Wieviel verdienen die Polen 2019?

Statistik und Wirklichkeit.

Ein Herr geht mit seinem Hund spazieren. Im Durchschnitt haben sie drei Beine. Diese Anekdote passt gut zum Thema „Der statistische Durchschnittslohn in Polen“.

Verglichen mit Deutschland, Groβbritannien, den Benelux- oder den skandinavischen Staaten ist Polen immer noch ein Niedriglohnland. Ein Pole verdient im statistischen Durchschnitt nur 23 Prozent dessen, was ein Luxemburger in der Lohntüte nach Hause bringt. Aus der Sicht eines Bulgaren jedoch ist ein Pole schon ein Krösus, denn er verdient mehr als das Zweifache seines bulgarischen Kollegen. Wie viel verdienen also die Polen?

Der jährliche Durchschnittslohn und seine Folgen

Das polnische Statistische Hauptamt (Główny Urząd Statystyczny – GUS) ermittelt am Ende eines jeden Jahres den sogenannten Statistischen Durchschnittslohn im Unternehmenssektor (SDLiU). Er ist eine sehr wichtige Gröβe. Anhand des SDLiU werden die pauschalen Mindestbeiträge für die Sozialversicherung ermittelt (Rente und Berufsunfähigkeit – 19,52 Prozent, der Beitrag zum Krankenfonds – 9 Prozent sowie der Arbeitslosenversicherungsbeitrag – 2,45 Prozent), die Millionen von Gewerbetreibenden jeden Monat zu entrichten haben.

Das Statistische Hauptamt GUS in Warschau.

Wer ein Gewerbe betreibt, frei jobbt, mit Werkvertrag, Zeitvertrag u. Ä. arbeitet, muss sich bei der staatlichen Sozialversicherungsanstalt (Zakład Ubezpieczeń Społecznych – ZUS) registrieren lassen und zahlt monatlich, egal wieviel er wirklich verdient, diese drei Beiträge, berechnet nach dem statistischen Durchschnittslohn im Unternehmenssektor (SDLiU).

Für Anfang 2019 betrug dieser Durchschnittslohn brutto, laut dem Statistischen Hauptamt (GUS), 4.585 Zloty (etwa 1.076 Euro). Das sind um 313 Zloty mehr als Anfang 2018, also ein Anstieg um 7,3 Prozent (inflationsbereinigt um 5,3 Prozent). Netto betrug der Durchschnittslohn  3.269 Zloty  (etwa 767 Euro) vor Steuern. Es handelte sich um den höchsten SDLiU-Zuwachs seit 2008. Im Jahr 2017 betrug dieser Zuwachs noch, inflationsbereinigt, 3,4 Prozent.

Achtzig Jahre Statistisches Hauptamt. Briefmarke der Polnischen Post von 1998.

Dementsprechend zahlen Gewerbetreibende, Freiberufler usw. von Januar bis Dezember 2019 monatlich 1.316 Zloty (ca. 309 Euro) an Sozialversicherungsbeiträgen. Sie müssen zahlen, egal wieviel und ob ihr Gewerbe überhaupt in dem jeweiligen Monat einen Gewinn erbracht hat oder nicht. Für Kleinstläden und kleine Dienstleistungsfirmen (Friseure, Schuster, Änderungsschneidereien, Gemüsehändler u. Ä.) ist das eine geradezu mörderische Regelung. Sie zwingt viele dieser Firmen zur Aufgabe oder in die Grauzone. Für sie sind 1.316 Zloty viel Geld, auch wenn dadurch der nicht arbeitende Ehepartner und die Kinder mit krankenversichert sind.

Die Kleinen werden geschont

Eine diesbezügliche Reform, die Ministerpräsident Mateusz Morawiecki Mitte April 2018 angekündigt hatte, wurde durch die nationalkonservative Regierungsmehrheit im Juli 2018 verabschiedet. Sie ist am 1. Januar 2019 in Kraft getreten und verheiβt den Betroffenen endlich eine Entlastung.

