Das Wichtigste aus Polen 18. Juni – 22. Juli 2017

Kommentatorin Aleksandra Rybińska und Janusz Tycner diskutieren die  wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in Polen.  ♦ Die Justizreform ist unter Dach und Fach. ♦ Die Visite des britischen Thronfolgerpaares hatte auch eine politische Dimension ♦ Aus der Distanz. Was hat der Trump-Besuch in Warschau gebracht? ♦ Von Tallin via Warschau nach Sofia. Die Dreimeeresinitiative: deutsche Ablehnung und die Wirklichkeit.




Wohin marschiert die polnische Armee

Stärke braucht Geld und Geist.

Der stornierte Kauf von französischen Caracal-Hubschraubern, die Schaffung der Territorialverteidigung, personelle Veränderungen in der Armeeführung. Wenn überhaupt, dann wissen deutschsprachige Medien nur Negatives über die Verteidigungspolitik der nationalkonservativen polnischen Regierung zu berichten. Wie aber ist deren eigene Sicht der Dinge?

Der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Bartosz Kownacki (fonetisch Kownatski) hat sich den Fragen des Wochenmagazins „wSieci“ („imNetztwerk“) vom 18.06.2017 gestellt.

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Stellv. Verteidigungsminister Bartosz Kownacki.

Kownacki (Jahrgang 1979) ist von der Ausbildung her Jurist, er leitete zwischen 2003 und 2005 seine eigene Anwaltskanzlei in Warschau, arbeitete 2005 – 2007 beim Militärischen Abschirmdienst und 2007 – 2010 in der Kanzlei von Staatspräsident Lech Kaczyński. Er ist seit 2011 Abgeordneter (2015 wiedergewählt) von Recht und Gerechtigkeit im Sejm und war bis zu seiner Berufung ins Verteidigungsministerium im parlamentarischen Verteidigungsauschuss tätig.

Vor einigen Wochen sagte Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, Polen werde erst in etwa zehn bis zwölf Jahren in der Lage sein sich selbst zu verteidigen. Wie darf man das verstehen?

Wir sind heute in einer sehr schwierigen Lage, sowohl was unsere geostrategische Situation angeht, wie auch den Zustand der polnischen Streitkräfte. Auf den ersten Umstand haben wir kaum Einfluss, aber auf den zweiten sehr wohl. Allerdings lassen sich die Modernisierung und die Instandsetzung der Armee nicht in wenigen Monaten bewerkstelligen, nicht einmal in einer Legislaturperiode. Da kann man nur mit der Arbeit beginnen. Die Zerstörung, die Auflösung einer Armee hingegen, geht viel einfacher vonstatten. Es genügt das Gros der Soldaten zu entlassen, die Ausrüstung zu entsorgen und die Kasernen zu verkaufen.

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Verteidigungsminster Antoni Macierewicz.

Wie ist die Regierung der Bürgerplattform unter Donald Tusk zwischen 2007 und 2015 mit der Armee umgegangen?

Ein bitterer Witz aus jener Zeit lautet: „Wozu braucht Tusk die Armee? Zum Sparen!“ Die Streitkräfte wurden in dieser Zeit systematisch beschnitten und in einen Beamtenapparat verwandelt.

Erstes Beispiel: die rigorose Entlassung aller Zeitsoldaten nach nur zwölfjähriger Dienstdauer, damit sie in Zukunft keine direkten Armee-Rentenansprüche erwerben (die Renten von ehemaligen Armeeangehörigen werden in Polen nicht aus der Sozialversicherungskasse sondern aus dem Verteidigungshaushalt gezahlt – Anm. RdP). Es handelte sich dabei meistens um Soldaten und Unteroffiziere im Alter zwischen 32 und 35 Jahren, oft mit sehr großer praktischer Erfahrung, und nicht selten hat ihre Ausbildung viel Geld gekostet. Aber es gab kein Pardon, sie mussten gehen.

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Ehem. Ministerpräsident Donald Tusk brauchte die Armee zum Sparen.

Das haben wir bereits im Januar 2016 durch ein Gesetz geändert. Wäre das nicht geschehen, hätten im Jahr 2016 knapp eintausend Soldaten die Armee verlassen müssen, 2017 wären es schon  tausendzweihundert, 2018 – tausendneunhundert, 2020 – siebentausendachthundert, 2021 – dreitausendfünfhundert und im Jahr 2022 – noch einmal dreitausenddreihundert Soldaten gewesen.

Zweites Beispiel: wir haben durchgesetzt, dass, wenn Fachstellen (Juristen, Programmierer usw.) mit niedrigeren Diensträngen besetzt werden, diese Leute, wenn nötig, wie ein Oberleutnant oder Oberst bezahlt werden können, ohne dass man sie befördern muss. Bis jetzt war das nicht möglich, und so haben wir ein Verteidigungsministerium vorgefunden, in dem allein gut siebenhundert Oberste arbeiteten.

Generell hat unsere Armee viel zu viele „Häuptlinge“, und die Tusk-Regierung hat acht Jahre lang nicht nur nichts dagegen unternommen sondern diesen Zustand noch verstärkt. Ungefähr vierzehntausend Offiziere, ca. zweiunddreißigtausend Unteroffiziere und etwa achtunddreißigtausend Schützen gibt es heute in der polnischen Armee, d. h. auf einen Kommandeur entfallen 0,9 Soldaten. Vor dem Zweiten Weltkrieg war das Verhältnis 1 : 4, in der US-Armee beträgt es heute 1 : 5.

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Auf einen Unteroffizier und Offizier entfällt weniger als ein Soldat.

Eine weitere Katastrophe wurde durch die überstürzte Abschaffung der Wehrpflicht im Sommer 2008 ausgelöst. Man kann sich das kaum vorstellen, aber zwischen 2009 und 2014 wurden in Polen keine Reservisten mehr zu Übungen einberufen! Als dann die Russen die Krim besetzten und der Konflikt in der Ostukraine ausbrach, bekamen unsere Vorgänger plötzlich kalte Füße und haben im Oktober 2014 auf einmal begonnen über vierzigtausend Altreservisten aus der Wehrpflichtzeit vor 2008 einzuberufen, was in einem Chaos endete.

Polen solle eine „Berufsarmee“ bekommen, das hatte Tusk seinen Wählern versprochen, doch die entsteht nicht automatisch mit der vorschnellen Abschaffung der Wehrpflicht. Der Wechsel kam abrupt, es wurde nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt, obwohl eine Berufsarmee deutlich teurer ist als eine Armee aus Wehrpflichtigen. Im Gegenteil, es hieß, jetzt könne man erst recht sparen. Und so bekamen wir an den meisten Standorten einen Fehlstand von bis zu sechzig Prozent, also wahre „Geistereinheiten“, die nur auf dem Papier einen Kampfwert hatten. Zudem wurden Standorte reihenweise geschlossen. Liegenschaften des Militärs fielen oft genug einer Raubprivatisierung zum Opfer. Auf die Moral der Truppe wirkte sich das alles verheerend aus.

Die Armee als fünftes Rad am Wagen?

So kann man das auch beschreiben. Wozu eine Armee, wenn es keine Bedrohung mehr gibt für Polen? Der russische Krieg gegen Georgien von 2008 war gerade vorbei, als unsere Vorgänger ihr neues wehrpolitisches Credo vorstellten. Sie glaubten wirklich an den guten Willen Moskaus und daraus ergab sich ihr unverantwortliches Handeln. Außenminister Radosław Sikorski plädierte sogar für die Aufnahme Russlands in die Nato.

Die Jahresetats für Modernisierung von Bewaffnung und Ausrüstung wurden regelmäßig nicht ausgeschöpft. Dann haben unsere Vorgänger in den letzten Jahren ihres Amtierens ein gewaltiges Modernisierungsprogramm für die Armee im Wert von 300 Milliarden Zloty (ca. 72 Mrd. Euro – Anm. RdP) aufgestellt. In Wirklichkeit standen ihnen jedoch nur 70 Milliarden Zloty zur Verfügung (ca. 17 Mrd. Euro – Anm. RdP). Es endete damit, dass die damalige Regierung begann von allem ein bisschen was zu beschaffen.

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Die Armee wurde so lange verkleinert bis man mit allen Angehörigen der Landstreitkräfte nicht einmal das Warschauer Nationalstadion mit knapp 60.000 Plätzen füllen konnte.

Während die einsatztaugliche Truppe schrumpfte, wuchs gleichzeitig der bürokratische Wasserkopf der Armee. Im Jahr 2014 konnte man mit allen Offizieren und Soldaten der polnischen Landstreitkräfte nicht einmal das neue Nationalstadion in Warschau mit seinen knapp sechzigtausend Sitzplätzen füllen, und das in einem Land mit 38 Millionen Einwohnern.

Verteidigungsminister Antoni Macierewicz wird vorgeworfen, er hätte verdiente und kompetente oberste Armee-Kommandeure rigoros gefeuert und durch ihm ergebene, inkompetente Offiziere ersetzt, um sich die Armee gefügig zu machen.

Zwischen dem 16. November 2015 als Antoni Macierewicz das Ministerium übernahm und dem 31. Januar 2017 sind 34 Generäle und 47 Oberste aus dem Dienst ausgeschieden. Einige wegen familiären und gesundheitlichen Problemen. Einige, weil sie das Rentenalter erreicht haben. Einige, weil sie sich die Zusammenarbeit mit uns nicht vorstellen konnten, und einigen haben wir den Abschied nahegelegt.

In den letzten beiden Gruppen waren ganz gewiss auch gute Fachleute mit guten Kontakten zur Nato. Doch sie haben die Zustände, die ich geschildert habe, entweder schweigend mitgetragen oder gar mitverursacht. Das war keine gute Empfehlung für die Zusammenarbeit mit uns.

Von Inkompetenz ihrer Nachfolger kann keine Rede sein. Alle weisen die erforderlichen Qualifikationen vor, viele haben zudem Kommandeurskurse und Studiengänge in den USA und anderen Nato-Staaten belegt. Das Adjektiv „ergeben sein“ würde ich durch das Adjektiv „loyal“ ersetzen. Nur mit Kommandeuren, die generell unsere Vorstellungen teilen und unsere Vorhaben mittragen, können wir die Armee instand setzen und modernisieren.

Es heißt, bei einem konventionellen Angriff auf Polen stünden russische Einheiten innerhalb von 36 Stunden vor Warschau.

Ja, noch vor zwei Jahren war das sehr wahrscheinlich. Unsere Landstreitkräfte bestanden damals aus dreizehn Brigaden. Jede kann wirksam einen Abschnitt von maximal fünfzehn Kilometern verteidigen. Das macht insgesamt knapp zweihundert Kilometer aus, aber unsere Ostgrenze ist tausendzweihundert Kilometer lang!

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Steht die russische Armee innerhalb von zwei Tagen vor Warschau?

Hinzu kommt, dass es damals auf dem riesigen Nato-Gebiet zwischen Estland und Bulgarien, also in zehn Nato-Frontstaaten, weit und breit keine amerikanischen oder anderen westlichen Nato-Truppen gab, auβer einigen Stäben und Ausbildungszentren. Die Nato-Kampfverbände erschienen nur ab und an zu Übungen. Bis etwa 2010 hatte die Nato nicht einmal Verteidigungspläne für den östlichen Teil des Bündnisses. Unsere Nato-Mitgliedschaft war damals eine fast rein politische.

Was die Tusk-Regierung hinsichtlich der Armee betrieb, war auch deswegen ein Spiel mit dem Feuer. Russland hat seit dem Machtantritt Putins im Jahr 2000 seine Armee völlig umgekrempelt und gewaltig modernisiert. Sie ist heute in der Lage, aus dem Stand, Blitzangriffe vorzunehmen und z. B. die baltischen Staaten oder Teile von Polen im Handstreich zu erobern, bevor sich die Nato für einen Gegenschlag entschließt. Und dann käme aus Moskau die Warnung, dass jeder Versuch der Nato diese Gebiete zu befreien mit einem russischen Atomschlag beantwortet werde.

Man kann sich leicht vorstellen, wie westliche Politik und Öffentlichkeit, vor allem in Deutschland, reagieren würden: Ein Atomkrieg wegen des Baltikums oder Polens? Niemals! Lasst uns verhandeln, man muss „die legitimen Interessen Russlands berücksichtigen“ usw., usf. Wie mit der russischen Annexion der Krim, würde man sich schnell auch mit der russischen Annexion des Baltikums und/oder Polens abfinden.

Nato-Gipfel in Warschau. Briefmarke von 2016.

Zum Glück hat sich das seit den Nato-Gipfeln in Newport (2014) und vor allem in Warschau (2016) grundlegend geändert. US-Truppen sind in Ostmitteleuropa, auch in Polen, stationiert und das bedeutet: ein Angriff auf Polen ist auch ein direkter Angriff auf amerikanische Streitkräfte. Das senkt die russische Risikobereitschaft erheblich.

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Nato-Gipfel in Warschau Juli 2016.

Was kann und sollte Polen also im Falle eines russischen Angriffs tun?

Wir müssen fähig sein den Angreifer bis zu zwei Wochen lang selbst aufzuhalten, damit die Nato-Verbündeten Zeit haben uns zur Hilfe zu kommen. Und dabei kann es sich nicht um die Verteidigung eines umzingelten Warschaus handeln, sondern das Ganze muss sich deutlich weiter im Osten abspielen. Schafft es der Gegner Warschau schnell zu erobern, dann kann er eine ihm genehme Regierung einsetzen und die Friedensbedingungen diktieren. Riskiert er langwierige Kampfhandlungen, ohne den Durchbruch zu erlangen, wächst für ihn das Risiko erheblich. Deswegen ist auch die Schaffung der Territorialverteidigung, die wir jetzt vornehmen so wichtig.

Eine Armee so groß und so stark wie die russische werden wir nie haben.

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Polnische Truppen im Irak.

Natürlich nicht, brauchen wir auch nicht. Unsere Vorgänger haben jedoch lange Zeit behauptet, Polen muss eine reine Expeditionsarmee haben, die unsere Verbündeten in Auslandsmissionen unterstützt.

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Polnische Truppen in Afghanistan.

So hat man das auch in Deutschland lange Zeit in Bezug auf die Bundeswehr gesehen. Mit heute beklagenswerten Folgen für die dortige Armee.

Expeditionsarmee: also kaufte man hier ein paar Hubschrauber, da gepanzerte Patrouillenfahrzeuge usw., was man gerade im Irak, in Afghanistan, in Mali so brauchte. Doch wenn es darauf ankommt unser Land zu verteidigen, werden Fähigkeiten und Ausrüstung, die zur Guerillabekämpfung taugen, kaum von Wert sein.

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Polnische Truppen in Mali.

Wir brauchen also eine ganz andere Bewaffnung und Ausrüstung. Wir müssen vor allem eine gute Aufklärung haben. Wieder ein Beispiel: die Tusk-Verwaltung hat gute Zielflugkörper-Küstenverteidigungsbatterien in Norwegen gekauft, aber sie können nur bedingt auf größere Distanz erkennen, was sich da unseren Grenzen nähert, weil ihr Radar nicht ausreichend ist.

Satelliten, Aufklärungsflugzeuge, Drohnen – das müssen unsere Prioritäten sein. Außerdem die sehr vernachlässigte Flugabwehr und schließlich die Möglichkeit, dem Gegner einen schweren Schlag auf seinem eigenen Gebiet zuzufügen. Dazu brauchen wir Schiffe und Flugzeuge mit Marschflugkörpern. Wir wollen weder Moskau noch ein anderes Stück von Russland erobern, aber sollten wir angegriffen werden, dann soll sich der Angreifer auf seinem Territorium nicht sicher fühlen.

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Caracal-Hubschrauber. Kauf storniert.

Gerade ist die Strategische Verteidigungs-Bestandsaufnahme abgeschlossen worden. Können wir sagen: der Weg hin zu einer leistungsfähigen, wirksamen Armee ist klar vorgezeichnet, wir wissen was wir wollen?

Wir haben in dieser Bestandsaufnahme festgelegt, was dringend notwendig ist und was erst einmal warten kann. Hinzu kommt die Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Werden es 2018 mehr als zwei Prozent des Bruttosozialproduktes sein?

Im nächsten Jahr bleibt es noch bei den zwei Prozent. Im Jahr darauf, 2019, soll eine Erhöhung auf 2,2 Prozent folgen, und bis 2030 wollen wir bei 2,5 Prozent ankommen.

Wie stark soll die polnische Armee sein? Zweihunderttausend Soldaten? Mehr?

Zweihunderttausend, die Territorialverteidigung mit eingeschlossen, das ist ein vernünftiges Minimum. Der jetzige Koeffizient der Zahl von Soldaten pro eintausend Einwohner platziert uns ziemlich weit unten in der europäischen Tabelle, dort wo sich Staaten befinden, die von anderen Nato-Ländern umgeben sind. Wir dagegen sind ein Frontstaat des Bündnisses. Wir reden also hier von einer Rückkehr zur Normalität, was sie Stärke unserer Armee angeht und nicht von irgendwelchen Hirngespinsten.

Sie sprachen davon, dass eine Vielzahl an neuer Bewaffnung und Ausrüstung angeschafft werden muss. Doch ihre politische Mannschaft hat gleich zu Beginn ihrer Amtsführung den Kauf der französischen Caracal-Hubschrauber storniert.

Erstens. Unsere Vorgänger haben den Kauf unmittelbar vor den Wahlen vereinbart. Uns aber haben sie die Verhandlungen über die Gegenleistungen des französischen Partners überlassen. Die Franzosen sprachen in den Medien viel von angeblich sechstausend neuen Arbeitsplätzen, die sie in Polen schaffen wollten, in einem Gegenwert von Milliarden von Euro. Nicht unser Verteidigungsressort sondern das Wirtschaftsministerium hat mit ihnen knapp ein Jahr lang darüber verhandelt. In Wirklichkeit wollten die Franzosen im jetzigen Hubschrauber-Reparaturwerk in Łódź ihre Maschinen aus angelieferten Fertigmodulen zusammenschrauben. Dazu brauchten sie nicht mehr als fünfhundert Leute. Sie gingen wohl davon aus, Polen werde es nicht wagen die Bestellung zu stornieren.

Zweitens. Der schwere Caracal-Hubschrauber sollte, in abgewandelter Form, als Transporthubschrauber dienen, als Marinehubschrauber zur Bekämpfung von U-Booten, als Rettungshubschrauber zur Evakuierung von Verwundeten, als Transportmittel für Spezialeinheiten bei ihren Operationen usw. Das konnte nicht gut gehen.

Auch bei der französischen Armee ist der Caracal nicht gerade ein Renner: etwa zwanzig Maschinen hat sie seit 2005 gekauft. Die Bundeswehr keine einzige, obwohl er von der französisch-deutschen Unternehmensgruppe Airbus Helicopters hergestellt wird. Unsere Vorgänger wollten gleich fünfzig Stück für einen extrem hohen Preis von knapp 14 Milliarden Zloty (knapp 3,4 Mrd. Euro) kaufen.

Drittens. Wir haben in Polen zwei Hubschrauberfabriken, geführt von zwei großen internationalen Konzernen, die viel investiert haben und etwa fünftausend Mitarbeiter beschäftigen. Diese Betriebe müssten ihre Produktion drastisch drosseln oder sogar schließen.

Viertens. Unsere jetzigen Hubschrauber können wir noch bis 2035 nutzen. Das sind die sowjetischen oder bei uns nachgebauten sowjetischen Modelle Mi-8, Mi-17, Mi-2 und W-3. Die Sache ist also nicht ganz so dringend.

Fünftens. Statt einem schweren Einheitshubschrauber brauchen wir Maschinen, die am besten die Aufgaben meistern, für die sie bestimmt sind.

Fazit. Unsere Vorgänger haben eine falsche Entscheidung getroffen. Es gab mindestens fünf gewichtige Gründe diesen chaotischen Kauf nicht zu tätigen.

Bei solchen großen Modernisierungsprogrammen sind riesige Gelder im Spiel, begleitet von heftigem Lobbyismus. Bei dem Caracal-Geschäft war der Druck gewaltig. Es hieß „Polen isoliere sich in der EU“ (Deutschlandfunk), „Polens rechtskonservative Regierung unter der PiS-Partei verliert sämtliche Sympathien im Ausland.“ („Handelsblatt“) usw., usf. Ein Teil der polnischen Medien verhielt sich genauso.

Der Lobbyismus ist wahrlich heftig. Zielpersonen sind oft unsere Parlamentarier, aber noch mehr macht er sich in den Medien bemerkbar. Zuerst kommen die Berichte, die das Fehlen irgendwelcher Waffen oder Ausrüstungen anmahnen, oder dass sie veraltet sind, dann werden konkrete Produkte vorgestellt und eine Kampagne beginnt, sie anzuschaffen. Manche Medien verhalten sich wie Handelsvertreter der Rüstungskonzerne.

