Deutsche Reparationen – polnische Positionen. Teil 1

Beweggründe, Argumente, Pläne.

Das polnische Regierungslager hat sich entschieden die Kriegsreparationsfrage neu zu beleben. Was verbirgt sich dahinter? Ein Interview.

Arkadiusz Mularczyk

Arkadiusz Mularczyk wurde 1971 in Racibórz/Ratibor geboren. Er ist von Beruf Rechtsanwalt, seit 2005 Sejm-Abgeordneter der Partei Recht und Gerechtigkeit. Seit September 2017 bekleidet er den Vorsitz des fünfzehnköpfigen Gremiums „Parlamentarische Arbeitsgruppe zur Schätzung der Polen von Deutschland zustehenden Reparationen für die im Verlauf des Zweiten Weltkrieges angerichteten Schäden“. Das Interview mit Arkadiusz Mularczyk erschien im Wochenmagazin „wSieci“ („imNetzwerk“) am 5. November 2017.

Deutsche Reparationen für die polnischen Verluste im Zweiten Weltkrieg sind wieder ein Thema. Die parlamentarische Arbeitsgruppe, die Sie leiten hat die Aufgabe Tatsachen festzustellen und Rechtsgutachten einzuholen. Sie sollen bei der Festlegung künftiger offizieller polnischer Forderungen und Verhandlungspositionen helfen. Wie verläuft die Arbeit?

Wir kommen gut voran. Am 26. Oktober 2017 hatten wir ein wichtiges Treffen in der Kanzlei des Ministerpräsidenten (entspricht dem deutschen Bundeskanzleramt – Anm. RdP) mit Vertretern aller Behörden, die uns helfen können. Es kamen hochrangige Vertreter der Ministerien für Verteidigung, Kultur, Finanzen, Auswärtiges, der Staatlichen Sozialversicherungsanstalt (ZUS), des Statistischen Hauptamtes, des Instituts für Nationales Gedenken, der Staatlichen Archive und der Staatlichen Versicherungsanstalt (PZU) zusammen. Alle diese Institutionen wurden verpflichtet Archivrecherchen durchzuführen und unserer Arbeitsgruppe jede notwendige Unterstützung zu gewähren.

Polnisch-deutsche Reparationspolemik. Polnisches Plakat. Warschau, August 2017.

Seit Mitte 2014 ist bekannt, dass es keinen wirksamen Verzicht Polens auf deutsche Reparationen gibt.

Ja. Sehr wichtig in Bezug darauf war das Gutachten des Sejm-Analysenbüros vom September 2017, das unser Wissen systematisiert hat.

Lesen Sie das Gutachten des Sejm-Analysenbüros in deutscher Übersetzung hier.

Aus diesem Gutachten geht eindeutig hervor, dass Polen und die Polen seitens Deutschlands diskriminiert wurden. Deutsche Gerichte haben Entschädigungsklagen von Polen bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts stets abgewiesen, mit dem Hinweis, dass der künftige Friedensvertrag alle Entschädigungsfragen regeln werde. Nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages im Dezember 1970, in dem die Bundesrepublik die Oder-Neiβe-Grenze anerkannt hat, und nach der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen 1973 hieβ es, die Entschädigungsforderungen seien verjährt. Was besonders empört: nur die Polen wurden so behandelt.

Und polnische Gerichte?

Dort hieβ es, der deutsche Staat sei durch die staatliche Immunität geschützt. Diese verbiete es Bürgern anderer Staaten ihn vor ausländischen Gerichten zu verklagen. Tatsächlich gibt es ein solches Prinzip, aber es gilt nicht uneingeschränkt.

Welche Ausnahmen gibt es?

Das italienische Verfassungsgericht hat zum Beispiel in einem Urteil seinen Bürgern das Recht zugestanden, den deutschen Staat vor italienischen Gerichten wegen Kriegsverbrechen zu verklagen. Solche Verfahren gab und gibt es in Italien.

Kann Polen diesen Weg beschreiten?

Ja. Am 26. Oktober 2017 habe ich einen Antrag beim polnischen Verfassungsgericht (VG) gestellt, unterschrieben von einhundert Sejm-Abgeordneten der Partei Recht und Gerechtigkeit. Demnach soll die Anwendung der Staatsimmunität zum Schutz anderer Staaten verfassungswidrig sein, wenn polnische Bürger oder Behörden andere Staaten auf Entschädigung wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die auf polnischem Staatsgebiet verübt wurden, verklagen. Ein solches VG-Urteil würde polnischen Bürgern den Gerichtsweg in Polen für deutsche Kriegsentschädigungen öffnen.

Wird Deutschland die Entschädigungsurteile polnischer Gerichte respektieren und umsetzen?

Auf Anhieb eher nicht, aber solche Urteile schaffen nach und nach eine Wirklichkeit, gegen die man sich in der heutigen Welt auf Dauer nicht so ohne weiteres taub stellen kann.

Polnisch-deutsche Reparationspolemik. Der polnische Graphiker Wojciech Korkuć zeigt im Fernsehen sein umstrittenes Plakat „Reparationen machen frei“, August 2017.

Der Rechtsweg ist wichtig, ausschlaggebend jedoch wäre die politische Entscheidung in Deutschland. Berlin müsste zugeben, dass das Problem nicht gelöst ist.

Ja. Von der politischen Entscheidung wird abhängen, ob sie zahlen werden oder nicht. Deutschland zahlte und zahlt Entschädigungen für die Verbrechen des Dritten Reiches an viele Staaten, am wenigsten jedoch an die Polen.

Kurz nach Kriegsende hat Deutschland, in Folge des Pariser Reparationsabkommens von 1946 (an sechzehn Staaten), des Luxemburger Abkommens (an Israel) und des Londoner Schuldenabkommens von 1953 (an siebzig Staaten), Reparationen gezahlt. Polen war nicht dabei. Darüber hinaus gab es auch zahlreiche bilaterale Abkommen.

In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts und im 21. Jahrhundert haben Israelis und US-Bürger auf deutsche Entschädigungen vor amerikanischen Gerichten geklagt und Deutschland hat gezahlt. Wir sehen, das Völkerrecht ist in dieser Hinsicht sehr dynamisch.

Welchen von diesen Wegen sollte Polen einschlagen?

Wir müssen uns alle Möglichkeiten offenhalten. Umso mehr, als es sowohl um staatliche Reparationen wie um private Entschädigungen geht. Wichtig ist einen Hebel zu schaffen, der bewirkt, dass Deutschland sich endlich mit uns an den Verhandlungstisch setzt und ernsthaft zu reden beginnt.

Warum hat man sich in Polen des Problems nicht unmittelbar nach dem Ende des Kommunismus angenommen, Anfang der neunziger Jahre?

Damals war vorrangig, das Entkommen aus der sowjetischen, und später, der russischen Einflusssphäre. Deutschland hat sich in jener Zeit Polen gegenüber einer „sanften Erpressung“ bedient. Es sollte der Eindruck entstehen, die Bedingung für den EU-Beitritt, für die Aufnahme in die westliche politische Gemeinschaft, sei die Aussöhnung mit Deutschland, und zwar, ungeachtet des Standes der Probleme, die sich aus dem Zweiten Weltkrieg ergeben hatten. Wir wenden uns der Zukunft zu und von der Vergangenheit ab, hieβ es, vom Krieg, von der Reparationsfrage, von der nicht beglichenen Rechnung des zugefügten Leids und Unrechts.

Deutsch-polnische Reparationspolemik. FAZ-Karikatur, September 2004.

Heute wissen wir, dass sogar zur Zeit der Volksrepublik Polen die Angelegenheit als nicht abgeschlossen galt. Sie haben in den Archiven die offizielle Antwort der polnischen Regierung von 1969 auf eine Anfrage der UNO gefunden. Dort heiβt es, Polen habe keinesfalls auf deutsche Reparationen verzichtet.

Trotz eingeschränkter Souveränität war damals die Erinnerung an die gigantischen menschlichen und materiellen Kriegsverluste Polens im allgemeinen Bewusstsein und sehr lebendig. Auch den polnischen Kommunisten fiel es schwer, hinnehmen zu müssen, dass die Sowjetunion Polen im August 1953 zwang auf Reparationen zu verzichten.

Lesen Sie Näheres dazu in „Deutsche Reparationen – polnische Positionen. Teil 2“

Heute, auf Reparationen angesprochen, blocken die deutschen Stellen sofort ab: die Sache sei erledigt und abgeschlossen.

Das wundert mich nicht. Immerhin waren sie jahrzehntelang darin erfolgreich sich vor den Reparationszahlungen für das, was sie in Polen angerichtet hatten zu drücken. Nur einige wenige Opfergruppen wurden entschädigt. Und jedes Mal gingen diesen Maβnahmen, teilweise an Peinlichkeit kaum zu überbietende, innenpolitische Debatten in der Bundesrepublik voraus.

Seit Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts bekamen die polnischen (letztendlich ca. fünftausendfünfhundert Personen) sowie die anderen osteuropäischen Opfer verbrecherischer medizinischer Experimente der Nazis Entschädigungen, ursprünglich auf heftigen Druck der USA hin und gegen den vehementen Widerstand damaliger bundesrepublikanischer Behörden und Politiker.

Es gab aber ehrenwerte Menschen und Gruppen in der Bundesrepublik, die sich durch ihre Taten der Jahrzehnte lang anhaltenden offiziellen deutschen Verzögerungstaktik widersetzten. Diese Verzögerungstaktik wurde bestimmt durch das Kalkül, dass sich das Problem „biologisch“, durch den Tod der Betroffenen, ohne Kosten, von alleine lösen würde. Solche Einrichtungen wie die „Zeichen der Hoffnung“ in Frankfurt am Main oder das „Maksymilian-Kolbe-Werk“ in Freiburg im Breisgau haben polnischen Opfern geholfen und so das Ansehen der alten Bundesrepublik gerettet. Es waren jedoch nur einzelne Tropfen auf den heiβen Stein.

Erst fünfundfünfzig Jahre nach Kriegsende, als ein Groβteil der Betroffenen nicht mehr lebte, begann Deutschland mit der Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter, von denen knapp zwei Millionen ursprünglich aus Polen kamen. Bundeskanzler Helmut Kohl widersetze sich lange Zeit heftig dieser Maβnahme.

Ende der 1990 Jahre, wiederum auf amerikanischen Druck hin, zahlten die deutsche Regierung und deutsche Unternehmen, die von der Zwangsarbeit profitiert hatten, Geld in einen Fonds ein, aus dem bis 2007 die mittlerweile greisen Opfer entschädigt wurden.

Alles in allem beträgt der polnische Anteil an den gesamten deutschen Entschädigungsleistungen nach 1945 gerade einmal zwei Prozent.

Ein Teil der polnischen Führungselite aus der unmittelbaren nachkommunistischen Zeit meinte damals, und teilt heute noch die deutsche Meinung, das Thema sei abgeschlossen und wer es aufgreift sei ein unverantwortlicher Störenfried.

Das sagen einige ehemalige polnische Ministerpräsidenten und Minister. Es ist nur ein Beleg für ihr neokoloniales, unterwürfiges Denken. Sie machten Politik zur Zeit einer eingeschränkten polnischen Souveränität, in der Endphase des Kommunismus und in der Anfangsphase danach. Dass Polen weniger Rechte hat als andere Staaten, galt und gilt für sie als selbstverständlich. Dieses Denken lehnen wir entschieden ab.

In der Reparationsfrage ist das Bild auf der polnischen und auf der deutschen Seite sehr unterschiedlich.

In Deutschland gibt es eine geschlossene Einheitsfront aus Politikern, Historikern, Politologen und Journalisten, die das polnische Ansinnen rundweg ablehnen. Die öffentliche Meinung, die durch sie geprägt wird, steht hinter ihnen. Hunderte von Lesermeinungen zu Medienberichten lassen im Internet keinen Zweifel daran.

Das ist ein grundlegender Unterschied zu Polen, wo uns, die wir Reparationsfrage auf die Tagesordnung bringen, viele Medien frontal angreifen und verhöhnen. Die deutschen Einflüsse in der polnischen Medienwelt, aber auch in der polnischen Wissenschaft sind sehr stark.

Deutsche Stipendien haben das ihre dazu beigetragen.

Auf jeden Fall. Ein Teil der Fachleute, die Polen jeden Anspruch auf Reparationen aberkennen, hat nicht selten ihr halbes Berufsleben auf deutsche Kosten jenseits der Oder verbracht. Ich sehe, dass ein Teil von ihnen schlicht und einfach Angst hat Stellung zu beziehen, ein Gutachten anzufertigen.

Wovor haben sie Angst?

Das sie Schwierigkeiten bekommen werden auch weiterhin deutsche Fördergelder, Stipendien, gut dotierte Preise und Auszeichnungen, Einladungen zu Forschungsaufenthalten, zu Vorlesungen und Vorträgen in Deutschland zu bekommen.

Hinzu kommt noch die geballte Kraft der deutschen Medien in Polen. Wird sie in der Reparationsfrage angewendet?

Ja. Die polnischsprachigen deutschen Medien messen dem Thema groβe Bedeutung bei. Sie versuchen uns dazu zu verleiten, am besten umgehend, unsere Forderungen verbindlich vorzubringen. Man sieht, es geht ihnen darum uns zur Eile und zu unbedachtem Handeln zu drängen, damit eine dadurch verursachte spektakuläre Niederlage dem Ganzen ein schnelles Ende bereitet.

Wenn mich deutsche Journalisten oder Journalisten polnischsprachiger deutscher Medien ansprechen, dann sehe ich, dass ihre Fragen nie das eigentliche Thema berühren: die furchtbaren Verbrechen und Verluste, die nicht entschädigt wurden.

Stattdessen stellen sie absurde Thesen auf, wie die, dass die Entschädigungsforderungen nun an die Stelle der Smolensk-Flugzeugkatastrophe treten und der „Mobilisierung“ der polnischen Öffentlichkeit im Sinne der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit dienen sollen, oder dass wir die auf der Versöhnung basierenden Beziehungen zu Deutschland ruinieren wollen. Mit einem Wort – Reparationsforderungen sind unsere Hirngespinste.

Wir lassen uns auf keinen Fall in diese Falle locken. Um das Thema offiziell vorzubringen bedarf es eines klugen, bedachten Handelns und so werden wir agieren.

Und die deutsche Diplomatie?

Die deutsche Botschaft beobachtet sehr genau unser Vorgehen, genauso wie die deutschen Medien das tun. Bis jetzt jedoch gibt es ihrerseits keine Bereitschaft zu einem ernsthaften Dialog. Sie achten sehr darauf, auf dem Laufenden zu sein und prüfen inwieweit wir das Thema tatsächlich aufgreifen wollen.

Amtlicher polnischer Bericht von 1947 über Verluste und Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg. Neuauflage von 2007.

Die Verluste müssen präzise belegt sein.

Ich habe inzwischen Aufstellungen bekommen über die Kriegsschäden in Poznań, Łodź, Jasło, Przemyśl und einigen anderen Städten. Wir wollen einen groβen Ausschuss ins Leben rufen, der alle schon verfügbaren Angaben zusammentragen und die fehlenden ergänzen soll. Heute verfügen wir über einen umfangreichen Bericht des Büros für Kriegsentschädigungen aus dem Jahr 1947 und viele Einzelberichte. Es gab noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts Stellen, die sich mit dieser Materie befassten.

Welche Beträge kommen in Frage? Man spricht von 845 Milliarden US-Dollar und wenn man die nichtmateriellen Verluste mitberechnet von 6 Billionen US-Dollar.

Das sind Angaben, die sich aus dem schon erwähnten Bericht von 1947 ergeben. Heute ist es zu früh um über irgendwelche Summen zu sprechen. Wir stehen vor vielen Fragen, wie der, wie man die Entschädigung für ein Menschenleben berechnen kann. Hier wollen wir die Fachleute von der Staatlichen Versicherungsanstalt (PZU) bitten uns dabei zu unterstützen.

Das wichtigste Gegenargument lautet, Deutschland habe an Polen seine Ostgebiete abgetreten, das sei Entschädigung genug.

Die Verschiebung der Grenzen haben die drei Siegermächte während der Potsdamer Konferenz von Juli bis August 1945 beschlossen. Weder Polen noch Deutschland saβen am Verhandlungstisch. Polen hat damals stillschweigend die Aneignung von achtundvierzig Prozent (knapp 180.000 Quadratkilometern) seines Staatsgebietes im Osten durch die Sowjetunion hinnehmen müssen. Im Gegenzug beschlossen die Siegermächte unser Land nach Westen zu „verschieben“, indem sie Polen knapp 110.000 Quadratkilometer deutschen Gebiets übergaben.

„Westverschiebung“ Polens 1945.

Aus keiner der damals getroffenen Vereinbarungen, aus keinem der Potsdamer Verhandlungsprotokolle geht hervor, dass die ehemaligen deutschen Ostgebiete als Reparationen gedacht gewesen seien. Im Potsdamer Abkommen wurde klar festgehalten, Deutschland sei verpflichtet alle Kriegsschäden und Kriegsverluste auszugleichen. Polen war davon nicht ausgenommen.

Und der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom September 1990?

Er wurde von der Bundesrepublik Deutschland und der DDR mit den USA, Russland, Frankreich und Groβbritannien abgeschlossen. Die deutsche Bundesregierung hat im Nachhinein erklärt, sie habe „diesen Vertrag in dem Verständnis abgeschlossen, dass damit auch die Reparationsfrage endgültig erledigt“ sei.

Polen war an diesem Vertrag nicht beteiligt. Der Verzicht Polens auf, genau genommen, Kriegsreparationen aus der DDR, wurde 1953 von den Sowjets erzwungen und ist damit nicht bindend.

Wie geht es weiter?

Die parlamentarische Arbeitsgruppe untersucht die Angelegenheit. Sie sammelt Informationen, analysiert die juristischen, ökonomischen, historischen Zusammenhänge. Sie arbeitet eng zusammen mit anderen zuständigen Behörden. Diese Arbeit wollen wir in aller Ruhe bewältigen um ein solides Fundament für unsere Vorschläge zu schaffen. Dann werden politische Entscheidungen über den Fortgang des Geschehens bestimmen.

Wann werden sie fertig sein?

Spätestens in einem Jahr werden unsere endgültigen Empfehlungen vorliegen. Wir gehen zügig vor, aber mit Bedacht.

Deutsche Reparationen – polnische Positionen. Teil 2.

RdP




Deutsche Reparationen – polnische Positionen. Teil 2

Akten, Aufstellungen, Analysen. Was hat Polen in der Hand. Ein Interview.

Im Warschauer Archiv der Neuen Akten befinden sich die wichtigsten polnischen Unterlagen für eventuelle Reparationsverhandlungen mit Deutschland.

Mariusz Olczak.

Das Archiv der Neuen Akten (Archiwum Akt Nowych) besteht seit 1918, als Polen seine Unabhängigkeit wiedererlangte. Hier werden die Dokumente aller polnischen staatlichen Behörden seit dem Gründungsjahr des Archivs aufbewahrt. Es ist eines von drei zentralen polnischen Staatsarchiven, neben dem Archiv der Alten Akten (alle Staatsdokumente bis 1918) sowie dem Nationalen Digitalarchiv (Fotos, digitale Aufzeichnungen staatlicher Institutionen). Das Gespräch mit dem stellvertretenden Direktor des AAN Mariusz Olczak erschien in der Tageszeitung „Nasz Dziennik“ am 24. September 2017.

Archiv der Neuen Akten in Warschau.

Es heiβt, in Ihrem Archiv befinden sich die wichtigsten Akten, die Zeugnis darüber ablegen, was sich nach 1945 auf polnischer Seite in Bezug auf deutsche Kriegsreparationen abspielte.

Wir haben inzwischen eine Liste von Aktenbeständen zusammengestellt, die bei der Feststellung der Tatsachen hilfreich sein dürften. Das sind einige Hundert Meter an Dokumentation, die ausgewertet werden müssen.

Darunter befindet sich ein sehr wichtiges Dokument, und zwar das Sitzungsprotokoll des Ministerrates der Volksrepublik Polen (VRP) vom 19. August 1953.

Die Sitzung wurde geleitet von Bolesław Bierut, Stalins Statthalter in Polen, einem NKWD-Agenten, der damals an der Spitze der Regierung stand. Ebenfalls daran teilgenommen haben die stellvertretenden Ministerpräsidenten Taduesz Gede, Piotr Jaroszewicz, Hilary Minc, Zenon Nowak. Hinzugebeten wurden der Staatsratsvorsitzende Aleksander Zawadzki, der damalige Minister für staatliche Kontrolle Franciszek Jóżwiak, der stellvertretende Vorsitzende der Staatlichen Planungskommission Eugeniusz Szyr sowie der Chef des Amtes des Ministerpräsidenten Kazimierz Mijal.
In diesem Kreis wurde entschieden, dass die Volksrepublik Polen, auf Ersuchen der Regierung der UdSSR, auf Reparationszahlungen aus der DDR verzichten wird.

Bekannt gemacht wurde diese Entscheidung einige Tage später.

Verlautbarung der Regierung der Volksrepublik Polen, veröffentlicht im Parteiorgan „Trybuna Ludu“ vom 23. August 1953.

Ja, am 23. August 1953 in einer Verlautbarung der Regierung der VRP, verbreitet von der Polnischen Presseagentur PAP: „Die Regierung der Volksrepublik Polen begrüβt mit voller Anerkennung die Beschlüsse der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in der Deutschlandfrage“.

Gleichzeitig wurde mitgeteilt, die Regierung der VRP habe entschieden vom 1. Januar 1954 an auf Reparationszahlungen an Polen zu verzichten. Weiter hieβ es: „Diese Entscheidungen sind darauf ausgerichtet, einen dauerhaften Frieden in Europa zu gewährleisten, imperialistische Intrigen, die Deutschland in einen gefährlichen, neuen Kriegsherd verwandeln sollen, zu durchkreuzen und ein vereinigtes, demokratisches und friedliebendes Deutschland zu schaffen.“

Warschau vor und nach dem Krieg. Briefmarkenserie der Polnischen Post vom Herbst 1945. Das zerstörte Königsschloss.

Kann man anhand der beiden Dokumente davon ausgehen, dass es sich um eine souveräne Entscheidung gehandelt hat?

Sowohl der Inhalt als auch die gesamten damaligen politischen Begleitumstände lassen nur eine Schlussfolgerung zu: es war keine freie Entscheidung, der Verzicht geschah auf Geheiβ der Sowjets.
Das Sitzungsprotokoll sowie die Verlautbarung berufen sich in einem fort auf die Sowjetunion: „Die Regierung der UdSSR schlägt vor“, „Die Regierung der UdSSR beabsichtigt“, „Die Regierung der Volksrepublik Polen schlieβt sich voll und ganz der Meinung der Regierung der UdSSR an“ usw., usf. Das damalige Polen mit seinem kolonialen Status musste das tun, was die Kolonialmacht Sowjetunion wollte.

Der Verzicht betraf nur die DDR.

Das geht aus den beiden Dokumenten hervor.

Warschau. Die zerstörte Johannis-Kathedrale.

Die von den Deutschen während des Zweiten Weltkrieges in Polen angerichteten Schäden werden auf achthundert Milliarden US-Dollar geschätzt. Sind diese Schäden angemessen belegt?

Warschau. Das zerstörte Rathaus.

In unseren Beständen gibt es eine umfangreiche Dokumentation dazu. Beginnen wir damit, dass unser Archiv, das Archiv der Neuen Akten, selbst furchtbare Verluste erlitten hat. Während des Warschauer Aufstandes im August und September 1944 verbrannten fünfundneunzig Prozent unserer damaligen Archivsammlungen.

Warschau. Das zerstörte Hauptpostamt.

Einen der wichtigsten Aktenbestände zum Thema, stellen die Unterlagen des Büros für Kriegsentschädigungen dar, das kurz nach Kriegsende begann alle Informationen zusammenzutragen. Dokumentiert sind sämtliche Schäden und Verluste im Handwerk, in der Industrie, Forstwirtschaft und Staatsverwaltung.

Und auβerdem?

Einen groβen Bestand bilden die Akten des sogenannten Wiedererlangungsbüros (Biuro Rewindykacji). Es entstand 1945 und war damit beschäftigt polnisches Eigentum, das die Deutschen aus Polen geraubt und nach Deutschland oder in andere Teile des besetzten Europas verbracht hatten zurückzuführen. Oft jedoch war dieses Eigentum vernichtet oder nicht mehr auffindbar.

Des Weiteren beinhalten die Aktenbestände verschiedener Ministerien eine Vielzahl an Informationen. So zum Beispiel dokumentierte das Finanzministerium die Verluste des staatlichen Salz- und Streichholzmonopols, das im Vorkriegspolen existierte. Sehr akribisch haben nach 1945 das Post- und das Bildungsministerium die Verluste in ihren Bereichen aufgezeichnet.

Warschau. Das zerstörte Sächsische Palais.

Paradoxerweise haben die Deutschen selbst viele polnische Verluste belegt.

Die deutsche Verwaltung des Generalgouvernements führte genaue Listen über geraubte polnische Kunstgegenstände, bevor sie nach Deutschland gebracht wurden.