Hauptsitz der Sozialversicherungsanstalt ZUS in Warschau,

Anstelle des Einkommens werden die Einnahmen versteuert. Wer als Gewerbetreibender im Vorjahr weniger als das Dreißigfache des gesetzlichen Mindestlohns (2018 betrug er 2.100 Zloty ≈ 493 Euro) eingenommen hat (also 63.000 Zloty ≈ 14.789 Euro), zahlt 2019 von seinen Einnahmen, nach einem speziellen Umrechnungsmodus, effektiv etwa 10 Prozent an Renten-, Berufsunfähigkeits- sowie Arbeitslosenversicherungsbeiträgen (anstelle von knapp 22 Prozent berechnet auf das Einkommen). Lediglich den Krankenkassen-Minimalbeitrag von (für 2019) 342 Zloty (ca. 80 Euro) muss der Kleinstunternehmer weiterhin jeden Monat in voller Höhe aufbringen.

Siebzig Jahre seit der Einführung der Sozialversicherungen in Polen. Briefmarke der Polnischen Post von 1990.

Knapp 125.000 von insgesamt 175.000 dieser Kleinstbetriebe, die es in Polen gibt, haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, obwohl die Anmeldefrist für 2019 schon am 8. Januar ablief.

Drei Jahre lang kann man diese verminderten Sozialbeiträge nutzen. Dann zahlt man zwei Jahre lang wieder die regulären einkommensabhängigen Sätze und kann anschließend wieder drei Jahre lang die geringeren Beiträge auf die Einnahmen nutzen. Wer sein Kleinstgewerbeleben lang nur vermindert zahlen würde, der bekäme am Ende eine Hungerrente.

Darin liegt auch der Nachteil der neuen Regelung: Wer heute weniger in die Sozialversicherung (Rente und Berufsunfähigkeit) einzahlt, wird zukünftig im Alter und bei Berufsunfähigkeit geringere Versicherungsleistungen erhalten. Sie sind bereits heute, auch bei Vollzahlern nach mindestens 25 und mehr Jahren sozialversicherungspflichtigen Arbeitens, nicht gerade üppig.

Festangestellte und Beamte zahlen die insgesamt knapp 32 Prozent Sozial- und Krankenfondsbeiträge auf ihren tatsächlichen Bruttolohn. In Polen gibt es keine hälftige Teilung der Sozialversicherungsbeiträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wie z. B. in Deutschland. Die Arbeitgeber tragen nur einen ganz geringen Anteil. Im Grunde kann man also sagen: Praktisch zahlt jeder voll für sich, egal ob selbständig oder abhängig beschäftigt.

Durchschnittslohn ist Fiktion

Leider berücksichtigt die staatliche Statistik bei der Berechnung des SDLiU nicht die Löhne und Gehälter in Kleinstfirmen mit bis zu neun Arbeitern oder Angestellten. Unter ihnen befinden sich viele Arbeitnehmer, die in die Scheinselbständigkeit gedrängt wurden, damit Arbeitgeber kein Kranken- und Urlaubsgeld für sie zahlen müssen. Auβer Acht gelassen werden auch alle Arbeitnehmer mit Werk- und Zeitverträgen. Bei der Berechnung des statistischen Durchschnittlohnes im Unternehmenssektor (SDLiU) werden also, sage und schreibe, Löhne und Gehälter von knapp fünf Millionen arbeitstätigen Polen nicht miteinbezogen.