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„Moderne Ausrüstung der polnischen Armee“. F-16 US-Mehrzweckkampfflugzeug. Briefmarke der Polnischen Post von 2013.

Wann werden all die Anschaffungen, die sie vorhaben, sich zu einem Ganzen zusammenfügen und einen richtigen qualitativen Sprung in der polnischen Verteidigungsfähigkeit bewirken?

Das ist ein Prozess. Auf die neuen U-Boote, die wir dringend brauchen, werden wir fünf, sechs Jahre warten müssen. So lange dauert der Bau. Für die Flugabwehr benötigen wir mindestens acht Batterien von Mittelstrecken-Flugabwehrraketen zur Bekämpfung von Flugzeugen, Marschflugkörpern und taktischen ballistischen Mittelstreckenraketen. Sie zu bauen dauert auch seine Zeit.

(Das Interview wurde einige Tage vor dem Besuch von US-Präsident Donald Trump am 6. Juli 2017 geführt. Ein Tag zuvor, am 5. Juli 2017, fand in Washington ebenfalls noch die Unterzeichnung eines polnisch-amerikanischen Vorvertrages statt, Polen wird in den USA die ersten zwei Batterien von Patriot-Flugabwehr-Mittelstreckenraketen der neuesten Generation  kaufen. Diese sollen bis 2023 einsatzbereit sein – Anm. RdP).

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„Moderne Ausrüstung der polnischen Armee.“ Radkampfpanzer „Rosomak“ („Bärenmarder“) in finnischer Lizenz in Polen gebaut. Briefmarke der Polnischen Post von 2013.

Außerdem, man kann keine Verträge über Millionen oder Milliarden von Euro hastig verhandeln. Wir müssen unser aller Geld schonen, erst nach harten Verhandlungen ausgeben, sonst haben nur Lobbyisten und die Rüstungskonzerne etwas davon. Wir müssen auch gewährleisten, dass im Zuge der Großeinkäufe moderne Technologien nach Polen kommen und Arbeitsplätze entstehen. Hätten wir, wie unsere Vorgänger, acht Jahre lang regiert, dann wäre der Modernisierungsprozess bereits weit gediehen. Doch schon gegen Ende unserer ersten Amtsperiode, 2019, wird vieles gemacht sein. Dann wird man von uns Rechenschaft einfordern können.

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„Moderne Ausrüstung der polnischen Armee.“ Minenräumbefehlsboot „Konteradmiral Xawery Czernicki.“ Briefmarke der Polnischen Post von 2013.

Wieviel von den Einkäufen wird das Verteidigungsministerium in polnischen Firmen vornehmen?

Soviel wie möglich. Die staatlichen Rüstungsfirmen, zusammengefasst im Rüstungskonzern Polska Grupa Zbrojeniowa SA (Polnische Rüstungsgruppe AG – Anm. RdP) und unsere Privatfirmen verfügen über ein sehr großes Potential. Wir brauchen nicht immer das Modernste. Es reicht oftmals aus, gutes Gerät zu einem guten Preis zu kaufen.

Auf den Straßen begegnet man heutzutage kaum noch Soldaten. Gibt es so wenige von ihnen oder ziehen sie sich um, wenn sie vom Dienst in die Öffentlichkeit gehen?

Ja, die Soldaten ziehen sich um, wenn sie aus den Kasernen gehen. Mir fällt es schwer das nachzuvollziehen, denn für mich ist das Recht eine Uniform zu tragen sehr prestigeträchtig. Mir, als einem zivilen, politischen Beamten steht dieses Recht nicht zu. Polnische Soldaten genossen in der langen Geschichte unseres Landes ein hohes Ansehen. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die Armee regelrecht schlecht geredet.

Eine der wichtigsten Errungenschaften von Verteidigungsminister Macierewicz ist die, dass es ihm gelang die Moral der Truppe deutlich zu verbessern.

Zu dem Thema empfehlen wir auch folgende Beiträge:

Pausenlose Feindberührung. Die Cyberverteidigung der polnischen Armee

Blanke Ostflanke

Des Hauses Schwelle eine Festungswehr

»Leo« Polski 

RdP




Polens Justizreform. Der tiefe Fall der Richter

Veränderungen tun Not.

Warum gehen die Polen gegen die Justizreform nicht zu Hundertausenden auf die Straβe? Weil sie den Zustand ihrer Justiz tagtäglich schmerzhaft erfahren. Justizminister Zbigniew Ziobro hat in seiner Rede vor dem Sejm am 18. Juli 2017 den meisten von ihnen aus der Seele gesprochen.

Wir dokumentieren diesen Auftritt hier in Bild und Ton in der polnischen Originalfassung und nachfolgend in einer deutschen Übersetzung. Titel und Zwischentitel von der RdP-Redaktion.

Justizminister Zbigniew Ziobro.

Herr Sejmpräsident, Hohes Haus, verehrte Herrschaften,

(…) ich möchte die Gelegenheit ergreifen und Stellung nehmen zu einigen Sachverhalten, die während dieser Debatte zur Sprache gekommen sind. Vor allem zu den heutigen Äuβerungen der Ersten Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Frau Prof. Małgorzata Gersdorf.

Prof. Małgorzata Gersdorf

Frau Prof. Gersdorf hat hier gleich zu Beginn die These aufgestellt, dass eigentlich (…) die Situation im polnischen Justizwesen idyllisch war, alles lief bestens, dann aber kam die böse Regierung von Recht und Gerechtigkeit und plötzlich ist das Ansehen der Gerichte in der Öffentlichkeit geradezu abgestürzt.

Frau Prof. Gersdorf, ich möchte (…) unterstreichen, dass dieselben Medien, die die verschiedensten Pathologien im Justizwesen beschreiben, auch die Vertreter der Regierung kritisieren, ebenso mein Wirken als Justizminister. Es würde mir jedoch niemals in den Sinn kommen deswegen über die Medien herzufallen. (…)

Richter klauen…

Verehre Herrschaften,

nicht Abgeordnete haben Bohrmaschinen, USB-Sticks, Wurstwaren, Hosen gestohlen, Preise für Reiseführer ausgetauscht, wie neulich in Szczecin, oder fünfzig Zloty auf einer Tankstelle mitgehen lassen usw.

Karyatiden am Sitz des Obersten Gerichts in Warschau.

(Es wird immer wieder gemeldet, dass Richter Diebstähle begehen und auf frischer Tat ertappt werden.

Richter Paweł. M. stahl im Juni 2016 in Szczecin/Stettin Teile einer Bohrmaschine im Wert von knapp einhundert Zloty.
Im Juni 2017 wurde die Richterin Wiesława B.-M. in Szczecin ertappt als sie die Preisschilder auf touristischen Reiseführern vertauschte.

Richter Robert W. und seine Frau stahlen in Wrocław/Breslau und Wałbrzych/Waldenburg im Juni 2016 USB-Sticks und andere elektronische Kleinteile im Wert von tausendsiebenhundert Zloty.

Im September 2016 versuchte die Richterin Katarzyna K.-H. in Łódź eine Hose im Wert von einhundertdreißig Zloty zu entwenden.

Im November 2010 stahl der Richter Zbigniew J. Wurst im Wert von fünf Zloty in Tarnobrzeg.

Richter Mirosław T. aus Żyrardów eignete sich im März 2017 auf einer Tankstelle einen Fünfzig-Zloty-Schein an, den eine Kundin auf dem Tresen als Bezahlung für getanktes Benzin gelegt hatte. Der Vorgang wurde durch eine Überwachungskamera dokumentiert – Anm. RdP).

…der Schein der heilen Welt lebt weiter

Ziobro: Die Frau Erste Vorsitzende des Obersten Gerichts ist leider nicht imstande daraus den Schluss zu ziehen, dass es ein Problem gibt, eine Krise in Bezug auf moralische Standards und Prinzipien bei einem Teil der Richterschaft. Frau Prof. Gersdorf neigt dazu das Problem bei den Medien zu sehen und eventuell bei den Politikern, die versuchen aus diesen Affären ihre Schlüsse zu ziehen.

Das idyllische Bild existiert nur im Wunschdenken der Ersten Vorsitzenden des Obersten Gerichts. So etwas gibt es nicht in der realen Welt der Menschen, die fast jeden Tag mit den Pathologien im Justizwesen konfrontiert werden. Ganz zu schweigen von ihren persönlichen Erfahrungen, der Geringschätzung und der Arroganz, die sie tagtäglich in den Gerichten erleben. (…).

Ich darf Ihnen, Frau Prof. Gersdorf auch sagen, dass ich neulich mit einem amerikanischen Journalisten gesprochen habe. Er fragte mich nach der Reform des Justizwesens.

Ich habe mir erlaubt, kurz mit ihm die Rollen zu tauschen. Ich habe ihn gefragt, angenommen in den USA gäbe es eine Affäre mit etwa zweihunderttausend Geschädigten. Das entspräche (proportional zur Bevölkerungszahl – Anm. RdP), der Anzahl der Geschädigten bei uns, die es aufgrund des Amber-Gold-Skandals gab. Angenommen der Sohn des Präsidenten wäre in sie verwickelt (in Polen ist es der Sohn des damaligen Regierungschefs Donald Tusk – Anm. RdP). Angenommen ein Richter, der sich mit diesem Skandal beschäftigt, wäre dem Assistenten des Bürochefs des amerikanischen Präsidenten zu Diensten. (Der Fall des Richters aus Gdańsk Ryszard Milewski, siehe den Beitrag hier – Anm. RdP).

(…) Die Antworten auf diese Fragen sind offensichtlich. Und wissen Sie, wer darüber entschieden hat, dass der Richter Ryszard Milewski weiterhin Recht sprechen, seinen Beruf ausüben darf? (…) Das Oberste Gericht.

Das allein müsste ein ausreichendes Argument für die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen in den Disziplinarverfahren sein. Ein Argument dafür, dass dieses Oberste Gericht völlig versagt hat.

Solche Richter wollen wir nicht

Das ist nicht das einzige Beispiel. Man kann an dieser Stelle auch einen etwas weniger bekannten Fall anbringen, obwohl er einen der Richter des Obersten Gerichts direkt betrifft, den Vorsitzenden einer der Zivilspruchkammern dieses Gerichts.

Während einer Antikorruptionsfahndung wurde ein Richter an einem Verwaltungsgericht abgehört. Er bot einem Unternehmer an, gegen Zahlung eines Bestechungsgeldes, ihm zu helfen die Aufhebung eines Gerichtsurteils vor dem Obersten Gericht zu erwirken. Der Kollege des Verwaltungsrichters, jener besagte Zivilrichter am Obersten Gericht, versprach zu helfen. Er erklärte sich sogar bereit die entsprechende Kassationsklage neu zu verfassen, da sie schlecht formuliert sei. Es ging immerhin um zwanzig Millionen Zloty (ca. fünf Millionen Euro – Anm. RdP).

Was hat Frau. Prof. Gersdorf in dieser Angelegenheit unternommen? Nichts. Der Mann leitet weiterhin seine Zivilspruchkammer.

Solche Richter wollen wir nicht. Sind das etwa Richter, die den ethischen Standards entsprechen? (…)

Ich gestehe meine Schuld ein, zusammen mit dem stellvertretenden

Berufungsgericht in Kraków.

Justizminister Patryk Jaki, die gigantische Korruptionsaffäre am Berufungsgericht in Kraków aufgedeckt zu haben. Sie erstreckte sich über Jahre. Millionen von Zloty des polnischen Steuerzahlers wurden gestohlen, unter Beteiligung eines der ranghöchsten Richter im polnischen Justizwesen, des Präsidenten eines Berufungsgerichts! Er befindet sich heute in Untersuchungshaft.

(Zwischen Januar 2013 und November 2016 soll der Präsident des Berufungsgerichts in Kraków, Krzysztof S., gegen „Beteiligung an den Honoraren“ fiktive Gutachten in Auftrag gegeben und damit knapp vierhunderttausend Zloty (ca. einhunderttausend Euro) für sich „verdient“ haben. Insgesamt befinden sich inzwischen neun Personen, darunter die Buchhalterin des Gerichts, und einige „Gutachter“ in Untersuchungshaft. Der Gesamtschaden beläuft sich auf umgerechnet eine Million Euro – Anm. RdP).

Ziobro: Ja, das ist unsere Schuld. Wir nehmen Teil an der Verfolgung von korrupten Richtern, die sich am organisierten Verbrechen beteiligen. Vielleicht betrachtet das die Frau Erste Vorsitzende des Obersten Gerichts als meine Schuld. Ich schäme mich dieser Schuld nicht, ich bekenne mich zu ihr, genau auf diese Weise will ich, als Justizminister und Generalstaatsanwalt, schuldig sein.

Wo war das Oberste Gericht?

Zu all diesen skandalösen Vorfällen habe ich keine Stellungnahme des Obersten Gerichts vernommen. Dafür gab es etliche Beschlüsse und Erklärungen zu politischen Angelegenheiten dieses angeblich apolitischen Obersten Gerichts und seiner angeblich apolitischen Ersten Vorsitzenden, Frau Prof. Gersdorf, die sich vermeintlich in keine politischen Konflikte einmischt.

Mir ist keine Äuβerung der Besorgnis aufgrund der niedrigen ethischen Standards im Fall der Affäre in Kraków zu Ohren gekommen. Ich habe keine Stellungnahme des Obersten Gerichts vernommen zu Richtern, die in Warschau Treuhänder für reprivatisierte Grundstücke eingesetzt haben, deren „Eigentümer“ angeblich irgendwo weit weg im Ausland wohnten und entsprechend den offensichtlich gefälschten Unterlagen bereits einhundertzwanzig oder gar einhundertvierzig Jahre alt waren. Die zuständigen Richter hat es nicht gestört.

Dank all dem konnten Betrüger reihenweise Einwohner aus ihren Wohnungen vertreiben. Jahrelang wurden alle Untersuchungsverfahren in dieser Angelegenheit abgewehrt, Ganoven konnten straflos ihr Unwesen treiben. All das geschah unter der Beteiligung von Richtern. Erst wir haben dieser Mafia das Handwerk gelegt. Wo war damals das Oberste Gericht?

Wollen sie weiterhin behaupten, dass eine Disziplinarkammer am Obersten Gericht nicht notwendig ist?

(Aus Richtern bestehend, soll die Disziplinarkammer Immunitäten von Richtern aufheben, die straffällig geworden sind, damit sie vor Gericht gestellt werden können. Nach einem rechtskräftigen Urteil soll die Kammer Disziplinarstrafen verhängen, z.B. die Entfernung aus dem Richteramt. Bei Ordnungswidrigkeiten oder kleineren Amtsvergehen könnte sie selbständig Disziplinarstrafen verhängen wie z. B. einen Verweis erteilen, ohne dass diese Fälle vor ein Strafgericht kommen – Anm. RdP).

Die Wahrheit ist traurig. Sehr schade, dass wir heute, wieder einmal, in diesem Plenarsaal Zeugen davon waren, dass solche Vorgänge keine Nachdenklichkeit hervorrufen.

Ich bin bereit über Einzelheiten der Gesetzesvorlage zu diskutieren. Ich bekräftige: wir sind bereit aus diesem Gesetzentwurf die bisher vorgesehene, ausnahmsweise Teilnahme des Justizministers am Vorgang der Umbildung des Obersten Gerichts zu streichen. Warum bringen sie nicht ihre Änderungsanträge ein? Einen Teil von ihnen würden wir vielleicht akzeptieren. Im parlamentarischen Ausschuss können wir daran arbeiten.

Man kann nicht von Gerechtigkeit sprechen, wenn es an Ehrlichkeit mangelt. Wir haben den Polen versprochen zwei Probleme im Justizwesen zu lösen. Erstens die ethischen Standards anzuheben, damit Gerichte den Respekt der Bürger genieβen. Damit die Menschen, wenn sie vor Gericht gehen, wissen, dass sie gerecht behandelt werden und nicht vor einem Gericht stehen, das Urteile auf telefonische Bestellung fällt.

Wir wollen das ändern, und die Disziplinarkammer, die solch groβe Befürchtungen weckt, soll die schwarzen Schafe aus dem Justizwesen entfernen. Bis jetzt werden sie oft genug nicht entfernt und belasten das Erscheinungsbild des gesamten Justizwesens, auch der anständigen Richter, an denen es nicht fehlt. (…)

Ausgebuht und rausgegangen

Ebenfalls kam hier der Vorwurf auf, dass wir uns dem Dialog verweigern, nicht diskutieren wollen. Ich habe noch vor Augen, woran auch Sie sich bestimmt erinnern können, wie, auf meine Bitte hin, mein Stellvertreter im Justizministerium, Herr Marcin Warchał zum Kongress der Polnischen Juristen (am 20.05.2017 – Anm. RdP) nach Katowice fuhr um ein Referat zu halten.

Im Anschluss wollte er in den Arbeitsgruppen mitdiskutieren. In seinen Ausführungen hatte er eine Korrektur unserer Pläne vorgestellt, die den Forderungen der Richterschaft entgegen kam.

Katowice am 20. Mai 2017. Der stellv. Justizminister Marcin Warchał spricht, die Juristen verlassen den Saal.

In seinem Vortrag sprach er über eindeutige Tatsachen. Er hat niemanden beleidigt. Er sagte, dass die Richterschaft die Zeit des Kommunismus in den eigenen Reihen nicht aufgearbeitet hat. Natürlich, man muss dem nicht zustimmen, wenn man meint, dass es richtig gewesen sei, sich diesem Problem nicht zu stellen. Tatsache jedoch ist: es ist nichts geschehen.

Wie reagierte der Saal? Mit Buhrufen, die Mehrheit der Teilnehmer verlieβ kurz darauf den Saal und die Frau Erste Vorsitzende des Obersten Gerichts hat sich davon nicht distanziert. Sie war ja zugegen. (…) Ist das eine Willensbekundung zur Führung eines Dialoges? Alle haben das gesehen.

So sieht die Dialogbereitschaft aus, wenn die Wahrheit gesagt wird. Egal ob es um den Verfall der Richterethik geht, um konkrete Kriminalfälle, von denen ich viele weitere nennen könnte, weil sie mir als Justizminister und Generalstaatsanwalt bekannt sind. Oder ob es um das Zelebrieren der eigenen Macht geht, was wir einschränken wollen im Interesse derer, die vor die Gerichte gelangen.

Die Kaste applaudiert

Frau Prof. Gersdorf, der Bürgerrechtsbeauftragte Herr Dr. Artur Bodnar (der an dieser Sejm-Debatte teilgenommen und die Reformpläne der Regierung scharf kritisiert hat – Anm. RdP) und der Vorsitzende des Landesjustizrates, Richter Waldemar Żurek (fonetisch Schurek – Anm. RdP) haben auch an einer früheren Veranstaltung wie der in Katowice teilgenommen (Es handelt sich hierbei um den Auβerordentlichen Kongress der Polnischen Richter in Warschau am 03.09.2016 – Anm. RdP).

Ziobro: Dort hat eine sehr prominente Vertreterin der Richterschaft (Richterin am Obersten Verwaltungsgericht Irena Kamińska – Anm. RdP) gesagt, die Richter seien „eine ganz und gar auβergewöhnliche Kaste von Menschen“.

Richterin Irena Kamińska.

Und man kann in den Filmberichten sehen, dass sich im Saal keinerlei Ablehnung nach diesen Worten breitgemacht hat. Niemand hatte die Schamesröte im Gesicht. Niemand hat sich distanziert. Dort gab es Ovationen und Beifall. Wieviel Hochmut muss man in sich haben, um dermaβen von der Realität abzuheben. Deswegen sind Veränderungen, ist der Sauerstoff der Demokratie vonnöten.

Deswegen schlagen wir das vor, deswegen setzten wir unser Wahlprogramm um. Wir machen genau das, was sie in unserem Wahlprogramm finden können. Und wir werden dieses Werk unbeirrt fortsetzen.

Kommunismus? War da was?

Was die Nichtaufarbeitung des Kommunismus angeht, an dieser Stelle muss man eingestehen, dass immerhin ein, wörtlich: ein, Richter, der Willkürurteile gegen Oppositionelle gefällt hat, aus dem Amt entfernt wurde. Eigentlich war die Entfernung von fünfhundert bis sechshundert Richtern geplant und notwendig.

In der ehemaligen DDR waren bereits drei Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung nur zwanzig Prozent der DDR-Richter in ihrem Amt verblieben. Das zeigt die Unterschiede in der Aufarbeitung.