Befinden sich diese Verzeichnisse in Polen?

Einige ja, einen Teil haben wir auf den sogenannten Alexandrischen Mikrofilmen. Die Amerikaner haben bei Kriegsende groβe Bestände an Dokumenten der deutschen Heeresleitung und der Sicherheitspolizei erbeutet. Im Jahr 1953 wurden sie nach Alexandria bei Washington gebracht und dort auf Mikrofilm übertragen. Daher der Name. Wir haben in unserem Archiv etwa achttausend Mikrofilmrollen von dort.

Warschau. Die zerstörte Heiligkreuz-Kirche.

Gut dokumentiert sind auch die geraubten oder vernichteten Bibliotheksbestände.

Im Staatsarchiv von Jelenia Góra befinden sich die Verzeichnisse der Zweigstelle der deutschen Staatlichen Bibliothek im damaligen Hirschberg, wo es ein zentrales Register geraubter Buchbestände aus polnischen Bibliotheken gab. Dank diesen Aufzeichnungen wissen wir, welche geraubten polnischen Bücher an welche Zweigstellen der deutschen Staatlichen Bibliothek übergeben wurden.

Man müsste eigentlich alle diese Informationen zusammenfassen und in einer Art „Weiβbuch der polnische Kriegsverluste“ veröffentlichen.

Wenn jemand diese Absicht haben sollte, dann kann er bei uns auf eine sehr große Zahl von Akten zurückgreifen. Alle sind katalogisiert und leicht zugänglich.

RdP




AfD? Für Polen passé

Nach der Bundestagwahl. Chancen, Risiken, Nebenwirkungen für Polen. Aus Warschau betrachtet.

Der Soziologieprofessor und Europa-Abgeordnete Zdzisław Krasnodębski ist einer der wichtigsten intellektuellen Vordenker der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit. Das Gespräch mit ihm, das wir in leicht überarbeiteter Form wiedergeben, erschien im Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“) vom 8. Oktober 2017.

Prof. Zdzisław Krasnodębski.

Vor kurzem haben Sie öffentlich gesagt, Angela Merkel sei politisch geschwächt aus den letzten Bundestagswahlen hervorgegangen und aus diesem Grund werde sie nun eher bereit sein, ein Einvernehmen mit der jetzigen Warschauer Regierung zu suchen.

Ich bin der Meinung, dass eine deutsche Regierung, die aus drei sehr unterschiedlichen Parteien besteht, ein für uns zugänglicherer Partner sein wird als die groβe Koalition der CDU mit den Sozialdemokraten. Die SPD hat seinerzeit viel für die Verständigung mit Polen und die Anerkennung der Oder-Neiβe-Grenze getan, heute jedoch ist sie vor allem eine Partei mit sehr starken Bindungen an Russland. Gerhard Schröder gehört weiterhin zu ihrem nahen Umfeld, einstige enge Mitarbeiter Schröders, wie z.B. Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel verfügen in der SPD über groβen Einfluss.

Ohne die SPD in der deutschen Regierung wird es leichter fallen an den Sanktionen gegen Russland festzuhalten. Es kann auch gelingen den Bau der Nord Stream 2–Gasleitung von Russland nach Deutschland unter der Ostsee aufzuhalten. Angela Merkel hat immer wieder beteuert diese Gasleitung sei ein rein wirtschaftliches Vorhaben. Damit hat sie zu verstehen gegeben, dass die Verbindungen zu Russland für sie kein Dogma seien, sondern eine Frage der Interessenlage. Die Grünen sind in Bezug auf Russland noch viel kritischer.

Die Grünen und die Liberalen sind also paradoxerweise unsere Verbündeten?

Wir, die polnischen Nationalkonservativen, haben in Deutschland keine dauerhaften Verbündeten, mit denen wir auf breiter Front zusammenarbeiten könnten. Möglich jedoch sind umstandsbedingte, taktische Zweckbündnisse. Mit den Grünen in der Russlandpolitik, mit den Liberalen in der Europapolitik, weil sie, wie wir, die Pläne zur Schaffung einer Kern-EU aus Ländern die den Euro haben ablehnen usw.

Die herben Stimmeneinbuβen der CDU von knapp neun Prozent hängen eindeutig zusammen mit der „Willkommenspolitik“ von Frau Merkel.

Wenn sie nach ihrer Entscheidung im Jahr 2015, die Grenze für die Immigrantenflut zu öffnen gefragt wird, verteidigt sie ihren damaligen Entschluss und weigert sich ihren Fehler einzugestehen, aber das sind nur Worte. In Wirklichkeit hat sie ihre Herangehensweise grundlegend geändert. Sie spricht jetzt von Sicherheit, von Bedrohungen, von Ausweisungen derer, denen kein Asyl gewährt wurde. Im Wahlkampf war keine Rede mehr von der „Willkommenskultur“, das Wort des Jahres 2017 in Deutschland lautet „Gefährder.

Sicherlich waren die Wahlergebnisse, obwohl eigentlich vorhersehbar, ein Schock für das deutsche politische Establishment. Die Deutschen haben eindeutig zu verstehen gegeben was sie von der Immigrationspolitik der offenen Tür halten. Verloren hat die bisherige Regierungskoalition, verloren haben die Sozialdemokraten, einen gewaltigen Erfolg verzeichneten dafür die bisherigen nicht im Parlament vertretenen Parteien, die AfD und die FDP. Das kann man nicht mehr einfach so übergehen.

Wird aufgrund dessen die EU aufhören Polen wegen seiner Weigerung Immigranten aufzunehmen anzugreifen?

Ja. Das Programm der zwangsweisen Umverteilung der Immigranten ist gescheitert. Selbst die Deutschen haben ihre Verpflichtungen diesbezüglich nur zu siebenundzwanzig Prozent erfüllt. Frau Merkel hat einst die Richtung der Immigrationspolitik in der EU vorgegeben, und sie wird jetzt die neue, entgegengesetzte Richtung vorschreiben.

Welche Richtung wird die EU unter der Führung von Frau Merkel jetzt einschlagen?

Ganz bestimmt werden die radikalen Ideen des französischen Staatspräsidenten Macron nicht verwirklicht. Es werden wahrscheinlich einige neue Gremien zur besseren Koordinierung der EU-Politik entstehen, aber das wird nur zu einer weiteren Streuung der Kompetenzen führen und nicht zu einer Bündelung oder Zentralisierung.

Es ist nicht vorstellbar, dass die Deutschen ihren Finanzminister einem EU-Finanzminister unterordnen. Es wird auch keine Zustimmung aus Berlin für einen separaten Haushalt der Euro-Zone geben. Die Deutschen haben nicht die geringste Absicht für die Kosten der Sanierung der südlichen EU-Staaten, zu denen sie auch Frankreich zählen, aufzukommen. Darauf beruht meine Zuversicht was die polnisch-deutschen Beziehungen in der nächsten Zeit angeht.

Was wird sich in der deutschen Politik mit dem Einzug der AfD in den Bundestag ändern?

Nachdem Frauke Petry, die Mitvorsitzende der AfD, die Partei verlassen hat, ist es ungewiss wie lange diese Gruppierung überdauern wird und ob es nicht zu weiteren Abspaltungen kommt. Das deutsche politische und mediale Establishment wird jedenfalls alles nur Erdenkliche unternehmen, um die AfD zu marginalisieren.
Wie auch immer, klar ist, dass diese Partei Meinungen eines bedeutenden Teils der deutschen Öffentlichkeit wiedergibt, die bis jetzt im Bundestag nicht zu hören waren.

Paradoxerweise wird die AfD zu einer Demokratisierung des politischen Lebens in Deutschland beitragen. Sie hat eine Bresche geschlagen in der deutschen Konsensdemokratie, in der alle mit allen weitestgehend einer Meinung sind. Das wird die politische Debatte beleben. Die AfD wird in den schläfrigen Bundestag Unruhe, Streit und Unverfälschtheit bringen.

Ein Teil der polnischen Konservativen begrüβt den Einzug der AfD in den Bundestag, weil sie sich der Einwanderung von Immigranten widersetzt, weil sie die konservativen Werte hochhält. Gleichzeitig lobt der AfD-Chef Alexander Gauland die Wehrmacht. Wenn Donald Trump verspricht sein Land groβ zu machen, dann bewundern ihn die Polen dafür. Wenn ein Deutscher dasselbe über sein Land sagt, dann wird vielen Menschen in Polen unwohl.

Die meisten Leute, die heute die AfD prägen sind seit Jahren in der deutschen Politik. Nicht wenige von ihnen waren einst in der CDU, wie die den Polen zur Genüge bekannte Erika Steinbach. Auch der Wehrmacht-Bewunderer Gauland war dreiβig Jahre lang aktiv in der CDU.

Diejenigen bei uns, von denen sie eingangs sprachen, übertragen, weil ihnen das Wissen fehlt, polnische Sichtweisen und Einschätzungen auf Deutschland, ein Land mit einer völlig anderen politischen Kultur wie die unsere. Sie sympathisieren mit der AfD weil sie gegen den Zuzug von islamischen Immigranten ist und ein eindeutig nationales Profil an den Tag legt.

Man darf aber nicht vergessen, dass unsere Nationalkonservativen vor allem an die Tradition der freiheitlichen polnischen Adelsrepublik anknüpfen, die, nach Jahrhunderten, bei der dritten polnischen Teilung 1795 untergegangen ist sowie an die Tradition des langen polnischen Freiheitskampfes danach, bis 1989.

Die AfD dagegen schöpft ihre politische Kraft zu einem erheblichen Teil aus dem zumeist polenfeindlich eingestellten ostdeutschen Wählerpotential. Betrachtet man die Lebensführung nicht weniger AfD-SpitzenpolitikerInnen, dann sieht man wie weit die AfD von den christlichen Werten, zu denen sich die polnischen Nationalkonservativen eindeutig bekennen, entfernt ist. Der polnische Katholizismus steht bei der AfD genauso wenig im Kurs wie bei den übrigen deutschen Parteien.

AfD-Parteiprogramm auf Polnisch.

Die AfD ist äuβerst prorussisch und sehr antiamerikanisch, umgekehrt sieht es bei den polnischen  Nationalkonservativen aus. Die AfD will den Austritt Deutschlands aus der Nato, während Polens Nationalkonservative geradezu Nato-süchtig sind. Können sie sich vorstellen, dass die AfD, mit Alexander Gauland an der Spitze, mit uns gemeinsam den Jahrestag des Ausbruchs des Warschauer Aufstandes vom August 1944 begeht? Oder Verständnis für die polnischen Reparationsforderungen aufbringt?

Alice Weidel schrieb, die Mitglieder der deutschen Bundesregierung von Angela Merkel seien „nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und hätten die Aufgabe das deutsche Volk klein zu halten.“ Das erinnert stark an die revisionistischen deutschen Klagen über den Versailler Vertrag zu Zeiten der Weimarer Republik.

Die AfD weiβ, immer noch, lediglich dreizehn Prozent der Deutschen hinter sich, und bei Weitem nicht alle von ihnen teilen diese Meinung. Wenn jemand sich als deutscher Patriot bezeichnet, dann muss man ihn unbedingt fragen, auf welche Periode, welche Ereignisse, welche Persönlichkeiten der deutschen Geschichte er seinen Patriotismus bezieht? Auf die deutschen Befreiungskriege? Auf den hehren ideellen Widerstand gegen Hitler von Dietrich Bonhoeffer, der Geschwister Scholl und der Weiβen Rose etwa? Auf Bismarck, welcher in Polen umgehend sehr ungute Erinnerungen weckt? Oder auf etwas anderes? Die AfD beantwortet diese Frage nicht eindeutig. Wer sich mit ihr politisch einlässt tappt daher unweigerlich in eine Falle.

Ich bin der Meinung, die AfD knüpft an die Wilhelminische Zeit an und träumt von der Wiederherstellung der damaligen Groβmacht Deutschland inmitten Europas, herausgelöst aus der EU und aus der Nato, und wenn es sich eines Tages ergeben sollte, dann gerne „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“. Die Oder-Neiβe-Grenze wäre da nur hinderlich.

Trotz einiger Sympathiebekundungen meiden die regierenden polnischen Nationalkonservativen Kontakte und Begegnungen mit der AfD. Zu groβ sind die Unterschiede.

Die Hitlerzeit ist in Deutschland immer noch ein Tabu, sogar die AfD hat nicht den Mut den Nationalsozialismus zu rehabilitieren. Aber viele ihrer Funktionäre und Sympathisanten, vor allem diejenigen, die aus dem Dunstkreis der NPD kommen, tun es scheibchenweise indem sie z. B. fordern, die Deutschen sollen endlich aufhören sich Asche aufs Haupt zu streuen für die Verbrechen der Nazis.

Wenn Gauland der Wehrmacht Anerkennung zollt, dann hat er ihr zweifelsohne hervorragendes, hocheffizientes soldatisches Handwerk vor Augen. Wir dagegen haben vor Augen was die unbenommen glanzvollen militärischen Siege der Wehrmacht an Völkermord, Zerstörung und unsäglichem Leid mit sich gebracht haben. Deswegen gibt es aus polnischer Sicht mit der AfD, obwohl es zu einigen Themen ähnliche Vorstellungen geben mag, obwohl es ihrerseits einige Sympathiebekundungen für die polnischen Nationalkonservativen gab, nichts zu bereden.

Auch wenn einige in Polen, sei es aus Unwissenheit oder aus Trotz, gewisse Sympathien für die AfD zum Ausdruck bringen, so gilt für die heutige offizielle polnische Politik: Keine Illusionen und keine Kontakte mit der AfD.

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RdP




Vorhaben und Kapriolen des Springer-Verlages im Staate Polen

Was man den Ureinwohnern so vorsagen muss.

Es gibt Dinge, die man lieber nicht schreiben sollte. Ob das Mark Dekan, dem Chef der Ringier Axel Springer Media AG in Polen, im Nachhinein aufgegangen ist, wissen wir nicht. Eins aber wurde schnell klar als sein an die polnischen Mitarbeiter des Verlages gerichteter Rundbrief an die Öffentlichkeit kam: jemand, der so hart wie die führenden Springer-Medien in Polen austeilt, vermag ganz offensichtlich nicht in gleicher Weise einzustecken.

Degan RASP siedziba fot.
Ringier Axel Springer-Sitz in Warschau.

Dekan Newsweek 12-2015 fot.
Besessen von Kaczyński. „Newsweek Polska“ 12/2015 „Recht und Gerechtigkeit bebt“.

Den Wortlaut der Botschaft Dekans drucken wir am Ende dieses Beitrags ab. In besagtem Rundbrief vom 10. März 2017 gab der Chef die Auslegung des Streits um die Wiederwahl von Donald Tusk zum Präsidenten des Europäischen Rates zum Besten. Einer Wiederwahl, die die polnische Regierung vergeblich zu verhindern versuchte.

Lasst uns den Polen vorsagen

Dekan:

● „Das Spiel endete mit dem Ergebnis 27 : 1!“ ● „Verloren in diesem Kampf hat neben Jarosław Kaczyński der gute Ruf Polens als glaubwürdiger EU-Partner.“ ●„Ideologie und primitive Manipulationen haben gegen Werte und Verstand verloren.“ ● „Das ist der Augenblick, in dem sich freie Medien, wie wir, ins Spiel bringen.“ ● „Lasst uns ihnen (den Polen – Anm. RdP) vorsagen, was zu tun ist, um auf der (EU – Anm. RdP)-Schnellspur zu bleiben, und nicht auf dem Parkplatz zu landen.“

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„Newsweek Polska“ 16/2015 „Der Attentäter“.

Wer von den verstimmten polnischen Mitarbeitern das Schreiben nach auβen befördert hat, ist nicht bekannt. Die Wirkung jedenfalls war enorm, und die Erklärungsversuche des Unternehmens konnten den Schaden kaum begrenzen.

„Die Anschuldigung, Mark Dekan habe angeblich unsere Journalisten angeleitet, wie sie über den Fortgang der politischen Entwicklung zu berichten haben, und dass in irgendeiner Form Druck auf sie ausgeübt worden sein soll, ist grundsätzlich falsch und nicht zu akzeptieren“, dementierte die Pressesprecherin des Verlages.

Dekan Newsweek 20-2015 fot.
„Newsweek Polska“ 20/2015 „Wahlfälschung“.

Wie auch immer, eine grundsätzlich andere Meinung als die des Chefs zum Thema Tusk und seiner Wiederwahl zum EU-Ratspräsidenten, war in den polnischsprachigen Medien des Springer-Konzerns jedenfalls nicht zu vernehmen.

Widerstand beflügeln, Widerstand organisieren?

Der Schlamassel war groβ, denn Dekans interne Ausführungen entsprachen dem Gebaren der führenden polnischsprachigen Springer-Medien. Diese stehen nämlich mit an vorderster Front eines unerbittlichen medialen Kampfes gegen die jetzige polnische Regierung. Man könnte denken, Jarosław Kaczyński wäre ein persönlicher Feind des Verlages. Jedenfalls erwecken die Titelseiten von „Newsweek Polska“ sehr stark den Eindruck einer beinahe schon Besessenheit.

Dekan Newsweek 39-2015 fot.
„Newsweek Polska“ 39/2015 „Kaczyńskis Geheimnisse“.

Innerhalb des aktuellen politischen Konfliktes in Polen bezieht der Konzern eindeutig und uneingeschränkt auf einer Seite Stellung. Seine führenden polnischsprachigen Medien ziehen jeden Tag aufs Neue ins Feld gegen Personen und Vorhaben der Regierungspartei. Dabei werden stets schwerste Keulen geschwungen. Ausgewogenheit, Zurückhaltung, Gegenargumente sucht man meistens, leider, vergebens.

Doch damit nicht genug. Der leitende polnische Mitarbeiter des Konzerns, der „Newsweek Polska“-Chefredakteur Tomasz Lis gehört zu den rührigsten geistigen Anführern der Opposition. Tag ein, Tag aus beschimpft er in den sozialen Medien wüst die Regierung und ihre Anhänger, mobilisiert zum Widerstand, tritt als feuriger Redner bei Antiregierungs-Demonstrationen auf.

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„Newsweek Polska“-Chefredakteur Tomasz Lis auf den Barrikaden des Widerstandes.

Als weiteres Beispiel anzuführen wäre sein Kollege Michał Broniatowski, Chefredakteur von „Forbes Polska“, ebenso wie „Newsweek Polska“ ein polnischsprachiges Springer-Magazin. Broniatowski lieβ seinen Bürgerkriegs- und Gewaltfantasien freien Lauf. Auf dem Höhepunkt der Sejm-Besetzungskrise im Dezember 2016 verfasste der leitende Springer-Mitarbeiter auf Facebook eine genaue Anleitung, wie man einen blutigen Maidan in Warschau organisieren sollte:

Degan Broniatowski fot.
„Forbes Polska“-Chefredakteur Michał Broniatowski.

„(…) Es genügen zwei- bis dreitausend Leute, die über Nacht ausharren, hingegen Zehntausende, die bereit sind sie tagsüber zu unterstützen.

Außerdem“, so Broniatowski weiter, „sollte ein groβer Platz im Zentrum ausgewählt werden (…) mit einem groβen öffentlichen Gebäude in der Nachbarschaft, das man besetzten (und verteidigen) kann. Das ist notwendig aus logistischen, stabsmäβigen, medialen (Pressezentrum), hygienischen (Toiletten) Gründen (…). Zelte müssen wie in einer Wagenburg aufgestellt werden. (…) Die Behörden greifen nach einigen Tagen (im Morgengrauen) stumpfsinnig und blutig die zeltende Jugend an. Am nächsten Tag demonstrieren eine Million Leute auf dem Platz und in seiner Umgebung.(…)

Abteilungen des Selbstschutzes. Hier muss man sehr genau aufpassen, um Provokationen zu vermeiden. (…) Sollte ich etwas vergessen haben, dann bitte ich (…) um Ergänzungen.”

Dekan Broniatowski Majdan fot.
Broniatowski-Anleitung zum blutigen Maidan in Warschau.

Kein Wunder, dass angesichts eines solchen Verhaltens in der Öffentlichkeit die Frage aufkam, ob denn etwa auch das Schüren von Unruhen im Nachbarland zum Verlagsprogramm gehöre. Der Konzern jedenfalls hat sich von den Aktivitäten seiner leitenden Mitarbeiter in Polen nie eindeutig distanziert.

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„Newsweek Polska“ 40/2015 „Kriege in der Kaczyński-Familie“.

   German Übermacht

Der deutsche Springer-Verlag betreibt sein Polen-Geschäft seit 2010 gemeinsam mit dem Schweizer Medienkonzern Ringier AG als Ringier Axel Springer Media AG und hat es auf landesweite Medien abgesehen.

Springer ist (seit 2009) Herausgeber von „Fakt“ (der polnischen „Bild-Zeitung“, wie sie genannt wird), des auflagenstärksten Blattes in Polen (Februar 2017: ca. 280.000 verkaufte Exemplare pro Tag) sowie von zwei Sport-Blättern: „Sport“ und „Przegląd Sportowy“ („Sport Rundschau“).

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„Newsweek Polska“ 44/2015 „Staatsoberhaupt“.

Hinzu kommen: das radikal antikatholisch und gegen die nationale polnische Tradition ausgerichtete Kampfblatt „Newsweek Polska“ (Verkaufszahlen Januar 2017: ca. 100.000 Exemplare pro Woche), das Wirtschafts-Monatsmagazin „Forbes“ und das gröβte, genauso wie „Newsweek Polska“, ideologisch tief gefärbte polnischsprachige Internetportal „Onet.pl“. Des Weiteren hat der Konzern eine Reihe von Computer-Fachzeitschriften im Angebot.

Und dies alles ist nur ein Teil eines noch gröβeren Ganzen. Die Zahlen sind wahrlich überwältigend. So befindet sich auf Platz eins der deutsche Bauer-Verlag, der 2015 knapp 360 Mio. Exemplare seiner Presserzeugnisse in Polen verkauft hat. Rang zwei: Ringier Axel Springer – mit nicht ganz 173 Mio. Exemplaren. Platz drei: Passauer Neue Presse (Polska Press Grupa): knapp 127 Mio. Rang sieben: Burda-Verlag mit gut 31 Mio. Exemplaren. Fazit: siebzig Prozent aller Medien (Fernsehen nicht eingeschlossen) in Polen befinden sich in deutschem Eigentum, darunter praktisch alle Regionalzeitungen.

Dekan Newsweek 47-2015 fot.
„Newsweek Polska“ 47/2016 „Kaczyński hat losgelegt“.

Hinzu kommen zwei der gröβten Internetportale: „Onet.pl“ (Springer) und „Interia.pl“ (Bauer), sowie der gröβte private Radiosender „RFM FM“ (Bauer).

Einen ausführlichen Bericht über deutsche Medienkonzerne in Polen lesen Sie bitte hier.

Hart austeilen…

Als der Springer-Verlag nach Polen kam, war gerade (2005 bis 2007) die erste nationalkonservative Regierung von Jarosław Kaczyński an der Macht. Damals hängte sich Springer in Polen das Mäntelchen eines konservativen Verlegers um. Die Tageszeitung „Dziennik“ (im April 2006 gegründet und groβzügig finanziert) sollte die polnische „Die Welt“ werden und der linksradikalen „Gazeta Wyborcza“ die Marktführung streitig machen. Genauso verhielt es sich mit dem Boulevardblatt „Fakt“.

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„Newsweek Polska“ 3/2016 „Was geht in Kaczyńskis Kopf vor?“

Zehn Jahre später spielen alle wichtigen polnischsprachigen Springer-Medien in einer Liga mit der „Gazeta Wyborcza“ und der postkommunistischen „Polityka“.

„Die Springer-Medien steuern einen wesentlichen Beitrag zur Verrohung und Verflachung der öffentlichen Debatte in Polen bei. Katholische Kirche, die traditionelle Familie, konservative Werte, die polnische Tradition des Freiheitskampfes und seine Symbole unterliegen einem gnadenlosen publizistischen Dauerbeschuss. Hohn und Spott wechseln sich ab mit Schreckensvisionen des „typisch polnischen“ Nationalismus, Chauvinismus, Antisemitismus, der angeblich allgegenwärtigen Intoleranz. Man könnte meinen: je provokanter und beleidigender, umso besser.

Aus der Perspektive der polnischsprachigen Springer-Medien gleicht Polen einer mittelalterlichen Hölle. Und über all dem schwebt in Schwefelwolken der böseste aller bösen polnischen Geister: Jaroslaw Kaczyński, der dämonenhafte Dauerheld der „Newsweek Polska“-Titelblätter“, so beschreibt das Wirken der führenden polnischsprachigen Springer-Medien der Medienexperte Pawel Suchanski.

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„Newsweek Polska“ 10/2016 „Entschuldige dich bei Lech (Wałęsa – Anm. RdP) und bei den Polen“.

… und nicht einstecken können.

Wer so grob austeilt, sollte auch einstecken können. Stattdessen stimmte der Autor des Rundbriefes ein Lamento an. Er, der Vertreter freier Medien, und sein Unternehmen, seien einer aggressiven und manipulativen Kampagne ausgesetzt.