Zudem wirft das Statistische Hauptamt GUS Löhne von Generaldirektoren, Managern, Vorständen in einen Topf mit Vergütungen von festangestellten Facharbeitern, Kassiererinnen und Putzfrauen. Bei einem Managergehalt von 20.000 Zloty (ca. 4.695 Euro) brutto, zehn Kleinangestelltenlöhnen von 2.300 (ca. 540 Euro) brutto und zehn Kleinangestelltenlöhnen von 2.600 Zloty (ca. 610 Euro) brutto, ergibt sich z. B.  ein Durchschnitt von 3.285 Zloty (ca. 771 Euro) brutto. Doch von den einundzwanzig Personen verdienen zwanzig deutlich weniger als den errechneten Durchschnitt, ganz zu schweigen vom SDLiU in Höhe von 4.585 Zloty.

Median…

Fachleute weisen darauf hin, dass der sogenannte Median oder Zentralwert viel besser als der SDLiU die Lohnrealität im Lande wiedergibt. Im Jahr 2017 betrug der Median für alle Löhne in Polen 3.510 Zloty brutto ≈ 824 Euro (der Statistische Durchschnittslohn im Unternehmenssektor SDLiU 2017 war 4.272 Zloty ≈ 1.003 Euro brutto).

Anders als den SDLiU berechnet das Statistische Hauptamt den Median nur alle zwei Jahre. Man muss sich also bis Ende 2019 bzw. Anfang 2020 gedulden.

Es gibt aber einen amtlich geschätzten Median für Ende 2018 und zwar 3.690 Zloty (ca. 866 Euro). D.h. die Hälfte der Polen liegt 2019 mit ihrem Lohn irgendwo über den 3.690 Zloty brutto (2.510 netto vor Steuern ≈ 590 Euro), die andere Hälfte irgendwo darunter.

… und Modus sind besser

Noch glaubwürdiger ist der Modus oder Modalwert. Er zeigt den am häufigsten gezahlten Lohn an. In Polen betrug der Lohnmodus Anfang 2018 genau 2.570 Zloty brutto (etwa 603 Euro). Das sind (die rund 32 Prozent Sozialversicherungsbeiträge abgezogen) fast 1.748 Zloty (ca. 410 Euro) auf die Hand, vor Steuern.

Auch der Modus wird nur alle zwei Jahre amtlich berechnet. Für Ende 2018 gibt es aber eine amtliche Schätzung: 2.710 Zloty (ca. 636 Euro) brutto oder 1.843 Zloty (ca. 433 Euro) netto vor Steuern. Das ist 2019 der in Polen am häufigsten gezahlte Lohn.

So bleibt also der offizielle SDLiU von 4.585 Zloty (ungefähr 1.076 Euro) brutto für etwa 70 Prozent aller arbeitenden Polen unerreichbar. Viele, vor allem in der Provinz, bekommen gerade mal den gesetzlichen Mindestlohn (GMiLo) von 2.220 Zloty (ca. 521 Euro) brutto, von dem netto, also nach Abzug der 32 Prozent Sozialabgaben, 1.510 Zloty (ca. 354 Euro) auf die Hand, vor Steuern bleiben. Das ist dramatisch wenig.

Einkommensteuersätze und Freibeträge

Die Einkommenssteuersätze betragen in Polen 18 Prozent bei einem Jahreseinkommen bis zu 85.000 Zloty (ca. 19.953 Euro). Wer im Jahr mehr verdient hat, zahlt 32 Prozent.

Das Finanzministerium in Warschau,

Die Steuerfreibeträge: Jahreseinkommen bis 6.600 Zloty (ca. 1.550 Euro) sind steuerfrei. Für Jahreseinkommen zwischen 6.600 Zloty und 85.000 Zloty beträgt der Steuerfreibetrag 3.091 Zloty (ca. 725 Euro). Für Jahreseinkommen über 85.000 Zloty gibt es keinen Steuerfreibetrag.

Eheleute können ihre Einkommensteuer gemeinsam abrechnen, was mit einem Ehepartner ohne oder auch mit einem nur geringen Einkommen den zu versteuernden Einkommensbetrag verkleinert oder sogar halbiert. Genauso verhält es sich bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern, die ihr Einkommen  zusammen mit ihren Kindern von bis zu 18 Jahren versteuern können.