Sehr auffällig in der Debatte, die bei uns geführt wird, ist die ständige Verneinung der Nichtaufarbeitung des Kommunismus durch die Richterschaft. Die gut gemeinten Worte von Ende 1989 des damaligen, gerade neuernannten Ersten Vorsitzenden des Obersten Gerichts (und Oppositionellen im Kommunismus – Anm. RdP), Prof. Adam Strzembosz (fonetisch Stschembosch – Anm. RdP), die kommunistische Richterschaft „werde sich selbst säubern“ klingen inzwischen wie Hohn.

Heute findet auch in dieser Frage eine „Verteidigung der belagerten Festung“ statt, indem man uns einzureden versucht, wie das z.B. die Vertreter des Landesjustizrates tun, dass es nicht stimmt, dass die Richter keine reine Weste haben. Wie kann man so etwas erzählen, entgegen den Tatsachen!? Da gehört schon viel Dreistigkeit dazu.

Kommunistische Straftäter freigesprochen

Zurück zum Obersten Gericht und seiner Rechtsprechung. Aufgrund seiner Beschlüsse konnten Leute nicht strafrechtlich belangt werden, die in der kommunistischen Zeit Straftaten begangen haben. So z. B. hat das Oberste Gericht in seinem Beschluss vom 25. Mai 2010 festgestellt, dass die Verursacher einiger kommunistischer Verbrechen, wie z.B. das Verprügeln oder Misshandeln von Personen (was vor allem in der stalinistischen Zeit bei Untersuchungen Gang und Gäbe war – Anm. RdP), die einer Strafandrohung von unter fünf Jahren Freiheitsentzug unterliegen, wegen Verjährung nicht strafrechtlich belangt werden können. (…)

In einem anderen Fall nahm dasselbe Oberste Gericht, geleitet von einer falsch verstandenen Berufssolidarität und dem Willen das postkommunistischen Umfeld zu schützen, Richter in Schutz, die während der Verhängung des Kriegsrechts (am 13.12.1981 gegen Solidarność – Anm. RdP) Willkürurteile fällten.

13. Dezember 1981. Am Tag der Verhängung des Kriegsrechts stürmt die kasernierte Miliz die Warschauer Solidarność-Zentrale.

Am 20. Dezember 2007 erließ das Oberste Gericht einen Deutungsbeschluss, in dem es hieβ, Richter, die das Dekret über die Einführung des Kriegsrechts rückwirkend angewendet und hohe Freiheitsstrafen gegen Solidarność-Aktivisten verhängt haben, taten dies rechtmäβig.

Kriegsrecht. Oppositionelle vor einem Militärgericht. Heimliche Aufnahme.

(Das Dekret über die Einführung des Kriegsrechts wurde in der Nacht zum 13. Dezember 1981 verkündet. Es sah hohe Freiheitsstrafen für jedwede oppositionelle Betätigung (Streiks, Demonstrationen, Flugblattaktionen usw.) vor. Die Rechtsgrundlage war ein Beschluss des Staatsrates, gefasst in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981.

Der Staatsrat (als Kollektives Staatoberhaupt im kommunistischen Polen) durfte Dekrete mit Gesetzeskraft verabschieden, allerdings nur in der Zeit zwischen den Plenarsitzungen, des den Kommunisten völlig willfährigen Parlaments. Das sah die damals geltende kommunistische Verfassung vor. Gerade um den 13. Dezember 1981 herum war jedoch eine mehrtägige Plenarsitzung im Gange. Aufgrund der Verhängung des Kriegsrechts setzte das Parlament seine Beratungen dann aber erst am 6. Januar 1982 fort und bestätigte das Kriegsrechtsdekret.

Zwischen dem 13. Dezember 1981 und dem 6. Januar 1982 also war das Dekret, rechtlich gesehen, ungültig, was damals natürlich niemanden gekümmert hat. Dennoch hätten diejenigen Richter, die in dieser Zeit aufgrund des Kriegsrechtsdekrets ihre harten Urteile gegen Oppositionelle fällten, dies wissen müssen und meistens wussten sie es auch. Das Oberste Gericht befreite sie kollektiv von dieser Schuld. – Anm. RdP).

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen

Ziobro: (…) Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Ehrlichkeit und ohne Ethik. Deswegen ist es so wichtig, diese Ethik auf ein hohes Niveau zu hieven. Dem dient die geplante Disziplinarkammer am Obersten Gericht, die solche Widerstände weckt.

Ich kann ihnen viele sehr umstrittene Urteile des Obersten Gerichts in Erinnerung rufen. So legte das Gericht eine groβe Prinzipientreue an den Tag als eine zuckerkranke Frau im Supermarkt einen Schokoriegel zum Preis von 73 Grosze (entspricht der Einheit Cents beim Euro – Anm. RdP) aβ, ohne ihn zu bezahlen. Das Gericht bestätigte die verhängte Haftstrafe. Gleichzeitig erwies sich das Gericht aber als sehr milde gegenüber den Verursachern groβer Finanzskandale.

Beata Sawicka auf der Anklagebank.

Ein Beispiel ist der Fall Beata Sawicka. (Abgeordnete der Bürgerplattform in den Jahren 2005 bis 2007. Sie wurde gemeinsam mit dem Bürgermeister der Gemeinde Hel/Hela im Oktober 2007 bei der Entgegennahme der zweiten Tranche eines hohen Bestechungsgeldes festgenommen. Die Aktion war eine Provokation der Antikorruptionsbehörde. Sawicka wurde in erster Instanz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. In zweiter Instanz wurde sie freigesprochen, weil das Beweismaterial illegal, durch eine Polizeiprovokation, zustande gekommen ist. – Anm. RdP).

Ziobro: Das Oberste Gericht stellte in einem Deutungsbeschluss fest, dass „die Regel der Früchte des vergifteten Baums“ gelte (ein Verbot der Verwertung illegal gewonnener Beweise – Anm. RdP), obwohl diese Regel in den meisten europäischen Ländern nicht gilt.

Ein anderes Beispiel vom Januar 2017. Das Oberste Gericht sprach die Schuldigen der groβen Korruptionsaffären im Autobahn- uns Straβenbau aus dem Jahr 2011 frei. Die Antikorruptionsbehörde hatte damals ganze Arbeit geleistet und die Telefongespräche der Täter aufgezeichnet. Sie haben Millionen verdient an getürkten Ausschreibungen. Es handelte sich um gigantische Beträge. Die Beweise seien überzeugend, nicht anfechtbar, doch sie wurden wieder einmal wider „die Regel des vergifteten Baums“ gewonnen. Eine Regel, die in Polen nirgendwo verbrieft ist.

Wir können das nicht hinnehmen. Hier Härte gegen die Frau mit dem Schokoriegel, dort Milde für Täter, die gigantische Finanzaffären auf dem Kerbholz haben. (…) Mehr noch, das Oberste Gericht hat seine Rechtsprechung so konstruiert, dass bei den gigantischen, bandenmäβigen Mehrwertsteuerbetrügereien die Täter meistens freikamen. Es hieβ, sie unterlägen nur dem Steuerstrafrecht, das lange Zeit eine kurze Verjährungsfrist vorsah. Das war der Freibrief für die Straffreiheit.

Diese Probleme muss man sehen. Wir wollen diese Zustände ändern. Über Details können wir reden.

Das Prinzip der Gewaltenteilung wird nicht verletzt

Immer wieder war hier die Rede von der Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung (in Polen spricht man von der Dreiteilung der Gewalten – Anm. RdP). Der Urheber dieses Prinzips war Montesquieu. Welche Verfassung wurde geradezu vorbildlich auf diesem Prinzip aufgebaut? Die der Vereinigten Staaten.

Wie regelt diese Verfassung die Berufung der Richter des Obersten Gerichts der USA? Berufen sich die Richter selbst, durch die Zuwahl, wie in Polen? Nein. In den USA, mit ihrer vorbildlichen Verfassung, werden die Richter des Obersten Gerichts vom Präsidenten berufen. Warum? Weil er eine starke demokratische Legitimation hat.

Montesquieu würde sich im Grabe umdrehen, würde er hören, dass man aus seinen Schriften ableitet, er sei dafür, dass sich die Richter selbst berufen, selbst beurteilen, selbst kontrollieren, selbst suspendieren usw. (…)

Das Prinzip des Gleichgewichts zwischen der dritten Gewalt, dem Justizwesen, der Legislative und der Exekutive findet ihren Ausdruck in den Verfassungen vieler europäischer Staaten. So werden in Deutschland, dem gröβten europäischen demokratischen Staat, die Richter der obersten Gerichte ausschlieβlich vom Bundesjustizminister, gemeinsam mit den Landesjustizministern und den Vertretern des Bundestages berufen. Richter haben in diesem Entscheidungsprozess im Grunde nichts zu sagen. (…)

Deswegen bitte ich darum, uns nicht einzureden zu wollen wir würden irgendwelche europäischen Konventionen verletzen. Schauen Sie sich an, wie es in den Niederlanden gemacht wird und in vielen anderen europäischen Staaten. (…).

Die Verfassung wird nicht gebrochen

Sie sagen, wir würden die polnische Verfassung verletzen. Bitte sehr. Der Artikel 180 Absatz 5 sagt ganz klar: „Werden der Aufbau der Gerichte oder die Gerichtsbezirke verändert, kann ein Richter unter Beibehaltung der vollen Bezüge an ein anderes Gericht oder in den Ruhestand versetzt werden“.

Meine Herrschaften, der Justizminister darf das also im Fall der Veränderung des Aufbaus des Obersten Gerichts tun. Aber wir wollen das nicht tun. Wir ziehen diesen Vorschlag zurück. Wir wollen dass der Landesjustizrat das regelt.

Ich habe in diesem Plenarsaal vor Kurzem (siehe den Beitrag „Polnische Justizreform. Mythen und Fakten“ – Anm. RdP) ihre (gemeint ist die Opposition – Anm. RdP) groβen Autoritäten zitiert, die beiden ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidenten: Prof. Andrzej Rzeplinski und Jerzy Stępień.

Rzepliński schrieb seiner Zeit ganz klar: „Der Landesjustizrat in seiner jetzigen Form ist nur eine staatliche Gewerkschaft der Richter, die dem polnischen Justizwesen schadet“.

Sie (gemeint ist die Donald-Tusk-Partei Bürgerplattform und ihr Koalitionspartner, die Bauernpartei – Anm. RdP) haben so lange regiert, acht Jahre lang. Sie hatten so viel Zeit zum Handeln. Sie haben doch wahrgenommen, dass die polnische Gesellschaft sich vom Justizwesen abwendet. Sie konnten das ändern. Sie haben es nicht getan. Dann stören sie uns wenigstens nicht dabei, wenn wir das Notwendige tun.

Wir wollen diese Änderungen durchführen. Wir wollen den Polen die Gerichte zurückgeben. Wir wollen die ethischen Standards im polnischen Justizwesen anheben. (…)

Ein leistungsfähiges, professionelles und gerechtes Justizwesen liegt in unser aller Interesse. Ein Justizwesen frei von politischem Druck, aber auch frei von berufsbedingtem Egoismus. Im Augenblick ist die Schieflage hinsichtlich dieses Egoismus, der korporativen Interessen, eines Interessensumpfes geradezu gewaltig. Das wollen wir ändern.

Ein Missetäter auf dem Weg ins Oberste Gericht

Zum Schluss noch eines. Wenn die Erste Vorsitzende des Obersten Gerichts, Frau Prof. Gersdorf, wenn der Bürgerbeauftragte des Parlaments, Herr Dr. Bodnar, wenn der Vorsitzende des Landesjustizrates so viel Gutes über den jetzigen Zustand des Justizwesens sagen, möchte ich mich darauf berufen, was ihr Justizminister (November 2007 bis Januar 2009 – Anm. RdP) Zbigniew Ćwiąkalski (fonetisch Tswionkalski – Anm. RdP) gemacht hat. (…).

Nicht einmal er konnte es ertragen, dass der Richter und Oberst Piotr Raczkowski den Posten des Präsidenten des Warschauer Militärgerichtes bekleidete. Ein Mann vieler Skandale.

Richter Piotr Raczkowski (r.) mit seinem Chef, dem Vorsitzenden des Landesjustizrates Richter Waldemar Żurek.

(Das Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“) schrieb im April 2017, Raczkowski habe Dienstautos zu privaten Zwecken genutzt, habe einen Richterkollegen verprügelt, habe Untergebene permanent beleidigt und erniedrigt. Als stellvertretender Vorsitzender des Landesjustizrates habe Raczkowski an der Abstimmung teilgenommen, dank der seine Frau den Richterposten am Amtsgericht des Stadtteils Warschau-Mokotów bekam, für den es 93 Kandidaten gab. – Anm. RdP).

Ziobro: Justizminister Ćwiąkalski stellte den Antrag ihm die Immunität zu entziehen, damit er sich vor einem Gericht wegen der Erschleichung von etwa fünfzigtausend Zloty (ca. zwölftausend Euro) zu verantworten habe. Das Oberste Gericht lehnte den Antrag ab.

Heute ist Richter Raczkowski nicht nur stellvertretender Vorsitzendender des Landesjustizrates, sondern auch Kandidat für ein Richteramt am Obersten Gericht. Frau Prof. Gersdorf haben alle diese Informationen nicht gestört. Sie hat viel unternommen, auch versucht mich dafür zu gewinnen, um Richter Raczkowski an ihr Gericht zu bekommen.

Meine Damen und Herren, die Zeit der Worte ist zu Ende. Es müssen Taten folgen. Wir werden das polnische Justizwesen verändern. Vielen Dank.

RdP 




EU: der Feind und Helfer. Zum Hören

 

Kommentator Prof. Marek Cichocki und Janusz Tycner diskutieren über das angespannte Verhältnis zwischen der EU und Polen. ♦ Wie sollen die Polen darauf reagieren, dass sie EU-Geld bekommen und deshalb gefälligst zu gehorchen haben oder aus der EU austreten sollen? ♦ Haben Wahlen und Parlamentsmehrheiten noch einen Sinn, wenn EU-Kommissare sowieso alles besser wissen und bestimmen wollen (Emigrantenansiedlung, Renteneintrittsalter, Umgang mit dem Borkenkäfer, Justizaufbau, Kohleverfeuerung usw.)? ♦ „Kapitulation“, „Krieg“, „Sanktionen“, „Atomschlag nach Art. 7“, die Wortwahl mancher EU-Institutionen und Medien sagt viel aus über dehren emotionalen Zustand. ♦ Deutschlands Rolle im Vorgehen der EU gegen Polen. ♦ Wie geht es weiter?




Polens Justizreform. Mythen und Fakten.

Der Justizminister hat das Wort.

Am 12. Juli 2017 fand im polnischen Parlament eine hitzige Debatte über die bevorstehende Justizreform statt. Wie die gesamte Politik der jetzigen polnischen Regierung, hat auch dieses Vorhaben im deutschsprachigen Raum, aufgrund der Berichterstattung der Medien, einen denkbar schlechten Ruf. Die Argumente der Ideengeber und Befürworter der Umgestaltung kommen dabei kaum, wenn überhaupt zur Geltung.

RdP möchte diese Lücke schließen. Wir dokumentieren hier in Bild, Ton (auf Polnisch) und Schrift (in deutscher Übersetzung) die Rede von Justizminister Zbigniew Ziobro, der seine Argumente, vor allem für die Reform des Landesjustizrates, des zentralen Gremiums der polnischen Richterschaft und ihrer Autonomie, darlegt.

Vorab sei kurz erwähnt, dass die Neuordnung des Justizwesens drei Gesetzte umfasst: das Gerichtsverfassungsgesetz, das Gesetz über  den Landesjustizrat und das Gesetz über das Oberste Gericht. Über die beiden letzten wird noch diskutiert.  Das reformierte Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sieht u. a. vor, dass:

● die polnischen Richter in Zukunft, wie bereits schon jetzt die höheren Staatsbeamten, alle Staatsanwälte und Abgeordnete, jedes Jahr eine im Internet allgemein zugängliche Vermögenserklärung abgeben müssen;

● die Fälle den Richtern nicht mehr von den Gerichtspräsidenten, sondern durch ein computergesteuertes Auslosungssystem zugeteilt werden;

● die Verwaltungsdirektoren der Gerichte vom Justizminister ernannt werden, und die Gerichtspräsidenten sich von nun an allein auf die Rechtsprechung konzentrieren sollen;

● der Richter muss alle seine Verfahren zum Urteil bringen, auch wenn er befördert oder versetzt wird. Dadurch soll die zeitaufwändige und kostspielige Neuafunahme von Verfahren vermieden werden;

● jetzt allgemein vorgeschriebene regelmäβige Aufsichtskontrollen (Visitationen) bei den Gerichten sollen zukünftig entfallen und Richter-Visitatoren, die diese durchführten zur Rechtsprechung in die Gerichtssäle zurückkehren.

Justizminister Zbigniew Ziobro im Sejm.

Nachfolgend die Sejmrede von Justizminister Zbigniew Ziobro zu den Veränderungen im Landesjustizrat:

Herr Sejmpräsident, Frau Ministerpräsidentin, verehrte Damen und Herren,

angesichts der Ausführungen des Berichterstatters (die Einzelheiten des Gesetzentwurfs wurden zuvor durch einen an der Ausarbeitung beteiligten Abgeordneten der Regierungspartei vorgetragen – Anm. RdP), die er inzwischen teilweise mehrere Male wiederholt hat, beschränkt sich meine Rolle darauf seinen Antworten auf Fragen, die in dieser Debatte gestellt wurden einige Ergänzungen hinzuzufügen.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass das polnische System für die Berufung von Richtern äuβerst undemokratisch ist. Und da stellt sich die Frage, ob dieses System vereinbar ist, nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit den Prinzipien der polnischen Verfassung, auf die ihr (die Opposition – Anm. RdP) euch so gerne und so oft beruft. Ob es vereinbar ist mit den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates, wenn der Mechanismus (der Richterberufung – Anm. RdP) nicht demokratisch ist. Er fuβt nämlich auf dem Grundsatz der Kooptation.

(Kooptation – Zuwahl, Aufnahme oder Wahl von neuen Mitgliedern durch die Mitglieder einer Gemeinschaft, eines Gremiums. „Für die Wahl von Regierungen, Parlamenten oder anderen Vertretungsorganen ist das Verfahren der Kooptation nicht mit einem demokratischen und rechtsstaatlichen Verständnis vereinbar. Hier hat die Zuwahl einen gänzlich undemokratischen, oligarchischen Charakter“. Siehe dazu Karl Loewenstein: Kooptation und Zuwahl. Über die autonome Bildung privilegierter Gruppen. Frankfurt a. M. 1973 – Anm. RdP).

Ziobro: Diese undemokratische Zuwahl stammt noch aus dem Jahr 1989 (Ende des Kommunismus in Polen – Anm. RdP). Aus dem Kompromiss (der Solidarność – Anm. RdP) mit den Kommunisten (gemeint sind die Vereinbarungen, getroffen bei den Gesprächen am Runden Tisch vom 06.02. bis 05.04.1989 – Anm. RdP).

Ziobro: Damals (am 29.12.1989 – Anm. RdP) wurde der Landesjustizrat (LJR) berufen und seither beruft er, nach dem Zuwahl-Prinzip, bis heute neue Richter. Wer ist das (der LJR – Anm. RdP) konkret? Das sind immer noch Menschen, die durch den kommunistischen Staatsrat zu Richtern gemacht worden sind.

(Seit 1952 hatte das kommunistische Polen keinen Staatspräsidenten sondern einen fünfzehn bis knapp dreißigköpfigen Staatsrat – die Zahl schwankte bis 1989 – der kollektiv die Aufgaben des Staatsoberhauptes wahrnahm. U. a. ernannte der Staatsrat Richter, die alle zuvor gründlich hinsichtlich ihrer Loyalität zur kommunistischen Partei und dem Staat durchleuchtet worden waren.

Nach 1989 fand in Polen keine Überprüfung der bis dahin ernannten Richter statt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen verblieben alle, darunter viele ehemalige aktive Mitglieder der kommunistischen Partei, auf ihren Posten. Viele sind inzwischen aus Altersgründen ausgeschieden, viele sind aber auch aufgestiegen und haben noch heute leitende Positionen im Justizwesen inne. Durch den Landesjustizrat und andere hohe Ämter formen und bestimmen sie den Richternachwuchs. – Anm. RdP).

Ziobro: Auf diese Weise kamen sie damals in den LJR und hatten danach, aufgrund des Prinzips der Zuwahl, die Möglichkeit neue Kolleginnen und Kollegen (sowohl in den LJR, wie auch in den Richterberuf – Anm. RdP) zu berufen.

(Der Landesjustizrat besteht aus 25 Mitgliedern.