Woran bei dieser „Kampagne“ erinnert wurde, war für den Konzern in der Tat nicht schmeichelhaft.

Das konservative Nachrichtenmagazin „wSieci“ („imNetzwerk“, vom 02.04.2017) erinnerte daran, dass der „Fakt“-Chefredakteur, Grzegorz Jankowski, auf Betreiben der Tusk-Regierung, im Mai 2014 entlassen worden sei. Springers polnischsprachiges Boulevardblatt, so „wSieci“, habe die Tusk-Regierung zu stark kritisiert, vor allem in Bezug auf die Amber-Gold-Affäre, in die der Tusk-Sohn Michał verwickelt war.

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„Newsweek Polska“ 17/2016 „Das groβe Orchester der Verachtung“.

Einen ausführlichen Bericht über die Amber-Gold-Affäre lesen Sie bitte hier.

Wie es zu der Entlassung des ungehorsamen „Fakt“-Chefredakteurs Grzegorz Jankowski gekommen sein soll, enthüllt das Abhörprotokoll eines Gespräches, das am Gründonnerstag, dem 17.04.2014 stattgefunden hat.

In dieser Zeit haben Kellner zweier nobler Warschauer Restaurants, auf Bestellung eines dubiosen Unternehmers, ein Jahr lang Gespräche führender Politiker der Regierungspartei und ihrer Gäste beim Essen aufgenommen. Das Informationsmagazin „Wprost“ („Direkt“) hat viele der Abhörprotokolle im Juni 2014 veröffentlicht, was zum Wahldesaster der Tusk-Partei 2015 wesentlich beigetragen hat.

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„Newsweek Polska“ 22/2016 „Recht und Gerechtigkeit gegen die Welt“.

„Journalismus an der Leine“

Ort:

Restaurant des Polnischen Unternehmerrates in Palais Sobanski in Warschau.

Gesprächspartner:

Pawel Graś, Staatssekretär im Amt des Ministerrates (entspricht dem deutschen Bundeskanzleramt), Generalsekretär der damals regierenden Bürgerplattform, engster Vertrauter und Berater des damaligen Ministerpräsidenten Donald Tusk. Tusk nahm Graś nach seiner Ernennung zum Chef des Europäischen Rates als seinen Sekretär mit nach Brüssel.

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Tusk-Intimus Paweł Graś (rechts oben) und Milliardär Jan Kulczyk.

Jan Kulczyk, der reichste Unternehmer Polens mit besten Verbindungen nach Deutschland, im Juni 2015 verstorben.

Über Jan Kulczyk und seine windigen Geschäfte lesen Sie bitte hier.

Inhalt:

Graś: Mann, es  ist doch wichtig, dass die Medien, Mann, irgendwie das, was passiert, zu würdigen wissen.

Kulczyk: Na also mit „Fakt“ gibt es ein Problem, das ist… „Fakt“ gehört Springer? Ja?

Graś: Ja, das ist eine absolut komische Situation, weiβt du.

Kulczyk: Und die Merkel kann da nichts tun?

Dekan Newsweek 25-2016 fot.
„Newsweek Polska“ 25/2016 „Wieviel Jahre mit Kaczyński?“

Graś: Wir haben mit denen geredet. Auf die eine und andere Weise. Einerseits sagen sie, also diese Deutschen, dass sie die Sache ausschlieβlich als Sache des Unternehmens betrachten, und dass sie sich nicht einmischen, keinen Einfluss nehmen wollen usw. So eine Zeitung, Mann, die sich ausschlieβlich der Hasssprache bedient, sich unaufhörlichen Attacken auf die (Tusk- Anm. RdP)-Regierung und den Ministerpräsidenten widmet, das ist, Hurenmutter (grobes polnisches Schimpfwort – Anm. RdP) noch mal, ein Wahnsinn.

Kulczyk: Also hör zu, ich werde mich umhören, ich kenne da so einen Typen, der, weiβt du, dort (in Deutschland – Anm. RdP) unserer Gruppe angehört, er ist Senator, er ist Anwalt. Ich habe die… bei ihm habe ich zweimal die (Friede – Anm. RdP) Springer gesehen. Weiβt du?

Graś: Aha, aha.

Kulczyk: Ich werd‘s versuchen.

Degan Grzegorz Jankowski fot.
Zu viel Tusk-Kritik? Von der Leine gerissen? „Fakt“-Chefredakteur Grzegorz Jankowski wurde von einem Tag auf den anderen gegangen.

Zufall oder nicht. Fakt ist, dass sechs Wochen nach diesem Gespräch der „Fakt„-Chefredakteur Grzegorz Jankowski nach elf Jahren abgesetzt wurde. Der Geschasste hüllt sich bis heute in Schweigen.

Um die „Fakt“-Redaktion wieder auf Linie zu bringen, so „wSieci“ weiter, habe der Konzern den Aufpasser Peter Prior nach Warschau geschickt. Ihm sollen, laut „wSieci“, die wichtigsten politischen Manuskripte ins Deutsche übersetzt, und dann zur Kontrolle und Korrektur vorgelegt worden sein.

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„wSieci“-Titelstory „Aufpasser aus Deutschland leitete polnische Zeitungen“. Im blauen Hemd Peter Prior.

Zwischen Sommer 2014 und Sommer 2016 soll Prior, jedenfalls laut „wSieci“, nach Möglichkeit Tusk- und Walesa-kritische Beiträge eliminiert haben. Im Gegenzug habe er die Journalisten veranlasst gegen den Präsidentschaftskandidaten von Recht und Gerechtigkeit, Andrzej Duda (im Mai 2015 fanden in Polen Präsidentschaftswahlen statt) und die Kaczyński-Partei (im Oktober 2015 folgten Parlamentswahlen) zu schreiben.

Prior soll im bewegten Herbst 2015 ebenfalls darauf geachtet haben, dass „Fakt“ die deutsche Linie in Sachen Aufnahme von Emigranten vertritt. Der nach Entlassung Jankowskis neu eingesetzte „Fakt“-Chefredakteur, schreibt „wSieci“, habe bei Redaktionskonferenzen alle Anweisungen des aus Deutschland entsandten Kontrolleurs notiert und sie dann peinlichst umgesetzt. Erst als Priors Wirken in der Öffentlichkeit ruchbar wurde, habe man ihn wieder nach Deutschland abgezogen.

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„Newsweek Polska“ 29/2016 „Polen in Trümmern“.

Aufgrund dieses Berichts will „Ringier Axel Springer“. das Magazin „wSieci“ verklagen. Genauso soll es dem rechtsnationalen Wochenblatt “Warszawska Gazeta“ für seinen Beitrag vom 06.04.2017 ergehen.

Weitere Schlagzeilen zum selben Thema lauteten: „Journalismus an der Hundeleine“ („Gazeta Polska Codziennie“ – „Polnische Zeitung Täglich“ 18/19.03.2017), „Redakteure unter Aufsicht“ („wSieci“ – „imNetzwerk“, 02.04.2017), „Der Riese hat sich entblöβt“ (Wochenmagazin „Niedziela“ – „Der Sonntag“, 09.04.2017) usw, usf. Die Titel der Berichte, die der Rundbrief von Mark Dekan ausgelöst hat, sprechen für sich.

Dekan Newsweek 32-2016 fot.
„Newsweek Polska“ 32/2016 „Vize-Jarosław“. Gemeint ist Verteidigungsminister Antoni Macierewicz.

Unterstützung bekam Ringier Axel Springer hingegen von einer kleinen Gruppe verbündeter polnischer Kollegen (der Feind meines Feindes ist mein Freund), überwiegend aus der „Gazeta Wyborcza“, die einen eigenen Verband, die Journalistische Gesellschaft (JG) gegründet haben. Seine Mitglieder distanzierten sich seiner Zeit vom Polnischen Journalistenverband (SDP), der ihnen zu konservativ war und der auch zum Dekan-Rundbrief kritisch Stellung genommen hat.

Der JG-Brief zu diesem Thema wurde auf der Internet-Seite von „Die Welt“ veröffentlicht ohne einen einzigen Hinweis auf die peinlichen Begleitumstände, die ihm vorausgegangen sind. Die deutschen Leser dieses Briefes bleiben diesbezüglich daher völlig ahnungslos. Wir veröffentlichen den Wortlaut am Ende dieses Beitrages.

Degan TD fot.
„Schleimer“. Titelseite der „Gazeta Polska Codziennie“ („Polnische Zeitung Täglich“) vom 21.03.2017 mit Fotos der führenden Köpfe der Journalistischen Gesellschaft, die sich bei den Deutschen entschuldigt haben.

Dekonzentrierung tut Not

Noch vor einiger Zeit sprach die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit von einer notwendigen „Polonisierung“ der Medien. Die fast absolute Vormacht des ausländischen, vor allem deutschen Kapitals, auf dem polnischen Medienmarkt und seine politische Einflussnahme werden in groβen Teilen der Gesellschaft auf Dauer als unzumutbar erachtet.

Dekan Newsweek 46-2016 fot.
„Newsweek Polska“ 46/2016 „Ist die Welt verrückt geworden?“

Eine Enteignung auf Grund der nationalen Herkunft der Medien-Eigentümer kommt, allein schon aufgrund von EU-Bestimmungen, nicht in Frage. Andererseits wird in Polen darauf hingewiesen, dass sowohl in Deutschland, wie auch in Frankreich strenge Antikonzentrations-Gesetzte auf dem Medienmarkt gelten. Mehr als zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Anteile an einer Sparte des Medienmarktes zu besitzen ist nicht zulässig.

Polen, so heißt es, werde nun auch diesen Weg gehen. Mitte 2017 soll ein Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht werden, der die geltenden deutschen und französischen Lösungen kopiert. Den heutigen Herrschern des Medienmarkts soll genügend Zeit gegeben werden, damit sie die Möglichkeit haben, ihre über eine gesetzlich vorgegebene Grenze hinausgehenden Marktanteile zu verkaufen.

Ob an polnische Staatskonzerne oder an andere ausländische Interessenten, das sei dahingestellt. Hauptsache, auf dem polnischen Medienmarkt gibt es wieder eine echte Vielfalt.

© RdP

Rundbrief von Mark Dekan

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dekan dzień dobry fot.
Mark Dekan.

Barcelona gegen Paris Saint-Germain 6:1! – Das war ein Spiel! Doch nicht dieses Spiel hat den Titel des Wettkampfes der Woche verdient. In dieser Liga spielten zwei Polen, die sich in der europäischen Arena gemessen haben, und ihr Spiel endete mit dem Ergebnis 27 : 1!

Alleiniger Sieger ist nicht Donald Tusk, genauso wie Kaczyński nicht der alleinige Verlierer ist. Gemeinsam mit Tusk haben die Polen gewonnen – alle, die stolz sind auf ihre Zugehörigkeit zur Europäischen Union.

Untersuchungen zeigen, dass fast achtzig Prozent der polnischen Gesellschaft dieser Meinung ist. Verloren in diesem Kampf hat neben Jarosław Kaczyński der gute Ruf Polens als glaubwürdiger EU-Partner.

Dekan Newsweek 50-2016 fot.
„Newsweek Polska“ 50/2016 „Recht und Gerechtigkeit werden noch kommen“. Springer-Wunschtraum? Jaroslaw Kaczyński, Staatspräsident Andrzej Duda, Ministerpräsidentin Beata Szydło und weitere führende Regierungspolitiker Polens als Häftlinge.

Was haben wir erfahren:

1. Kaczyński wurde, wahrscheinlich gegen seinen Willen, zum wirksamsten Fürsprecher der Wiederwahl von Donald Tusk.

2. Ideologie und primitive Manipulationen haben gegen Werte und Verstand verloren. Sowohl das von Orban regierte Ungarn, als auch die übrigen Visegrád-Staaten haben sich in der Abstimmung für Tusk ausgesprochen.

3. Die EU hat gelernt, dass es nicht lohnt sich um jeden Preis für Einigkeit einzusetzen. Das ist für die Zukunft eine sehr wertvolle Lehre, die bestimmt die Umsetzung der Idee von einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten beschleunigen wird.

Die letzte Aussage hat eine Schlüsselbedeutung für Polen. In absehbarer Zeit wird es auf der EU-Autobahn nicht nur einen schnellen und einen langsamen Fahrstreifen sondern auch eine Parkspur geben.

Degan Newsweek 6-2017
„Newsweek Polska“ 6/2017 „Komplizen“ Rechts Chef der Bürgerplattform Grzegorz Schetyna.

Das ist der Augenblick, in dem sich freie Medien, wie wir, ins Spiel bringen. Lasst uns niemals die Grundwerte vergessen, die wir vertreten: wir treten ein für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und ein VEREINIGTES EUROPA.

Denken wir daran, dass die Mehrzahl unserer Leser und Nutzer zu der überwältigenden Mehrheit gehört, die Polens EU-Mitgliedschaft unterstützt. Lasst uns ihnen vorsagen, was zu tun ist, um auf der Schnellspur zu bleiben, und nicht auf dem Parkstreifen zu landen.
Der Einsatz in diesem Spiel sind Freiheit und Wohlergehen künftiger Generationen.“

Anmerkung RdP: An dieser Stelle folgt eine etwas chaotische Wiedergabe einer Umfrage vom 09.03.2017, aus der eine insgesamt hohe Zustimmung der polnischen Bevölkerung zur EU-Mitgliedschaft hervorgeht. Bei der polnischen Jugend (18 – 24 Jahre) ist sie geringer – 26 Prozent sind für den EU-Austritt. Dekan schreibt weiter:

„Obwohl die Umfrageergebnisse optimistisch stimmen, werfen sie Fragen auf, die es sich lohnt zu beantworten. Warum ist die kritische Einstellung gegenüber Europa gerade bei der jungen Generation sichtbar? Warum glaubt sie weniger an die Idee des gemeinsamen Europas?

Sicherlich hat teilweise das Bewerfen der EU mit Schmutz dazu beigetragen sowie das in den Medien erzeugte negative Bild einer krisengeschüttelten EU. Das sind Probleme, denen die EU mehr Aufmerksamkeit widmen sollte.“

Dekan Newsweek 12-2017 fot.
„Newsweek Polska“ 12/2017 „Scheidung von Europa“.

Anmerkung RdP: Am Ende folgt ein Hinweis auf neueste geschäftliche Erfolge des Verlages in Polen. Das Schreiben schließt mit einem Lob an alle männlichen Mitarbeiter, die, anlässlich des Internationalen Frauentags am 08. März, an ihre Kolleginnen E-Mails und Fotos mit Würdigungen und guten Wünschen für die weibliche Belegschaft gesandt haben und diese Mitteilungen dem Chef zur Kenntnis weitergeleitet hatten.

(Übersetzung aus dem Polnischen RdP)

Dekan Newsweek 24-2017 fot
„Newsweek Polska“ 24/2017. „Die Geheimnisse der Festung Recht und Gerechtigkeit“.

 

Brief der Journalistischen Gesellschaft

„Liebe Freunde,

Die über Jahre aufgebaute deutsch-polnische Partnerschaft und Freundschaft ist heute in Gefahr durch eine lügnerische, aggressive und antideutsche Propaganda, die von der polnischen Regierung initiiert wird und an die kommunistischen Kampagnen aus den 1960er-Jahren erinnert.

Dekan TD fot. 2
„Liebe deutsche Freunde“. Internet-Memme. Die Journalistische Gesellschaft demonstriert unter deutschen Farben.

Auf den ersten Seiten der regierungsnahen Medien sehen wir beleidigende Fotomontagen, die deutsche Politiker und Vertreter der Europäischen Union in Uniformen der Wehrmacht zeigen.

Die wichtigsten Politiker der polnischen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) beschuldigen Deutschland – eigentlich ein Verbündeter und ein Freund Polens –, es würde versuchen, Europa zu dominieren und dem Kontinent seinen „deutschen Willen“ aufzwingen.

Die Pressesprecherin der PiS beklagte in der Hauptausgabe der „Tagesschau“ des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dass der deutsche Staat sich in die inneren Angelegenheiten Polens einmische. Und sie fragte, ob Polen ein freies Land sei oder eine deutsche Kolonie.

Dekan GP fot.
Wochenmagazin „Gazeta Polska“ („Polnische Zeitung“) vom 12.03.2017. „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“, im Hintergrund eine blaue Krakauer Straßenbahn während der deutschen Besatzung.

Darüber hinaus hat sie eine neue Gesetzgebung angekündigt, in deren Folge deutsche Verlagshäuser aus dem polnischen Pressemarkt vertrieben werden sollen. Sie ging sogar so weit, dass sie versuchte, den Vorstand von Ringier Axel Springer mit einem Strafverfahren einzuschüchtern.

Liebe deutsche Freunde, wir wissen, wie peinlich und falsch diese Lügen und Verleumdungen sind. Wir möchten Ihnen versichern, dass wir sie als genauso peinlich empfinden, wir, die wir den Rechtsstaat und die Demokratie in Polen verteidigen.

Obwohl wir für diese schäbige Propagandakampagne, von der wir auch betroffen sind, nicht verantwortlich sind, möchten wir an Sie Worte der Entschuldigung und des Bedauerns richten.

Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, sind Journalisten, Publizisten und Redakteure der Medien, die mit der Idee von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stark verbunden sind. Wir bewundern die deutsche Gesellschaft und den deutschen Staat für die Einhaltung demokratischer und moralischer Standards und für die Solidarität mit Verfolgten.

Wir sind überzeugt, dass die polnische öffentliche Meinung mehrheitlich gegen diese mit bösen Absichten verbreitete antideutsche Propaganda immun wird. Wir hoffen darauf, dass es sich nur um ein peinliches und beschämendes Kapitel in der Geschichte der guten deutsch-polnischen Beziehungen handelt.“

(Wortlaut des auf der Internet-Seite von „Die Welt“ veröffentlichten Briefes – RdP.)




Martinek der Polenschreck

Der kometenhafte Aufstieg von Martin Schulz in der deutschen Öffentlichkeit gibt polnischen Beobachtern Rätsel auf, weckt Hoffnungen und Vorbehalte.

Zwischen Polen und Deutschen besteht, was Martin Schulz angeht, ein beträchtlicher Wahrnehmungsunterschied. Als Schulz, der gutherzige Dr. Jeckyll, an Rhein, Ruhr und Spree ab Anfang 2017 rasant Sympathien einheimste und Berühmtheit erlangte, war Schulz, der schreckliche Mr. Hyde, an der Weichsel schon seit Langem berühmt-berüchtigt.

Es heiβt, polnische konservative Abgeordnete im Europaparlament, hätten der politischen Nervensäge Schulz den Kosenamen „Martinek“ verpasst.

Verbaler Amoklauf

Was die deutsche Zeitung „Die Welt“ (13.02.2017) nachsichtig als „taktlose Ermahnungen“ von Schulz an die Adresse der polnischen Regierung umschrieb, empfand man in Polen als einen „verbalen Amoklauf”. Genauso sah es bereits am 10.12.2015 der Vizepräsident des Europäischen Parlamenbereits ts, Alexander Graf Lambsdorff (FDP):

„Es gibt eine Reihe von Äußerungen von Martin Schulz, die sowohl antideutsche als auch antieuropäische Gefühle in Polen verstärken. Ich halte das für überhaupt nicht zielführend.“, so Lambsdorff im „Deutschlandfunk“. „Dieser verbale Amoklauf von Martin Schulz ist ein Geschenk für die neue Regierung in Warschau, denn er bestätigt scheinbar die Haltung im gesamten Westen, dass Polen ein Land ist, das unter Kontrolle gestellt werden muss“,

Schulz Polska karykatura fot.
Was Martin Schulz zu Polen zu sagen hat. Polnischer Internet-Mem.

Zuerst das Thema Zwangsumverteilung von Immigranten innerhalb der EU, beginnend im Spätsommer 2015, dann der Sieg der Nationalkonservativen bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015. Polen sah sich in jener Zeit einem Trommelfeuer von Belehrungen, Drohungen, Rügen und Forderungen aus Brüssel ausgesetzt. Martin Schulz, damals Präsident des Europäischen Parlaments, hatte sich an die Spitze dieses verbalen Polen-Feldzuges gestellt:

● „Schulz an Polen: »Das Europa des Gemeinschaftsgeistes muss sich notfalls mit Macht durchsetzten!«”, (ZDF, 10.09.2015);

„EU-Parlamentspräsident Schulz spricht von Staatsstreich in Polen”, („Deutsche Wirtschafts Nachrichten“, 15.12.2015);

„Martin Schulz greift Polen hart an”, (FAZ, 09.01.2016);

„Martin Schulz erkennt in Polen eine »Demokratie nach Putins Art«”, („Die Welt”, 10.01.2016);

„Martin Schulz ermahnt Polen”, („EurActiv.de”, 14.01.2016);

„Martin Schulz: »Druck auf Polen aufrechterhalten!«“, („Hamburger Abendblatt”, 20.06.2017);

„Martin Schulz: »In Europa ist Kampfzeit!«“, („Aachener Zeitung”, 08.04.2016);

„Polen und Ungarn im Visier. Martin Schulz fordert grobe Mittel gegen Rechtspopulisten und EU-Gegner“, („Wirtschaftsblatt“, 05.01.2017).

„Macht”, „Kampf”, „Druck”

Martin Schulz, der mögliche neue deutsche Bundeskanzler, fackelt nicht lange, sondern streckt den Zeigefinger aus und sagt was Sache ist. Seine Weltanschauung, so der Eindruck, ist die einzig wahre. Wer sie nicht teilt, dem sagt Martin Schulz den „Kampf” an, geht zum „Angriff“ über, macht „Duck“ mit aller „Macht” seiner Rede-Gewalt.

Der Zuchtmeister aller „Populisten“, „Antieuropäer“, aller „Feinde der transnationalen Demokratie“ duldet keine Widerrede, denn diesen Leuten komme man nicht „durch fein ziselierte Argumente“ bei. Da gehört „ein grober Keil“ drauf (Interview in der „Süddeutschen Zeitung“, 05.01.2017).

Das Europa, für das Martin Schulz kämpft, soll die Kreuze von den Amtswänden und Kirchendächern abnehmen („Der öffentliche Raum muss neutral sein. Darauf bestehe ich“), unisex-konforme Ampelmännchen und die „Ehe für alle“ einführen, die Gender-Ideologie, die „sexuelle Vielfalt“ und die „liberale Demokratie“ bedingungslos umsetzen.

Und „liberale Demokratie“ bedeutet für ihn, so sehen es seine Gegner, dass nur diejenigen Wahlen gewinnen und regieren dürfen, die den langen Katalog seiner linken Demokratie-Vorstellungen einhalten und umsetzten. Wenn nicht, dann verwandelt sich Martin Schulz in eine Empörungsmaschine, eine Hochleistungs-Dampframme, die unentwegt „grobe Keile“ dazwischen treibt. Sei es in der israelischen Knesset, sei es im Europaparlament oder in den Medien. Schulz poltert, schimpft, droht, schnaubt vor Wut, Entrüstung und Zorn, und verrennt sich nicht selten hoffnungslos.

Polen war in der EU-Karriere von Martin Schulz nur eines von vielen Angriffsobjekten. Seitdem er groβe Chancen hat Bundeskanzler einer womöglich rot-rot-grünen Regierungskoalition in Berlin zu werden, schauen die einen in Polen mit Hoffnung, andere mit Unbehagen in Richtung Deutschland.

Schulz: Polnische Träume und Albträume

Die Anfang 2017 zerstrittene, in der Bürgergunst tief gefallene polnische Opposition hofft, dass der neue „deutsche Rammbock“, nach der Machtübernahme in Berlin, mit aller Macht politisch, vielleicht auch ökonomisch, gegen das Kaczyński-Polen ins Feld ziehen wird: ideologische Ächtung, politische Isolation, deutsche Annäherung an Russland, vielleicht sogar EU-Sanktionen…

Die Wochenzeitung „Polityka“ (14.02.2017), um nur ein Beispiel anzubringen, nennt ihn in diesem Kontext „eine herausragende Gestalt“, „mit ganzem Herzen und ganzer Seele der Sache des Friedens und des gemeinsamen Europas ergeben“.

Verzweiflung aufgrund der eigenen Schwäche, Blauäugigkeit und Wunschdenken spielen in diesen Überlegungen eine sehr groβe Rolle. Doch, wie sagt man: die Hoffnung stirbt zuletzt.

Schulz aborcja fot.
April 2016.“Export der Revolution“. Martin Schulz setzt sich für die Tötung ungeborener Kinder In Polen ein.

Während die Vorstellung vom eventuellen künftigen deutschen „Export der linken Revolution“ die einen beflügelt, bereitet sie den anderen schlaflose Nächte.

Die polnischen Konservativen, unter denen die regierenden Nationalkonservativen eine sehr groβe aber bei Weitem nicht die einzige Gruppierung stellen, geben sich nicht die geringste Mühe ihre Schulz-Aversion zu kaschieren. Beiderseits war es eine tiefe Abneigung auf den ersten Blick.  Wie Martin Schulz in den polnischen Wald hinein rief, so schallt es ihm nun entgegen.