Kinderfreibeträge werden von der zu zahlenden Jahreseinkommenssteuer abgezogen. Für das erste und zweite Kind sind dies jeweils 1.122 Zloty (ca. 263 Euro). Für das dritte Kind 2.000 Zloty (ca. 469 Euro). Für das vierte und jedes weitere Kind bis zum 18. Lebensjahr werden 2.700 Zloty (ca. 634 Euro) von der zu zahlenden Jahreseinkommenssteuer in Abzug gebracht.

Der gesetzliche Mindestlohn, der gesetzliche Stundenlohn und die Inflation

Ab dem 1. Januar 2019 ist der Gesetzliche Mindestlohn (GMilo) von 2.100 Zloty (ca. 493 Euro) auf 2.220 Zloty (ca. 521 Euro) brutto gestiegen. In Deutschland beträgt er 1.557 Euro. In Österreich, obwohl nur in den Tarifverträgen festgelegt, kann man von einem GMilo von 1.500 Euro ausgehen.

Gegenüber den westeuropäischen Staaten fällt der polnische GMilo gering aus. Er beträgt z.B. in Luxemburg 1.999, in Irland 1.614, in den Niederlanden 1.594, in Belgien 1.563, in Frankreich 1.525, in Groβbritannien 1.498 und in Spanien 1.060 Euro.

Im GMilo-Mittelfeld bewegen sich Malta 748 Euro, Griechenland 684 Euro und Portugal 677 Euro.

Unter den europäischen Schlusslichtern in Ostmitteleuropa jedoch liegt Polen mit seinen 521 Euro an der Spitze. In Estland erhält man einen Mindestlohn von 500 Euro, in der Slowakei 480, in Tschechien 469, in Kroatien 466, in Lettland 430, in Ungarn 418, in Rumänien 407, und in Litauen schließlich 400 Euro.

Im Jahr 2016 hat die Regierung von Recht und Gerechtigkeit zum ersten Mal nach 1989, ab dem 1. Januar 2017, einen Gesetzlichen Minimalen Stundenlohn (GMiS) von 13 Zloty (ca. 3,05 Euro) eingeführt.

Für das Jahr 2018 wurde dieser auf 13,70 Zloty (ca. 3,22 Euro) angehoben. Seit dem 1. Januar 2019 beträgt der Gesetzliche Minimale Stundenlohn in Polen 14,50 Zloty (ca. 3,40 Euro). In Deutschland beträgt er 9,19 Euro, in Österreich 10,90 Euro. In der Schweiz gibt es ihn nur in einigen wenigen Kantonen und dort variiert er.

Die Inflation betrug in Polen Anfang 2019 knapp 1,6 Prozent, die Arbeitslosigkeit lag bei 5 Prozent.

Das 500 Plus-Programm

Eine sehr wichtige staatliche Einkommenserhöhungsmaβahme der nationalkonservativen Regierung war die Einführung des allgemeinen monatlichen Kindergeldes in Höhe von 500 Zloty (ca. 117 Euro) für jedes zweite und weitere Kind bis 18 Jahren ab dem 1. April 2016. Ab dem 1. Juli 2019 kommen 500 Zloty auch für das erste Kind bis 18 Jahren hinzu.

Offizielles Emblem des 500 Plus-Programms.

Angesichts der zuvor geschilderten Einkommensverhältnisse in Polen hat dieses Programm die materielle Situation von Millionen von geringverdienenden Familien mit Kindern schlagartig verbessert. Gemäβ den Angaben des Statistischen Amtes der EU (Eurostat) waren Anfang 2016 knapp 25 Prozent aller Kinder in Polen von Kinderarmut betroffen. Inzwischen gehören noch 18 Prozent zu dieser Gruppe, genauso viele wie in Deutschland.