1. Dies sind von Amtswegen: die Präsidenten des Obersten Gerichtes und des Obersten Verwaltungsgerichtes sowie der Justizminister. Alle bleiben im LJR so lange sie ihre Ämter innehaben.

2. Ein Vertreter, ernannt und abberufen durch den Staatspräsidenten.

3. Vier Abgeordnete, gewählt vom Sejm (untere Kammer des Parlaments), zwei Senatoren, gewählt vom Senat (obere Parlamentskammer).

4. Fünfzehn Richter (zwei vom Obersten Gericht, zwei von den Appellationsgerichten, zwei von den Verwaltungsgerichten, acht von Kreisgerichten und einer aus der Militärgerichtsbarkeit. Das richterliche „Fuβvolk“ von den Amtsgerichten ist nicht vertreten).

Die Amtsperiode der gewählten Mitglieder des LJR dauert vier Jahre. Frei werdende Plätze werden fortlaufend für vier Jahre besetzt. Es findet also ein kontinuierlicher Wechsel statt – Anm. RdP).

Ziobro: Der einzige demokratische Bestandteil dieses Berufungssystems von Richtern ist der Staatspräsident. Seine Rolle jedoch versucht der LJR, so gut es geht, auf die eines Notars zu beschränken. Er sagt ganz offen: der Staatspräsident darf unsere Vorschläge (für die Berufung der Kandidaten ins Richteramt – Anm. RdP) nur beglaubigen.

Staatspräsident Andrzej Duda.

Zum Glück stellt Staatspräsident Andrzej Duda seine aktive Rolle unter Beweis und zeigt, dass er ein Mann ist, der eigene Entscheidungen treffen kann. Und das ist der einzige Lichtblick bei der derzeitigen Praxis zur Berufung zum Richteramt.
(2016 hat Duda die Beförderung von zehn der insgesamt vierhundertfünfzehn vom LJR zur Berufung ins Richteramt oder zur Beförderung vorgeschlagenen Kandidaten abgelehnt – Anm. RdP).

Ziobro: Ihr habt euch in dieser Diskussion gerne auf die Venedig-Kommission und auf die Meinung der OSZE berufen. Ihr tut dies jedoch ziemlich selektiv. Vor allem denke ich dabei an den Abgeordneten Jacek Protasiewicz (von der Union der Europäischen Demokraten. Insgesamt vier Abgeordnete, die im Juli 2016 aus der Bürgerplattform wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen wurden – Anm. RdP).

Ziobro: Darum erlaube ich mir, unter Berufung auf einige andere Feststellungen eben dieser beiden Organisationen, die für euch (die Opposition – Anm. RdP) so wichtig und bedeutsam sind, noch etwas zu ergänzen.

Und zwar hat die erwähnte Venedig-Kommission 2014 in einem ihrer Berichte bemerkt, ich zitiere: „In Körperschaften wie den Landesjustizräten darf es keine eindeutige Vorherrschaft der Richter geben, ansonsten könnten dort Kungeleien, Berufsdünkel und Cliquenbildung die Oberhand gewinnen“.

So sah es die Venedig-Kommission. Diese Beschreibung passt hervorragend in Bezug auf den polnischen LJR. Von den fünfundzwanzig Mitgliedern des LJR sind siebzehn Richter. Die übrigen Mitglieder haben eine rein dekorative Funktion, sind ein unbedeutender Bestandteil, der keinen Einfluss auf die dort gefällten Entscheidungen hat. Jedes Mitglied dieses Gremiums – und ich gehöre übrigens zum zweiten Mal dazu – weiβ bestens Bescheid, dass dies ausschlieβlich eine „berufliche Standesvertretung“ ist, die alles selbst entscheidet.

Auch die erwähnte OSZE stellt in einem ihrer Berichte fest: „Auf internationaler Ebene ist man allgemein der Meinung, dass die Landesjustizräte nicht ausschlieβlich oder mehrheitlich aus Vertretern der Justiz bestehen sollten. Es geht darum Eigennutz, gegenseitiges Decken, Kungeleien, Berufsdünkel zu vermeiden“.

Was kann man dem noch hinzufügen? Genau das wollen wir erreichen! Wir wollen die Empfehlungen der OSZE und der Venedig-Kommission umsetzten. Wir wollen mit dem Berufsdünkel brechen und dem LJR den Sauerstoff der Demokratie zuführen. Ja, Sauerstoff, erzeugt von demokratischen Mechanismen, denn Polen ist nicht nur ein Rechtsstaat, sondern ein demokratischer Rechtsstaat. Polen ist keine „Gerichtekratie“, sondern eine Demokratie.

Ich möchte hier noch eine Aussage anbringen, die bei euch, (der Opposition – Anm. RdP) wie ich glaube, auf Resonanz stoβen dürfte. Ich zitiere: „Der Landesjustizrat ist eine staatliche Gewerkschaft, die Interessen pflegt und dem polnischen Justizwesen schlecht bekommt“. Wer hat das gesagt? Ich zitiere noch einmal: „Eine staatliche Gewerkschaft, die Interessen pflegt und dem polnischen Justizwesen schlecht bekommt“.

Es war eine eurer Autoritäten, euer Guru, euer Mann der Vorsehung, Professor Rzepliński.

Prof. Andrzej Rzepliński.

(Andrzej Rzepliński, fonetisch Scheplinski, geb. 1948, war von 2010 bis 2016 Verfassungsgerichtspräsident. Er ist bis heute einer der prominentesten Gegner aller Justizreformen der Nationalkonservativen und eine wichtige Persönlichkeit der Ablehnungsfront gegen Recht und Gerechtigkeit – Anm. RdP).

Ziobro: Teilt ihr nicht seine Meinung? Nein? Man soll in die Annalen dieses Parlaments eintragen, dass ihr nicht einer Meinung seid mit Professor Rzepliński!

Er hat aber noch mehr gesagt: „Die Medien berichten über viele Korruptionsfälle, über betrunkene Richter in Gerichtsgebäuden, betrunkene Richter am Steuer, Richter die gewöhnliche Straftaten begehen. In einem Teil dieser Fälle waren die bisherigen Ahndungsversuche vergeblich. Sie scheiterten an der Stärke der Seilschaften und der Mentalität einer „belagerten Festung“, die die wichtigsten Strukturen unseres Justizwesens auszeichnet“.

Wie sehr ist es an der Zeit für solche Worte, auch wenn sie in der „Gazeta Wyborcza“ (das führende Kampfblatt der Ablehnungsfront gegen Recht und Gerechtigkeit – Anm. RdP) gefallen sind! (…)

Und noch ein Zitat: „Erfüllt der Landesjustizrat seine Funktion, wacht er über die Unabhängigkeit von Richtern und Gerichten? Der LJR tut das nicht. In der Tat, handelt es sich hierbei um einen Ort, an dem man sich die Kandidatur für das Richteramt sichert. Jeder geht dorthin mit seinen Kandidaten und sorgt dafür, dass ausgerechnet sie durchgeboxt werden. Das tun auch Politiker, zu denen sich die Schutzpatronen einzelner Kandidaten oder auch die Kandidaten selbst vorzudrängen verstehen.

Der LJR ist nicht der richtige Ort, um darüber zu entscheiden wer Richter wird. Der LJR kümmert sich nur um die Interessen der Richtergilde. Er ist aber kein Organ, das sich um wahre Unabhängigkeit kümmert“.

Wer sagte das? Der Vorsitzende Stępień, eine weitere eurer Autoritäten. Seid ihr mit ihm einverstanden?

Magister Jerzy Stępień

(Jerzy Stępień, fonetisch Stempieen. Von 1999 bis 2008 Richter beim Verfassungsgericht, 2006 bis 2008 sein Vorsitztender, obwohl er nur den Magistertitel besitzt. Auch eine wichtige Persönlichkeit der Ablehnungsfront gegen Recht und Gerechtigkeit – Anm. RdP).

Ziobro: Ihr sagt, wir verletzen internationale Standards mit unseren Vorschlägen. Doch in Wirklichkeit teilen wir die Untersuchungsergebnisse, die ich hier zitiert habe. (…) Wir gehen aber noch weiter.

Wir stellen nicht nur Diagnosen, die zutreffend sind, sondern wir suchen auch nach Lösungen. Sie sind nicht immer vollkommen, das stimmt, aber auch die Demokratie ist nicht perfekt. (…) Die demokratischen Mechanismen sind nicht ideal, aber niemand hat bisher bessere erfunden, und deswegen greifen wir zur Demokratie, um sozusagen den Augiasstall auszumisten. Nur demokratische Mechanismen können das bewirken. Die Antwort auf Berufsdünkel, auf Cliquen, auf „berufliche Standesvertretungen“, auf Pathologien ist Demokratie.

Gewiss, auch die Demokratie hat Mängel und stöβt an Grenzen. (…) Doch es gibt keine schlechtere Lösung, als den jetzigen Zustand mit seinen Seilschaften und pathologischen Zuständen beizubehalten. Darum schlagen wir vor, dass die Abgeordneten die Mitglieder der Richterschaft in den Landesjustizrat wählen sollen, weil sie eine demokratische Legitimation haben, während die hinzuwählenden Richter vom LJR über keinerlei demokratische Legitimation verfügen.

Ihr habt diese demokratische Legitimation und ihr könnt euch vor der Öffentlichkeit, vor den Wählern verantworten, und das müssen wir auch. Und genau darin liegt die Garantie, dass wir in den Landesjustizrat keine Richter wählen werden, für die wir uns später schämen müssen. (…) Die politischen Kosten wären zu hoch.

Die demokratischen Mechanismen haben bereits in der Vergangenheit gewirkt und deswegen habt ihr euren Abgeordneten Zbigniew Chlebowski ausgeschlossen.

Bürgerplattform-Fraktionsvorsitzender Zbigniew Chlebowski im Oktober 2009 bei einer Pressekonferenz nachdem seine Machenschaften mit einem Glücksspielunternehmer bekannt geworden sind.

(Zbigniew Chlebowski, von 2007 bis 2009 Sejm-Fraktionsvorsitzender der damals regierenden Donald-Tusk-Partei Bürgerplattform. Er geriet ins politische Abseits, als Telefonprotokolle seiner Gespräche publik wurden, in denen er einem befreundeten Glücksspielbetreiber Hilfe und Protektion bei dessen krummen Geschäften versprach – Anm. RdP).

Ziobro: Und warum ist Ryszard Milewski immer noch Richter, obwohl er am Telefon bereit war über die Besetzung einer Spruchkammer zu verhandeln und davon sprach, dass die Kammer mit ihm vertrauten Richtern besetzt sein würde. Wieso ist er immer noch Richter? Weil es im Richterstand solche demokratischen Mechanismen nicht gibt.

Richter Ryszard Milewski.

(Ryszard Milewski war Präsident des Kreisgerichtes in Gdańsk. Er fiel im September 2012 einer journalistischen Provokation zum Opfer. Ein angeblicher Assistent des Chefs der Kanzlei des Ministerpräsidenten Donald Tusk rief an, und Milewski ging diensteifrig auf alle Wünsche seines Gesprächspartners bezüglich Verhandlungstermin, Auswahl der Richter für die Verhandlung usw. ein. Daraufhin wurde Milewski von einem richterlichen Disziplinargericht lediglich nach Białystok versetzt, wo er weiterhin Recht spricht – Anm. RdP).

Ziobro: Es hat sich für euch (die Bürgerplattform – Anm. RdP) nicht gelohnt an so jemandem, wie Chlebowski festzuhalten, aber im Fall von Milewski hat sich die Korporation, deren Interessen, die Mentalität dieser „belagerten Festung“ als wirksam erwiesen. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Das, was Milewski gesagt und getan hat war eine Schande für das polnische Justizwesen. Das war zu euren Zeiten. Was habt ihr gemacht, um solche Leute loszuwerden?

Wir schlagen heute Lösungen vor, die vielleicht nicht perfekt, aber die einzig möglichen in dieser Lage sind, weil wir die pathologische Situation, die entstanden ist beseitigen müssen.

Man sagt, Bilder sagen mehr als tausend Worte und deswegen möchte ich euch einige Bilder vor Augen führen.

(Ziobro zeigt mittels eines Präsentationsprogramms Diagramme – Anm. RdP).

Auf dem ersten Bild ist das zu sehen, was ihr kritisiert. Ihr sagt, wir nehmen den Richtern den Einfluss darauf, wer in der Zukunft Richter werden kann. Das stimmt nicht. Vielleicht glauben viele von euch daran, weil ihr euch nicht die Mühe gegeben habt euch in das Thema einzuarbeiten. Abgeordnete sind vielbeschäftigte Leute und schenken jenen glauben, die hier herumlaufen und demagogisches Zeug verbreiten. Doch hier kann man die Fakten sehen.

Wie soll die Berufungsprozedur aussehen?

1. Der Justizminister gibt, so wie heute auch schon, freie Stellen bekannt.

2. Kandidaten melden sich. Bei wem? Nicht beim Justizminister, sondern beim zuständigen Gerichtspräsidenten. So unser Vorschlag.

3. Nicht der Justizminister, sondern der Gerichtspräsident verfügt die Überprüfung der Eignung der Kandidaten.

4. Die Richtervollversammlung des Gerichtes gibt eine Beurteilung der Kandidaten ab.

5. Der Gerichtspräsident stellt dem Landesjustizrat die Kandidaten sowie deren Beurteilung vor. Wo also sind hier der Justizminister oder seine Beamten?

5. Erst der LJR, der weiterhin mehrheitlich von Richtern beherrscht sein wird, trifft die Wahl. Mehr noch, der Kandidat kann gegen die Entscheidung des LJR vor einem Gericht klagen.

6. So vorbereitete Kandidaturen landen schließlich auf dem Schreibtisch des Staatspräsidenten, der die Entscheidung über Berufung oder Nichtberufung eines Kandidaten auf Lebenszeit zum Richteramt trifft.

Wer kann hier reinen Gewissens sagen, dass wir die Richter ihres Einflusses auf die Zulassung zum Richterstand berauben?

Und nun das zweite Schaubild.

Hier haben wir Deutschland. Ein Land, auf das sich die Bürgerplattform und die Nowoczesna (Die Moderne, eine kleine Oppositionspartei derselben radikalliberalen Ausrichtung wie die Bürgerplattform – Anm. RdP) so gerne berufen.

1. Der dortige Justizminister gibt, ebenso wie in Polen, eine freie Richterstelle bekannt.

2. Die deutschen Kandidaten melden sich. Wo? Beim Gerichtspräsidenten? Nein, beim Justizminister.

3. Die Beamten des Justizministers überprüfen die Eignung der Kandidaten, sortieren die Kandidaten aus und stellen sie dem Justizminister vor.

4. Wer nicht genommen wird kann vor einem Gericht dagegen klagen.

5. Der Justizminister beruft die Richter auf Lebenszeit.
Seht ihr den Unterschied?

Am komischsten ist, dass uns deutsche Politiker, mit Herrn Schulz an der Spitze, belehren, wie wir unsere Gesetzte schreiben sollen, damit diese eine Beteiligung der Richter bei der Berufung künftiger Richter berücksichtigen. Da kann man sich nur an den Bauch fassen und lachen. Aber das zeigt auch die deutsche Überheblichkeit, die wir kennen und die wir in keiner guten Erinnerung aus der Geschichte haben.

Diese Regierung wird sich davon nicht beeindrucken lassen. Wir werden Entscheidungen treffen, die gut sind für das polnische Justizwesen und die polnischen Bürger.

Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarates kritisiert Polen und verschlieβt die Augen vor den Zuständen in seiner lettischen Heimat.

Die absurdeste Gestalt in diesem internationalen Chor, der Polen kritisiert, ist Herr Nils Muižnieks, der Menschenrechtskommissar des Europarates. Dieser Herr wirft uns mit unglaublicher Konsequenz vor, dass wir den Richtern den Einfluss auf die Berufung künftiger Richter verwehren. Das ist umso komischer, als in seiner eigenen Heimat, Lettland, die Richter direkt vom Parlament berufen werden und einen Landesjustizrat gibt es dort gar nicht. So ist es in Lettland. So sehen die Tatsachen aus. (…)

Oft höre ich in diesem Zusammenhang das Wort „Freiheit“ fallen, doch es gibt keine Freiheit ohne Gerechtigkeit. Es gibt auch dann keine Freiheit, wenn die Polen vor und in den Gerichten mit Arroganz und Hochmut behandelt werden. Wenn sie aus dem Munde einer prominenten Vertreterin der Richterschaft, anstatt von Dienst am Bürger und Hilfe, hören, dass die Richter eine „ganz besondere Kaste“ sind, dass Richter über dem Recht und den Bürgern stehen, anstatt den Geschädigten und Schwächeren zu helfen.

Wir wollen das ändern und wir haben die Entschlossenheit, das zu tun. (…) Vielen Dank.

RdP




Thank you, Poland! Trumps Warschauer Rede zum Hören und Sehen

Die Warschauer Rede von US-Präsident Donald Trump vom 6. Juli 2017, wird den Polen für sehr lange in Erinnerung bleiben. Gehalten auf dem Krasinski-Platz, vor dem Denkmal für den Warschauer Aufstand (1. August 1944 – 3. Oktober 1944), war sie eine hochemotionale Huldigung an die Menschen, das Land und seine dramatische Geschichte. Sie war sehr amerikanisch und sehr polnisch zugleich in ihrem Pathos und in ihrer klaren Sicht der Dinge.

Man sah, Trump sprach aus Überzeugung. Er beschwor die Werte, die ihm wichtig sind, und die er in Polen wiederzufinden glaubt. Es war zudem sein Dank an eine Nation und ein Land, das zu Amerika steht und seine Bündnisverpflichtungen ernst nimmt, Ein Dank auch an die Amerika-Polen, die ihm 2016 zum Wahlsieg in einigen wichtigen „swing states“ („Staaten mit Wechselwählern“) verholfen haben.

Die letzte Ansprache dieser Art hielt in Deutschland wahrscheinlich der Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter während der sowjetischen Berlin-Blockade im September 1948: „Ihr Völker der Welt schaut auf diese Stadt!“ Dies sind längst vergangene Zeiten, und so war die Reaktion der deutschsprachigen Medien absehbar. Ihre Korrespondenten und Kommentatoren konnten Donald Trump in Warschau, seiner Ansprache und den Polen, die er mitgerissen hat, fast nur Negatives abgewinnen,Es war eine düstere und konservative Rede“, so der schweizer Rundfunk SRF. Die Menschen, die Trump zujubelten seien „organisierte Massen“ („Tagesanzeiger“) gewesen, „mit Bussen herangefahren“, „kein repräsentativer Querschnitt der polnischen Bevölkerung” („ARD-Tagesschau”) usw., usf. 

Dass Menschen und Vereine aus der Provinz, wie die „Leserklubs der Gazeta Polska“, auf eigene Kosten, Busse anmieteten, um ungeachtet der Anstrengungen, der Kosten, der lästigen Sicherheitsmaßnahmen und des stundenlangen Ausharrens in der prallen Sonne (letzter Einlass drei Stunden vor Redebeginn), bei dem Ereignis dabei zu sein, passte offensichtig nicht in ihr Konzept. Abgesehen von der VIP-Loge kamen etwa zwanzigtausend Menschen zu dem Ereignis. Mehr fasste der Platz nicht.

Am besten ist es immer, sich selbst ein Bild zu machen. Deswegen dokumentieren wir für Sie die Warschauer Rede Donald Trumps gleich in zwei Fassungen: 

1. Die Kurzfassung, die für Furore im polnischen Internet sorgt.

2. Der vollständige Auftritt des US-Präsidenten.  

Lesenswert auch: "Ein Donald mehr erschreckt nicht sehr".

© RdP





Das Wichtigste aus Polen 11. Juni – 17. Juni 2017

Kommentatorin Olga Doleśniak-Harczuk und Janusz Tycner diskutieren die  wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in Polen. ♦ Was sagte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło in Auschwitz oder wie man einen Skandal aus dem Nichts konstruiert ♦ Beschimpfungen und Blockaden bei den allmonatlichen Warschauer Feierlichkeiten für die Opfer der Smolensk-Flugzeugkatastrophe vom April 2010 sollen die Stimmung im Lande anheizen. ♦ US-Präsident Donald Trump kommt am 6. Juli 2017 nach Warschau: polnische Prognosen, Hoffnungen und Erwartungen. ♦ Die EU-Komission will Polen mit einem Vertragsverletzungsverfahren zwingen Emigranten aufzunehmen. Wenig Aussicht auf Erfolg.

Wir empfehlen dazu:  Ein Donald mehr erschreckt nicht sehr




Der gute Mensch vom KGB

Am 18. April 2017 starb Oleg Sakirow.