Düstere Vorahnungen

„Sollte Schulz Angela Merkel bezwingen, dann kündigt sich eine düstere Zeit in den polnisch-deutschen Beziehungen an. Der neue SPD-Chef ist nicht nur ein Gegner der in Polen regierenden Nationalkonservativen. Ihn zeichnet auch eine verächtliche Haltung gegenüber Polen und zu den Polen aus. (…) Das einzige Polen, das Schulz tolerieren kann, ist ein gefügiges Polen, regiert von einer deutschlandhörigen liberalen Mannschaft, die die polnischen Konservativen dauerhaft vom Regieren fernhält.“, schreibt Konrad Kołodziejski, der Deutschland-Kommentator des einflussreichen konservativen Internetportals „wPolityce.pl“ („inderPolitik.pl“, 29.01.2017).

Schulz Duda MSC 2016 fot.
Ermahnen, belehren, zurechtweisen. Martin Schulz knöpft sich den polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda vor. München, Februar 2016.

Sollte Schulz Kanzler einer rot-rot-grünen Regierungskoalition werden, „kann sich die Politik unseres gröβten Handelspartners radikal ändern“, urteilt die polnischsprachige Springer-Zeitung „Dziennik“ („Das Tagblatt“, 30.01.2017). Sie sagt voraus, Bundeskanzler Schulz wird die kränkelnde EU nach dem Motto „hat’s nicht gewirkt, dann verabreichen wir noch mehr von Demselben“ heilen wollen. „Also noch mehr Zentralisierung“.

Das ist durchaus wahrscheinlich. Schlieβlich gehört Schulz zu den eifrigsten Rufern nach mehr Europa, den Beschwörungskünstlern der europäischen Einigung, die mit ihrer rastlosen Propaganda dem Ansehen der EU oft genug geschadet haben.

Man kann sich vorstellen, so „Dziennik“, dass unter Schulz, sehr zur Freude der Franzosen, „die Debatte über die Zukunft der EU sich auf die EWG-Gründerstaaten beschränken wird, unter Hinzuziehung der Eurozone-Länder“. Auch das leidige Thema der Immigranten-Zwangsumverteilung könnte wieder auf die Tagesordnung kommen. Staaten wie Polen würden massiv unter Druck gesetzt: „Ihr nehmt es an, und wenn’s euch nicht passt, dann könnt ihr gehen“.

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Januar 2016. Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło ins Europäische Parlament zum Rapport bestellt. Sie stand ihren Mann und hat Martin Schulz in die Schranken gewiesen.

Hart ins Gericht geht mit Schulz der „wPolityce.pl“-Autor Dorian Urbanowicz (11.02.2017):

„Von Tag zu Tag wahrscheinlicher ist der Wahlsieg der ultralinken rot-rot-grünen Koalition mit einem linken EU-Fanatiker an der Spitze. (…) Martin Schulz ist ein gefährlicher Politiker, ein fanatischer Befürworter des Brüsseler Diktats, der keine Meinungsunterschiede akzeptiert, dafür stets bereit ist, die gemeinsten verbalen Provokationen gegen seine politischen Gegner anzuwenden“.

Schulz, so der Autor, „ist ein ideologisierter politischer Agitator, der dogmatisch an der von den meisten Europäern inzwischen verworfenen Vorstellung von der EU als einem supranationalen Superstaat festhält. (…) Die Befürworter der EU der Nationen schimpft er »rückständige Nationalisten«. Konservative Europäer wirft er mit Vorsatz in einen Topf mit Rechtsradikalen“.

Nein, Schulz ist kein typischer Eurokrat. „Schulz“, schreibt Urbanowicz, „ist vor allem ein hervorragender Redner, der von ganzem Herzen an das »Groβeuropäische Reich« glaubt. (…) Seine Reden sind authentisch und ehrlich gemeint. Deswegen haben wir allen Grund zu glauben, dass es während seiner Kanzlerschaft nicht nur bei Ankündigungen und Drohungen bleiben würde.“

Wird Schulz die Deutschen verführen?

Der kometenhafte Aufstieg von Martin Schulz in der deutschen Öffentlichkeit will erklärt sein. Auch polnischen Kommentatoren fällt das nicht leicht. Die meisten weisen auf die enorme Merkel-Müdigkeit nach zwölf Jahren Kanzlerschaft hin.

Zumeist gehen sie dann dazu über die Verführungsfähigkeiten von Martin Schulz darzustellen und wundern sich. Denn der Mann ist ein Populist in Reinkultur, was sogar die linke „Süddeutsche Zeitung“ (30.01.2017) zugeben musste. Freilich, so die SZ, „ein Populist im besten Sinne“, was den meisten polnischen Kommentatoren ein Schmunzeln entlockt.

Werden die Deutschen, fragt man, einem Mann folgen, dessen Physiognomie und Auftritt den absoluten Willen zur Macht ausdrücken, der die Botschaft geradezu körperlich verbreitet: „Keiner wird mich stoppen!“? Er begegnet Angela Merkel als ebenbürtiger Herausforderer und Gegner. Und er versprüht enormen Optimismus. Ganz gewiss, all das beeindruckt.

Kann es sein, dass nach der jahrelangen, pausenlosen Anti-Orban-Kaczyński-Trump-Le Pen-Wilders-Hyper-Medienkampagne, die Deutschen einem Politiker folgen, der da verkündet: „Deutschland braucht eine Erneuerung“, und diese Erneuerung, das sagt er nicht, aber das versteht sich von selbst, sei er selbst.

Martin Schulz will für Gerechtigkeit sorgen, für eine gerechte Gesellschaft, für einen gerechten Staat, für ein Leben in Würde für alle, für sichere Renten, für bezahlbare Mieten, für mehr Wohnungen, für faire Löhne und für Sicherheit. Für den Mann und für die Frau von der Straße will er unternehmen, was in seiner Kraft und Macht steht, für den Busfahrer, für die Krankenpflegerin, für den Bäcker, für den Polizisten und für die Verkäuferin, für alle, „die schuften und schuften“, sich nichts zuschulden kommen lassen, den Staat am Laufen halten und den Eindruck haben, man habe ihre Probleme vergessen.

Aber hallo!

Schulz habe Verständnis für die Angst vor wachsender Kriminalität. Bei den Polizeikräften sei zu sehr gespart worden. Es müssten mehr Polizisten auf der Straße sein. Straftäter müssten „die volle Härte des deutschen Gesetzes und der deutschen Sicherheitsorgane“ zu spüren bekommen. Straftäter, die Steuern hinterziehen und diejenigen „die auf einem Bahnhofsvorplatz unsere Frauen angreifen“.

Schulz fährt durchs Land und verkündet, er wisse um, er kenne, ja er spüre, aus dem Bauch heraus, mit Haut und Haaren, die Ängste und Nöte aller Menschen in Deutschland – die Angst um die Zukunft der Kinder, um die eigene Sicherheit, die Angst um den Arbeitsplatz, um das Auskommen im Alter, weil er Bürgermeister in Würselen war, und sein Nachbar von gegenüber bei der Feuerwehr ist und direkt nebenan eine Familie mit kleinen Kindern wohnt, was ihn unbedingt zum Bundeskanzler befähige.

Und was alles würde Martin Schulz dem US-Präsidenten Donald Trump am Telefon sagen! Dem würde er, so Schulz im ARD-Interview mit Anne Will – aber hallo! – ja so was von die Meinung geigen! Trump solle gefälligst nicht wie eine Abrissbirne „durch unsere Grundwerteordnung“ rasen, er müsse „die elementaren Grundwerte der westlichen Welt“ respektieren und sein fremdenfeindliches und frauenverachtendes Weltbild revidieren.

Wohin er kommt, erntet Martin Schulz tosenden Applaus. Werden die Deutschen vor diesem Mann kapitulieren?

© RdP




AfD? Gute Nacht Polen!

Warum Polens Nationalkonservative die AfD meiden.

Die gerade einmal drei Jahre lang bestehende Alternative für Deutschland (AfD) hat bereits den neunten von sechzehn Landtagen erobert, und wenn es so weiter geht, werden ihre Vertreter ab dem nächsten Jahr auch im Bundestag sitzen. Ist das gut oder schlecht für Polen?

Diese Frage stellte am 7. September 2016, kurz nach dem AfD-Triumph in Mecklenburg-Vorpommern, Piotr Cywiński, einer der kompetentesten polnischen Deutschland-Beobachter im konservativen politischen Lager. Nachfolgend seine Analyse, erschienen im Internetportal „wPolityce.pl“ („inder.Politik.pl“). Zwischentitel von RdP.

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Autor Piotr Cywiński.

Die AfD hat bereits ihre Abgeordneten in den Landtagen von Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt, Baden-Würtemberg, Rheinland-Pfalz sitzen und, seit Sonntag, dem 4. September, nun auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie sogar die Partei von Angela Merkel besiegte. Wie man sieht, ist die AfD vor allem auf dem Gebiet der dünn besiedelten ehemaligen DDR erfolgreich, besitzt aber auch Brückenköpfe in den alten Bundesländern. In einigen Tagen wird in Niedersachsen auf kommunaler Ebene gewählt, bald darauf zum Abgeordnetenhaus in Berlin. Nächstes Jahr sind Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Rotes Signal in polnischen Köpfen

Gelingt es der Partei von Frauke Petry und Jörg Meuthen ihre Position auf der deutschen politischen Bühne zu stärken? Was hat sie anzubieten, und wie verhält sich das zu den Interessen Polens?
Um es vorweg zu nehmen: es wundert und beunruhigt mich zu hören und zu lesen, wie die AfD in manchen Kommentaren bemitleidet und mit der, bei uns früher von den Regierenden zurück gedrängten Partei, Recht und Gerechtigkeit verglichen wird. Manche sehen in der AfD bereits eine Partnerin für die Partei von Jarosław Kaczyński.

Da stehen einem buchstäblich die Haare zu Berge. Die polnischen AfD-Sympathisanten begreifen immer noch nicht, wie das politische Erdbeben jenseits der Oder für uns alle enden kann.

Sind die Deutschen dermaβen dumm, dass sie die „Mutter der Nation“, wie Angela Merkel noch bis vor kurzem genannt wurde, und eine Regierung, die die Interessen ihrer Bürger gut vertritt, zukünftig an der Machtausübung hindern wollen? Der Haushalt ist ausgeglichen, der Staat wird entschuldet, die Wirtschaft wächst, beim Exportüberschuss wird Deutschland in diesem Jahr China überholen und Export-Weltmeister werden, die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste seit dem Krieg. Wer würde eine solche Kanzlerin zum Teufel jagen?

Zweifelsohne gründen die Erfolge der AfD auf der Angst der Müllers und Schmidts vor den Folgen der arroganten Immigrationspolitik der CDU/CSU-SPD-Regierung. Eine nicht geringe Rolle spielt auch das „Nein“ der AfD zum Brüsseler Zentralismus und der Wandlung der Vielvölker-EU in einen Multikulti-„Superstaat“. Obwohl man annehmen kann, dass der Widerstand der Müllers und Schmidts schwächer wäre, wenn die Deutschen im Made-in-Germany-Europa auch das letzte Wort haben könnten.

Doch auch wenn einige Forderungen der AfD mit der polnischen Sichtweise übereinstimmen, so bedeutet das nicht, dass in Deutschland mit der AfD ein neuer Alliierter für irgendeine bedeutende politische Partei in unserem Land heranwächst.

Ein rotes Signal müsste in den polnischen Köpfen bereits vor einem Jahr aufgeleuchtet sein. Damals warf Bernd Lucke, einer der AfD-Begründer, auf dem Essener Parteitag, der AfD das Schüren von Fremdenfeindlichkeit und eine prorussische Orientierung vor, und verlieβ demonstrativ deren Reihen. Gleichzeitig mit ihm gingen mehr als zweitausend Mitglieder, unter ihnen das Vorstandsmitglied und MdEP Hans-Olaf Henkel, ehem. Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und IBM-Manager.

Henkel hatte seinerzeit die deutschen Christdemokraten scharf kritisiert wegen ihrer Einmischung in innerpolnische Angelegenheiten, der „Treibjagd gegen Recht und Gerechtigkeit“ und „des Unterstützens der Bürgerplattform“. Mit ihm gingen u. a. der bekannte Volkswirt Joachim Starbatty und die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius.

AfD und Polen. Gespräch mit Hans-Olaf Henkel – hier nachzulesen.

Die AfD verlor in dieser Zeit ihre aus bekannten und hochgeschätzten Leuten bestehende Führungsspitze. Diese riefen eine neue Gruppierung ins Leben, die Allianz für Fortschritt und Aufbruch. Die Zahl der AfD-Mitglieder verkleinerte sich fast um ein Viertel.

AfD, NPD und die „Polen-Invasion“

Die Vorwürfe der AfD-Mitbegründer waren nicht unbegründet. In ihrem ersten siegreichen Landtagswahlkampf, in dem an Polen grenzenden Sachsen, trat die AfD unter der Losung auf „Sichere Grenzen, statt grenzenloser Kriminalität“. Dies Parole stimmte andeutungsweise mit den Losungen der NPD-Neonazis von der „Polen-Invasion“ überein, und Plakaten auf denen „polnische Krähen“ den Deutschen Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegpicken.

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AfD (oben) und NPD-Wahlplakate in dem an Polen angrenzenden Sachsen.

afd-bis-npd-plakat-fotEs gibt unzählige Beispiele von informellen Kontakten, gegenseitigen Besuchen auf Parteitagen, Bindungen und der Unterstützung der AfD für Forderungen der NPD. Ähnlich verhält es sich mit AfD-Mitgliedern, ehemaligen Zöglingen der verbotenen Wiking-Jugend (die an die Hitler-Jugend anknüpfte), mit Aktivisten der ebenfalls verbotenen neonazistischen Organisation Blut und Ehre usw. Die AfD-Vorsitzende Petry hat sich entschieden verwehrt dagegen, dass ihre Partei zu den braunen Strömungen gezählt wird. Als jedoch bei einem MDR-Interview die Journalisten konkrete Beispiele anführten, sagte sie, sie werde „etwas damit machen müssen“.

Eine der wichtigsten AfD-Forderungen ist die Gestaltung der nationalen Identität und Formung patriotischer Einstellungen, was an sich nicht schlecht ist, doch in polnischen Ohren einen besonderen Beiklang hat.

Alexander Gauland, stellv. Vorsitzender der AfD und ihr Fraktionschef im Brandenburgischen Landtag ist der Meinung, dass die Deutschen endlich ihre Minderwertigkeitsgefühle, die aus der Nazi-Zeit resultieren, aufgeben und entschiedener für ihre eigenen Interessen eintreten sollten. Die Schuljugend sollte das „Deutschlandlied“ singen, der Geschichtsunterricht sollte in höherem Maβe „die deutschen Befreiungskriege des 19. Jh. berücksichtigen“ und im Radio sollte man das Abspielen ausländischer Musik einschränken. Auβerdem sollte die doppelte Staatsbürgerschaft (von der auch Polen in Deutschland Gebrauch machen) abgeschafft und den Gastarbeitern das Kindergeld gestrichen werden.

Idol Bismarck: „Polen ausrotten“

Gauland wurde auch mit der Erarbeitung des AfD-Konzeptes zur deutschen Auβenpolitik betraut. Sein Vorbild ist Otto von Bismarck, der „eiserne Kanzler“, der sich von dem Prinzip leiten lieβ: „Um Gottes Willen, nur keine sentimentalen Bündnisse, bei denen das Bewusstsein der guten Tat der Lohn edler Aufopferung zu bilden hat“.

Bei uns in Polen wurde das politische Idol des AfD-Vizechefs u. a. durch Zitate, wie dieses berühmt:

„Haut doch die Polen, daß sie am Leben verzagen; ich habe alles Mitgefühl für ihre Lage, aber wir können, wenn wir bestehen wollen, nichts andres tun, als sie ausrotten.“

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Alexander Gauland und sein Idol Bismarck.

 

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Ginge es nach Gauland, so müssten in der bundesdeutschen Politik grundlegende Änderungen eintreten. Deutschland sollte „mehr Verständnis für Russland“ an den Tag legen, darunter auch für sein Vorgehen gegenüber den ehemaligen Sowjetrepubliken. Der AfD-Vize verglich den Verlust von Russlands „Keimzelle – dem Heiligen Kiew“ mit der   Abspaltung von Aachen oder Köln von Deutschland.

Gauland erinnert auch daran, dass Russland „Preuβen vor dem Niedergang bewahrte (…), Bismarcks Reichsvereinigung und die deutsche Vereinigung 1990/91 unterstützte.“

Man müsse also an die traditionellen deutsch-russischen Verbindungen anknüpfen. Käme es zu bewaffneten Konflikten mit Drittstaaten dann sollte Deutschland zu dem Rückversicherungsvertrag, dem geheimen Neutralitätsabkommen mit Russland von 1887, zurückkehren. Gauland wünscht sich geradezu eine bismarckische Zusammenarbeit mit Präsident Wladimir Putin. Seiner Meinung nach sei der Westen für die Verschlechterung der Beziehungen mit Russland verantwortlich, weil er Russland provoziere, weil er sein Versprechen gebrochen habe, dass „die Nato nicht bis hinter die Oder erweitert wird, und doch habe man Polen aufgenommen.“

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Treue zu Russland als Alternative für Deutschland .

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Was sei also zu tun? Vor allem muss man Sanktionen gegen Russland aufheben, die nach der Krim-Annexion verhängt wurden, und man sollte sich nicht in seine inneren Angelegenheiten einmischen.

„Lasst uns einen Nationalstaat aufbauen!“, rief Gauland während des Wahlkampes in Rheinland-Pfalz, wo die AfD heute die dritte Kraft ist (nach den Christdemokraten und den Sozialdemokraten und vor der FDP und den Grünen). Für den Anfang wäre es gut, wenn das Schengen-Abkommen entfiele. Man sollte auch den Schusswaffengebrauch gegen illegale Emigranten erwägen, so seine Chefin Petry. Ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch, erweiterte den Vorschlag ausdrücklich auf Frauen mit Kindern.

Sollten die deutschen Wähler so verrückt sein, dass die AfD mittels einer sonderbaren Koalition an die Macht gelangen sollte und Gauland Auβenminister werden könnte, dann „gute Nacht Polen!“, wie es Erika Steinbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und ehem. Chefin des Bundes der Vertriebenen zu sagen pflegt, als inoffizielle Sprecherin der AfD unter den Christdemokraten.

Derweil fassen die AfD-Leute die Gelegenheit beim Schopf und bauen ihre Kontakte aus. AfD-Vorstandsmitglied Georg Pazderski gab auf dem Internetportal der Partei bekannt, dass es ein „wie immer sehr konstruktives Gespräch“ in der russischen Botschaft in Berlin gab. Der AfD-Vorstand bestätigte, dass es Treffen seiner Mitglieder in der russischen Vertretung seit Langem gebe. In den deutschen Medien wurde darüber spekuliert, ob diese Kontakte vielleicht mit einer finanziellen Unterstützung Moskaus für die AfD zusammenhängen.

Po-Vielfalt

Zum Schluss gilt es noch den Mythos vom angeblichen Anti-Genderismus der AfD zu zerstreuen. Der gröβte Kritiker dieser Strömung, Bernd Lucke hat die Partei bereits verlassen. Derweil wirkt in ihrem Rahmen ein Homosexuellenkreis, der um die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Hetero-Ehen kämpft, samt Kinder-Adoptionsrecht für Homosexuelle. Der Jugendverband der AfD hat nichts an der „sexuellen Vielfalt“ auszusetzten und tritt unter der Losung „P(r)o Vielfalt“ auf. „Po“ ist auf Deutsch ein anderes Wort für „Hintern“.

Wer nach der Frömmigkeit und der Familienverantwortung der AfD-Führung fragt, der erfährt, dass die Vorsitzende Petry ihren Mann, einen Pastor, für einen Parteifunktionär aus dem Rheinland verließ und damit eine Familie mit vier Kindern zerrüttete. Ähnlich hält es der Mit-Vorsitzende Jörg Meuthen, Vater von fünf Kindern aus zwei Ehen. Das aber sind ja private Angelegenheiten.

Die Liebe zur AfD verlangt also Opfer. Vor allem, wenn sie blind ist.

RdP




Umbau in der Tusk-Pyramide

Weltkriegsmuseum in Gdańsk. Wo der deutsche Schuh drückt.

Ein markanter, schräg stehender Turm aus Glas und rotem Beton erhebt sich über den bereits fertiggestellten unterirdischen Ausstellungssälen, die 37.000 Exponate beherbergen sollen. Die größten von ihnen – darunter zwei Panzer – wurden schon während der Bauphase mit Kränen ins Gebäude gehievt. Das Museum des Zweiten Weltkrieges in Gdańsk sollte bereits seit 2014 über den Krieg auf eine neue, „europäische“, „universelle“, „ganzheitliche“, „globale“ Weise erzählen: aus der Sicht der Zivilbevӧlkerung aus aller Welt, unter anderem auch der Polen. Doch die Bauarbeiten befinden sich inzwischen gut zwei Jahre im Verzug. Die Kosten auf dem unbedacht ausgewählten sumpfigen Baugelände explodieren, und das ursprüngliche Ausstellungskonzept wird in Frage gestellt, sehr zum Leidwesen deutscher Medien.

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„Tusk-Pyramide“. Museum des Zweiten Weltkrieges in Gdańsk. Entwurf und Baustelle.

Das Vorhaben wurde 2008 durch den damaligen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk angeregt und veranlasst. Es sollte „sein“ Museum werden, „seine“ Antwort auf das Museum des Warschauer Aufstandes von 1944, dessen Urheber 2004 der damalige Oberbürgermeister von Warschau und spätere Staatspräsident Polens (2005-2010) Lech Kaczyński war.

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„Kaczyński-Museum“ des Warschauer Aufstandes von 1944 in Warschau.

Tusk, 2005 fest davon überzeugt, den Wahlsieg in der Tasche zu haben, konnte Lech Kaczyński die Niederlage, die er damals bei den Präsidentschaftswahlen davontrug nie verzeihen, empfand sie als tief demütigend. Alle die Tusk damals näher kannten, berichten einmütig: der Mann war ab dann geradezu besessen von dem Gedanken politische Rache zu nehmen. Lech Kaczyński kam bei der Flugzeugkatastrophe von Smolensk im April 2010 ums Leben.

„Polentum das ist Abnormität“

Das Warschauer Museum des Aufstandes wird bis heute von Besuchern umlagert, ist zu einer wichtigen nationalen Institution geworden. Es stellt nicht nur aus, es prägt durch seine vielfältigen Aktivitäten in erheblichem Maβ das Geschichtsbewusstsein, beflügelt die Fantasie der jungen Generation. Kaum eine Klassenfahrt nach Warschau ohne einen Besuch in diesem Museum, und das ohne jeglichen Zwang.

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Ministerpräsident Donald Tusk legt am 1. September 2012 den Grundstein für „sein“ Museum.

Im Wettlauf mit seinen politischen Erzfeinden, Lech Kaczyński und seinem Bruder Jarosław, wollte Donald Tusk gleichsam auf musealem Gebiet in nichts zurückstehen, auch wenn er an einem ganz anderen Ausgangspunkt ansetzte.

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Lech Kaczyński (damals Oberbürgermeister von Warschau) dekoriert am 1. August 2004 Vetereanen des Warschauer Aufstandes bei der Eröffnung „seines“ Museums.

Tusk war und ist jeglicher polnischer Patriotismus tiefst zuwider. Man sah es ihm fӧrmlich an, wieviel Überwindung es ihn als Regierungschef kostete, an offiziellen Feierlichkeiten mit Nationalhymne, Fahnenhissen und Kranzniederlegungen teilnehmen zu müssen. Sein Credo hat der studierte Historiker bereits 1987 in seinem Essay „Der gebrochene Pole“ in der Zeitschrift „Znak“ dargelegt:

„Leere, nur irgendwo in der Ferne wälzen sich Husaren und Ulanen, Aufständische und Marschälle vorbei, zeichnen sich die Steppenlandschaften der Ukraine und der Helle Berg von Tschenstochau ab, historische Aufträge, polnische Aufstände, die nach Monaten in denen sie ausgebrochen sind benannt wurden (…). Was bleibt vom Polentum übrig wenn man ihm dieses ganze hehre, düstere, lächerliche Theater unerfüllter und unbegründeter Träumereien wegnimmt? Das Polentum verdummt uns, macht uns blind, führt uns ins Reich der Mythen. (…). Es ist selbst ein Mythos. Ja, das Polentum assoziiert man mit Niederlage, mit Pech, mit Gewitterstürmen. Es kann ja auch nicht anders sein. Polentum das ist Abnormität.“

„Europäertum als Normalität“

Tusk hat sich von diesen Worten nie distanziert. Gegen „Polentum als Abnormität“ hilft bekanntlich nur Europa. Stets auf der Flucht vor der Bürde des Nationalen, traf und trifft Tusk auf viele Deutsche, die sich auch auf der Flucht vor ihrer Geschichte befinden. Er ist ihr Lieblingspole. Frau Merkel war schon bei der ersten Begegnung hingerissen.

