahrzehnten Kultstatus im Revier. Jan und Józef trafen sich immer wieder auf der Bühne, aber Jan ging meistens seine eigenen Wege, frönte seit Anfang der 70er Jahre mit Leidenschaft dem Blues. Immer herzlich, immer hilfsbereit, keine Allüren, keine Ansprüche, Karriere war ihm egal. Was galt, war der Spaβ am Blues. Auftritte mit führenden Blues&Jazz-Musikern und Bands, Solokonzerte, Festivals, Musik-Aufnahmen, Filme, Fernsehen, Auszeichnungen. Immer auf Achse, schnell und intensiv leben, vor allem mit seiner Leber kannte Skrzek keine Gnade…
Am 17. Januar 2015 war er, vor einem Konzert, in seiner Wohnung mit ein paar befreundeten Musikern verabredet. Sie brachen die Tür auf, als er nicht öffnete. Noch eine Woche lang lebte Jan Skrzek nach dem Gehirnschlag auf der Intensivstation im Katowicer Universitätskrankenhaus. Er starb mit 61 Jahren. Geblieben sind seine Bluesballaden.
„To był chłop“/“Das war ein Kerl“
Nicht mehr da, der Kerl, gestern noch war er in die Kneipe mit,
was soll man sagen, ist wie im Krieg, hier gibt’s Dynamit.
Fuhr ein, ein letztes Mal, zu Hause weinen die Lieben,
so ist’s, nur die Bergmanns-Marke ist ihnen geblieben.
(Übers. RdP)
„O mój Śląsku, umierasz mi w biały dzień“/“Oh, du mein Schlesien, du stirbst mir am hellichten Tage„
Die neue Version dieses Blues hat Skrzek (am Anfang und am Ende des Clips zu sehen) vor nicht langer Zeit mit dem in der Region bekannten Rapper Mioush aufgenommen. Die Bilder sagen alles.
© RdP