Der Gefallen, den die polnische Korrespondentin Krystyna Kurczab-Redlich dem polnischen Generalkonsul in Moskau, Michał Żórawski erwies, sollte weitreichende Folgen haben. Anfang 1990 war eine Nachricht bis zur polnischen Botschaft in Moskau durchgedrungen: ein KGB-Offizier forsche in Smolensk auf eigene Faust nach Spuren und Tätern, die zwischen April und Mai 1940 im nahegelegenen Ort Katyn, einige Tausend gefangene polnische Offiziere umgebracht hätten.

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Polnischer Konsul Michał Żórawski (1939-2012)

Der Konsul bat daraufhin die KGB-Dienststelle in Smolensk um einen Gesprächstermin mit dem Offizier, doch das Ersuchen wurde abgelehnt. Was ein Diplomat nach einer solchen Ablehnung nicht tun sollte, es sei denn, er möchte wegen inoffizieller Kontaktaufnahme mit Sicherheitsbeamten des Gastlandes oder möglicherweise auch wegen Spionage ausgewiesen werden, ist für eine recherchierende Journalistin allemal von Interesse. Und so stand die polnische Korrespondentin gegen Mitternacht, irgendwann im Mai 1990 vor der Wohnungstür in der Stroitelnaja Straße 15. Die Tür öffnete Oleg Sakirow, damals noch KGB-Major.

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Korrespondentin Krystyna Kurczab-Redlich .

Gesucht, gefunden, gefeuert

Zurück in Moskau, konnte Kurczab-Redlich dem Konsul Erstaunliches berichten. Der aufsässige KGB-Major hatte im Smolensker KGB-Archiv, in das er eigentlich abgeschoben worden war, Dokumente aus dem Jahr 1940 gefunden mit den Namen von NKWD-Beamten (Vorläufer des KGB), die an den Erschießungen der Polen in Katyn beteiligt waren. Einige von ihnen lebten noch.

Da war z.B. der Fahrer Iwan Titkow. Er brachte die Leichen, der im Keller des Smolensker NKWD Nacht für Nacht gemordeten Polen wochenlang in den Wald von Katyn. Titkow wurde von Angehörigen ermuntert, sein Gewissen zu erleichtern und all sein Wissen preiszugeben. Er zeigte Sakirow die genaue Lage der Massengräber.

Oder der einstige Gefängniswärter Pjotr Klimow. Er schilderte den Ablauf der Hinrichtungen. Der frühere NKWD-Wachsoldat Kiril Bordenkow wiederum, der allein und verwahrlost in einer völlig heruntergekommenen Hütte lebte, hatte den Dokumenten zufolge zu dem Erschießungskommando gehört, was er indes bei der Befragung bestritt. Nichtsdestotrotz erzählte er ausführlich davon und fertigte auch noch einen schriftlichen Bericht dazu an.

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Erste polnische Katyn-Briefmarke von 1990.

Der Ostblock zerfiel. Polen hatte seit September 1989 den ersten nichtkommunistischen Regierungschef. Zugleich war es die Zeit, als nach fünf Jahren Glasnost und Perestroika, Gorbatschow ebenso wie dem Partei- und Staatssicherheitsapparat, in der wirtschaftlich schwer angeschlagenen Sowjetunion, die Kontrolle über das Land entglitt. Nur unter solchen Umständen war es überhaupt möglich gewesen, dass der KGB-Beamte Sakirow damals, aufgrund der von oben befohlenen Aufklärung der Verbrechen Stalins, „nebenbei“ seine Nachforschungen anstellen konnte.

Hinter dem Rücken der Vorgesetzten schickte Sakirow 1989 seine Erkenntnisse an die Redaktion des damals führenden Perestroika-Blattes „Moskowskije Nowosti“. Zwei Reporter reisten an. Sakirow führte sie zu den Ziegenbergen, wie der Ort im Wald von Katyn, wo sich die sorgsam getarnten und „gesicherten“ polnischen Massengräber befanden, von den Einheimischen genannt wurde.

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Katyń -Briefmarke der Polnischen Post von 1995.

Das Gelände, auf dem sich heute die Gedenkstätte befindet, war damals noch von einem hohen Bretterzaun umgeben. Ringsherum patrouillierten Streifen mit Schäferhunden. Hinter dem Zaun standen die Sommerresidenzen der Smolensker KGB-Spitzen. Sie durften in ihren Gärten nicht mehr als dreißig Zentimeter tief graben. „Ich bebte innerlich bei dem Gedanken, dass die Sommerhäuser der KGB-Chefs auf den Knochen ermordeter Menschen errichtet wurden. Diese Barbarei war nicht zu ertragen“, so Sakirow.

Auch ein Fernsehteam aus Moskau erschien vor Ort. Doch so viel Macht besaß der Politapparat noch: Der Zeitungsartikel durfte nicht erscheinen. Die TV-Reportage kam nicht zustande, weil Sakirows Kollegen vom Smolensker KGB die Videokassetten beschlagnahmten.

Mit letzter Kraft setzte Gorbatschow noch alles daran, um das sowjetische Massaker von 1940 an insgesamt gut 25.000 polnischen Offizieren und Beamten nicht eingestehen zu müssen. Die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ jedoch und die Historikerin Prof. Natalja Lebedewa, die wichtiges Archivmaterial aufspürten, konnte er nicht mehr stoppen.

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Prof. Nataija Lebedewa

Am 25. März 1990 erschien in den „Moskowskije Nowosti“ ein Interview mit Natalja Lebedewa unter dem Titel „Die Tragödie von Katyn“. Es war die erste Veröffentlichung in der Sowjetunion, welche die knapp fünfzig Jahre lang von den Sowjets beharrlich verbreitete Lüge, Katyn sei ein deutsches Verbrechen gewesen, widerlegte.

Der Chefredakteur berichtete später, Gorbatschow habe ihn angerufen und angeschrien: „Die Polen konnten bislang die wahren Schuldigen nicht finden, und jetzt serviert eine kleine Artikelschreiberin sie ihnen auf dem Tablett.“ Am 13. April 1990 veröffentlichte die Presseagentur TASS das offizielle sowjetische Schuldeingeständnis.

Sakirow geriet derweil mächtig unter Druck. Er erhielt Drohanrufe, wurde wegen Eigenmächtigkeiten mehrere Male verwarnt. Die Kollegen schnitten ihn. Schließlich entließ man Sakirow Mitte 1991, ein Jahr vor dem Ruhestand, aus dem KGB mit einer Diagnose im Kündigungsschreiben, die die sowjetische Psychiatrie oft genug Dissidenten gestellt hat: „schleppende, symptomlose Schizophrenie“. Nach dem Motto: es gibt zwar keine Symptome der Krankheit, aber das besagt nichts, denn wer sich gegen das System auflehnt, der muss einfach schizophren sein.

Warum war ein solcher, offensichtlich durch und durch anständiger Mensch ausgerechnet zum KGB gegangen?

Oleg Sakirow wurde 1952 in der Stadt Andischan, ganz im Osten von Usbekistan, im fruchtbaren Ferghantal, unweit der Grenze zu Kirgistan geboren. Er war ein halber Usbeke. Sakirows Vater, Sakir Chalhodschajew (1926 – 1981) heiratete die Russin Lidia Wiergulewa (1924 – 2005). Sehr spät, erst mit dreißig, erfuhr Sakirow, dass die Sowjets seinen Großvater väterlicherseits, den im ganzen Ferghantal damals hoch geschätzten, weisen Kaufmann Chalhodscha Madaminhodschajew bereits 1931 als einen „Volksfeind“ erschossen hatten. 1991 wurde er rehabilitiert.

Der blauäugige Weltverbesserer

Oleg war ein typisches „Produkt“ des Sowjetsystems. Wie Millionen andere durchlief er von klein auf ein lückenloses Erziehungs-, Bildungs- und Propagandagefüge, in dem nicht die geringsten Zweifel an der Herrlichkeit und Unübertroffenheit des Sowjetkommunismus aufkommen konnten.

Besonders hervorgehoben in Kunst und Propaganda, wurde die heroische Legende von den tadel- und selbstlosen Beamten der Staatssicherheitsorgane, die seit der Oktoberrevolution an der Heimatfront unermüdlich den „bürgerlichen Unrat“ ausmerzten: imperialistische Spione und Saboteure, samt ihren sowjetischen Helfern, den vom Aussterben geweihten „Überbleibseln“ des Kapitalismus: Banditen, Dieben, Spekulanten, korrupten Beamten.

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Dserschinski-Kult auf dem Roten Platz in Moskau. Ende der 20er Jahre.

Die Ikone, um die sich diese Legende rankte, war der zum Säulenheiligen des Kommunismus stilisierte, polnischstämmige Begründer der sowjetischen politischen Polizei Felix Dserschinski (1877 – 1926). In Wirklichkeit ein gnadenloser, zehntausenfacher Massenmörder und Erfinder des sowjetischen Lagersystems, nach dem geschätzt gut sechstausend Städte, Dörfer, Straßen, Plätze, Industriebetriebe, LPGs, Schulen, Armeeeinheiten und Handelsschiffe in der Sowjetunion und später im ganzen Ostblock benannt wurden.

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Katyń-Briefmarke der Polnischen Post von 1999.

Von einem solchen Weltbild geleitet, meldete sich Sakirow 1975, gleich nach seinem Jurastudium in Taschkent, zum KGB, und wurde genommen. „Sowjet-Usbekistan war in meiner Jugend ein Königreich grenzenloser Korruption. Etwa die Hälfte der Baumwolle, für die Moskau Jahr für Jahr das Geld überwies, hat man nie gepflanzt und geerntet. Statistiken wurden in großem Stil gefälscht, riesige Prämien für die „Planübererfüllung“ kassiert. Der gesamte usbekische Partei- und Staatsapparat war daran beteiligt. Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte standen Schmiere. Wer sich dagegen sträubte, verschwand für Jahre in Kerkern und Lagern oder wurde gleich kaltgemacht. Nur das KGB war unbestechlich, konnte aber nicht viel ausrichten. Das wollte ich ändern helfen.“, schilderte Sakirow seine Blauäugigkeit Jahrzehnte später.

Da er sich von seinem Vorsatz nicht abbringen ließ, schaffte er es auch nie für längere Zeit in einer KGB-Dienststelle sesshaft zu werden. Aus Urgentsch im Süden Usbekistans, dem Herzen einer Baumwollregion, schob man ihn schnell nach Frunse (heute Bischkek), die Hauptstadt Sowjet-Kirgisiens, heute Kirgistans ab. „In Kirgisien war ich Mitglied der Ermittlungskommission, die den Mord am Regierungschef der Unionsrepublik aufklären sollte. Bei der Gelegenheit gelang es uns einen Wust an korrupten Machenschaften aufzudecken.“

Lob von Andropow, Heroin in Särgen

Lob kam aus Moskau, von Juri Andropow persönlich (1914 – 1984, Nachfolger Breschnews, Parteichef von November 1982 bis zu seinem Tod im Februar 1984, vorher fünfzehn Jahre lang KGB-Chef). „Andropow hat die Korruption wirklich bekämpft! Aber was das KGB anging, hatte ich damals schon jegliche Illusionen aufgegeben“, erinnerte sich Sakirow spàter.

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Katyń-Briefmarken der Polnischen Post von 2000.

Zakirow znaczek Katyń 2000

Von Frunse ging es weiter zum KGB in Alma-Ata, der Hauptstadt Sowjet-Kasachstans und 1983, im achten KGB-Dienstjahr, in die russische Provinz, nach Smolensk, in eine Stadt, wie man sie sich auch heute trostloser nicht vorstellen kann. Der Ruf eines Strebers, Weltverbesserers und Tugendwächters eilte ihm voraus. „Zu uns kam aus Taschkent der ewig unzufriedene Usbeke Sakirow“, schrieb 2005 der damalige Smolensker KGB-Chef, General Anatoli Schiwerskich in seinen Erinnerungen.

Folglich ging es bereits 1984 weiter, dieses Mal nach Afghanistan, in das die Sowjets im Dezember 1979 einmarschiert waren. Die riesige KGB-Dienststelle in Kabul hatte alle Hände voll zu tun, aber ihre Ermittlungsergebnisse gelangten meistens unter Verschluss. An den riesigen Heroinmengen, die überall versteckt, sogar in Särgen mit toten Soldaten, aus Afghanistan in die Sowjetunion flossen und an den auf dem afghanischen Schwarzmarkt unter der Hand verkauften Tausenden von Tonnen Treibstoff, Konserven, Medikamenten, ja sogar Waffen aus Armeebeständen, verdienten nicht selten die höchsten sowjetischen Kommandeure mit. Auch hier war der starrsinnige Sakirow ein zu großes Risiko.

Knapp eineinhalb Jahre später, im Frühjahr 1986, fand er sich also in Smolensk wieder. „In Smolensk traf ich eines Tages den pensionierten NKWD- und KGB-Beamten Tabatschkow. Leicht angetrunken plauderte er aus, dass in den Ziegenbergen polnische Offiziere vergraben sind, die „unsere“ im Frühjahr 1940 erschossen haben. Bei dem Gespräch war mein Abteilungsleiter, Oberstleutnant Klatschin zugegen. Er protestierte: »Die Deutschen haben die polnischen Offiziere erschossen!« Doch Tabatschkow blieb stur: »Was für Deutsche!? Das ist unser Verbrechen,« Das war der Auslöser“, berichtete Sakirow Jahre später.

Nur ein kleines Stück vom Horror

In die Archivkeller der Smolensker KGB-Dienststelle verbannt, wo 1940 Nacht für Nacht bis zu einhundert polnische Offiziere mit einem Genickschuss niedergestreckt wurden, suchte er sich mühsam die oft äußerst unvollständigen Akten zusammen. Ein Bild des Grauens eröffnete sich Sakirow, von dem er nicht wissen konnte, dass die ganze Wahrheit noch viel grausamer war.

Bei ihrem Überfall auf Polen am 17. September 1939 (kurz zuvor, am 1. September 1939 hatte der deutsche Angriff auf Polen und damit der Zweite Weltkrieg begonnen) nahmen die Sowjets etwa 25.000 polnische Offiziere und Unteroffiziere der Armee, der Polizei, des Grenzschutzes, des Zolls und des Strafvollzugs gefangen. Sie wurden in drei, einige hundert Kilometer voneinander entfernten, Kriegsgefangenenlagern untergebracht: Koselsk, Ostaschkow, Starobelsk.

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Der Ablauf des Mordens. Letzte Feststellung der Personalien.

Am 5. März 1940 unterzeichneten die sowjetischen Politbüromitglieder: Josef Stalin, Kliment Woroschilow, Wjatscheslaw Molotow, Lasar Kaganowitsch und Michail Kalinin, per Umlauf, den Beschluss des Politbüros über die Hinrichtung der „eingeschworenen Feinde der Sowjetmacht, erfüllt vom Hass auf das Sowjetsystem“, und zwar „ohne Vorladung der Inhaftierten und Darlegung der Beschuldigungen, ohne Beschluss über das Ergebnis der Voruntersuchungen und ohne Anklageerhebung“.

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Das ahnungslose Opfer wird in den NKWD-Keller gebracht. Der Mörder wartet schon.

Kurz darauf begann die „Leerung“ der drei Lager. Im April und Mai 1940 wurden jeden Tag, aus jedem Lager, Gruppen von bis zu einhundert Polen in Eisenbahnwaggons für Gefangene abtransportiert, ohne zu wissen wohin und weswegen man sie wegbrachte.

Die Transporte aus dem Lager Starobelsk gingen ins ca. 450 Kilometer entfernte Charkow. Dort brachte man die Gefangenen für kurze Zeit im NKWD-Gefängnis unter. In derselben Nacht wurden sie, gefesselt, einzeln in den Keller gebracht, wo hinter einer Tür der NKWD-Mörder dem Ahnungslosen in den Kopf schoss. Die Leiche hat man schnell in einen Nebenraum gezogen, das Blut mit einem Eimer Wasser weggespült, der Nächste… Die Toten wurden am nächsten Morgen in geschlossenen LKWs zu den Massengräbern im nahegelegenen Wald von Piatichatki gebracht. Insgesamt 3.896 Ermordete.

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Am nächsten Morgen wird das „Nachtpensum“ an Leichen zu den Massengräbern gebracht.

Transporte aus dem Lager Ostaschkow fuhren ca. 200 Kilometer weit nach Kalinin (jetzt Twer). Gemordet wurde im NKWD-Keller, die Prozedur war dieselbe. Die Leichen hat man in der Nähe des Dorfes Mednoje verscharrt. Insgesamt 6.311 Ermordete.

Die Transporte aus dem ca. 350 Kilometer entfernten Lager Koselsk gelangten nach Smolensk. Ein Teil der Opfer wurde im Smolensker NKWD-Keller ermordet, ein Teil von der Eisenbahnhaltestelle Gnjosdowo mit einem Gefangenenbus bis an die Todesgruben, einige Kilometer weit gefahren und dort erschossen. Insgesamt 4.421 Ermordete.

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In Katyn fand ein Teil der NKWD-Morde direkt an den Massengruben statt.

Im Waldgelände Kuropaty, unweit von Minsk, wurden etwa 4.500 weitere polnische Offiziere und Beamte verscharrt, herbeigeschafft aus diversen Gefängnissen und Lagern der Weißrussischen Sowjetrepublik und im Minsker NKWD-Keller ermordet.

Im Wald von Bykownja fanden etwa 3.400 Polen ihre letzte Ruhestätte, herbeitransportiert aus Lagern und Gefängnissen in der Ukrainischen Sowjetrepublik und im NKWD-Sitz von Kiew erschossen.

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Unter dem Sammelbegriff „Katyn“ verbirgt sich also eine landesweite Mordaktion der Sowjets, durchgeführt gleichzeitig, an fünf verschiedenen Orten.

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Deutsche an den geöffneten Massengräbern in Katyn 1943.

Am 27. Juli 1941 eroberte die deutsche Heeresgruppe Mitte Smolensk. Am 13. April 1943 meldete das Deutsche Nachrichtenbüro im Rundfunk: „Ein grauenvoller Fund“ im Wald von Katyn „gibt einen ebenso erschütternden wie einwandfreien Aufschluss über den Massenmord an mehr als 10.000 Offizieren aller Grade, darunter zahlreiche Generäle der ehemaligen polnischen Armee durch Untermenschen der GPU (Vorgänger des NKWD) in den Monaten März bis Mai 1940.“ Die Zahl 10.000 wurde später korrigiert.

Den Vertuschern das Handwerk gelegt

Seit dieser Zeit unternahmen die Sowjetbehörden fast ein halbes Jahrhundert lang alles was in ihrer Macht stand, um das Verbrechen totzuschweigen, und wenn das nicht ging, es den Deutschen zuzuschreiben, zum Teil mit Erfolg. Auch im kommunistischen Polen war das Thema ein absolutes Tabu.

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Katyń-Block der Polnischen Post von 2010.

Während die Namen der Ermordeten von Katyn bekannt waren, weil bei den deutschen Ausgrabungen die meisten Toten, anhand von Ausweispapieren, Notizbüchern, Erkennungsmarken usw. identifiziert werden konnten, lebten die Familien der restlichen ca. 21.000 Ermordeten weitere Jahrzehnte lang im Ungewissen. Die Massenmorde an den vier weiteren Orten wurden erst Anfang der 90er Jahre bekannt. Gerüchte machten bis dahin die Runde, wie z. B., die Sowjets hätten die gut sechstausend Insassen des Lagers Ostaschkow auf alte Kähne verladen und im Eismeer ertränkt.

Sakirow war einer von vielen, die den Vertuschern das Handwerk gelegt haben. Dass er die letzten noch lebenden Täter ausfindig gemacht hat, war damals eine riesige Sensation.

Der Preis den er für seinen Mut bezahlen musste war hoch. Nach dem Rauswurf aus dem KGB folgten sehr magere Jahre. Er hielt sich und die Familie mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, überlebte zwei mysteriöse Unfälle, die er als Attentatsversuche auslegte, bekam immer wieder Drohanrufe.

Der polnische Undank…

Polnische Diplomaten in Moskau verhalfen seiner Tochter Larissa zu einem Stipendium und einem Studienplatz im polnischen Łódź. Sakirow konnte sie einige Male besuchen. Schlieβlich verkauften die Sakirows  ihre Wohnung in Smolensk, verbreiteten, sie wollten nach Moskau ziehen. In Wahrheit flohen sie 1998 nach Polen, nach Łódź.

Ihre Ankunft jedoch schien niemanden zu interessieren. In Warschau musste Sakirow einen Antrag auf Anerkennung als Flüchtling stellen. Der Beamte ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. Briefe an Außenminister Władysław Bartoszewski (1922 – 2015), an Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski, an die Kanzlei des Ministerpräsidenten Jerzy Buzek und viele Behörden blieben zumeist unbeantwortet.