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Gegen „Polentum als Abnormität“ (Tusk) hilft nur die Flucht nach Europa.

Europa als Lӧsung aller Probleme? Die Polen haben daran eine Zeitlang geglaubt. Tusk war ihr Mann. Die Ernüchterung, die mit der Euro- und Emigrantenkrise kam, hat das geändert. Tusk ist sich treu geblieben und wurde von Frau Merkel mit einem EU-Spitzenjob bedacht.

Danzig, Westerplatte, Wald
„Klein Verdun“. Deutsche Truppen dringen vor auf die Westerplatte unmittelbar nach der Kapitulation der polnischen Verteidiger am 7. September 1939.

Keine Erinnerung an den tapferen Widerstand

Ursprünglich war in Gdańsk ein Museum der Verteidigung der Westerplatte 1939 geplant, gewidmet der polnischen Thermopylen-Schlacht. Sie gilt bis heute als Inbegriff des nationalen Selbstbehauptungswillens, umschrieben in den schwermütigen Strophen des Dichters Konstanty Ildefons Gałczyński:

„Als die Zeit gekommen war,
und sommers man zu sterben hatte,
schritten himmelwärts Paar um Paar
die Soldaten der Westerplatte.
Und wie schön war der Sommer in jenem Jahr.“

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Verteidigung der Westerplatte. Briefmarken der Polnischen Post von 1945…

Das Museum der Westerplatte sollte, kaum jemand erinnert sich heute noch daran, die Antwort auf Erika Steinbachs Berliner Vertriebenenzentrum sein, und die Bundesrepublik wollte sich sogar an den Baukosten beteiligen.

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… und 1989.

Donald Tusk, der strahlende Wahlsieger vom Herbst 2008, hat das ganz in seinem Sinne geändert. Als erstes wurde der geplante Bau des 2006 ins Leben gerufenen Museums der Polnischen Geschichte in Warschau auf Eis gelegt. Als zweites wich die Erinnerung an den tapferen  polnischen Widerstand in Form des Museums der Westerplatte, nun einer „europäischen Sichtweise“ des Zweiten Weltkrieges. Untergebracht in einem kolossalen, modernen Bau, der Danziger „Tusk-Pyramide“, wie manche spotteten, die das Warschauer „Kaczynski-Museum“ überragen sollte. Tusks „Europäertum als Normalität“ versus „Polentum als Abnormität“.

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Denkmal auf der Westerplatte. Ein in den Boden gerammtes Seitengewehr signalisiert Friedens- und zugleich Verteidigungsbereitschaft. Briefmarke der Polnischen Post von 1964.

Nach der Niederlage der Tusk-Partei Bürgerplattform bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 2015, stellt die neue Regierung dieses Konzept nun in Frage (siehe nachstehend das Interviev mit Kulturminister Prof. Piotr Gliński). Ein Sturm der Entrüstung seitens der Befürworter des Europäertums ist die Antwort.

Der Publizist Piotr Semka, einer der drei Gutachter, den die neue Regierung um Einschätzung des bisherigen Ausstellungskonzeptes bat, beschreibt sehr präzise die Bedenken im Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“) vom 25. Juli 2016:

„Die Polen haben 1939-1945 an einem gerechten Krieg teilgenommen. Mutig widersetzten sie sich der deutschen und der sowjetischen Aggression. Sie haben allen Grund stolz darauf zu sein.

Derweil kann man sich nur schwerlich dem Eindruck entziehen, dass die historische Herangehensweise, die im geplanten Museum des Zweiten Weltkrieges bevorzugt wird, teilweise bundesdeutsche Vorbilder nachahmt. Es liegt auf der Hand, dass die Deutschen im Falle des Zweiten Weltkrieges ihre Militärgeschichte nicht hervorheben können. Das wiederum verleitet zu der Feststellung: lasst uns die Militärgeschichte beiseitelegen, das ist nichts Gutes, und uns der Zivilbevӧlkerung   widmen, also auch den Bomben- bzw. »Vertreibungsopfern«

Diese Methode“, so Semka weiter, „war gut erkennbar bei der öffentlichen Vorabpräsentation des Museumskonzeptes im Rahmen einer Ausstellung auf dem Langen Markt in Gdańsk 2009. Dort bündelte man die Fotos des zerstörten Warschau mit denen bombardierter deutscher Städte kurzerhand zu einer Antikriegsbotschaft. Im Ausstellungskatalog des Museums, im Abschnitt „Leben unter Bomben“, finden sich auf einem Foto Menschen, die in London in der U-Bahn  Schutz vor Bomben suchen, und auf dem Bild nebenan sieht man einen deutschen Wegweiser zum Luftschutzbunker. Bei vielen Polen stöβt eine solche Gleichsetzung auf Widerspruch.“

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Publizist Piotr Semka.

Semka weist auch auf ein weiteres Problem hin. „Die Botschaft, die das Museum vermitteln soll, lautet: »Lasst uns die Geschichte Europas erzählen und mit einem positiven Schlusseffekt versehen in Gestalt der Europäischen Union als einer Garantin des dauerhaften Friedens in Europa.«

Eine solche Ausstellung“, so Semka, „hätte durchaus Sinn in dem geplanten Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel. (…) Macht es aber einen Sinn enorme Summen polnischer Steuergelder in ein solches universelles Vorhaben zu stecken, während die Welt keine Ahnung hat von den komplizierten Vorgängen in Polen während des letzten Krieges?“

Deutsche Medien: in Polen an vorderster Front

Wie in vielen anderen innerpolnischen Angelegenheiten, so stehen auch im Feldzug  um das ursprüngliche Museums-Konzept deutsche Medien und ihre Interviewpartner geschlossen an vorderster Front.

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Historiker Bogdan Musiał.

„Es ist geradezu frappierend zu beobachten, wie groẞ in Deutschland das mediale Interesse an der Auseinandersetzung  um das Museum des Zweiten Weltkrieges in Gdańsk ist und überhaupt an den historischen Debatten in Polen. Deutsche Medien kümmern sich ansonsten herzlich wenig um die franzӧsische oder britische Geschichtspolitik, geschweige denn um die ӧsterreichische, belgische oder dänische“, schreibt der Historiker Bogdan Musial im Wochenmagazin „wSieci“ („imNetzwerk“) vom 25. Juli 2016.

Im Falle Polens jedoch, gehen die deutschen Medien von sich aus und mit den Stimmen der polnischen Kritiker auf ihrer Seite, hart ins Gericht mit den Bedenken und Änderungswünschen der im Herbst 2015 neu gewählten Entscheidungsträger. Sie treten stets wohlwissend darüber auf, wie die Polen, „als Täter“, den Zweiten Weltkrieg in ihrem Museum darzustellen haben. Beispiele sind Legion.

„Museumsstreit. Polnische Regierung schürt antideutsche Stimmung“ (Deutschlandfunk, 17. Juni 2016)

„Polen als Kollaborateure, als Täter, polnische Gewalttaten an anderen Nationen – all dies wollen die Nationalisten nicht thematisieren“.

„Danzig. Polen will Kriegsgeschichte umschreiben” (Rheinische Post, 13. Mai 2016)

„In dieses Konzept, das einer Geschichtswaschmaschine ähnelt, in der alle möglichen Flecken auf der eigenen historischen Weste möglichst entfernt werden. (…) Im Zentrum der Debatte steht dabei die Frage der „nationalen Unschuld Polens im Weltkrieg“ (…) Blutgetränkte Hemden werden (…) in Polen derzeit gewaschen. Die Regierung greift zum Fleckenentferner “.

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Polenbild vor Augen.

„Abschied von Europa“ (Süddeutsche Zeitung“, 18.Mai 2016)

„Das erinnert an Museen in Russland und Weißrussland, die der nationalen Ertüchtigung dienen sollen, indem sie Mythen in Szene setzen.“

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Deutsche Nachrichten und Berichte aus „Hitler-Polen“.

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„Strahlendes Heldentum statt europäischen Kontextes“ (FAZ, 23. Mai 2016)

„Einer in europäischen Bezügen verhafteten Schilderung des Zweiten Weltkriegs aus polnischer Perspektive, zieht man in nationaler Selbstgenügsamkeit eine Interpretation vor, die sich auf Heldentum beschränkt, dafür aber auch ohne „dunkle Flecke“ auskommt.“

„Abschied vom Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig?“ (WDR 5, Scala, 20. Mai 2016)

„Der polnische Kulturminister hat verlautbaren lassen, er wolle kein Museum des Zweiten Weltkrieges sondern lieber ein Museum der Verteidigung Polens vor den Deutschen 1939 haben. Mein Kollege Martin Sander ist aus Berlin zugeschaltet. Herr Sander, wie ernst ist denn diese Verlautbarung zu nehmen?“

„Ja, doch schon sehr ernst, Frau Dichter.“

Drückt also hier der deutsche Schuh? „Kollaborateure“, „Täter“, „polnische Gewalttaten“ „blutgetränkte Hemden“, „dunkle Flecke“ und die Lage ist „schon sehr ernst, Frau Dichter“, denn die Polen wollen tatsächlich so etwas Unglaubliches tun, wie ihrer Verteidigung vor den Deutschen 1939 gedenken… Dementsprechend sieht auch der deutsche Wunschentwurf von einem polnischen, „europäischen“ Museum des Zweiten Weltkrieges aus.

Komplizen dringend gesucht

Für Hunderttausende von Polen, die Juden halfen, die im Widerstand waren oder die „nur“ die gnadenlosen deutschen Bestimmungen umgingen („Schwarzhandel“), um nicht zu verhungern, waren Kollaboration, Denunziantentum  bedauerliche, traurige und zugleich lebensgefährliche Erscheinungen. Doch unter den schrecklichen Bedingungen der deutschen Besatzung Polens blieb sie eine Nebenerscheinung.

Als solche wird sie in Polen thematisiert, dargestellt, erforscht. Wer es nicht glaubt, solte sich zumindest einmal polnische Spielfilme ansehen, die die Besatzungszeit und Widerstand zum Thema haben. Seit dem ersten Film, dem 1946 gedrehten „Zakazane piosenki“ („Verbotene Lieder“), gibt es kaum einen, in dem nicht irgendwo die Gestalt des Denunzianten auftaucht, vor dem man sich in Acht nehmen muss, den es zu beseitigen gilt.

Nicht erst seit heute versuchen nicht gerade wenige deutsche Medienleute, Wissenschaftler, manchmal auch Politiker die Polen zu überreden, mitunter geradezu auch zu zwingen, aus der Nebenerscheinung Kollaboration den Dreh- und Angelpunkt der Darstellung  der Besatzungszeit in Polen zu machen. Die fieberhafte Suche nach Komplizen, der Versuch auf diese Weise der schrecklichen deutschen Einsamkeit zu entkommen, in Anbetracht der Ungeheuerlichkeiten die die Vorfahren angerichtet haben, ist nachvollziehbar,  doch akzeptieren kann man ihn nicht.

Zwar hat das von der neuen polnischen Regierung beanstandete Museumskonzept der Ausstellung in Gdańsk mit den o. e. Wunschvorstellungen deutscher Redakteure nicht viel zu tun, doch bezeichnend ist, was sie vor allem in diese Ausstellung hineininterpretieren.

Der Eindruck mag täuschen, doch er drängt sich auf. Oft haben sich dieselben Autoren vehement gegen die Relativierung der Geschichte ausgesprochen, als etwa Erika Steinbach ihr Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin nach dem Motto einrichten wollte; „Wir Deutsche haben vertrieben, dann haben die Polen vertrieben. So ist es eben mit den Vertreibungen.“

Schwebt vielleicht nun denselben Leuten  ein „europäisches“ Museum des Zweiten Weltkrieges vor nach dem Motto: „Wir Deutsche haben Juden umgebracht, die Polen haben Juden umgebracht. So ist es eben mit dem Judenumbringen, einem im Grunde »europäischen Projekt«“?

Jedenfalls kӧnnen  deutsche Rechte anscheinend ebenso wenig wie deutsche Linke ohne „die Polen als Täter“ auskommen.

Und so entpuppt sich „die »europäische Perspektive« als eine, in den blauen Sternebanner eingewickelte, deutsche Keule“, so einer der Internetkommentare zum Thema. „Die Deutschen rücken gerne zusammen, wenn es darum geht anderen auf ihrer Anklagebank Platz zu machen“, so ein anderer.

Was will die neue Regierung vom MZW?

Nachfolgend dokumentieren wir ein Gespräch zum dem Thema mit dem polnischen Kulturminister Prof. Piotr Gliński (Jg. 1954). Er ist von Ausbildung und Beruf Soziologe, Hochschullehrer und war zwischen 2005 und 2011 Präsident der renommierten Vereinigung Polnischer Soziologen (PTS).

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Kulturminister Piotr Gliński.

Wann wird das Museum des Zweiten Weltkrieges (weiter MZW – Anm. RdP) in Gdańsk eröffnet?

Ich hoffe zu dem Zeitpunkt, zu dem es die Leitung der Einrichtung angekündigt hat, also zur Jahreswende 2016/ 2017. Ich möchte auch gleich die Öffentlichkeit beruhigen: niemand möchte dieses Museum abschaffen.

Wird die Entlassung des Museumsdirektors, Prof. Machcewicz die Eröffnung nicht verzögern?

Es sind noch keine Entscheidungen gefallen. Zurzeit beabsichtigen wir zwei Einrichtungen zusammenzuführen: das MZW mit dem Museum der Westerplatte und des Verteidigungskrieges von 1939. Es gibt keinen Grund, weshalb zwei so themenverwandte Museen getrennt voneinander in einer Stadt wirken sollten. Es lohnt sich sie zu vereinigen, umso mehr als die Einrichtung, der Prof. Machcewicz vorsteht ursprünglich Museum der Westerplatte hieβ. Erst drei Monate nach seiner Gründung wurde es in MZW umbenannt.

Durch die Zusammenlegung von zwei Einrichtungen wird eine neue entstehen, die dann einen neuen Direktor bekommt, und Prof. Machcewicz wird abberufen. Was missfällt Ihnen so an der Ausstellung, die seine Mitarbeiter vorbereitet haben?

Ich will hier nicht als Rezensent der Ausstellung auftreten. Um das uns im Januar 2016 vorgelegte Konzept zu beurteilen, habe ich drei Sachverständige berufen. Alle drei Gutachten waren verhalten kritisch. Ich möchte aber das Problem nicht allein auf die Position und Person des Direktors beschränken. Ich sage noch einmal: obwohl wir im europäischen Vergleich zu wenige Museen haben, können wir es uns nicht leisten in einer Stadt zwei getrennte und zugleich dermaβen themenverwandte Einrichtungen zu unterhalten.

Die Gutachten fielen negativ aus, doch Prof. Machcewicz wird seinen Posten allein aus wirtschaftlichen Gründen verlieren?

Die Gutachten berühren ein viel weiträumiger abgestecktes Feld. Wir sehen die Notwendigkeit Donald Tusks Geschichtspolitik zu korrigieren. In der Debatte um das MZW wird dieser Name kaum erwähnt. Doch Donald Tusk ist Urheber dieses Museums. Der jetzige MZW-Direktor Paweł Machcewicz war sechs Jahre lang offizieller Bevollmächtigter des Ministerpräsidenten für dieses Museum und setzte die Geschichtspolitik der vorherigen Regierungsmannschaft um. Doch Regierungen wechseln und mit ihnen wechseln manchmal die Konzepte, das sollte Prof. Machcewicz eigentlich wissen.

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Tusk-Adlatus und MZW-Direktor Paweł Machcewicz (links)

Was gefällt Ihnen nicht an der Geschichtspolitik der vorherigen Regierung?

Das MZW wurde 2008 ins Leben gerufen, mitten in der weltweiten Wirtschaftskrise, als für nichts Geld im Staatshaushalt vorhanden war. Tusk und seine Leute kamen immer wieder mit der Ausrede, wegen der Krise können sie ihre Wahlversprechen nicht einlösen, und plötzlich, gründen sie, in dieser Krise, das MZW? Drei Jahre später, die Krise dauerte an, bewilligten sie 360 Mio. Zloty (ca. 85 Mio. Euro – Anm. RdP) für den Bau, und schoben im letzten Jahr weitere 90 Mio. Zloty (ca. 21 Mio. Euro – Anm. RdP) nach. Zusammen mit den laufenden Kosten ergibt das eine halbe Milliarde Zloty (ca. 118 Mio. Euro – Anm. RdP)!

Sind Sie nicht der Meinung, dass das MZW ein dringendes Vorhaben ist, höchst notwendig aus Sicht der polnischen Staatsräson?

Damals sollte eigentlich, vor allem, das Museums der Polnischen Geschichte in Warschau gebaut werden, das zudem zwei Jahre früher als das MWZ ins Leben gerufen worden war. Wieso hat die vorige Regierung an einem ganz neuen Museum gebaut, während das der Polnischen Geschichte keinen Sitz hatte und bis heute obdachlos ist? Es wurde ein neues Vorhaben in Gdańsk in Angriff genommen, während es in Warschau, so könnte man durchaus meinen, ein vorrangiges Projekt gab. Es wurde ein Museum blockiert, das eine Sichtweise der Geschichte Polens vermitteln sollte, die zur Integration unserer politischen und nationalen Gemeinschaft beitragen könnte.

Welche Korrekturen sind im MZW zu erwarten?

Es geht um die Schwerpunksetzung. Wenn wir uns schon mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen, dann sollte das, symbolisch umschrieben, eher die Sichtweise sein, die von der Westerplatte ausgeht. Eine Sichtweise in der die polnische Anstrengung, die polnische Leistung und die polnischen Opfer zur Geltung kommen, und nicht eine Sichtweise, die als universell, ganzheitlich bezeichnet wird.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Solche ganzheitlichen Museen sind ebenfalls notwendig. Mehr noch, ich finde den Entwurf des Teams von Prof. Machcewicz interessant.

Doch ich bin zugleich der Meinung, dass wir eine halbe Milliarde Zloty polnischer Steuergelder in erster Linie für andere, eindeutig wichtigere Ziele verwenden sollten. In diesem Fall für ein gutes und notwendiges Museum, das unsere Geschichte erzählt.

Warum war gerade der Zweite Weltkrieg für die Vorgängerregierung die wichtigste Herausforderung der Geschichtspolitik?

Ich habe diese Frage oft genug öffentlich gestellt. Sie war und ist an Donald Tusk gerichtet. Ich habe bisher keine Antwort bekommen. Es gab Andeutungen, dass es eine Antwort auf das Zentrum gegen Vertreibungen von Erika Steinbach sei. Doch, ich darf erinnern, es sollte ursprünglich ein Westerplatte-Museum sein. Es fällt mir zudem schwer zu glauben, dass die Erwiderung auf Frau Steinbachs Einrichtung eine verallgemeinernde, ganzheitliche Schilderung des Zweiten Weltkrieges sein kann, die zudem eine halbe Milliarde Zloty kostet.

Prof. Machcewicz fasst Ihre Vorwürfe so zusammen: das MZW setze die deutsche, nicht die polnische Geschichtspolitik um.

Ich habe einen solchen Vorwurf nie erhoben. Ich umschreibe sein Konzept als universell, verallgemeinernd. Wenn man den Zweiten Weltkrieg so darstellt, dass er furchtbar gewesen sei, dass alle für ihn die Verantwortung tragen, weil jede Seite irgendwo Dreck am Stecken habe, dann ist auch eine solche Beleuchtung beachtenswert. Doch zweifelsohne kann sie eine Relativierung der Verbrechen und eine Verharmlosung der Opfer nach sich ziehen, was den einen mehr, den anderen weniger zupass kommt.

Mir ist es lieber zu zeigen, dass man sogar unter den schrecklichsten Bedingungen sehr tapfere Entscheidungen treffen kann. Diese Entscheidungen darf und sollte man beurteilen. Dank einer solchen Herangehensweise bilden sich das Wertesystem und die Identität der nationalen Gemeinschaft heraus. Eine Gemeinschaft, die so etwas durchdacht und bewertet hat ist reifer, funktioniert besser und ist besser integriert, als eine Gemeinschaft die an all dem leidenschaftslos vorbeigeht. Deswegen sind einige Museen, Denkmäler, Kunstwerke notwendig, um unsere ganz und gar auβergewöhnlichen und spezifischen Erfahrungen in diesem Krieg zu verdeutlichen.

Es geht darum, dass in einer „universellen“, „europäischen“, „globalen“ Betrachtung diese unsere polnische Spezifik nicht untergehen darf. Es ist die Pflicht des polnischen Staates diese Besonderheit der polnischen Erfahrung der Auβenwelt zu vermitteln.

Wohin wollen Sie also die Schwerpunkte in der Geschichtspolitik verschieben?

Wir müssen eine Wahl treffen hinsichtlich der Werte. Es gibt Staaten, für die die Geschichte wichtig ist, weil sie sie noch nicht verarbeitet haben, weil sich ihre Identität immer noch formt. Es gibt aber auch solche die man als posthistorisch bezeichnen kann. Und es gibt Staaten die sich lieber posthistorisch geben, weil die Geschichte für sie eine zu schwere Bürde ist.

War die Geschichtspolitik der Vorgängerregierung posthistorisch?

In groβem Maβe, ja. Deswegen unterscheiden wir uns so sehr von unseren Vorgängern. Wir sind der Meinung, dass wir uns den Posthistorismus nicht leisten können. Für uns ist die universelle Sichtweise auf die Geschichte weniger wichtig. Wir wollen nicht, dass man die Geschichte verallgemeinert, relativiert und im Endeffekt banalisiert.

Die Geschichte ist Lehrmeisterin des Lebens. Sie zeigt die Entscheidungen auf, die getroffen wurden und ihre Folgen. Wir wollen darlegen, dass man das Gute vom Bösen klar unterscheiden kann, und nicht, dass es in der Geschichte nur unterschiedliche Grautöne gibt.

Für mein politisches Milieu hat die Unterscheidung zwischen Gut und Böse eine Schlüsselbedeutung. Das ist nicht immer einfach. Es gibt eine Ethik der Überzeugungen und eine Ethik der Verantwortung. Wir stellen den Heroismus der Polen, die für höhere Ideen gekämpft haben nicht auf eine Ebene mit den Fähigkeiten, derer es bedurfte um den Krieg lediglich zu überleben.

Prof. Machcewicz verteidigt sich, in dem er sagt, dass man unsere Auβergewöhnlichkeit nur zeigen kann, wenn man sie dem gegenüberstellt, wie Krieg und Widerstand in anderen Ländern ausgesehen haben.

In einem polnischen Museum des Zweiten Weltkrieges sollten wir unsere Spezifik zeigen, so wie die Briten, Israelis oder Belgier das in ihren Museen tun. Gewiss, diese Besonderheit sollte man vor dem Hintergrund der Erfahrungen anderer Völker veranschaulichen, dabei jedoch an die Proportionen denken. Daran z. B., dass der Warschauer Aufstand, der 63 Tage lang dauerte seinesgleichen sucht. Die Aufstände in Paris und Prag waren dagegen nur kurze Kriegsepisoden.

Der ausländische Besucher wird alle diese Aufstände vor Augen haben: die Zahl der Opfer, wieviel Tage sie gedauert haben, die deutschen Verbrechen in ihrem Verlauf usw. Er kann daraus seine Schlüsse ziehen.

Die Welt kennt unsere Geschichte und ihre Besonderheiten nicht. Sie weiβ nicht, dass nur im besetzten Polen auf die Hilfe für, und das Verstecken von Juden die Todesstrafe stand, und zwar für die ganze Familie, Kinder wurden dabei nicht ausgenommen. Sie weiβ nichts über die Wohlynien-Massaker, über Piaśnica/Piaschnitz, die Westerplatte u. v. m. Das wollen wir erklären und zeigen.

Ja, es sollte einen Vergleich geben, doch die polnische Erfahrung muss in einem polnischen Museum vor diesem Hintergrund hervorgehoben werden. Wenn sie mit diesem Hintergrund verschmilzt, dann geht etwas sehr wichtiges verloren in Bezug auf unsere Identität und ebenso wird die Chance vertan, anderen etwas über uns zu vermitteln.

In wieweit sollen Museen, mit deren Hilfe wir die polnische Geschichtspolitik verwirklichen wollen, uns, die Polen, ansprechen, und in wieweit sollen sie in ihrer Darstellungsweise in die europäische- und Weltgeschichte eintauchen, damit unsere Sichtweise der Dinge auch im Westen zur Geltung kommt.

Das ist, aus meiner Sicht, eine falsche Alternative. Die Ausstellungen müssen sich in gleicher Weise an Polen und an alle anderen Besucher wenden. Soweit ich es verstanden habe, fragen Sie danach, weil behauptet wird, dass eine universalistische Ausstellung für Ausländer, für z. B. Deutsche, die oft nach Gdańsk kommen, verständlicher sein wird.

Wir müssen unseren Standpunkt vertreten und uns nicht in den Posthistorismus einreihen, nur weil er in den westlichen Ländern vorherrscht. Wir dürfen aus diesem Grund nicht kapitulieren und z. B. nicht an die Konferenz von Jalta erinnern, die im Westen kaum jemand erwähnt und wo folglich kaum jemand um sie weiβ. Ohne die eigene Geschichte zu überdenken, können wir unsere Zukunft nicht bauen.

Ich unterstreiche noch einmal: ich möchte die jetzige Ausstellung weder abbauen noch vernichten. Das Team von Prof. Machcewicz hatte viele gute Ideen. Doch ich erinnere mich auch daran, dass das erste, 2008 vorgestellte Konzept zugleich äußerst ideologisch und vom polnischen Standpunkt aus gesehen sehr farblos war. Ich vertraue darauf, dass aufgrund von Nachbesserungen die Ausstellung uns hilft unsere Geschichte besser darzustellen.

Sollen wir das ganze Martyrium zeigen, wie schrecklich unsere Geschichte gewesen ist, wie wir vom bösen Westen betrogen wurden?

Ich rede nicht vom Martyrium, von der Leidensgeschichte des polnischen Volkes! Uns wird eingeredet, wir wollen nur das Leiden zeigen, Polen als Christus der Nationen, den Heldenmut usw., während wir von schwierigen Entscheidungen reden wollen, vor denen die Polen gestanden haben, vom Unterscheiden zwischen Gut und Böse, von der polnischen Spezifik. Das alles kann man in entsprechenden Proportionen verständlich machen. Wir nehmen eine Korrektur vor. Ohne das MZW aufzugeben vereinigen wir es mit dem Westerplatte-Museum, wollen die Ausstellung weiterentwickeln und verbessern. (…)

Bisher sieht es so aus, dass jede Regierungsmannschaft ihre eigene Geschichtspolitik fährt, Lehrbücher und Museen verändert. Vielleicht sollten wir gemeinsam die Prioritäten setzten?

Sie haben Recht, aber ihre Frage sollten Sie an die Vorgängerregierung und unsere politischen Konkurrenten richten. Warum gibt es bis heute in Warschau kein Museum der Polnischen Geschichte, kein Denkmal für Rittmeister Pilecki, keins für die Opfer der Smolensk-Katastrophe?

Was wollen Sie und ihre politische Umgebung tun, um gemeinsame Standards in der Geschichtspolitik zu erarbeiten?

Wir laden andere ein, sich unseren Standards anzuschlieβen. Allein anhand der Änderungen im Ausstellungskonzept des MZW sehe ich, dass diejenigen, die sich der Geschichtspolitik der Vorgängerregierung verschrieben haben, ihre Haltung ändern. Prof. Machcewicz sagt heute, dass man zu dem Ausstellungskonzept von 2008 nicht mehr zurückkehren sollte. Gut, dass er es verwirft. Die polnische Staatsräson erfordert, dass polnische Anliegen und Interessen deutlich und entschieden dargelegt werden, auch die polnische Vergangenheit.

Das alles soll jedoch geschehen, ohne den negativen Seiten der Geschichte auszuweichen. Nicht alle Polen haben sich immer vorbildlich verhalten und auch unsere Gemeinschaft war nicht immer nur heilig. Niemand kann und will das abstreiten. Dies jedoch zum Ausgangs- und Mittelpunkt der Betrachtung der polnischen Geschichte im Zweiten Weltkrieg zu machen, wie es nicht erst seit heute z. B. in Deutschland immer wieder angemahnt wird, ist eine grobe Ungehörigkeit.

Das Gespräch, das wir, mit freundlicher Genehmigung, leicht gekürzt wiedergeben, erschien in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) vom 6. August 2016.

RdP




Deutsche Federn schreiben für den Endsieg…

… der Demokratie in Polen.

Die Polen haben gewählt, jetzt wird seit dem 25. Oktober 2015 zurückgeschossen. Inzwischen befindet sich das Land deutscherseits unter schwerstem publizistischen Trommelfeuer. Wenn deutsche Federn für den Endsieg der Demokratie in Polen schreiben, wird der freien Entscheidung der polnischen Wähler von der ersten Minute an kein Pardon gewährt. Wie weit wird die deutsche Generaloffensive gehen? Der mediale Polen-Feldzug wirft einige Fragen auf.

Sie zu beantworten bat das Internetportal „wPolityce.pl“ („inderPolitik.pl“) Prof. Zdzisław Krasnodębski. Der renommierte Soziologe und Sozialphilosoph lehrt in Polen und in Deutschland, gehört zu den intellektuellen Vordenkern der Partei Recht und Gerechtigkeit, und vertritt diese seit 2014 als Abgeordneter im Europaparlament. RdP dokumentiert das Gespräch in wesentlichen Auszügen.

Krasnodebski foto
Prof. Zdzisław Krasnodębski

Woher kommt diese hohe Woge der Ablehnung, Frustration und Panik beim Beschreiben der Lage in Polen durch die deutschen Medien?

DER ERSTE GRUND ist Ignoranz. Viele deutsche Journalisten glaubten an das von ihnen selbst mitgestaltete Propagandabild von Polen als einem dynamischen Land der Erfolge, ohne gröβere Probleme, von der Bürgerplattform als einer hervorragenden Partei und von Donald Tusk als dem Vater der polnischen Nation. Es ist nicht das erste Mal, dass jemand der eigenen Propaganda zum Opfer fällt. Eigentlich darf man sich nicht wundern, dass Enttäuschung in Aggression umschlägt bei denen, die eine redliche Analyse der Situation in Polen niemals gewagt haben.

Oder bei denen, denen die „Gazeta Wyborcza“ als einzige Quelle für ihre Berichte diente.

Da gibt es noch den Fernsehsender TVN, die (vom Springer-Verlag herausgegebene – Anm. RdP) „Newsweek Polska“ und einige mehr. Die deutschen Berichterstatter jedenfalls, haben nie die wahren Methoden unter die Lupe genommen, mit denen die Bürgerplattform das Land regiert hat, die wahre Stimmung im Land, seine wahren Probleme. Deswegen ist der Durchschnittsdeutsche, der sein Wissen über Polen notgedrungen aus deutschen Medien schöpft, heute verwundert, ja geradezu schockiert, angesichts der Ergebnisse der Parlamentswahlen und der Maβnahmen, die die Wahlsieger ergreifen.

DER ZWEITE GRUND sind Vorurteile gegen Menschen und Parteien, die sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums befinden. Im heutigen Europa darf man höchstens „Mitte-rechts“ stehen. Die Bezeichnung „die Rechte“ hat einen eindeutig negativen Klang, und die Bezeichnung „nationalkonservativ“, mit der man die Partei Recht und Gerechtigkeit in Deutschland umschreibt, dient dazu sie als eine Übeltäterin darzustellen. Die CDU oder die CSU werden niemals so bezeichnet, obwohl dieser Begriff, neutral gesehen, zu ihnen genauso gut, wenn nicht sogar noch besser passen würde.

Manchmal hat man den Eindruck, es seien Vorurteile gegen die Polen als Nation.

Im heutigen Deutschland gibt es, und das ist DER DRITTE GRUND für die Medienkampagne von der wir reden, dauerhafte und starke Vorbehalte, nicht gegen die Polen als Nation oder Ethnie, sondern gegen die traditionelle polnische politische Identität, die klassische polnische Ich-Erzählung, die polnische Gestalt des Politischen.

Sehr bezeichnend dafür war ein Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über Jarosław Kaczyński. Dort nannte man ihn einen „Aufständischen“, einen Politiker, der in der Tradition der polnischen Nationalaufstände verwurzelt ist.

In unseren polnischen Ohren klingt eine solche Beschreibung sehr anerkennend. In deutschen Ohren klingt das nur abwertend. Für die Deutschen, genauso wie für die radikale Linke in Polen, ist die traditionelle polnische Ich-Erzählung, ist die Art wie wir uns selbst sehen, unseren Platz in der Welt wahrnehmen, überholt, nationalistisch, feindlich. Die Modernisierung sollte das endlich beseitigen. Doch, siehe da, es verschwindet nicht.

Der ganze Prozess der sogenannten polnisch-deutschen Versöhnung kränkelt und lahmt daran. Wenn sich jemand mit einem anderen versöhnen will, dann akzeptiert er seine Eigenschaften, achtet seine Identität. Diese Akzeptanz von deutscher Seite ist nicht gegeben. Dafür gibt es das Bestreben uns zu „erziehen“, aus den Polen ein anderes Volk zu machen, damit sich alle diese „Kaczyńskis“, die sich in der polnischen nationalen Tradition wiederfinden, in moderne „Tusks“ verwandeln, die das traditionelle Polnisch-Sein, wie die Deutschen, als etwas unnormales empfinden.

Ich hatte die Hoffnung, dass deutsche Journalisten und deutsche Wissenschaftler, die in verschiedenen Denkfabriken und an Universitäten polnische Angelegenheiten analysieren, in den letzten acht bis zehn Jahren etwas dazugelernt und aus ihren Analyse-Irrtümern der Jahre 2005-2007 (erste Regierungszeit von Recht und Gerechtigkeit – Anm. RdP) Lehren gezogen haben. Es war naiv von mir.

DER VIERTE GRUND sind starke eigene nationale Interessen. Sie bewirken, dass die deutschen Medien meistens nicht in der Lage sind wahrzunehmen, dass z. B. wir in Polen durchaus rational handeln.

Vor kurzem erschien in der „Welt“ ein sehr treffender Kommentar, der die Deutschen davor warnte den Fehler zu machen und automatisch deutsche Interessen, deutsche Politik mit den Interessen ganz Europas gleichzusetzten. Sehr viele von ihnen glauben tatsächlich daran, dass sie immer recht haben und dass sie immer im Namen ganz Europas sprechen. Leider ist groβen Teilen der deutschen Gesellschaft und ihren, vor allem elektronischen Medien, die Fähigkeit abhandengekommen sich mal in die Lage der anderen zu versetzen, mal auf Distanz zu sich selbst zu gehen, eigene Vorstellungen und Interessen in einem übergeordneten Zusammenhang zu sehen. (…)

In wieweit spiegelt diese auf Polen bezogene, heftige deutsche Medien-Schelte die Meinung der Politiker in Berlin wieder? Kann man diese Standpauken auch als verdeckte politische Signale deuten?

Zweifellos üben Medienberichte einen gewissen Einfluss auf die Meinungsbildung der Politiker aus. Zum Glück sind Politiker realitätsbezogener, deswegen würde ich die inzwischen rein negative Meinung der deutschen Medien zu Polen nicht mit der Meinung der deutschen Politiker gleichsetzten. Die deutschen Medien schaffen jedoch eine ungute Atmosphäre in den polnisch-deutschen Beziehungen. Umso mehr, als dort z.B. neulich zu lesen war, dass man sich im Falle Ungarns noch eine gewisse Tolerierung leisten konnte, aber im Falle unsres Landes sei das nicht denkbar.

Ich würde mir sehr wünschen, dass die Achtung für unsere polnischen Entscheidungen, für unsere Politik, eines der Fundamente der polnisch-deutschen Beziehungen darstellt. Diesen Beziehungen sollte das Prinzip zu Grunde liegen, dass die Frage wie wir unsere internen Probleme regeln wollen vor allem unsere Angelegenheit ist.

So wie wir das Geschehen in Deutschland beobachten, analysieren, uns zu vielem Gedanken machen, aber uns nicht das Recht anmaβen den Deutschen unsere Sichtweisen mit medialer Brachialgewalt geradezu aufzuzwingen, geschweige denn sich in ihre Angelegenheiten einzumischen.
Darum würde ich unsere deutschen Partner schon bitten. (…).
RdP




Neuer Staatspräsident. Neue Deutschlandpolitik?

Es wird Veränderungen geben.

Die innenpolitische Entwicklung in Polen: Abwahl des „deutschfreundlichen“, so das „Handelsblatt“ am Tag nach der Entscheidung, Staatspräsidenten Komorowski im Mai 2015 und das sehr wahrscheinlich bevorstehende Wahldesaster der Tusk-Partei Bürgerplattform bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015, treiben deutschen Politikern und Journalisten tiefe Sorgenfalten auf die Stirn.

Deutsche Politik und deutsche Medien haben jahrelang ausschließlich und alles auf Komorowski und Tusk gesetzt. Beides „pflegeleichte“ Politiker, wie es „Der Spiegel“ im Dezember 2013 freimütig formulierte, auf deren Beflissenheit stets Verlass war. So gesehen kommt ihnen der neue Staatspräsident Andrzej Duda, für den sie, als Kandidaten, nur Hohn und Spott („Pappkamerad“, „Mr. Nobody“) übrig hatten, sehr ungelegen.

Das Staatsoberhaupt und die Auβenpolitik

Als „oberstem Vertreter der Republik Polen“ gewährt die Verfassung dem Staatspräsidenten einen nicht geringen Spielraum auf dem Gebiet der Auβenpolitik. Ohne seine Ratifizierung kann kein von Polen eingegangenes internationales Abkommen in Kraft treten. Staatspräsident Lech Kaczyński z. B. hat Berlin in Rage gebracht, weil er sich die Freiheit nahm und als einer der letzten in Europa im Namen Polens seine Unterschrift unter den Lissabonner Vertrag setzte. Er wollte die Iren nicht auch noch unter Druck setzten und abwarten, bis das irische „Ja“ (oder „Nein“) im zweiten Referendum (das erste fiel negativ aus) feststand.

Staatspräsidente Lech Kaczyński unterschreibt am 10. Oktober 2009 den Lissabonner Vertrag.
Staatspräsident Lech Kaczyński unterschreibt am 10. Oktober 2009 den Lissabonner Vertrag.

Der Staatspräsident vertritt Polen bei seinen Besuchen im Ausland. Ohne seine Zustimmung kann kein polnischer Botschafter ernannt werden. Er kann durchaus eigene Schwerpunkte in der Auβenpolitik setzten.

Lech Kaczyński hat das viele Male vorgemacht, z. B. als er im August 2008 die Staats- bzw. Regierungschefs der baltischen Staaten und der Ukraine dazu bewog, gemeinsam nach Tiflis zu fliegen, um sich mit Georgien solidarisch zu zeigen, als russische Truppen im Anmarsch auf die Hauptstadt waren.

Andrzej Duda war Lech Kaczyńskis engster Mitarbeiter. Seine Vereidigung zum Staatspräsidenten soll am 6. August 2015 stattfinden. Bis dahin will er sich, in dem ihm zur Verfügung gestellten kleinen Palais im Zentrum von Warschau, auf die Amtszeit vorbereiten, seinen Berater- und Mitarbeiterstab zusammenstellen, ausländische Politiker empfangen. US-Präsidentschftskandidat Jeb Bush, Kanadas Regierungschef Stephen Harper, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg waren seine ersten Gäste.

Das kleine PalaIs in der Warschauer Foksalstrasse dient Andrzej Duda, bis zu seiner Vereidgung am 6. August 2015, als vorläufiger Amtssitz.
Das kleine PalaIs in der Warschauer Foksalstrasse dient Andrzej Duda, bis zu seiner Vereidgung am 6. August 2015, als vorläufiger Amtssitz.

Welche Akzente wird Andrzej Duda in der Auβenpolitik und insbesondere in den Beziehungen zu Deutschland setzten? Eine ganzheitliche, programmatische Aussage von ihm zu diesem Thema gibt es (noch) nicht. Eckpfeiler jedoch sind anhand von Dudas Äuβerungen im Wahlkampf und der Darlegungen seiner auβenpolitischen Berater (Prof. Krzysztof Szczerski und Dr. Witold Waszczykowski) sehr deutlich erkennbar.

1. Duda: Hauptziel ist die Wahrnehmung und Umsetzung nationaler polnischer Interessen mit Hilfe einer aktiven und selbständigen polnischen Auβenpolitik. Einer Politik des „regen Dialogs mit unseren Partnern“. Ausgangspunkt dieses Dialogs muβ die realistisch eingeschätzte Gemeinsamkeit oder der Widerspruch der Interessen sein. „Wir werden einen Staatspräsidenten erleben, der mit Nachdruck über die polnischen Anliegen reden und andere wirksam von der Richtigkeit unserer Argumente überzeugen kann“, so Prof. Szczerski im Wochenblatt „Gazeta Polska“ („Polnische Zeitung“) vom 27. Mai 2015.

Duda-Berater Prof. Krzysztof Szczerski.
Duda-Berater Prof. Krzysztof Szczerski.

Tusks Politik hat Berlins kühnste Träume übertroffen

Der deutschen Politik und den deutschen Medien bereiten solche Aussichten sichtlich Kopfzerbrechen und Kummer. Sie waren bis jetzt anderes gewohnt. Der Wahlsieg Donald Tusks im Herbst 2007 und der tragische Tod  Staatspräsident Lech Kaczyńskis im April 2010, der in Deutschland als „rückwärtsgewandter Störenfried“ galt, haben in Deutschland ein kaum kaschiertes Aufatmen ausgelöst. Es begann eine Zeit, in der Polen von der deutschen Politik „nicht mehr als Problem betrachtet“ werden musste, wie es der scheidende polnische Botschafter in Berlin, Prawda im „Tagesspiegel“ im August 2012 gleichsam stolz und ehrerbietig verkündete.

Marek Prawda, bis 2012 ppolnischer Botschafter in Berlin. Vollzug gemeldet: Polen kein Problem mehr für die deutsche Politik.
Marek Prawda, bis 2012 polnischer Botschafter in Berlin. Den Deutschen Vollzug gemeldet: Polen kein Problem mehr für die deutsche Politik.

Tusks neuer Kurs in der Auβenpolitik hat Berlins kühnste Träume übertroffen.

A. Tusks Polen lockerte deutlich seine Beziehungen zu den USA.

B. Tusks Polen nahm Abschied von einer eigenständigen Ostpolitik: Polen bündelt, koordiniert und vertritt in enger Zusammenarbeit und Absprache mit möglichst vielen ost- und mitteleuropäischen Staaten deren Interessen in Brüssel und gegenüber der „West-Nato“ und der „West-EU“ in der Sicherheits-, Energie-, Klima- und Agrarpolitik. Nur so bekommen diese Staaten ein politisches Gewicht, das sie allein niemals aufbringen können. Die Aufgabe dieses auβenpolitischen Kurses durch Tusk und Komorowski hat der deutschen Politik das Leben um ein Vielfaches leichter gemacht.

C. Tusks Polen nahm Abschied von der eisernen Regel: Polen spricht mit Moskau niemals über die Köpfe der Staaten hinweg, an die es im Osten grenzt: der Ukraine, Weiβrusslands, des Baltikums. Stattdessen ernannte Tusk Polen zum Mitglied im „EU-Klub der Groβen“ (Deutschland, Frankreich, Großbrittanien, Italien, Spanien). Zu einem Land, dass direkt mit Moskau redet und die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Putins Russland, ungeachtet der Menschenrechtslage und des russischen Machtgebarens, genauso wie die anderen erwähnten Staaten um jeden Preis vorantreibt.

Diese Politik, bis zur Selbstverleugnung betrieben, legte, als gröβtes Geschenk, Putins Russland die ganze Untersuchung der Smolensk-Katastrophe in die Hände. Das Wrack der Unglücksmaschine ist bis heute nicht nach Polen gebracht worden.

Der Ukraine-Krieg hat Tusks Russlandpolitik zum Einsturz gebracht. Vorher aber hat diese Politik das Ansehen Polens bei seinen unmittelbaren Nachbarn im Osten ganz und gar ruiniert.

Tusk und Komorowski haben die „Störenfried-Politik“ Warschaus beendet. Sie behinderte nicht länger die reibungslose Umsetzung der deutschen Russlandpolitik, die zumeist nach den Standards und Vorlagen eines „Gasprom-Gerhard“ Schröder („Putin ein lupenreiner Demokrat“) geführt wurde.

Führe, Deutschland! Tusks und Sikorskis Berliner Huldigung

D. Tusks und Komorowskis Polen erhob die Anpassung an die deutsche Auβenpolitik praktisch zur Staatsdoktrin. Ihre höchste Vollendung fand diese Doktrin in der berühmten „Berliner Huldigung“, wie der Akt der Unterwerfung seitdem in Polen genannt wird.

Tusks Auβenminister Sikorski. Führe, Deutschland! Polen wird sich selbst abwickeln.
Tusks Auβenminister Sikorski. Führe, Deutschland! Polen wird sich selbst abwickeln.

Tusks Auβenminister Sikorski fuhr Ende November 2011 eigens nach Berlin, um Deutschland offiziell Polens „Juniorpartnerschaft“ anzubieten. In seiner, ansonsten auf Englisch gehaltenen, Rede huldigte er Deutschland in deutscher Sprache: „Ich danke Ihnen als Politiker und als Pole“. Er bat Deutschland darum die Führungsrolle in Europa zu übernehmen. Er versprach, der polnische Staat werde sich in einem künftigen, vereinigten, von Deutschland geführten Europa weitestgehend selbst abwickeln und seine Kompetenzen nur noch auf Fragen der „nationalen Identität, der Religion, des Lebensstils, der öffentlichen Moral und der Einkommens- und Mehrwertssteuersätze“ beschränken, ansonsten jedoch alles in die Hände Berlins legen. Den verzauberten deutschen Gastgebern stellte Sikorski hingebungsvoll in Aussicht: „Wenn ihr uns in den Entscheidungsprozess einbindet, könnt ihr auf unsere Unterstützung zählen“.

Die Hackordnung war damit festgelegt, doch für den von Sikorski erhofften Posten des Nato-Generalsekretärs oder wenigstens eines EU-Kommissars hat es dennoch nicht gereicht.

Ob EU-Kilmapolitik, die die polnische Steinkohle und damit Oberschlesien als Industrierevier endgültig stilllegen soll. Ob die Ukraine-Krise, in der Tusk auf die aktive Beteiligung Polens an deren Lösung, auf „Anraten“ Berlins und Moskaus, schnell verzichtet hat. Ob die Frage der polnischen Minderheit in Deutschland und viele andere… Für Tusk und Komorowski galt uneingeschränkt, wie in der katholischen Kirche: Roma (Berlin) locuta, causa finita – Berlin hat gesprochen, der Fall ist erledigt.

Tusk hat es immerhin geschafft den ersehnten Posten des EU-Ratsvorsitzenden zu bekommen.

E. Tusks Wirtschaftspolitik war schlicht und einfach: Das Billiglohnland Polen hat seine historische Erfüllung gefunden als verlängerte Werkbank der deutschen Industrie und, wie eh und je, als Zulieferer frischer, williger, schnell integrierbarer und preiswerter Arbeitskräfte nach Deutschland.

Von der Taz bis zur FAZ

„Wenn einem so viel Gutes widerfährt…“ Deutsche Medien und die deutsche Politik haben über ihrem polnischen Favoriten einen breiten Schutzschirm aufgespannt. Während der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sich unter einem Dauerbeschuss deutscher Medien befand, waren „unser Mann“ Donald Tusk und das „System Tusk“ unangreifbar: populistische Versprechungen, Amtsmissbrauch, Korruption, Filz, Kolonisierung der öffentlichen und privaten Medien, Verdopplung der Staatsschulden, gigantische Geldverschwendung, Enteignung der Pensionsfonds, die Verwandlung des Parlaments in eine Abstimmungsmaschinerie der Regierung…

Es galt das Prinzip der drei Affen: „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“. Von der Taz bis zur FAZ, vom ZDF bis zum Deutschlandfunk: gleichgeschaltet, oft bis in kleinste Details, in ihrer Polen-Berichterstattung, hielten die deutschen Medien, durch eine Legion von Korrespondenten in Warschau vertreten, Donald Tusk und den Seinen eisern die Treue. Wenn es etwas in Tusk-Polen zu beanstanden gab, dann nur das Noch-Vorhandensein einer, zeitweise, vor allem nach der Smolensk-Katastrophe 2010, fast schon ghettoisierten, Opposition, mit ihren „Monsterfiguren“: Jarosław Kaczyński und dem Radio-Maryja-Begründer Pater Rydzyk.

Was Wunder, dass die deutsche Politik und die deutschen Medien erhebliche Probleme damit haben, die demokratische Entscheidung der Polen hinzunehmen. Zu akzeptieren, dass in einer Demokratie irgendwann die Opposition an die Macht kommt. Wie gerne würde man in Berlin die Beziehungen zu Polen, wie gehabt, weiterhin auf das Niveau der alle fünf Jahre stattfindenden Jubelfeiern zu Ehren des polnisch-deutschen Nachbarschaftsvertrages reduzieren…

Keinen Euro, bitte!

2. Duda: EU-Mitgliedschaft auf jeden Fall, ja, aber die Einführung des Euro, wenn überhaupt, dann in ferner Zukunft, wenn Polen das Wirtschafts- und Sozialniveau führender westeuropäischer Staaten erreicht hat.

Die deutsche Politik und die deutsche Wirtschaft dagegen drängen auf eine baldige Übernahme des Euro durch Polen und haben auch in dieser Frage in Donald Tusk (er versprach im September 2008, den Euro werde es in Polen schon 2011 geben) und Staatspräsident Komorowski treue Verbündete gehabt, nicht jedoch in der polnischen Bevölkerung.

Rolf Wilhelm Nikel. Deutscher Botschafter in Warschau.
Rolf Wilhelm Nikel. Deutscher Botschafter in Warschau.