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Katyń-Briefmarke der Polnischen Post von 2015.

Das mitgebrachte Geld floss nach und nach vor allem in die Wohnungsmiete in Łódź. Sakirow arbeitete auf dem Bau, die Tochter als Lagerhilfe in einer Supermarktkette, Ehefrau Galina war schwer krank. Die Tochter verlor irgendwann ihren Job, weil sie die schweren Lasten nicht mehr heben konnte. Sakirow erkrankte Ende 2000 durch das Zementmischen an einer Staublunge und landete als Bettler auf der Straße.

In einem seiner zahlreichen Ersuchen schrieb er zusammenfassend: „Als ich meine eigene Katyn-Untersuchung begann, da waren mir die Folgen nicht ganz klar. Ich wollte den Polen helfen, nicht um des Ruhmes oder des Geldes Willen. Ich wollte ihre Abneigung gegenüber Russland und den Russen verkleinern. Ich dachte nicht, dass ich meine Arbeit und meine Freunde verlieren, dass ich zum Verräter für die eigenen Leute und ein lästiger Eindringling unter Fremden sein werde.“

Sein ehemaliger Smolensker Chef Anatoli Schiwerskich schrieb derweil in seinen Erinnerungen „Zerfall des großen Imperiums. Aufzeichnungen eines KGB-Generals“: „Der Usbeke Sakirow hat das Archiv der Opfer von Repressalien durchgesehen. Material zu Katyn hat er dort nicht gefunden, aber er half sensationssüchtigen Journalisten falsche Zeugen jener Ereignisse zu finden. Sie haben dazu beigetragen das falsche Bild dieses faschistischen Verbrechens zu verfestigen. Die Polen haben ihn dafür mit Belohnungen überhäuft. Sakirow lebt in Polen in Saus und Braus.“

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Sakirow mit seinen Erinnerungen „Fremdes Element“.

Fast zehn Jahre waren zu jener Zeit seit seinen guten Taten in Smolensk vergangen, zudem war Sakirow damals nur wenigen polnischen Insidern bekannt. Diejenigen, die seinerzeit den Stein mit ins Rollen gebracht hatten, waren nicht da um ihn zu unterstützen: Konsul Michał Żórawski (fonetisch: Schurawski) hatte inzwischen einen anderen diplomatischen Posten weit weg von Polen angetreten. Die Journalistin Krystyna Kurczab-Redlich durchquerte als Reisekorrespondentin die Weiten Russlands.

…wird gutgemacht

Doch der Skandal sprach sich herum, und ab 2002 ging es den Sakirows etwas besser. Die Tochter bekam eine Stelle in ihrem Fach als klinische Psychologin. Staatspräsident Kwaśniewski verlieh der Familie die polnische Staatsbürgerschaft. Sakirow bekam eine Sozialrente von 1.500 Zloty (damals etwa 450 Euro). Im April 2003 verlieh ihm, in Anerkennung seiner Verdienste, Staatspräsident Kwaśniewski das Ritterskreuz des Ordens der Wiedergeburt Polens (5. Klasse). Im Oktober 2010 zog Staatspräsident Bronisław Komorowski mit dem Offizierskreuz desselben Ordens (4. Klasse) nach.

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Sakirow-Beerdigung in Łódź…

Als wollte Polen die Scham der unfreundlichen Aufnahme von sich wischen, hagelte es nun Auszeichnungen und Ehrentitel für Oleg Sakirow. Im Jahr 2010 erschienen seine Erinnerungen „Obcy element“ („Fremdes Element“). Das Buch verkaufte sich gut, bekam auch das Prädikat „Bestes historisches Buch“ des Jahres 2010. In den Jahren 2007 und 2009 drehten und zeigten der private TV-Kanal Discovery und das Polnische Fernsehen Dokumentarfilme über ihn.

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…mit mlitärischen Ehren.

Doch das alles waren kurze Glanzlichter. Sakirow fühlte sich abgeschoben, auf ein Thema reduziert, nicht wirklich gebraucht. Trotz aller Anerkennung war er zunehmend verbittert und resigniert. Einladungen zu Vorträgen und Diskussionen schlug er meistens aus, wurde immer unzugänglicher, driftete ins Mystische ab, vereinsamte, weil zuerst die Tochter und dann die Ehefrau ins Ausland zogen. Er tat das Richtige aber den richtigen Platz in seinem Leben scheint er nie gefunden zu haben.

Oleg Sakirow starb an Ostern 2017 im Alter von 65 Jahren und wurde mit militärischen Ehren im orthodoxen Teil des evangelischen Friedhofs in Łódź bestattet.

© RdP




Wie trinken die Polen

Alte Regeln und neueste Wodka-Erkenntnisse aus dem Land des weissen Adlers.

In Olszowo (Name geändert) haben sie nichts gehört von den neuesten Untersuchungsergebnissen des Polnischen Verbandes der Spirituosenindustrie vom Juni 2017 über das Trinkverhalten der Polen, die kürzlich hier und da in den Medien zitiert wurden. Hier wird nicht geforscht sondern eifrig praktiziert, und deswegen gibt es in Olszowo kein Erbarmen für den Gast und kein Entkommen.

Auf gutes Gelingen, auf die Heimat, auf dass das Wetter uns nie im Stich lässt, auf, auf, auf . . . Unzählige Trinksprüche, der Kopf wird schwerer und schwerer, immer heftiger werden die Umarmungen, die Freundschaftsausbrüche über den Tisch hinweg.

Irgendwann, sichtlich bewegt und Ruhe erbittend, erhebt sich der Kommandant und spricht allen Anwesenden aus dem Herzen: „Trinken wir auf uns, auf die freiwillige Feuerwehr von Olszowo, die seit Generationen Brände und Durst gleichermaßen gut zu löschen versteht.“ Ringsum feuchte Augen, also hoch mit dem erlahmten Arm und das randvolle Glas, mit weiteren fünfzig Gramm Wodka, „auf ex“ heruntergekippt.

Sofort, wie von Geisterhand, wird nachgefüllt. Alles sprudelt: der Alkohol, die Reden, die Großzügigkeit. Anrührende, ländliche Gastfreundschaft als Heimsuchung, keine Chance, den Fünfziggrammkelch des Leidens bis zur bitteren Neige nicht zu leeren. Noch ist der grausame Morgen danach weit.

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Vom Durstlöschen bezahlt. Löschfahrzeug der einheimischen Marke Star, Baujahr 1999.

Anders als der Wodka macht Olszowo nicht gerade schwindlig. Vielleicht achthundert Seelen, ein Laden, die große Kapelle, eine kleine Schule und die „remiza“, das Spritzenhaus: hochtrabende Bezeichnung für einen Geräteschuppen nebst bescheidener Feuerwehrgarage für ein Löschfahrzeug der einheimischen Marke Star, Baujahr 1999.

Wand an Wand zu der Garage das schlichte Klubhaus aus weißem Klinker, Eigentum der freiwilligen Feuerwehr von Olszowo und der Stolz ihres Kommandanten. Versammlungsort und Dorfdisko, Schauplatz von zahllosen Hochzeitsfeiern, Leichenschmäusen, Festen, Gelagen, Raufereien.

Man trinkt hier gegen die Melancholie, gegen die Misslichkeiten des Alltags und auf die Freude. Zelebriert wird da nicht viel, doch gibt es einen Verhaltenskodex. Dessen Kenntnis macht das Trinken für Außenstehende zwar nicht leichter, aber auf jeden Fall nachvollziehbarer.

Regel eins lautet:

Wer allein zur Flasche greift, ist ein Säufer. Also: Trinke nur in Gesellschaft.

Nun wird es höchste Zeit, den Toast auszubringen auf die nie verblassende Schönheit der anwesenden Weiblichkeit, die genauso wacker zum Wodka greift. Der ist ja im Polnischen auch weiblichen Geschlechts.

Und man merke sich bei der Gelegenheit die

Regel zwei:

Es gibt auf der Welt keine hässlichen Frauen, es gibt nur zu wenig Wodka.

Gelöst die Stimmung, immer leidenschaftlicher die Lieder. Viel zu trinken ist bei solchen Festen oberste Bürgerpflicht. Denn wie hier in Olszowo sind Saalmieten und Erlöse vom Alkoholverkauf oft die wichtigsten Finanzierungsquellen für Polens freiwillige Feuerwehren. Benzingeld, neue Schläuche, kleine Aufwandsentschädigungen für die Feuerwehrleute, dunkelblaue Ausgehuniformen und eine schmucke Fahne, die bei der Fronleichnamsprozession nie fehlen darf. . .

Es muss schon einiges hinter die Binde gekippt werden, um das alles zu bezahlen.

Sehr, sehr viele Kilometer trennen Olszowo und Warschau. Die Hauptstadt liegt mitten in der Moderne, das Dorf dagegen noch hinter solch traurigen Provinznestern wie Łomża und Ostrołęka, eigentlich schon hinterm Mond.

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Waldemar „Waldek“ Pawlak. Chef aller freiwilligen Feuerwehrmänner. Mit der „Feuerwehrklausel“ im Alkoholgesetz in die Geschichte eingegangen.

Große Politik, bestehend aus politischen Krächen, vertrackten Korruptionsskandalen, Nato-Ostflanke-Verstärkungsdebatten finden in einer Welt statt, die um Lichtjahre von Olszowo entfernt liegt. Verstanden wird hier nur, was einen unmittelbar betrifft. Zum Beispiel wenn sich, wie einst geschehen, Warschauer Politiker erdreisten, freiwilligen Feuerwehren das Gewohnheitsrecht zu entziehen, nach Belieben Alkohol bei ihren Festen auszuschenken.

Also erheben wir jetzt die Gläser auf „unseren Waldek“. Nur dank Waldeks rechtzeitigem Eingreifen können wir heute so schön beisammensitzen.

Waldemar Pawlak, ehemaliger Ministerpräsident (1993 – 1995), bis vor ein paar Jahren Vorsitzender der Bauernpartei und seit 1992 bis heute oberster Chef aller freiwilligen Feuerwehrmänner zwischen Oder und Bug, hat als erster Alarm im Parlament geschlagen. Das war inzwischen vor knapp einem Vierteljahrhundert, aber Heldentaten leben ewig, gemeiβelt in den Marmor der Legende. Auf sein Betreiben hin wurde das verschärfte Antialkoholgesetz mit einer „Feuerwehrklausel“ versehen. „Zum Wohl also!“

Die Russen mögen Wodka, der so richtig im Hals kratzt. Die Polen lieben es milder.

Regel drei

jedoch gilt in beiden klassischen Wodka-Ländern: Trinke nie ohne Zubiss, polnisch: zakąska (phonetisch: sakonska), russisch: sakuska. Dass in Warschau, wie im Westen, bereits „einfach so“ getrunken werden soll, erregt in Olszowo ungläubiges Kopfschütteln und echtes Mitgefühl. Hering und Aal schwimmen im polnischen Wodka besonders gern.

Wódka PRL 1 fot.
Kommunistische Tristesse der 70er Jahre. Man trank gegen die Melancholie, die Misslichkeiten des Alltags. „Wodkaleichen“ an der Haltestelle.

Der Korrektheit wegen darf man noch einen weiteren Unterschied nicht unerwähnt lassen. Die Russen trinken Wodka, auf Polnisch aber schreibt sich das Wort: “wódka“, und ausgesprochen wird es “wutka“. Wahre Kenner und Feinschmecker unter den Wodkafreunden wissen natürlich, dass nicht nur der Querstrich über dem „o“ den Unterschied zwischen Wodka Moskowskaja und Wódka Wyborowa ausmacht.

Wódka w PRL 2
„Ein kultivierter Mensch betrinkt sich nicht“. Antialkoholpropaganda im kommunistischen Polen.

Früher, als die Kommunisten, angeführt von General Jaruzelski, den Alkoholgenuss streng reglementierten, als Kneipen und Monopolläden erst von dreizehn Uhr an Hochprozentiges verkaufen durften, auf dass das Proletariat wenigstens am Vormittag nüchtern sei, da blühten die „melinas“, Schlupfwinkel.

Zumeist pensionierte Prostituierte vom Straβenstrich verwandelten ihre grausamen „Liebesnester“ in Alkohollager, zu denen sich durstige Eingeweihte durch bestimmte Klopfzeichen zu jeder Tages- und Nachtzeit Zutritt verschaffen konnten. Bei der „melina“-„Spekulantin“ kostete die Flasche das Vier- bis Fünffache des Ladenpreises.

Im Jahre 1983 konnte man für ein polnisches Durchschnittsgehalt gerade mal 22 Halbliterflaschen Wodka kaufen, 1997 waren es etwa 65, heute sind es 175. Jetzt bedarf es keiner guten Beziehungen zum Oberkellner mehr, um vor dreizehn Uhr Mineralwasser „mit Strom“ zu ergattern. Auch die „melinas“ sind mit dem Kommunismus in der Versenkung verschwunden.

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Wódka 1 fot.
Viele Polen wenig Flaschen, viele Flaschen wenig Polen oder der Triumph der Marktwirtschaft.

Dutzende neuer Wodka-Marken füllen die Regale, verkauft wird in den Geschäften rund um die Uhr, aber gekauft wird weniger. Dreiβig Halbliterflaschen im Jahr trinkt ein erwachsener Pole weg. Bier und Wein sind im Kommen. Von den gut zwölf Litern reinen Alkohols, die durchschnittlich im Jahr jeder mündige Einwohner des Landes verzehrt, entfallen 54 Prozent auf Bier, 39 Prozent auf Wodka und 7 Prozent auf Wein.

Das Trinken am Arbeitsplatz, einst eine Plage, hat ohne jegliche Appelle und Propaganda-Kampagnen erheblich abgenommen, weil Arbeit kostbar geworden ist. Dennoch: Es sind knapp eine Million Menschen, die in Polen als alkoholabhängig gelten.

Mehr als fünftausend Polen machen sich jeden Tag auf den Weg, um landesweit in Wodkafabriken und Brauereien für den Nachschub zu sorgen. Gut 750.000 Tonnen Getreide aber auch 50.000 Tonnen Kartoffeln sind dafür im Jahr notwendig, denn gerade aus den Erdäpfeln versteht man in Polen hervorragenden Wodka zu zaubern. Weitere 89.000 Leute verdienen ihr Geld als Zulieferer der Alkoholindustrie, besorgen den Transport und Verkauf der hochprozentigen Ware.

Wódka Himmilsbach bimber fot.
Nichts geht über einen guten „bimber‘, den Selbsgebrannten, aber nur wenn man seine Herkunft kennt. Filmszene aus dem polnischen Kinostreifen (1984) „Smażalnia story“ („Grillstuben-Story“) mit Iwona Kubisz und Jan Himmilsbach.

Der allerbilligste halbe Liter Wodka kostet beim Discounter um die 15 Zloty (knapp 4 Euro). Doch egal wie hoch der Preis ist, der Staat kassiert immer mit, und zwar knapp 60 Prozent des Preises. Auf diese Weise gelangten im Jahr 2016 gut 12,5 Milliarden Zloty (ca. 3 Milliarden Euro) in die polnische Staatskasse. Zum Vergleich: die jährliche EU-Förderung beträgt im Durchschnitt 9 Milliarden Euro.

Den Kommunismus vorzüglich überlebt hat „bimber“, auch, wie in Russland, „samogon“ genannt: Zucker. Karamell, Hefe, Tomatenmark, sogar alkoholhaltiger Tischlerleim verschwinden vor allem in ärmeren Gegenden aus den Regalen, sobald jemand herausfindet, dass sie sich billig zu Trinkbarem verarbeiten lassen. Der Selbstgebrannte hat schon manches Opfer gefordert, also sollte man die

Regel vier

unbedingt beherzigen: Von Flaschen ohne Steuerbanderole lieber die Finger lassen.

Die Nacht wird lang, der Schlaf kommt und so mancher Feuerwehrfest-Teilnehmer fällt mit dem Gesicht direkt ins Schweinskotelett. Die Tische haben sich längst in Schlachtfelder verwandelt. Kreuz und quer über die Reste von diversen Mayonnaisesalaten, Karpfenplatten in Gelee und Mohnkuchen-Rückständen hinweg finden Verbrüderungen statt. Doch nirgendwo ist eine einzige leere Wodka-Flasche zu sehen, denn

Regel fünf besagt:

Leere Flaschen auf dem Tisch bringen Unglück.

Wódka kieliszki fot.
Aus solchen Gläsern schmeckt der polnische Wodka natürlich noch besser.

 

Der nächste Tag ist natürlich hin. Doch je übler der Morgen danach, so

die Regel sechs,

desto besser war die Feier. Dem Katzenjammer nach dem Aufwachen kann man am besten mit einem Hundertgrammglas „auf ex“ beikommen. „Ein Keil treibt den anderen“:

Regel sieben.

Das Titelbild entstammt der polnischen Kult-TV-Serie „Alternatywy-Strasse 4“ (1983), hier mit dem Schauspieler Witold Pyrkosz. Der Name des Ortes wurde geändert.

© RdP

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Big Zbig – Mal Frieden, Mal Krieg

Am 26. Mai 2017 starb Zbigniew Brzeziński.

„Ein Pole ist Heiliger Vater, /ein zweiter Carters Berater, /der dritte leckt Breschnews Hintern, /der Rest darf in Warteschlangen überwintern.“

Es war eine der vielen, das kommunistische Regime verspottenden Volksreimereien, die Ende der 70er Jahre in Polen die Runde machten. Im Vatikan war Karol Wojtyła Papst, Parteichef Edward Gierek fungierte als Moskaus Statthalter an der Weichsel und Zbigniew Brzeziński beriet US-Präsident Jimmy Carter in Fragen der Sicherheitspolitik.

Rambo und Dämon nur auf Karikaturen

Im Land brodelte der Unmut, aber niemand ahnte, dass schon bald, mit der Streikwelle im Sommer 1980, die Zeit der ersten Solidarność (August 1980 – Dezember 1981) anbrechen würde. Vorerst, hinter dem Eisernen Vorhang eingepfercht, vom trostlosen Grau des Kommunismus ummantelt, dem Elend der Mangelwirtschaft ausgesetzt, schöpften die Polen Zuversicht daraus, dass zwei ihrer Landsleute die Geschicke der Welt mit in ihren Händen hielten.

Brzeziński Khyber-Pass, Pakistan tuz przy gr. afgańskiej 3.021980 fot.
Die Sowjets nur einige Kilometer entfernt. Brzeziński am Chaiber-Pass im Februar 1980.

Zudem erschien im Frühjahr 1980 in der gleichgeschalteten kommunistischen Presse Polens ein bemerkenswertes Foto. In einen Parka gekleidet, greift Zbig, wie er in den Staaten genannt wurde, zum Maschinengewehr, das ihm ein pakistanischer Offizier reicht. Die Waffe zielt mit dem Lauf in eine Schieβluke am Chaiber-Pass, Richtung Afghanistan, in das die Sowjets wenige Monate zuvor, im Dezember 1979, einmarschiert waren.

Die Bildunterschrift lautete: „Gefährliche Spiele“, und sollte wieder einmal das „aggressive Wesen des US-Imperialismus“ bloβstellen. Um einiges vergröβert, schmückte es bald darauf die Zimmerwände in vielen Studentenheimen und Privatwohnungen. Moskau die Stirn bieten, sich vom allmächtigen kommunistischen Imperium nicht einschüchtern lassen, Brzeziński galt damals geradezu als eine Symbolfigur dieser Haltung. Wer jedoch einen Rambo der internationalen Politik in ihm sah, hatte nicht genau hingeschaut.

Brzeziński karykatura
Brzeziński der dämonenhafte Strippenzieher antirussischer Intrigen. Russische Karikatur.

In den Augen der Sowjets verkörperte Brzeziński geradezu perfekt den dämonenhaften Strippenzieher im Dienste des raubeinigen amerikanischen Weltmachstrebens, und zwar bis an sein Lebensende. Wenn Washington irgendetwas tat, was Moskau Nachteile oder Niederlagen brachte, dann wurden auch noch in Jelzins und Putins Russland sofort Stimmen laut, dahinter stecke fraglos wieder einmal eine Machenschaft, die Arglist und Durchtriebenheit Brzezińskis.