Der deutsche Botschafter in Warschau, Nikel, hat die deutsche Haltung im November 2014 mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, in dem er sich, wie selbstverständlich, direkt in die polnische Euro-Debatte einmischte. Deutschland sei sehr positiv zu einem schnellen Eintritt Polens in die Euro-Zone eingestellt. Mit groβem Bedauern sehe man, dass vor der Krise die polnische Öffentlichkeit eine sehr gute Meinung über die gemeinsame Währung hatte, während jetzt nur noch 25 bis 30 Prozent der Polen den Euro haben wollen. Er, Nikel, sei Staatspräsident Komorowski dankbar dafür, dass er die Debatte über die Euro-Einführung begonnen habe, weil sie notwendig sei.

Komorowski hat, ganz in Nikels Sinn, die Notwendigkeit der Übernahme des Euro den Polen geradezu gebetsmühlenartig eingetrichtert, was sicherlich zu seiner Wahlniederlage beitrug.

Sicherheit vor Russland

3. Duda: Angleichung der Sicherheitsstandards zwischen „Nato-West“ und „Nato-Ost“. Nicht nur gemeinsame Manöver, sondern ständige Anwesenheit von Nato-Truppen an der Ostflanke des Bündnisses, vor allem im Baltikum und in Polen.

Die deutsche Politik und die deutsche Öffentlichkeit lehnen das mehrheitlich rundweg ab.

4. Duda: Angesichts der deutschen Haltung (siehe oben) benötige Polen umso mehr die ständige militärische Präsenz und ein Höchstmaβ an ständigem politischen und wirtschaftlichen Engagement der USA in Europa.

In Deutschland stöβt das weitestgehend auf Ablehnung.

5. Duda: Rückkehr Polens zu seiner ursprünglichen Ostpolitik (siehe Punkt 1B und 1C).

Polen will grundsätzlich gute Beziehungen zu Russland unterhalten, doch die politischen Ziele beider Staaten sind oft völlig andere. Die Grundlage des Dialogs mit Russland müssen bilden: das Achten des Völkerrechts durch Russland (Ukraine – Anm. RdP), die historische Wahrheit (Katyń-Mord, unterlassene Hilfe für den Warschauer Aufstand 1944 usw. – Anm. RdP), Bereitschaft zur lückenlosen Aufklärung der Smolensk-Katastrophe, Abkehr von der russischen Embargopolitik auf dem Agrarsektor.

Deutschland, das seit einiger Zeit im Alleingang die EU-Russlandpolitik führt, will dabei ungern behelligt werden. Die „polnische Einmischung“ brächte nur Probleme mit sich.

Mit Deutschland ernsthaft reden

6. Frage an Duda-Berater, Prof. Szczerski im Gespräch mit der Zeitung „Nasz Dziennik“ („Unser Tagblatt“) vom 11. Juni 2015: „Werden sich unsere derzeitigen Beziehungen zu Deutschland ändern? Sie haben sie seiner Zeit als geradezu vasallisch bezeichnet, weil unser Land auf das Kleinstmaβ eines deutschen Klienten geschrumpft ist“.

Szczerski: „Ich gebrauche solch eindeutige Worte nur selten, rede lieber davon, dass unsere Beziehungen zu Deutschland weitgehend auf einer Asymmetrie zu unseren Ungunsten beruhen. Das muss korrigiert werden, im Sinne einer beiderseitigen Achtung und eines auf Zusammenarbeit ausgerichteten Dialogs. (…) Es gibt keine zwei Staaten mit identischen Zielen. Es wird also auch Auseinandersetzungen geben, aber gerade deswegen hat man die Diplomatie erfunden.“

So sieht der Abschied von der Tusk-Komorowski-Deutschlandpolitik aus, hin zu einem normalen, zwischenstaatlichen Dialog auf gleicher Augenhöhe. Sollte Dudas Partei, Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Herbst an die Regierung kommen, dürfte sich diese Veränderung, egal ob man sie „Wende“ oder „Korrektur“ nennt, schnell einstellen.

Dass man das in Deutschland sehr ungern, aber notgedrungen, zur Kenntnis nimmt, beweist die FAZ. Nach wochenlanger Duda-Schelte, Duda-Hohn und Duda-Hysterie (Intoleranz, „Orbanisierung“ Polens, EU-Feindlichkeit usw.) während des polnischen Wahlkampfes, hat sich das Blatt zu Prof. Szczerski begeben und ihn nach den auβenpolitischen Absichten des neuen polnischen Staatsoberhauptes gefragt. Herausgekommen ist in dem Bericht eine Beschwichtigung nach dem Motto: alles halb so wild, Geschichte spielt keine Rolle mehr, es wird fast genauso weitergehen wie bisher.

Duda-Berater Dr. Witold Waszczykowski.
Duda-Berater Dr. Witold Waszczykowski.

„Wunschdenken?“ titelte daraufhin das angesehene Internetportal „wPolityce.pl“ („inderPolitik.pl“) und fragte den Duda-Berater Dr. Waszczykowski: „Die FAZ hat verkündet, dass es nur eine „leichte Korrektur“ des auβenpolitischen Kurses geben wird. Im Prinzip wird sich nichts ändern. Ist das richtig?“

Waszczykowski: „Es ist nicht der richtige Augenblick, um das bekannt zu geben. Eines ist jedoch wichtig: wir werden zu klaren Aussagen in unserer Auβenpolitik zurückkehren, um unsere nationalen Interessen wahrzunehmen. Diese Interessen werden manchmal mit den Interessen anderer europäischer Staaten kollidieren. Wir werden mit unseren Partnern in Europa ehrlich und ernsthaft reden müssen. Zum Beispiel über die Haltung gegenüber Russland. Deutschland hat da eine andere Meinung als wir. Den Deutschen wird man ernsthaft die Frage stellen müssen, was ihnen wichtiger sei: Putins gutes Selbstbefinden oder die Sicherheit seiner östlichen Verbündeten, Polens und der baltischen Länder.

Eine solche Korrektur in unserer Auβenpolitik muss und wird es geben. Heute will Deutschland der Verbesserung der Sicherheit unserer Staaten nicht zustimmen oder, besser gesagt, der Angleichung an den Stand des Westens. Wir verlangen keine Privilegien, wir wollen Gleichbehandlung. Bis jetzt waren unsere nationalen Interessen zweitrangig. Vorrangig waren die Interessen der Bürgerplattform und Tusks persönliche Interessen, nicht die des polnischen Staates. Man hört natürlich hier und da die Flüsterpropaganda, Recht und Gerechtigkeit werde einen Krieg mit Russland vom Zaun brechen. Das ist absoluter Quatsch. Wir werden weiterhin mit Russland zusammenleben, Handel betreiben, aber es gibt keinen Grund die russische Aggression zu rechtfertigen.“, so Waszczykowski.

© RdP




Aus deutschen Landen, reichlich vorhanden

Landschaft nach der Übernahme. Deutsche Konzerne auf dem polnischen Medienmarkt.

Die aktuellen Erhebungen haben eigentlich nichts Neues ans Tageslicht gebracht, und doch stockte vielen wieder einmal der Atem, denn die Zahlen sind wahrlich überwältigend. Platz eins: Bauer-Verlag, der 2014 knapp 294 Mio. Exemplare seiner Presserzeugnisse in Polen verkauft hat. Rang zwei: Ringier Axel Springer – mit nicht ganz 123 Mio. Exemplaren. Platz drei: Passauer Neue Presse (Polska Press Grupa): knapp 112 Mio. Rang sieben: Burda-Verlag mit gut 27 Mio. Exemplaren. Fazit: siebzig Prozent der Medien in Polen, abgesehen von TV-Sendern, befinden sich in deutschem Eigentum, darunter praktisch alle Regionalzeitungen.

Der erste polnische Verlag auf der Liste: Agora („Gazeta Wyborcza“ u.a.), belegt Platz vier mit knapp 66 Mio. verkaufter Exemplare.

Seitdem das Internet-Fachportal „wirtualnemedia.pl“ Ende April 2015 die Zahlen für das Jahr 2014 veröffentlicht hat, wird das Thema „polnisch-sprachige deutsche Medien in Polen“ immer wieder in der Öffentlichkeit aufgegriffen. Im Wahljahr 2015 (Mai – Präsidentschaftswahlen, Oktober – Parlamentswahlen), eigentlich kein Wunder.

In Deutschland nicht vorstellbar

Wären solche Zustände in Deutschland möglich? Theoretisch ja, praktisch jedoch sind sie nicht vorstellbar. Im Herbst 2005 verkaufte die deutsche Verlagsgruppe Holtzbrinck für etwa 150 Mio. Euro den Berliner Verlag (u. a. der Herausgeber der „Berliner Zeitung“) an die Mecom Group des britischen Medienmanagers David Montgomery. Deutschlandweit rief dies einen Sturm der Entrüstung hervor. Erstmals war ein deutsches Zeitungshaus in den Besitz eines ausländischen Finanzinvestors gelangt. Montgomerys „Gebaren“ wurde seitdem fortlaufend von den deutschen Medien beobachtet. Ablehnung und Tadel waren an der Tagesordnung. Im Januar 2009 endete „der Spuk“. Der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg kaufte die „Berliner Zeitung“ „zurück“.

Angesichts der geballten deutschen Kritik an dem Briten Montgomery und seinem Kauf, kam niemandem in Deutschland in den Sinn von „antibritischer Stimmungsmache“ oder „antibritischen Ressentiments“ zu sprechen. Wer dagegen die deutsche mediale Vorherrschaft in Ostmitteleuropa oder in Polen anspricht, muss darauf gefasst sein, dass ihm „Germanophobie“, „Nationalismus“ oder andere niedrige Beweggründe unterstellt werden. Dies ist ein probates Mittel, um der Diskussion darüber auszuweichen, wie es zu einer solchen Dominanz kommen konnte und welche Folgen sie hat.

Ein Parteikonzern wird zerschlagen

Das Konzept der sogenannten Transformation, also der Übergangs vom Kommunismus zur Marktwirtschaft im ganzen ehemaligen Ostblock, sah, allem voran, den Ausverkauf des Staatseigentums vor. Es gibt viele Schätzungen, doch es überwiegt die These, das polnische Staatseigentum sei für etwa zehn Prozent seines realen Wertes veräuβert worden.

Verkauft wurden auch Zeitungen. Das bewerkstelligte in Polen der Abwicklungsausschuss (Komisja Likwidacyjna), der ab 1990 das riesige Vermögen des staatlichen Konzerns RSW Prasa-Książka-Ruch (Arbeiterverlagsgenossenschaft Presse-Buch-Vertrieb) unter den Hammer brachte.

RSW war der gröβte Pressekonzern Ostmitteleuropas. Bis 1990 gehörten ihm 45 Tageszeitungen (darunter das Parteiorgan „Trybuna Ludu“) und 235 Zeitschriften mit einer einmaligen Auflage von 3,5 Mio. Exemplaren. Er kontrollierte den gesamten Pressevertrieb im Land, besaβ 17.000 Zeitungskioske und 200 Zwischenlager. Hinzu kamen 7 Buchverlage, 5 Agenturen (darunter die Agentur Interpress (PAI), auf deren Betreuung, gegen Entgelt, alle ständigen ausländischen Korrespondenten und Reisejournalisten angewiesen waren, und die Zentrale Fotoagentur (CAF), die die gesamte Presse mit Bildern belieferte), 17 Groβdruckereien, eine Philatelie-Handelskette, 4 groβe Mitarbeiter-Erholungsheime, wertvolle Grundstücke mit Bürogebäuden in ganz Polen usw., usf.

Die „Arbeiterverlagsgenossenschaft“ war in Wirklichkeit Eigentum der herrschenden, kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) und, neben den Mitgliederbeiträgen, ihre wichtigste Geldquelle.

Im März 1990 verabschiedete der Sejm den Beschluss zur Abwicklung des Konzerns. Ein Teil der Zeitungen wurde, zu Vorzugspreisen, an Mitarbeiter-Genossenschaften verkauft. Die jedoch hatten kein Geld für den Computersatz (DTP), der gerade groβ im Kommen war, für besseres Papier, Layout, Recherchen usw. Von Schulden bei Druckereien und im Vertrieb geplagt, gingen sie entweder Pleite oder nahmen ausländische Investoren mit an Bord, die bald darauf den ganzen Laden übernahmen. Die einzige Mitarbeiter-Genossenschaft, die nach 1990 überlebte, und erst kürzlich in eine GmbH umgewandelt wurde, ist die des postkommunistischen Wochenmagazins „Polityka“.

Die restlichen Zeitungen und Zeitschriften verkaufte man der französischen Verlagsgruppe Hersant und der norwegische Firma Orkla Media. Sie waren die groβen ausländischen Spieler der ersten Stunde.

Bauer Media Group

Deutsche Medienkonzerne, zunächst noch mit den Folgen der Wiedervereinigung beschäftigt, waren von Anfang an dabei, hielten sich jedoch im Hintergrund, sondierten erst einmal das neue Gelände, wie z.B. der Bauer-Verlag, der 1991 mit der polnischen Version der Jugendzeitschrift „Bravo“ einen ersten Testballon steigen lieβ.

Heute besitzt Bauer RMF den gröβten privaten Radiosender des Landes, das mächtige Internetportal Interia.pl und eine Groβdruckerei in Ciechanów, im Nordosten des Landes. Dazu eine riesige Palette an Zeitschriften, unter denen sich sieben der zehn bestverkauften des Landes befinden: „Twój Styl“ („Dein Stil“), „Kobieta i Życie“ („Frau und Leben“), „Chwila dla Ciebie“ („Ein Augenblick für Dich“), „Bravo“, „PC Format“, „Tele Tydzień“ („Tele Woche“), „Tele Świat“ („Tele Welt“), „Twoje Imperium“ („Das Imperium“), „Świat Kobiety“ („Welt der Frau“), „To & Owo“ („Dies & Das“), „Życie na Gorąco“ („Das Leben ganz heiβ“) und weitere achtzig Titel.

Burda International PL

Im Jahr 1993 kam Gruner+Jahr mit der Hochglanzzeitschrift „Claudia“ auf den polnischen Markt, einem Produkt, das die einheimischen, eher grauen denn bunten Frauenmagazine sofort in den Schatten stellte. Mit der prachtvollen „National Geographic“ (G+J erwarb die Lizenz für ganz Ostmitteleuropa) landeten die Hamburger kurz darauf einen weiteren Volltreffer.

Im Jahr 2013 verkaufte G+J seine polnischen Unternehmungen an Burda International Polska, der im Augenblick elf Hochglanzmagazine herausgibt, darunter „Elle“, „In Style“, „Claudia“, „Burda“, „Focus“, „Gala“, „National Geographic Polska“, „Chip“.

Polska Press Grupa

Atemberaubend gestaltete sich auch die Invasion der Passauer Neuen Presse in Polen. Seit Jahren schon kursiert das Gerücht, der kleine Verlag aus Passau sei von Bertelsmann vorgeschickt worden, um den Markt der Regionalzeitungen in Ostmitteleuropa zu erobern.

Im Jahr 1994 kauften die Passauer der französischen Hersant-Gruppe die ersten Regionalzeitungen in Polen ab. Heute hat der Verlag 19 Regionalzeitungen: Dziennik Bałtycki („Ostsee Tagblatt“) – Gdańsk/Danzig, „Dziennik Łódzki“ („Lodzer Tagblatt“) und „Express Ilustrowany“ („Der Bebilderte Express“) – Łódź/Lodz, „Dziennik Zachodni“ („West-Tagblatt“) – Katowice/Kattowitz, „Gazeta Krakowska“ („Krakauer Zeitung“) und „Dziennik Polski“ („Polnisches Tagblatt“) – Kraków/Krakau, „Głos Wielkopolski“ („Die Stimme Groβpolens“) – Poznań/Posen, „Gazeta Wrocławska“ („Breslauer Zeitung“) – Wrocław, „Kurier Lubelski“ („Lubliner Kurier“) – Lublin, „Metropolia Warszawska“ („Die Warschauer Metropole“) – Warszawa, „Gazeta Lubuska“ („Lebuser Zeitung“) – Zielona Góra/Grünberg, „Gazeta Pomorska“ („Pommerische Zeitung“) und ”Express Bydgoski” („Bromberger Express“) – Bydgoszcz/Bromberg, ”Nowości – Dziennik Toruński“ („Neuigkeiten – Thorner Tagblatt“) – Toruń, „Kurier Poranny“ („Morgenkurier“) und „Gazeta Współczesna“ („Zeitgenössische Zeitung“) – Białystok, „Nowa Trybuna Opolska“ („Neue Oppelner Tribüne“) – Opole, „Echo Dnia“ („Tagesecho“) – Kielce, „Gazeta Codzienna Nowiny“ („Tageszeitung – Neuigkeiten“) – Rzeszów, „Głos Dziennik Pomorza“ („Die Stimme – Pommerisches Tagblatt“) – Słupsk/Stolp.

Der Monopolbildung auf dem Regionalzeitungsmarkt hat die polnische Antimonopolbehörde (UOKiK), beim Zukauf weiterer Blätter durch die Passauer Neue Presse 2013, ausdrücklich zugestimmt. Die Behörde untersteht direkt dem Ministerpräsidenten. Amtsinhaber in jener Zeit war Donald Tusk.

Zu diesem Konglomerat gesellen sich: mehr als einhundert lokale Wochenblätter, sowie die landesweite kostenlose Zeitung „Nasze Miasto“ („Unsere Stadt“) – Wöchentliche Gesamtauflage 0,5 Mio. Exemplare. Auβerdem: vier Anzeigenblätter, fünf Fernsehzeitschriften, sechs Anzeigeninternetportale, 15 Internetfachportale für das Bauwesen.

Die Passauer geben zudem eine landesweite Tageszeitung heraus „Polska The Times“ und betreiben eine Nachrichtenagentur (Agencja Informacyjna Polska Press).

Ringier Axel Springer

Der Springer-Verlag betreibt sein Polen-Geschäft zusammen mit dem Schweizer Medienkonzern Ringier AG. Anders als die Passauer, hat er es auf landesweite Medien abgesehen.

Springer ist Herausgeber von „Fakt“ (der polnischen „Bild-Zeitung“, wie sie genannt wird), der auflagenstärksten Zeitung Polens (Verkauf 2015: ca. 350.000 Exemplare) und von zwei Sport-Blättern: „Sport“ und „Przegląd Sportowy“ („Sport Rundschau“).

Hinzu kommen: das radikal antikatholisch und gegen die nationale polnische Tradition ausgerichtete Kampfblatt „Newsweek Polska“, das Wirtschafts-Monatsmagazin „Forbes“ und das gröβte, und ähnlich wie „Newsweek Polska“, ideologisch gefärbte polnisch sprachige Internetportal Onet.pl. Des Weiteren hat der Konzern eine Reihe von Computer-Fachzeitschriften in seinem Angebot.

„Mediale Kolonie“

Die schärfsten Kritiker des geschilderten Zustandes sprechen von Polen als einer deutschen „medialen Kolonie“. „Wohin der Eingeborene in der polnischen Medienlandschaft auch blickt, überall sieht er deutsche Plantagen“, so der Ende 2014 verstorbene, katholische Solidarność-Aktivist aus Oberschlesien Kazimierz Świtoń.

Die Medienkundlerin Olga Dąbrowska-Cendrowska von der Jan-Kochanowski-Universität in Kielce hat Ende 2014 eine Studie mit dem Titel “Burda Media Polska, Bauer Media, Ringier Axel Springer, G+J Polska – die Kondition der »groβen deutschen Vier« auf dem polnischen Medienmarkt“ veröffentlicht. Es ist eine umfangreiche Analyse des Werdegangs dieser Firmen in Polen, ihrer Unternehmens- und Verkaufsstrategien.

Das Fazit der Studie lautet: diese Firmen seien „die wichtigsten Verleger auflagenstarker Magazine. (…) Ihr wesentlichster Ansatz lautet: Gewinnerzielung bei kleinstmöglichem Eigenengagement. Die Vereinheitlichung der Inhalte und der Botschaften, „Tabloidisierung“ (verstanden als Sensationshascherei, Tabubruch, Katastrophenjournalismus, Ausleuchtung des Privatlebens von Stars, Alltagsgeschichten – Anm. RdP), mit dem Ziel den Interessen eines wenig anspruchsvollen Verbrauchers zu genügen, begünstigen die Erwirtschaftung zufriedenstellender Gewinne.“

Der Medienwissenschaftler von der Uniwersytet Śląski (Schlesische Universität) in Katowice, Prof. Stanisław Oniszczuk bestätigt das, geht jedoch entschieden weiter: „Selbstverständlich sind Gewinne für die Unternehmen das Wichtigste. Deswegen haben ja die deutschen Konzerne Marksegmente der Frauen-, Fernseh,- Computer – und Autozeitschriften erobert. Stets jedoch bleibt die Frage offen: schreitet im Gefolge dieser Verleger nicht auch eine Informationspolitik, die mit der polnischen Staatsraison nicht immer vereinbar ist, voran?“

Prof. Ryszard Terlecki, Historiker, Medienexperte und Politiker der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hegt in dieser Hinsicht keine Zweifel: „Jede Nation hat ihre eigenen Traditionen, ihr Wertesystem, ihren Kulturcode. Medien die von auβen kommen, scheren sich nicht darum, sondern zwingen ein Wertesystem auf, das ihrer Heimat eigen ist.“

Beobachtet und zusammengefasst

An der Spitze der deutschen Medienunternehmen in Polen haben erfahrene deutsche Kaufleute das Sagen. Ihre einzige Aufgabe: den Stammhäusern in Berlin, Offenburg und woanders stets satte Gewinne einzufahren. Wie erreicht man dieses Ziel? Polnische Medienwissenschaftler weisen auf einige typische Erscheinungen hin:

1. Regionale Medien

A. In den regionalen Medien sind investigativer Journalismus und die Kontrollfunktion gegenüber der regionalen Verwaltung praktisch auβer Kraft gesetzt. Man will keine „Scherereien“. Zudem sind kommunale Behörden wichtige Anzeigengeber in der oft vor sich hindämmernden polnischen Provinz. So verschmelzen die regionalen, polnischsprachigen Medien, die in weiten Teilen des Landes völlig konkurrenzlos agieren, mehr oder weniger zu einem Bestandteil der regionalen Machtkartelle, die von Amtsperiode zu Amtsperiode wiedergewählt werden und alles unter Kontrolle haben.

B. Die Chefposten werden mit „Managern“ besetzt, die stets bereit sind das journalistische Berufsethos an den Nagel zu hängen, denn Werbung, „Productplacement“ und als Berichte getarnte Sponsorenbeiträge haben absoluten Vorrang.

C. Eine Zeitung soll vor allem unterhalten, Ratgeber sein, Lokales möglichst auf Hagelschäden, Feuerwehrfeste und Umleitungen reduzieren.

D. Vor der Übernahme hatten Regionalzeitungen, wie „Dziennik Polski“ („Polnisches Tagblatt“) aus Kraków oder „Głos Wielkopolski“ („Die Stimme Groβpolens“) aus Poznań, auch eine überregionale, meinungsbildende Bedeutung. Inzwischen sind auch sie der Gleichschaltung zum Opfer gefallen.

E. In der eher unpolitischen Gangart der polnischsprachigen deutschen Regionalmedien gibt es einige bemerkenswerte Ausnahmen. Zu ihnen gehört ganz gewiss das auffällig starke, jahrelange Engagement des „Dziennik Zachodni“ („West-Tagbaltt“) in Katowice für die Oberschlesische Autonomiebewegung, die als Vertreterin einer nirgendwo anerkannten „schlesischen Nation“ sich de facto für die Loslösung Oberschlesiens von Polen einsetzt.

F. Ob auf Anweisung oder als Folge des vorauseilenden Gehorsams ihrer polnischen Angestellten, Tatsache ist, dass in den monopolisierten regionalen Medien eindeutig propolnische Stellungnahmen zu kontroversen polnisch-deutschen Themen (Frau Steinbachs Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin, Kontroverse um den Film „Unsere Mütter, unsere Väter“, in dem die Polen als blutrünstige Antisemiten dargestellt worden sind usw.) kaum zu vernehmen sind.

2. Bunte Blätter

Groβe Teile dieser Blätter werden in Deutschland geschrieben, bebildert und vor Ort ins Polnische übersetzt. So wird, wie Prof. Terlecki sagt, „der eigene Kulturcode“ ins Nachbarland befördert.

3. Überregionale Medien

Mit dem Massenblatt „Fakt“ haben es die Kaufleute von Ringier Axel Springer auf das sensationslustige Massenpublikum abgesehen. Vorbild und Maβstab aller Dinge ist hier die deutsche „Bild-Zeitung“, die aber in Polen inzwischen eindeutig überboten worden ist. „Fakt“ teilt blindlinks in alle Richtungen aus, schürt Konflikte, stachelt an, wuchert mit Blut und Brutalität. Neustes Beispiel: Mitte August 2015 hat ein offensichtlich Geisteskranker, auf offener Straβe in Kamienna Góra/Landshut in Niederschlesien, mit einer Axt ein 10jähriges Mädchen erschlagen. „Fakt“ brachte das Foto der Sterbenden auf der ersten Seite, was sogar den sonst deutschlandfreundlichen ehem. Auβenminister Sikorski zu der Twitter-Eintragung veranlasste: „I wonder if in Germany @Axel Springer would dare to splash a photo of a 9-year-old-girl murderd with an axe“.

Ansonsten setzten die Manager Ringier Axel Springer auf die kaufkräftigste Kundschaft; das etablierte junge und etwas reifere, gut verdienende, genussfreudige Groβstadtpublikum und diejenigen, die gerne dazu gehören möchten. Man gibt sich „europäisch“, nationale Tradition, Geschichte, Literatur, das Einstehen für das eigene Land, Religion, Familie gelten als „längst überholt“ und diejenigen, die dazu stehen gelten als „Hinterwäldler“ und „Dörfler“. Für die Erstgenannten steht symbolisch Donald Tusk, für die anderen Jarosław Kaczynski.

"Polens Kirche deckt Pädophilie". 9/2013
Springer-Blatt „Newsweek Polska“ und die Kirche. „Polens Kirche deckt Pädophilie“. 9/2013

Newsweek 39-2012
„Gottesfürchtiger Sex“. 39/2012

Newsweek 31-2012
„Vater in Soutane“ 31/2012.

In diesem Konflikt, den sie geradezu schüren, bekennen sich „Newsweek Polska“ und das Internetportal Onet.pl eindeutig zu den Ersteren. Das Titelbild des „Newsweek Polska“, auf dem der Oralverkehr zwischen einem Kind und einem Priester suggeriert wird, spricht Bände. Wahre Begebenheiten spielen auch in diesem Fall keine Rolle.

Sie geben Hunderte von Blättern heraus, aber ein Ruhmesblatt ist das Wirken deutscher Medienkonzerne in  Polen für sie beileibe nicht. Sie haben, die ohnehin  vorhandene, mediale Sumpflandschaft an der Weichsel erheblich vertieft und erweitert. Zarte Versuche von Springer die politische Kultur positiv zu bereichern, mit einer Tageszeitung wie „Dziennik Polska – Europa – Świat“ („Tagblatt Polen – Europa – die Welt“ 2006-2009) oder  der hoch intellektuellen Beilage zum Revolverblatt „Fakt“ („Tygodnik Idei Europa“ – „Wochenblatt der Ideen Europa“) sind längst Geschichte. Es geht ja auch nicht um Ruhm, sondern nur ums Geld, und die Kaufleute an ihrer Spitze sind zu sehr vielem bereit.

31/2010
„Väter in Soutanen“. 31/2010

Hat also Stefan Bratkowski, der Doyen des polnischen Journalismus und, nebenbei bemerkt, ein glühender Gegner Jarosław Kaczyńskis und seiner politischen Richtung, mit seiner bereits 2003 ausgesprochenen Warnung doch recht gehabt? „Es ist sehr gefährlich, wenn ausländische Medien mit Monopolcharakter die öffentliche Meinung formen. Das kann den Informationsfluss in unserem Land gefährden und bewirken, dass die Diskussion über die für Polen wichtige Themen, ausschlieβlich durch ausländische Medienkonzerne moderiert wird.“

Mit einem Anteil von 70 Prozent der polnischsprachigen deutschen Medien am polnischen Medienmarkt ist die Ausschlieβlichkeit noch nicht erreicht, doch sie existiert bereits bei den Regionalzeitungen. Das Gleichgewicht jedenfalls ist eindeutig gestört.

© RdP

 




Komorowski-Rede entfacht Stauffenberg-Fehde

Das Problem: die Ablehnung Hitlers und die Verachtung seiner Opfer waren meistens eins.

Während seines Abschiedsbesuches in Berlin hat Polens scheidender Staatspräsident Bronisław Komorowski das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 mit dem Warschauer Aufstand verglichen. Komorowski setzte sich damit einer heftigen Kritik seitens einheimischer Medien und Historiker aus. Attentäter Stauffenberg sei ein Rassist gewesen, der Polen und Juden verachtete. Nicht den Völkermord zu stoppen hatte er im Sinn, sondern Deutschland vor einer totalen Niederlage zu retten, schrieben polnische Kommentatoren.

Der letzte Auslandsbesuch von Staatspräsident Bronisław Komorowski, der nach der verlorenen Wahl am 6. August sein Amt aufgeben muss, sollte ein freundliches Abschiednehmen von Bundespräsident Joachim Gauck und Auβenminister Frank-Walter Steinmeier sein. Normalerweise haben Medien an solchen Besuchen kein Interesse. Diesmal war es anders.

Komorowski wurde nämlich von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eingeladen, am Rande seines Besuches, am 8. Juli 2015 in Berlin eine Rede in der Vortragsreihe „20. Juli. Vermächtnis und Zukunftsauftrag” zu halten. Komorowski hat sich bei seinem Auftritt sehr weit vorgewagt und das Attentat in eine Reihe mit dem Warschauer Aufstand gestellt:

„In gewisser Weise fügt sich (abgesehen von den Absichten) der polnische Unabhängigkeitsaufstand vom 1. August 1944 ein in den Ablauf der Ereignisse, in deren Tradition der 20. Juli 1944 und somit auch das Attentat auf Hitler stehen.”

Zur Erinnerung: am 1. August 1944 brach in Warschau, weil sich die Rote Armee bereits unweit der Stadt befand, ein Aufstand aus. Ausgelöst von der der Londoner Exilregierung unterstellten Heimatarmee (Armia Krajowa – AK), sollte er nur wenige Tage dauern. Die AK wollte die Stadt aus eigener Kraft von den Deutschen befreien, um anschließend als legale polnische Macht die Russen in der Hauptstadt begrüβen zu können. Auf diese Weise sollte, da die Augen der Weltöffentlichkeit auf Polen gerichtet sein würden, eine Beseitigung der AK (Erschieβungen, Deportationen), wie sie bereits im Osten des Landes an der Tagesordnung war, und die Einsetzung einer kommunistischen Verwaltung durch die Sowjets verhindert werden.

Die Russen stoppten jedoch, unter dem Vorwand ihre Truppen seien erschöpft, daraufhin ihren Vormarsch, um den Deutschen Zeit genug zu geben, die AK zu vernichten. Wie anders handelten die Amerikaner unter Gen. Einsenhower, als sie sofort ihre Pläne änderten und umgehend dem Aufstand in Paris, im August 1944, zur Hilfe kamen.

Warschauer Auftsand 1944.
Warschauer Auftsand 1944.

Die Intensität der Kämpfe in Warschau stand der von Stalingrad in nichts nach. Der Aufstand dauerte 63 Tage lang, zog den Tod von ca. 250.000 Warschauern nach sich, und (nach der Kapitulation am 3. Oktober 1944 und der Vertreibung der restlichen Bevölkerung) die planmäβige Zerstörung der Stadt bis Mitte Januar 1945, als die Sowjets endlich das menschenleere Ruinenmeer „befreiten“. In Polen gilt der Warschauer Aufstand (nicht zu verwechseln mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto im April 1943) als ein nationaler Opfergang und der Höhepunkt des Freiheitskampfes im Zweiten Weltkrieg.

Schon vor Komorowskis Berlin-Reise gab es in den Medien erhebliche Einwände gegen seine Teilnahme an der KAS-Veranstaltung. Jedoch am Tag nach seinem Berliner Auftritt, den in Deutschland kaum jemand zur Kenntnis genommen hat, brach in Polen ein Sturm der Entrüstung aus. Kritisiert wurde nicht nur Komorowskis Rede. Beanstandet wurde auch, dass er die Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung angenommen hatte und sich „benutzen“ lieβ.

Auf dem Weg zur deutschen Résistance

In Deutschland, so der Tenor, sei man nämlich dabei den einstigen Begriff „Opposition gegen Hitler“ zu verwerfen und eine deutsche „Widerstandsbewegung“ zu konstruieren, damit man sich in eine Reihe mit dem polnischen „Untergrundstaat“ (Polskie Państwo Podziemne), mit der französischen Résistance, der sowjetischen, jugoslawischen, griechischen Partisanenbewegung u. e. m. stellen könne. Versprengte Oppositionsgruppen, die oft erst nach den Niederlagen Hitlers und zusätzlich in einem Meer von Hitlerverehrern, Mitläufern und Kriegsgewinnlern aktiv wurden, würden so auf eine Ebene gestellt mit groβen nationalen Freiheitsbewegungen im besetzten Europa.

Stauffenberg Hitler foto
Stauffenberg (links) mit Hitler in der Wolfsschanze.

Stauffenberg persönlich wird in Polen, nicht erst seit heute, der Vorwurf gemacht, er sei den Polen, wie allen Slawen, aber auch den Juden gegenüber feindselig eingestellt gewesen und habe sie zutiefst verachtet. Immer wieder wurde in den letzten Tagen aus einem Brief zitiert, den Stauffenberg 1939, nach dem deutschen Überfall auf Polen, seiner Frau schrieb:

„Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu gebrauchen, arbeitsam, willig und genügsam.”

„Deutsche“ Wertarbeit, „nationalsozialistische“ Verbrechen

An diese Worte erinnerte am 8. Juli 2015 u. a. der Kommentator der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) Jerzy Haszczyński:

„So sollte der Abschied Komorowskis von Deutschland nicht aussehen. Dass er am Ende seines Besuches in Berlin eine rühmende Rede auf die deutsche Widerstandsbewegung im Dritten Reich hält, wirkt zumindest ungeschickt. (…) Zwar wollte Stauffenberg Hitler stürzen (um den Krieg zu beenden und die Zahl der deutschen Opfer zu mindern), doch ideologisch stand er dem Führer nicht fern. Ein Teil der Historiker hält ihn für einen, für die damalige deutsche Armee typischen, Antisemiten und erinnert daran, dass er ein Gegner der parlamentarischen Demokratie war.

Seine bekannteste Aussage über Polen (aus dem Brief an seine Frau) ist ein Musterbeispiel des Antipolonismus“, fährt Haszczyński fort. „Mag sein, dass Stauffenberg eine geeignete Ikone für die deutsche Geschichtspolitik ist, aber ein polnischer Staatspräsident sollte sich nicht darum kümmern.

Umso mehr als sich die Deutschen alleine hervorragend bei der Umsetzung dieser Politik zu helfen wissen. (…) In mehr als einhundert Ländern haben sie, dank dem ZDF-Film „Unsere Mütter, unsere Väter“, das tragisch-menschliche Antlitz der Wehrmacht und die unmenschliche Fratze der polnischen Heimatarmee (AK) gezeigt. Sie können sich auch darüber freuen, dass man einerseits zumeist von „Nazi“-Verbrechen, andrerseits von „deutschen“ Gebrauchsgegenständen hoher Qualität spricht. In diesen Kontext hat sich Komorowski bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin eingeordnet.“, so Haszczyński.

Polen nicht vorgesehen

Dieselben Vorwürfe, ergänzt um einige weitere, erhoben am 9. Juli 2015 die Autoren eines offenen Briefes an Komorowski: der bekannte Historiker Andrzej Nowak aus Kraków und Witold Jurasz, Chef des Think Tanks Ośrodek Analiz Strategicznych (Zentrum für Strategische Analysen). Sie weisen darauf hin, was die meisten führenden Köpfe des 20. Juli im Sinn hatten und schreiben:

„Sehr geehrter Herr Präsident,

(…) Allgemein zugängliche historische Quellen bestätigen von welcher Absicht die Attentäter geleitet wurden: (…) die deutsche Armee vor der totalen Niederlage an der Ostfront zu retten, zu verhindern, dass Deutschland in Folge des Krieges weitere Opfer und territoriale Einbuβen erleidet. Sie legten keinerlei Mitgefühl für Juden, Roma und Slawen an den Tag. (…). So wie Ludwig Beck, eine führende Persönlichkeit der Opposition der Offiziere, haben sie den Einsatz der Wehrmacht zum Wiederaufbau der deutschen Herrschaft in Mittel- und Osteuropa befürwortet. (…)

Selbstverständlich kann man den Verschwörern ihren spezifischen, preuβischen und deutschen Patriotismus nicht absprechen. Das aber kann nicht eine Voraussetzung sein dafür, dass ein polnischer Staatspräsident sie ehrt. (…)“

Nowak und Jurasz erinnern daran, dass die meisten Verschwörer davon ausgingen, Deutschland werde nach dem Sturz Hitlers und einem Friedensabkommen mit den Alliierten seine Kolonien zurückbekommen und die Grenzen von 1914 behalten. Grenzen also, die gut ein Drittel Polens aus der Zeit zwischen 1918 und 1939 (östliches Oberschlesien, Groβpolen mit Poznań und den sogenannten Korridor mit dem Hafen Gdynia, Bydgoszcz und Toruń) umfasst hätten.

In demselben Geist sind weitere offene Briefe verfasst: so der, der Stiftung Paradis Judeaorum (vom 7. Juli), des Christlichen Verbandes der Auschwitz-Familien (vom 7. Juli) oder des bekannten Historikers Jan Żaryn (vom 9. Juli).

Kritische Kommentare zu, vor und nach Komorowskis Berlin-Rede erschienen u. a. in der nationalkonservativen Wochenzeitung „Gazeta Polska“ (am 15. Juli), auf dem liberalen Internetportal „natemat.pl“ (13. Juli), im gröβten Nachrichtenmagazin des Landes, dem katholischen „Gość Niedzielny“ („Sonntagsgast“, vom 19. Juli) und in den zwei gröβten polnischen Boulevardblättern „Fakt“ (am 8. Juli) und „Super Express“ (9. Juli).

Stauffenberg, Brandt, Bonhoeffer

Nur die linke „Gazeta Wyborcza“ („Wahlzeitung“, vom 5.Juli) nahm Staatspräsident Komorowski in Schutz. Ihr ehemaliger Korrespondent in Berlin, Bartosz Wieliński schrieb:

„Es ist natürlich wahr – Pöbel, Mischvolk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt, genügsam – so beschrieb Stauffenberg die Polen in seinen Briefen im Herbst 1939. Mehr verachtete er damals nur die Juden. In Polen kämpfte er als Rittmeister der 1. Leichten Division. Als der Krieg ausbrach, schrieb er, dass er Erleichterung spüre. Gewiss, wenn es ihm gelungen wäre Hitler am 20. Juli zu töten und die Verschwörer an die Macht in Deutschland gekommen wären, hätte der deutsche Terror in Polen nicht nachgelassen. Von einer Verschiebung der Grenzen wäre auch keine Rede gewesen.

Nur, der vor kurzem verstorbene spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der sich um die deutsch-polnische Versöhnung auβergewöhnlich verdient gemacht hat, nahm auch an dem Überfall auf Polen teil. Am zweiten Tag des Krieges verlor er seinen Bruder in der Tucheler Heide. Sein Vater, Ernst von Weizsäcker, war die Nummer zwei in der Nazi-Diplomatie, nach dem Krieg wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt. Sein zweiter Bruder, Carl Friedrich arbeitete am Nazi-Atomprogramm. Was dachte der junge von Weizsäcker über die Polen? Er wich dieser Frage aus“, führt Wieliński aus und setzt fort:

„Nichts in der neusten deutschen Geschichte ist schwarz-weiß. (…) Unter den wichtigsten Politikern der älteren Generation haben alle einen gröβeren oder kleineren braunen Fleck in der Biografie. Es gibt keinen einzigen Konzern, der nicht in die Arbeit für den „Endsieg“ verstrickt gewesen wäre. Viele Zeitungredaktionen haben nach dem Krieg ehemalige Nazis übernommen. Die deutsche katholische Kirche hat vor kurzem die Beschäftigung von Zwangsarbeitern aufgearbeitet.

Doch wichtiger als die Verstrickung ist, wie man damit umging und was daraus folgerte. Auf Stauffenberg muss man aus dieser Perspektive schauen. Noch Anfang der 50er Jahre betrachtete ihn jeder vierte Deutsche als Verräter, dem eine gerechte Strafe zuteil geworden ist. Heute wird er verehrt, weil er einer der wenigen war, die um ihr Land vor der Katastrophe zu bewahren, den Mut hatten die Hand gegen den herrschenden Wahnsinnigen zu erheben. Verloren haben sie alle. Hitler hat sich schlieβlich selbst umgebracht. Doch ihr Opfer war das Fundament, auf dem das demokratische Deutschland aufgebaut wurde. So hat sich Stauffenberg um ganz Europa, also auch um Polen, verdient gemacht. An der Beteiligung des polnischen Staatspräsidenten an Feierlichkeiten zu Ehren Stauffenbergs gibt es daher nichts, was unangebracht gewesen sein könnte“, schreibt Wieliński.

Es hagelte Erwiderungen auf Wielińskis Text. Dass die Tatsache, er sei genauso ein überzeugter Rassist gewesen, wie alle anderen („Stauffenberg stand mit solchen Ansichten nicht allein“), für Stauffenberg sprechen solle, wurde als geradezu kurios eingestuft.

Auch die Feststellung Wielińskis: „Nichts in der neusten deutschen Geschichte ist schwarz-weiß“, stieβ auf Widerworte. Auf den blütenweiβen Seiten in der neusten deutsche Geschichte stehen solche Namen, wie Willy Brandt, die Geschwister Scholl oder Dietrich Bonhoeffer… Leider sind es nicht allzu viele, so der Kommentator Tadeusz Płużański im Boulevardblatt „Super Express“, der dann fortsetzt:

„Stauffenberg nahm als Wehrmachtoffizier am Überfall auf Polen teil und schon das genügt, damit der polnische Staatspräsident ihn nicht ehrt. (…) Nach den Feierlichkeiten in Berlin erfuhren Deutschland und die Welt wieder einmal, dass es in Deutschland eine bedeutende Widerstandsbewegung gab. Das ist eine offensichtliche Lüge, die Bronisław Komorowski zu fördern beschloss.“

Anmerkung RdP: wie differenziert man mit dem Thema deutsche Opposition gegen Hitler in Polen umgehen kann, zeigt die Rede Janusz Reiters, des ehem. Journalisten und polnischen Botschafters in Bonn (1990-1995): „Sie waren nicht makellos, aber sie hatten Mut“. Hier nachzulesen.

Ein weiterer Beitrag zu dem Thema hier.

RdP




Weiss, weisser, deutsch

Noch gibt es kein Heilmittel gegen die polnische Waschpulverparanoia.

Praktisch, solide, zuverlässig. Deutsche Marken genießen einen sehr guten Ruf in Polen. Das gilt vor allem, ganz klar, für Autos Made in Germany. Doch die Wertschätzung der Automobile wird noch übertroffen von dem felsenfesten Glauben vieler Polen an die ungemeine Reinigungskraft der Wasch- und Putzmittel, die direkt aus Deutschland kommen.

Wer als Deutscher nach Polen reist und auch nur ein kleines bisschen Polnisch versteht, der wird sich fragen, was es auf sich hat mit Läden, die mit der groβen Aufschrift „Chemia z Niemiec“ auf sich aufmerksam machen. Wörtlich übersetzt heiβt das „Chemie aus Deutschland“, doch wer reinschaut merkt sofort, dass es sich hier ausschließlich um Haushaltschemie handelt und dabei durchweg um Produkte, die unmittelbar aus Deutschland eingeführt wurden.

Lupenrein

Dieser Handel, früher nur auf Märkten und in Vorstädten anzutreffen, hat inzwischen in elegante Galerien, wie der Warschauer Blue City, Einzug gehalten. In Anlehnung an den in Deutschland so beliebten Begriff „lupenrein“, nennt sich die Ladenkette „Laboratorium Pani Domu“ – „Laboratorium der Hausfrau“ und hat schon vier Filialen in den gröβten hauptstädtischen Einkaufszentren errichtet. Weitere sollen folgen.

Am Eingang in die Boutique für Haushaltschemie- liegen auf Tischchen bunte „Sprudelbomben“. In die Badewanne geworfen setzten sie Düfte und Öle frei, enthärten das Badewasser, glätten die Haut und heben gar die Stimmung. Die Regale biegen sich unter penibel aufgestellten Plastikflaschen, Zerstäubern, Waschmittelpackungen von Persil, Ariel, Vizir, Perwoll. Bis unter die Decke ragt imposant eine Pyramide aus Sechs-Kilogramm-Omo-Boxen. Daneben findet man in Hülle und Fülle Waschkapseln, Geschirrspültabs, Spülmittel, Duftsprays, das eine oder andere zum Fensterputzen, zum Entfernen von Bratresten im Backofen, zum Badewannenschrubben.

Und zwischen all dem, von weitem sichtbar, das Glaubensbekenntnis: „Wenn Du deutsches Waschpulver verwendest, benötigst Du 30% weniger Pulver, dank höherer Konzentration. Damit die Wäsche sauber wird reichen nur 66 Gramm. Von dem für den polnischen Markt hergestellten Äquivalent hingegen werden 100 Gramm benötigt. 6 Kilogramm deutschen Waschmittels reichen für neunzig Waschmaschinenfüllungen, mit einem für den polnischen Markt hergestellten Waschmittel kannst Du nur sechzigmal waschen.“

„Waschen auch Sie mit deutschem Waschpulver?“ Die ältere Verkäuferin macht einen sehr überzeugenden Eindruck, wenn sie darauf antwortet: „Ausschlieβlich! Und das sage ich nicht, weil ich hier arbeite“. Es folgt ein weiteres Glaubensbekenntnis aus ihrem Mund, dass da lautet: Waschmittel, die für den polnischen Markt hergestellt werden, bestehen hauptsächlich aus Soda und Kreide. Die deutschen hingegen beinhalten „intelligente Substanzen“, deren komplizierte Namen sie in einem Atemzug aufzählt. „Sie waschen hervorragend bei jedem Härtegrad des Wassers, der Duft hält länger an. Kaufen Sie. Die Sechs-Kilo-Packung kostet 60 Zloty“ (gut 13 Euro) Die gleiche Packungsgröße kostet im normalen Laden etwa 40 Zloty (knapp 9 Euro). „Das ist nicht teuer“, meint die Verkäuferin. „Rechnen Sie mal die Qualität dagegen“.

Sauber und rein

Viele Polen meinen „nicht nur sauber sondern rein“ waschen und putzen zu müssen, wie die Deutschen. Immer mehr Polen wollen auch daran verdienen. Die Zahl, vor allem der Kleinimporteure, wächst. Mit jenseits der Oder gekauften Waschmitteln vollbeladen, gelangen Kleintransporter und Minibusse in die hintersten Winkel des Landes. Deutsche Supermärkte und Discounter an der polnischen Grenze verkaufen inzwischen nur drei Waschmittelkartons pro Händler, weil sonst der Nachschub für normale Kunden ins Stocken gerät. Viele polnische Wiederverkäufer haben daraufhin deutsche Groβhandlungen ausfindig gemacht und sind mittlerweile dort zufriedene Kunden geworden.

Alles was sie herankarren gelangt meistens in Buden und Stände auf den Märkten und an Straβenrändern. Die Preise sind um ein Drittel höher als für herkömmliche Produkte. Am günstigsten bekommt man sie bei fliegenden Händlern, die direkt vom LKW herunter und aus Kleintransportern verkaufen.

Reiner geht’s nicht

Die Litanei der Vorzüge der „echten deutschen“ Fabrikate, die Händler und ihre Kunden herunterbeten, ist lang. Wie Jurek, ein beleibter Mittfünfziger, der seine “Chemia z Niemiec“- Bude an der Schnellstraße Warschau – Lublin schwarz, rot und gold angestrichen hat. Der Renner ist bei ihm, neben Waschpulver und Geschirrspültabs, deutsches Mottenpapier, das, wie er sagt, die Insekten „im Nu totmacht“. Alle Wasch- und Putzmittel reichen länger, wirken besser, schonen das Gewebe und, Jurek hebt die Hand zum Schwur, „es gibt keine Probleme mit den Abflussrohren“. Sie waren bei ihm oft verstopft, bis der Klempner weiβe Ablagerungen ausfindig machte. Schuld daran, Jurek ist davon felsenfest überzeugt, war das falsche, nicht deutsche Waschmittel.

Auf etlichen Internetforen zum Thema „Chemia z NIemiec“ werden die wenigen Zweifler verhöhnt und durch Erfahrungsberichte zum Schweigen gebracht. Die gängige These: Westfirmen packen weniger Wirkstoffe in ihre Erzeugnisse, akzeptieren im Stillen eine mindere Qualität, damit sich die armen Osteuropäer ihre Markenprodukte auch leisten können.

Die Hersteller werden nicht müde zu dementieren. Henkel Polska lieβ vor kurzem verlautbaren, dass es so etwas wie „deutsches Persil“ nicht gibt, weil das Waschpulver für Ost und West im Henkel-Werk in Racibórz/Ratibor hergestellt und von dort in ganz Europa vertrieben wird.

Es ist ein Glaubenskrieg der hier stattfindet. Die einen glauben an die Reinigungskraft deutscher Haushaltschemie, die anderen nicht. Gespeist wird das Ganze, behaupten Psychologen, aus Minderwertigkeitskomplexen.

Wie auch immer, der Mythos „Chemia z Niemiec“ ist, vorläufig wenigstens, ungebrochen.

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