Dementsprechend fiel auch der Nachruf auf Brzeziński in der linken „New York Times“ aus. Die Würdigung strotzte nur so von Beschreibungen und Feststellungen, wie: „Ein Falke“, „Ein Pro-Forma-Demokrat“ (gemeint ist die Partei). „Sein unerschütterlicher Hass auf die Sowjetunion platzierte ihn rechts von vielen Republikanern“. „In den vier Jahren, in denen er Carter beriet, war die Eindämmung des sowjetischen Expansionismus, im Guten, wie im Schlechten, der Leitfaden der amerikanischen Politik“. „Er reduzierte praktisch jedes Problem auf die sowjetische Bedrohung, auch dann, wenn viele Kenner der Auβenpolitik die Entspannungspolitik für den besseren Weg hielten“.

Die Dämonisierung Brzezińskis war, wie man sieht, nicht nur ein Privileg der Russen.

Mit Carter in den Untergang

In Wirklichkeit war Brzeziński nur eine kurze Zeit lang in etwa so einflussreich, wie ihn seine Gegner ausmalten, und zwar bis Anfang 1981. Damals verlieβ er nach nur vier Jahren als Sicherheitsberater das Weiβe Haus, zusammen mit dem nicht wiedergewählten Präsidenten Jimmy Carter.

Brzeziński Carter 22.02.1977 fot.
Brzeziński und Carter im Weiβen Haus. Februar 1977.

Brzeziński hat wesentlich zu Carters auβenpolitischen Erfolgen beigetragen. Dazu gehörten das Camp-David-Abkommen von 1978 und im Jahr darauf der israelisch-ägyptische Friedensvertrag. Der Abschluss des SALT-II-Vertrags mit der UdSSR (der jedoch nie ratifiziert wurde). Übergabe der Kontrolle des Panama-Kanals an Panama. Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Republik China auf Taiwan, die bis dahin als alleiniger Vertreter des chinesischen Volkes behandelt worden war, und parallel dazu, die Errichtung einer US-Botschaft in Peking.

Brzeziński Begin Camp David fot.
Camp David 1978. Schachpartie mit dem israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin. Beide in Polen geboren. Wenn es Vertrauliches zu besprechen gab, sprachen sie Polnisch.

Doch weder das, noch die von Brzeziński mitkonzipierten Versuche Härte zu zeigen (u. a. die Carter-Doktrin: Amerika wird militärisch gegen jeden vorgehen, der versuchen sollte die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen), wurden von der amerikanischen Bevölkerung mehrheitlich honoriert.

Zu schwer wogen der Sturz des US-freundlichen Schahs Reza Pahlavi im Januar 1979 und die Errichtung eines islamischen Gottesstaates im Iran. Das desaströse Scheitern des Stoßtruppunternehmens zur Befreiung der Geiseln in der US-Botschaft in Teheran im April 1980. Der Einmarsch der Russen in Afghanistan im Dezember 1979. Die USA verloren damals zu viel Macht und Einfluss im Nahen Osten, als dass Carter hätte wiedergewählt werden können.

Vor und nach seiner Zeit im Weiβen Haus (1977 – 1981) war Zbig zwar ein geschätzter Wissenschaftler und neben Henry Kissinger,    d e r amerikanische Fachmann für internationale Politik, aber das war‘s dann auch. Seine Bücher und Analysen fanden viel Beachtung in den Vereinigten Staaten und in der Welt, doch die darin entwickelten Ideen direkt umsetzten, das vermochte er kaum. Dass sich alle amerikanischen Präsidenten von Kennedy bis Obama immer wieder mal mit ihm getroffen hatten, änderte daran wenig.

Im Exil geblieben

Brzezińskis Herz hing sehr an Polen, dennoch kam niemals und nirgendwo auch nur der Hauch eines Zweifels an seiner Loyalität als US-Bürger auf. Den amerikanischen Pass beantragte und bekam er erst 1958, mit 30 Jahren.

Brzeziński Tadeusz Lipsk 1932 fot.
Tadeusz Brzeziński, polnischer Konsul in Leipzig 1932.

Tadeusz Brzeziński, Zbigniews Vater, war Diplomat im Zwischenkriegspolen gewesen. Er arbeitete als polnischer Konsul von 1931 bis 1935 in Leipzig, ermöglichte vielen deutschen Juden die Ausreise aus Hitlers Dritten Reich, wofür er 1978 mit dem Ehrentitel Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet wurde.

Von 1936 bis 1938, in der Zeit der Großen Säuberung Josef Stalins, versah Brzeziński-Senior seinen Dienst im sowjetukrainischen Charkow, 1938 wurde er nach Kanada versetzt. Dort erlebte die Familie den deutschen und sowjetischen Überfall auf Polen im September 1939 und den Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Die Brzezińskis, und mit ihnen Sohn Zbigniew, 1926 in Warschau geboren, blieben im Exil, auch nach 1945, als die von den Sowjets eingesetzten Kommunisten Polen für knapp ein halbes Jahrhundert unter ihre Fittiche nahmen.

Zbig studierte an der Harvard University bei Merle Fainsod, dem Mitbegründer der US-amerikanischen Sowjetunion-Studien und dem damals anerkanntesten Experten für die Sowjetunion. Brzezińskis Wissen über den Kommunismus, die Sowjetunion und ihre Satelliten war so groβ, dass er dem Sowjetblick ohne jegliche Illusionen begegnete.

Streicheln und prügeln

In seiner langen wissenschaftlichen und kurzen politischen Karriere befürwortete Brzeziński den Vietnamkrieg und war gegen George Bushs Krieg im Irak. Er arbeitete kräftig mit an der Aufrüstung des islamischen militärischen Widerstandes gegen die Sowjets in Afghanistan, rief aber dazu auf, Fidel Castros Kuba nach der Kubakrise von 1962 nicht allzu hart anzufassen, denn das treibe die Insel in die Arme der Sowjets.

Seine politischen Diagnosen und Rezepte widersprachen sich nicht selten, aber sie hatten alle denselben gemeinsamen Nenner: sein abgrundtiefes Miβtrauen gegenüber den Sowjets.

Was ihn ebenfalls auszeichnete waren seine gepflegte Eleganz und eine Aura distinguierter Unnahbarkeit, die ihn umgab. Zbig hin oder her, aber niemand wäre auf die Idee gekommen Brzeziński auf die Schulter zu klopfen, und das in dem für seine direkten Umgangsformen geradezu berüchtigten Amerika.

Brzeziński hatte während des Kalten Krieges, bis 1989, einen Leitfaden, von dem er nicht abwich: man darf nicht, wie die Republikaner das tun, den gesamten Ostblock nach dem gleichen Maβstab messen und behandeln. Sich zudem nur auf Abrüstungsverhandlungen (er sprach vom „Fetisch des Raketenzählens“) zu beschränken sei falsch.

Er entwickelte bereits Ende der 50er Jahre und vervollständigte anschließend laufend sein Programm des „peaceful engagement“, worunter er einen friedlichen Wettbewerb um Einfluss in Osteuropa verstand. Damit zeichnete er eine Abgrenzung gegenüber dem sowjetischen Konzept der „friedlichen Koexistenz“ auf, die um den Preis des Friedens, Amerikas Nichteinmischung und schweigende Duldung der schweren Menschenrechtsverletzungen im Ostblock voraussetzte.

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Brzeziński mit Auβenminister Cyrus Vance. Camp David, September 1977. Rivalen um die Gunst und die Aufmerksamkeit Carters.

Es gelte (Punkt 1), predigte Brzeziński, so gut es geht, die einzelnen kommunistischen Regime in Osteuropa mit Gunstbeweisen (Meistbegünstigungsklausel, günstige Kredite, Aufwertung durch Staatsbesuche der Parteichefs in den USA usw.) und politischem Druck (notfalls sogar Sanktionen) gegeneinander auszuspielen.

Zu diesem Repertoire gehörte z.B. Brzezińskis Vorschlag, Präsident Carter solle seinen ersten Europa-Besuch in Warschau beginnen. Mit Auβenminister Cyrus Vance, seinem Kritiker und Rivalen um die Gunst und die Aufmerksamkeit Carters, war so etwas nicht zu machen.

Brzeziński Carter Gierek fot.
Parteichef Edward Gierek (rechts i. B.) war „not amused“ nach dem Trinkspruch Jimmy Carters: „Im Namen des amerikanischen Volkes erhebe ich mein Glas auf den unbesiegbaren Geist und die Freiheit des polnischen Volkes“. Autor: Zbigniew Brzeziński. Warschau, Dezember 1977.

Die Reihenfolge war letztendlich eine andere, aber immerhin bereitete Carters Warschauer Trinkspruch vom Dezember 1977 den Polen viel Freude und ihren kommunistischen Machthabern Kopfschmerzen, weil sie ihn in der Presse abdrucken mussten: „Im Namen des amerikanischen Volkes erhebe ich mein Glas auf den unbesiegbaren Geist und die Freiheit des polnischen Volkes“. Autor: Zbigniew Brzeziński.

Genauso wichtig sei es, so Brzeziński, (Punkt 2), stets die Menschenrechte in den Beziehungen zum Ostblock hochzuhalten und einzufordern, den Dissidenten groβe Aufmerksamkeit zu schenken, sie dadurch vor Repressalien zu schützen und so immer mehr Menschen zum friedlichen Widerstand zu ermuntern.

Auβerdem darf man (Punkt 3), die nationale Frage im Ostblock und vor allem in der Sowjetunion nicht auβer Acht lassen. Die Sowjets haben den unterdrückten Völkern ihre Tradition und Würde genommen, das muss früher oder später zu Erhebungen und Konflikten führen, an denen die UdSSR zugrunde gehen wird. Die hohe Kunst der amerikanischen Politik werde darin bestehen, dass der Zerfallsprozess nicht mit einem nuklearen Desaster endet. Die Geschichte hat Brzeziński recht gegeben.

Eine Schwäche für Polen

Polen profitierte viele Male von Brzezińskis Schwäche für die alte Heimat. Anfang 1980, als die Sowjets, die DDR und die Tschechoslowakei ihre Truppen um Polen zusammenzogen und eine militärische Intervention gegen die Solidarność unmittelbar bevorstand, koordinierte er eine breite und erfolgreiche diplomatische Gegenoffensive unter der Leitung Präsident Carters und Johannes Paul II. Breschnew lieβ damals von Polen ab.

Brzeziński Jan Paweł II fot.
Brzeziński mit Papst Johannes Paul II. Polen gemeinsam vor dem russischen Einmarsch im Dezember 1980 gerettet.

Ein Jahr später, nach der Verhängung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski im Dezember 1981, war es Brzeziński, der die mächtige US- Gewerkschaftszentrale AFL-CIO überredete, der Untergrund-Solidarność mit Geld, geschmuggelten Kopiergeräten und internationalen Protestkampagnen zu helfen. Brzeziński war auch eine der wichtigsten amerikanischen Persönlichkeiten, die sich beharrlich für die Aufnahme Polens in die Nato einsetzten, was schlieβlich im März 1999 geschah.

Andererseits, so schrieb in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“ vom 03./ 04.06.2017) Irena Lasota, eine polnische Emigrantin und Dissidentin, die Ende der 70er Jahre bei Brzeziński an der Columbia University studierte, führte seine Hingezogenheit zu Polen dazu, dass er „die polnischen Kommunisten milder behandelte als alle anderen“. So sagte er z. B. in einer Fernsehsendung unmittelbar nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981, General Jaruzelski entstamme schlieβlich dem polnischen Adel und könne deswegen dem polnischen Volk kein groβes Leid zufügen.

Für Brzeziński gebühre Gott unser Dank

Nach dem Ende des Kommunismus lieβ sich der „späte Brzeziński“ zunehmend von der Mär vereinnahmen, in Polen sei das „goldene Zeitalter“ angebrochen. Die Sicherheit und der Wohlstand seinen durch den Nato- und EU-Beitritt gewährleistet. Das Bündnis der „Reformkommunisten“ wie Aleksander Kwaśniewski (Staatspräsident 1995 – 2005) oder Leszek Miller (Ministerpräsident 2001 – 2004) mit einem Teil der Solidarność-Eliten (Lech Wałęsa, Adam Michnik u.a.) habe die Frage der „nationalen Aussöhnung“ ein für alle Mal erledigt.

Dass das zumeist auf Kosten der Opfer des Kommunismus geschah, dass die Transformation Millionen von Polen zur Auswanderung oder einem Leben am Existenzminimum zwang, war nicht sein Problem.

Brzeziński GW o5.1989 fot.
Brzeziński zu Besuch in der Redaktion der „Gazeta Wyborcza“ mit einer der ersten Ausgaben der Zeitung. Warschau, Mai 1989. „Mit Tonnen von Zuckerguss überschüttet“.

Von der „Gazeta Wyborcza“, die diese Art der Darstellung Polens bevorzugt, mit Tonnen von Zuckerguss überschüttet, in einschlägigen Fernsehsendern, wie TVN (als Tusk Vision Network verspottet) auf Knien interviewt, merkte der einstige eiskalte Realist Brzeziński offenbar nicht, welch sozialer und politischer Unmut sich in seiner Heimat zusammenbraute. Dementsprechend fielen auch seine Äuβerungen nach der politischen Wende in Polen 2015 aus, für die er kein gutes Wort fand.

Brzeziński Tusk Komorowski TVN 06.2013 fot.
Brzeziński zu Gast auf dem damaligen politischen Olymp Polens. Mit Ministerpräsident Donald Tusk und Staatspräsident Bronisław Komorowski beim TV-Sender TVN. Warschau, Juni 2013. Auf seine alten Tage von den wahren Problemen Polens nichts mehr mitbekommen.

In einer Würdigung Brzezińskis im konservativen Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“ vom 05.06.2017) schrieb der Publizist Piotr Semka dazu: “Jeden Politiker sollte man nach der besten Zeit in seiner Karriere beurteilen. Zbig gelangte ins Zentrum der Weltpolitik in einer für Polen dramatisch wichtigen Zeit, Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Gott gebühre dafür unser Dank.“

Zbigniew Brzeziński starb mit 89 Jahren und wurde am 9. Juni 2017 in Washington bestattet. Die von ihm verschmähte nationalkonservative Regierung erwies ihm die gebührende Ehrebietung. Die polnische Delegation bei den Beisetzungsfeierlichkeiten wurde angeführt von Auβenminister Witold Waszczykowski.

© RdP




Beten und bewegen im Land menschenleerer Kirchen

Leid und Erfolg eines polnischen Pfarrers in Frankreich.

Waren Sie oft soweit, dass Sie nur noch Ihre Koffer packen und weg wollten?

Ja, viele Male, und viele Male habe ich innerlich gerufen: „Herr, hier kann man nichts mehr ausrichten. Ich habe keine Ideen mehr.“
Schon der Anfang war schwierig. Die Sprachbarriere: ein Priester aus Oberschlesien soll sich mit in Cannes geborenen Franzosen verständigen. Ich fühlte mich sehr klein und auch die Leute haben es mich manchmal schmerzlich spüren lassen. In meinem Kopf hämmerte ständig die Frage: war das eine gute Entscheidung? Wenn jemand Zdzisław Brzezinka (fonetisch: Szislaw Bschesinka – Anm. RdP) heiβt, dann hat er in Frankreich keine guten Karten.

Für einen Franzosen unaussprechlich.

Sie fragten, ob es einen entsprechenden französischen Vornamen gibt. Gibt es nicht. Ich habe meinen Pfarrgemeindemitgliedern gesagt: „Ihr könnt Schislaf sagen“, aber dabei dachte jeder an „Ich habe Durst“ (Jʼai soif). In einer Regionalzeitung schrieben sie: „In seinem Namen und Vornamen kommt das „z“ viermal vor!“

ks. Zdzisław Brzezinka fot.
Pfarrrer Zdzisław Brzezinka.

Zuerst war ich in Cannes. Das ging noch. Viele Rentner, die regelmäβig zur Kirche gingen. Es war die Zeit der Gewöhnung an die neue Umgebung, des Erlernens der Sprache, der Kultur.

Die wahren Lehrstunden der Demut begannen, als ich eine Pfarrei übernehmen musste, die man unweit von Nizza aus fünf Kleinstädten zusammengelegt hat.

Wie wurden Sie empfangen?

Zur offiziellen Begrüβung des neuen Pfarrers und um die kleinen Kirchengemeinden in den einzelnen Orten vorzustellen, kamen nicht einmal dreiβig Leute. Und das aus einer Pfarrgemeinde, die zehneinhalbtausend Einwohner zählte. Hätte man sie nicht ausdrücklich darum gebeten, wären sie gar nicht gekommen. Sie hatten kleine Modelle ihrer Kirchen dabei und lasen das was sie sagen wollten vom Blatt ab. Sie redeten mich mit dem Vornamen meines Vorvorgängers an. Man sah, dass sie jeglichen Kontakt zur Kirche verloren hatten. Es war zum Heulen.

Doch der neue Gemeindepfarrer krempelte die Ärmel hoch und…

Es war ein verzweifeltes Anrennen gegen die Widrigkeiten, krampfhafte Versuche Anschluss zu finden. Ich bin zu allen möglichen Treffen gegangen, ich habe Nachbarn beim Umzug geholfen, ich habe mit Kindern Fuβball gespielt und mich ständig gefragt, was dieses Rumkaspern eigentlich mit Seelsorge zu tun hat?

Die Kirchen waren nur bei Beerdigungen voll, Anlässen die dort einen mehr gesellschaftlichen als religiösen Charakter haben. Ich habe versucht sie zu nutzen, um das Evangelium weiterzugeben, eine geistige Verbindung herzustellen. Es hat nichts gebracht. Wie oft habe ich damals in meinen Gebeten den Satz wiederholt: „Herr, ich weiβ nicht, was ich tun soll.“

Warum sind die Kirchen im Westen menschenleer geworden?

Es gibt viele Erklärungen dafür, aber ich habe keine schlüssige Antwort auf diese Frage und will auch nicht verallgemeinern. Die Suche nach den Ursachen endet meistens in Schuldzuweisungen an diese Menschen. Ich weiβ nicht warum die Kirchen verwaist sind, aber ich weiβ, dass Gott über allem seine schützende Hand hält.
Kardinal Jean-Marie Lustiger (1926-2007, Erzbischof von Paris – Anm. RdP), mit den Vorwurf konfrontiert, dass die katholische Kirche in Frankreich von Irrglauben und Irrlehren zersetzt wird, antwortete: „Das stimmt, aber wir waren die ersten, die angefangen haben nach einer Therapie gegen diese Krankheit zu suchen.“ Andere zu beschuldigen ist ein Ausdruck des Hochmuts. Ich habe das begriffen, als ich selbst glaubte in eine ausweglose Lage geraten zu sein.

Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?

Ich bin zu den Treffen der Equipes Notre-Dame gegangen, der einzigen geistlichen Gemeinschaft (von Ehepaaren – Anm. RdP), die es in unserer Pfarrgemeinde gab. Es war toll. Kaffeetrinken, Gelächter, nette Gespräche. Alles, auβer Gott. Irgendwann habe ich ihnen gesagt: „Entschuldigt bitte, aber ihr seid keine religiöse, geistliche Gemeinschaft“. Sie haben es mir sehr übel genommen. Ich ging nach Hause. Mir wurde bewusst: „Jetzt hast du die einzige Laiengruppe in deiner Gemeinde auseinandergejagt“. Das war keine einfache Zeit. Ich bekam Briefe. Ein Gemeindemitglied schrieb mir: „Welcher Satan hat Sie, Herr Pfarrer zu uns geschickt?“

Hat es weh getan?

Sehr. Ich fand keinen Schlaf mehr. Aber gerade diese Gemeinschaft schuf den Ansatz für die Erneuerung. Es war sehr schwer ihnen den lebendigen Glauben zu vermitteln. Der „Widerstand der Materie“ war am Anfang enorm. Doch die meisten dieser Leute, alle zwischen fünfunddreißig und fünfzig Jahre alt, erwiesen sich als musikalisch sehr begabt. Ich habe vorgeschlagen, dass sie in der Messe spielen und singen. Das kam sehr gut an! Es entstand eine Gruppe, die andere zum gemeinsamen Proben zu überreden begann. Nach und nach bekam ich in der Kirche neue Gesichter zu sehen.

Wie ging es weiter?

Ich habe mich auf den Alpha-Kurs besonnen (Näheres dazu hier – Anm. RdP). Ich kannte ihn von früher, aber erst in Frankreich habe ich erlebt, welch enorme Wirkung er hat. Am Anfang haben wir ihn für eine kleine Gruppe von „Eingeweihten“ gemacht. Ich beobachtete, wie er den Glauben, der in ihnen fast schon abgestorben war zum Aufblühen brachte.

Wie belebt man also eine Pfarrgemeinde, die dahinscheidet?

Ich habe alles getan, um die Menschen dort abzuholen wo sie standen, auch wenn das sehr weit weg von Gott gewesen ist. Ich habe mir aber auch geschworen, ich werde mich niemals verstellen, mich anbiedern, so tun, als sei ich kein katholischer Pfarrer. Ich habe nie die Soutane abgelegt, bin niemals in „zivil“ aufgetreten. Und auch wenn es manchmal sehr fehl am Platze zu sein scheint, du musst den Mut haben zum Wort Gottes zu stehen und es zu den Menschen zu tragen.

Wichtig war auch das Gefühl der völligen Ratlosigkeit, das mich immer wieder beschlich. In einer Umgebung, die dich entweder ablehnt oder der du gänzlich egal bist, bist du ja völlig allein. Du hast dann nur zwei Möglichkeiten: entweder du fasst Mut oder du packst deine Sachen und gehst. Mut fassen bedeutet, sich niemals verkriechen, von Unfreundlichkeiten abschrecken lassen. Auf die Menschen zugehen und reden.

Ich kann mich gut erinnern an meine erste Begegnung mit dem Bürgermeister des Städtchens, in dem ich wohnte. Er war ein eingefleischter Kommunist. Ich kam um die Ecke und stieβ beinahe mit ihm zusammen. Er wusste wer ich bin und sagte: „Seit acht Monaten hat es nicht geregnet. Diese Trockenheit wird uns vernichten. Könnten Sie, Herr Pfarrer, mit dem Chef darüber reden?“ „Mal sehen was sich machen lässt“, habe ich ihm geantwortet und ging meinen Weg. Am Abend begann es zu regnen und es goss die nächsten zwei Wochen lang in Strömen. Ich traf ihn etwa zehn Tage später. „Herr Pfarrer, es reicht!“, rief er mir von der anderen Straβenseite aus zu.

Sie haben versucht so viele persönliche Kontakte wie möglich zu knüpfen.

Ja, denn sonst hast du ein Amt und keine Pfarrgemeinde. Zu dem oberen Teil der Stadt führte eine lange Treppe. Dreihundert Stufen rauf und dreihundert Stufen runter, manchmal einige Male am Tag. Ich weiβ nicht, wie ich das überstanden habe.

Eines Tages war endlich der von allen langersehnte Fahrstuhl fertig. Nur, dass er ständig kaputt ging. Ich habe dem Bürgermeister vorgeschlagen, ich werde ihn weihen. „Das ist verboten!“, entgegnete er. „Trennung zwischen Kirche und Staat.“

Ich bin regelmäβig zu den Sitzungen des Stadtrates gegangen, denn oft wurden dort Dinge besprochen, die auch die Pfarrgemeinde betrafen. Sie waren sichtlich verunsichert durch meine Anwesenheit, haben sehr aufgepasst was sie sagten. Der Bürgermeister fragte mich manchmal nach meiner Meinung und grinste dabei verschmitzt. Es war wie bei Don Camillo und Peppone.

Im September fand die feierliche offizielle Einweihung des Fahrstuhls statt. Er wurde mit republikanischem Pomp (Hissen der Tricolore, Marseillaise, gespielt von der Feuerwehrkapelle, Ehrenformation mit vier Dorfgendarmen usw.) seiner Nutzung übergeben. Der Lift fuhr los, blieb aber in der Mitte seines Weges stehen und wollte nicht weiter. Ich habe mir jeden Kommentar verkniffen.

Im Oktober habe ich eine Prozession geführt. Es war eine der vielen Prozessionen, die das besondere Kolorit vieler französischer Kleinstädte ausmachen, aber eigentlich kaum etwas mit dem Glauben zu tun haben. Es ist nur noch Tradition, festliche Folklore, wenn man so will, eine touristischer Attraktion, bei der Atheisten die Figur der Muttergottes herumtragen, hinter der der kommunistische Bürgermeister mit aufgeblähter Brust und Schärpe herschreitet.

Ich ging voran, hinter mir die Menge. Plötzlich bin ich von der vorgegebenen Route abgebogen. „Was machen Sie, Herr Pfarrer!?“, der Bürgermeister war sehr beunruhigt. Ich bin direkt auf den Fahrstuhl zumarschiert. „Wenn ich das Städtchen segnen soll, dann werde ich auch dieses Wunderwerk der Technik weihen.“ Der Bürgermeister war sprachlos und ich habe Thérèse von Lisieux (Näheres dazu hier – Anm. RdP) zitiert, die gesagt hat, dass sie von einem Fahrstuhl träumt, der sie direkt in den Himmel bringt. Das kam bei den Franzosen sehr gut an.

Dann habe ich den Fahrstuhl geweiht und laut gesagt: „Na? Seht ihr wie wunderbar er jetzt funktioniert?“ Wie sie sich alle darauf gestürzt haben, um es zu überprüfen! Ich habe mich innerlich vor Lachen geschüttelt. Übrigens hat der Bürgermeister mir gegenüber unter vier Augen zugegeben, dass der Fahrstuhl seither problemlos funktioniert. „Gott hält über allem seine schützende Hand“, habe ich ihm darauf geantwortet. Er gab sich nachdenklich.

Wurden Sie tätlich angegriffen?

Eine Zeit lang kam eine Gruppe von Jugendlichen in die Nähe der Kirche, um Fuβball zu spielen. Immer wieder kickten sie den Ball gegen die Kirchenmauer, die Glasfenster waren in Gefahr. „Könnt ihr aufhören?“ „Wir sind keine Katholiken, wir sind Moslems.“ „Und was wäre, wenn ich den Ball gegen die Mauer eurer Moschee kicken würde?“ Ein Junge fuhr mit der Hand über die Kehle.

Ich habe seinen Vater getroffen. Wir haben uns in aller Ruhe unterhalten. „Sehen Sie, dass ist ein wichtiges Gebäude für uns, unser Heim. Wir leben in Frieden miteinander. Wozu das aufs Spiel setzen?“ Seitdem hörte das Kicken des Balls gegen die Kirchenwand auf, die Jungs grüβten mich mit „bonjour“.

Es ist glimpflich ausgegangen, aber wir sind auch zu der Kirche gefahren, in der Pfarrer Jacques Hamel ermordet wurde (Näheres dazu hier – Anm. RdP). Die Kirche ist von Blumen und Gittern umgeben. Blumen und Gitter, das ist das Janusgesicht der heutigen Lage vielerorts in Frankreich. Pfarrer Hamel war doch mit dem dortigen Imam befreundet, kannte viele moslemische Familien und wurde von zwei Fundamentalisten ermordet.

Bei einem meiner ersten Gespräche mit jungen Moslems im Städtchen habe ich gesagt „Je suis un Polonais“ und sie ratterten daraufhin die Namen und Vornamen aller polnischen Fuβballer bei den Weltmeisterschaften 1974 herunter! Ich war perplex. Oft habe ich von Moslems gehört; „Gut, dass Sie hier sind, Herr Pfarrer.“

Sie haben am Anfang dreiβig Kirchgänger vorgefunden. Wie viele waren es nach sieben Jahren?

Siebenhundert. Im August 2014 ging es dann zurück nach Polen. Ich bin um halb zwei in der Nacht mit dem Auto aufgebrochen. Leise, ohne viel Aufhebens. Der letzte Kreisel in meiner Pfarrgemeinde war voll von Menschen. Sie kamen um mich zu verabschieden. Ich hatte feuchte Augen.

Wie wird die französische Gemeinde ohne Sie zurechtkommen?

Man soll die Menschen an Gott binden, niemals an sich selbst.

Das Gespräch erschien im katholischen Wochenmagazin „Gość Niedzielny“ („Sonntagsgast“) vom 19.02.2017.

RdP




»Leo« Polski

In die Jahre gekommen. Dem deutschen Panzer der Superlative steht die Polonisierung bevor.

Der Anlauf hat einige Jahre  lang gedauert, jetzt geht es an die Arbeit. Für umgerechnet gut 560 Mio. Euro sollen 128 »Leopard« 2A4 Panzer der polnischen Armee bis 2020 aufgerüstet und modernisiert werden. Knapp die Hälfte der Auftragssumme erhält der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall AG. Am Ende soll sich der deutsche »Leopard« 2A4 in einen »Leoparden« 2PL verwandeln. Ist hier gar ein »Leo« Polski im Werden? Daran scheiden sich noch die Geister.

Der erste Posten, 124 Stück des »Leopard« 2A4, traf zwischen August 2002 und Juni 2003 in Polen ein. Dabei handelte es sich um ursprünglich „eingemottete“ Exemplare, hergestellt zwischen 1985 und 1987. Sie sind es, die jetzt erneuert werden sollen.

Zur Lieferung gehörten damals ebenfalls zehn Bergepanzer 2, gepanzerte Reparaturfahrzeuge zur Instandsetzung und Bergung von beschädigten Kampfpanzern. Auβerdem 35 leichte, gepanzerte Transporter M113, die als mobile Feuerleitstellen und Gefechtsstände oder zur Bergung von Verwundeten eingesetzt werden, 6 Tieflader, knapp 120 Lastkraftwagen und 25 Geländewagen. Polen zahlte dafür gerade einmal etwa 25 Mio. Euro.

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»Leopard« 2A4 bei Truppenparade in Warschau.

Die internationale Lage war damals entspannt. Wegen zu hoher Lagerungskosten wollte die Bundeswehr daher enorme Bestände ihres ausgemusterten Fuhrparks aus der Zeit des Ost-West-Konfliktes loswerden. Der Bundesrechnungshof nahm ihr im Nachhinein den „Polen-Deal“, als zu preiswert, übel.

Im November 2013 kaufte Polen dann, für ca. 180 Mio. Euro, weitere 105 gebrauchte (Fertigungszeit zwischen 1995 und 1997) »Leopard«-Panzer der Version A4 und A5, sowie mehr als 200 Fahrzeuge der taktischen und technischen Unterstützung. Gebraucht, aber in sehr gutem Zustand. „Die Deutschen haben sie kaum genutzt und hervorragend gewartet“, hieß es damals von polnischer Seite.

2A4 – Unverwundbarkeitsmythos begraben

Inzwischen harren die ersten, im Jahr 2002 gekauften, 124 Panzer, die alle um die dreiβig Jahre alt sind, dringend einer Modernisierung. Wie sehr, das zeigte sich, als Ende August 2016 die Türkei die Operation “Schutzschild Euphrat” startete, mit dem Ziel an ihrer südlichen Grenze eine Sicherheitszone zu schaffen.

Anfang Dezember 2016 kamen in der Gegend der syrischen Stadt al-Bab rund 45 türkische »Leopard« 2A4 zum Einsatz. Bis zu zehn von ihnen wurden von IS-Kämpfern zerstört oder zumindest kampfuntauglich gemacht.

Damit war der Unverwundbarkeitsmythos des guten alten »Leopard« 2A4 begraben. Entstanden war dieser Mythos im Kosovo und in Afghanistan, wo es keine Verluste gab. Die neuesten Panzerabwehrlenkwaffen jedoch, wie die US-amerikanische TOW-2A der kurdischen Partisanen, aber auch die russischen 9K111 »Fagot« oder 9K135 »Kornet« der IS-Kämpfer, sind in der Lage die bereits etwas betagten »Leos« ernsthaft zu verwunden.

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Leoprad zniszczony 1 fot.
Zerstörte türkische »Leopard« 2A4 in Syrien. Dezember 2016.

Der grundlegende Entwurf des Panzers stammt aus den 1970er-Jahren und war darauf ausgerichtet Frontalangriffe riesiger sowjetischer Panzerverbände abzuwehren. Seine Vorderpanzerung ist sehr stark, wobei speziell die Turmfront für panzerbrechende Geschosse bis heute nahezu undurchdringlich ist. Um Gewicht zu sparen und die Mobilität zu verbessern wurden jedoch vor allem die Seiten der Wanne wesentlich schwächer gepanzert und müssen daher um jeden Preis abgesichert werden. Die Türken hatten dies offensichtlich versäumt.

Übrigens sind bei den neueren »Leos« der Typen A5 bis A7 diese Defizite weitgehend behoben. Dies soll bei dem 2A4 nun nachgeholt werden. Davon abgesehen ist, am Rande bemerkt, generell der Einsatz von einzelnen Panzern oder kleinen Gruppen, wie es die türkische Armee in Syrien praktiziert hat, ein gefährliches Unterfangen. Panzer müssen in gröβeren Verbänden eingesetzt werden.

Selbst ist der Pole

Das polnische Verteidigungsministerium hat den Groβauftrag zur Nachrüstung mit einem am 28. Dezember 2016 unterzeichneten Vertrag an den staatlichen polnischen Rüstungskonzern Polska Grupa Zbrojeniowa SA (Polnische Rüstungsgruppe AG – PGZ SA) vergeben. Acht von insgesamt sechzig PGZ-Betrieben sollen sich an der »Leo«-Modernisierung beteiligen.

Der Umbau wird in den Montage- und Reparaturhallen der Zakłady Mechaniczne (Mechanische Werke) Bumar-Łabędy SA im oberschlesischen Gliwice/Gleiwitz vorgenommen. Ihnen zuarbeiten sollen u. a. die Mechanischen Werke in Poznań/Posen (Antriebssysteme) und Tarnów (Richtantriebe für den Panzerturm), die Gleiwitzer OBRUM GmbH (übernimmt die notwendige Anpassung der Ausbildungsmittel und Simulatoren), das Warschauer Przemysłowe Centrum Optyki SA (Zentrum der Optischen Industrie AG) – Lieferant von Wärmebildgeräten der neusten Generation, die oberschlesische Rosomak SA, zuständig für eine neue rundum Turmpanzerung.

Für die polnische Seite war es wichtig, dass von dem Groβauftrag für die eigene Rüstungsindustrie so viel wie möglich an Wertschöpfung, hochqualifizierten Arbeitsplätzen und wehrtechnischem Know-how „hängen“ bleibt. Die Warschauer nationalkonservative Regierung hat sich nämlich die Wiederbelebung und Modernisierung der polnischen Industrie ganz groβ auf ihre Fahnen geschrieben.

Weg vom Billiglohnland, hin zu Hochtechnologien, lautet die Devise einer Politik, zu der die Rüstungsindustrie einen gehörigen Beitrag beisteuern soll. Ob es um die Beschaffung neuer Armeehubschrauber (Polen hat gleich zwei Helikopterfabriken: PZL Mielec des US-Konzerns Lockheed Martin und PZL Swidnik des italienischen Konzerns Finmeccanica-Leonardo), die Ausrüstung und Ausstattung der neu geschaffenen Territorialtruppen oder die Modernisierung der Marine geht, ausländische Rüstungsanbieter haben aktuell nur dann eine Chance, wenn sie die heimische Industrie kräftig mit einbinden.

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Bumar-Łabędy-Werke. Szenen einer »Leo«-Kampfwertsteigerung 1.

Eingeweihte wissen zu berichten, dass Rheinmetall in dieser Hinsicht ein schwieriger Gesprächspartner war. Der Konzern wollte gerne auf alle polnischen Wünsche eingehen. Allerdings, indem er eigene technische Lösungen liefert, und zwar am besten solche, die bereits in der bestehenden Angebotspalette enthalten waren. Neue, polnische Komponenten sahen die deutschen Rüstungskaufleute nur ungern, besonders wenn sie bereits ähnliche anbieten konnten. Übel nehmen kann man diese Einstellung den deutschen Rüstungskaufleuten nicht, doch die Polen hatten noch ein wichtiges Ziel vor Augen: ihre »Leos« in Zukunft möglichst ohne fremde Hilfe nutzen und warten zu können.

Am Ende der Verhandlungen stand ein Vertrag, den der polnische Hauptauftragnehmer, die Mechanischen Werke Bumar-Łabędy, am 18. Februar 2017 mit Rheinmetall abschloss. Beide Seiten verkündeten, sie hätten einen Erfolg davongetragen.

Das deutsche Unternehmen brüstete sich damit einen dicken Auftrag an Land gezogen zu haben und gab bekannt, „der strategische Partner“ zu sein, der „entscheidende Schlüsseltechnologien in der Elektronik und Waffentechnik“ zu dem »Leo«-Modernisierungsprogramm beisteuere. Den Polen hingegen war es wichtig, dass sie in Zukunft in Eigenregie Überholungs- und Reparaturpläne aufstellen sowie in Polen hergestellte »Leo«-Ersatzteile verwenden können. Dieser Aspekt wurde daher von polnischer Seite besonders herausgestellt.

»Leo« mit neuen Krallen

Fachleute sprechen bei diesem Vorhaben nicht von einer Generalüberholung sondern von einer Kampfwertsteigerung. Dennoch werden die »Leopard« 2PL keine neuen Glattrohrkanonen vom Typ L/55 bekommen. Die L/55 sind um 25 Prozent länger als ihre Vorgänger (die aktuell montierten L/44), haben eine deutlich höhere Mündungsgeschwindigkeit und erreichen damit eine entsprechend höhere Durchschlagsfähigkeit der Geschosse (bis zu 810 Millimeter Panzerstahl auf eine Entfernung von 2 Kilometern).

Da auf den polnischen »Leos« auch keine neuen Türme montiert werden sollen, kann leicht der Eindruck entstehen, es sei mehr oder weniger Kosmetik, die an den Kampfpanzern vorgenommen wird. Dem ist nicht so.

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Bumar-Łabędy-Werke. Szenen einer »Leo«-Kampfwertsteigerung 2.

Ihre Silhouette wird sich durch das Anbringen der ausgeklügelten modularen AMAP-Panzerung verändern. Diese dünne und leichte keramische Beschichtung erzeugt ein vierstufiges aktives Schutzsystem. Es erschwert erheblich die Erfassung des Panzers durch die feindliche Ortung. Es zerstört anfliegende Geschosse oder Lenkflugkörper. Gelingt das nicht, dann soll die eigentliche Panzerung den Durchschlag verhindern. Bei einem Treffer schützt sie die Besatzung vor den Auswirkungen. Das Technikwunder des deutschen Unternehmens IBD Deisenroth Engineering GmbH wird die polnische Rosomak SA in Lizenz herstellen. Zudem sollen minensichere Sitze und eine neue Feuerlösch- und Brandunterdrückungsanlage eingebaut werden.

Der Turm wird auf elektrische Richtantriebe der deutschen Firma Jenoptik AG (Lizenzhersteller Mechanische Werke Tarnów) umgestellt. Das erhöht die Präzision, schafft mehr Platz und vermindert die Gefährdung der Besatzung. Die bisherigen hydraulischen Richtantriebe wurden nämlich von einer leicht entflammbaren Flüssigkeit bewegt. Sie zirkulierte in Schläuchen, die im Turm verlegt sind.

Ein neuer Hilfsgenerator, in der Wanne eingebaut, ermöglicht die Stromversorgung des Fahrzeugs bei ausgeschaltetem Hauptmotor, was die Treibstoffkosten deutlich senken dürfte.

Die bisherige L/44-Kanone soll u.a. ein neues Rohrrücklaufsystem, einen neunen Verschluss und eine neue Mündungsbremse bekommen, sodass sie die modernsten Munitionssorten verwenden kann, die in der Lage sind die Panzerung der russischen Kampfpanzer T-90A und T-72B3 zu durchschlagen. Die herkömmlichen L/44-Kanonen konnten das nicht, bzw. nur bedingt.

Verbessert oder ersetzt werden noch viele andere Bestandteile und Systeme. Ganz wichtig ist dabei die Einhaltung der Gewichtsobergrenze von 60 Tonnen, damit die Aufhängung nicht verstärkt werden muss.

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Bumar-Łabędy-Werke. Szenen einer »Leo«-Kampfwertsteigerung 3.

Der Zeitplan ist sehr eng. Er sieht vor, dass Rheinmetall zusammen mit seinen polnischen Partnern bis Ende 2017 einen Prototyp an die Streitkräfte ausliefert. Nach Prüfung sollen diese dann die Serienproduktion freigeben. Die ersten fünf Serienfahrzeuge werden 2018 von Rheinmetall umgerüstet. Im gleichen Jahr sollen weitere zwölf Kampfpanzer unter Einbeziehung polnischer Subunternehmer bei Bumar-Łabędy auf gleiche Weise modernisiert werden. Dabei bildet Rheinmetall das Personal am Arbeitsplatz vor Ort aus. Ab dem 18. Fahrzeug übernimmt die polnische Seite die Projektleitung, das 124. Fahrzeug soll abschließend 2020 ausgeliefert werden.

Die jetzt anstehenden Modernisierungsmaßnahmen sind dringend erforderlich, damit die polnische Landesverteidigung glaubhaft und wirksam bleibt. Sie machen aus dem »Leoparden« keinen polnischen Panzer. Dass es jedoch bei den Verhandlungen gelang, dem Rheinmetall-Konzern viele Zugeständnisse in Sachen Lizenzen, Wertschöpfung und moderner Arbeitsplätze abzutrotzen, wird der Verteidigungsbereitschaft des Landes und seiner Industrie gut tun.

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