Von dem Programm profitieren insgesamt 6,2 Millionen Kinder und deren Familien. Die 500 Plus-Leistungen sind an keine Einkommensgrenzen gebunden. Sie werden auch nicht mit anderen Sozialleistungen verrechnet.

Mehr dazu in „Frau Szydłos neues Kindergeld“

 Einkommensunterschiede im Einzelnen

Das obere Einkommenssegment sieht in Polen 2019 folgendermaβen aus: Nur 1,9 Prozent der Polen verdienen 20.000 Zloty und mehr (ca. 4.695 Euro) brutto im Monat. Abzüglich der Sozialabgaben sind das 13.600 Zloty (ca. 3.192 Euro) vor Steuern. Knapp 9,8 Prozent verdienen zwischen 20.000 und 10.000 Zloty brutto (zwischen ca. 4.695 und ca. 2.347 Euro), also von 13.600 bis 6.800 Zloty (ca, 3.192 bis 1.596 Euro) auf die Hand vor Steuern.

Auf dem anderen Ende der Skala befinden sich ca. 1,5 Millionen, also 13 Prozent der arbeitenden Polen, die lediglich den Gesetzlichen Mindestlohn von 2.220 Zloty (ca. 521 Euro) brutto , also 1.510 Zloty (ca. 354 Euro netto), bekommen. Für sie, wenn sie Kinder haben, ist das neue Kindergeld von 500 Zloty (ca. 117 Euro) pro Kind geradezu ein Segen.

Die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern, neudeutsch „Gender Pay Gap“ genannt, beträgt 2019 in Polen, laut Eurostat, 7,2 Prozent (2,8 Prozent im öffentlichen Sektor) und gehört mit zu den niedrigsten in der EU. Der EU-Mittelwert liegt bei 16,2%.

Polen platziert sich mit seiner Lücke an fünfter Stelle hinter Rumänien 5,2 Prozent, Italien 5,3, Luxemburg 5,5 und Belgien 6,1 Prozent, weit vor Österreich 20,1, Groβbritannien 20, Deutschland 21,5, Tschechien 21,8 und Schlusslicht Estland mit 25,3 Prozent.

Bei privaten Firmen in Polen beträgt der Median (Zentralwert) der Löhne und Gehälter 4.700 Zloty (ca. 1.103 Euro) brutto und 3.196 Zloty (ca. 750 Euro) netto vor Steuern. Das heiβt, die eine Hälfte der Löhne liegt irgendwo darunter und die andere über 750 Euro netto nach Abzug der Sozialabgaben.

In Staatsunternehmen liegt der Median (Zentralwert) bei 4.066 Zloty (ca. 954 Euro) brutto und 2.765 Zloty (ca. 649 Euro) netto vor Steuern.

Bei kommunalen Unternehmen beträgt der Zentralwert 3.600 Zloty (ca. 845 Euro) brutto und 2.448 Zloty (ca. 575 Euro) netto vor Steuern.

In Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gibt es schlieβlich einen Zentralwert von 4.238 Zloty (ca. 995 Euro) brutto und 2.882 Zloty (ca. 677 Euro) netto vor Steuern.

In mittelgroβen und groβen Unternehmen, oft ausländischer Herkunft, beträgt 2019 der Median für Manager 12.822 Zloty (ca. 3.009 Euro) brutto und 8.719 Zloty (ca. 2047 Euro) netto vor Steuern.

Wobei angemerkt werden muss, dass jeder vierte Manager mehr als 19.279 Zloty (ca. 4.526 Euro) brutto und 13.110 Zloty (ca. 3.077 Euro) netto vor Steuern verdiente. Vergünstigungen wie Dienstwagen, Fitness-Club, private Gesundheitsfürsorge usw., usf. wurden nicht eingerechnet. Ihrer Funktion entsprechend gilt dies auch für die nachstehenden Gruppen.

Produktionsleiter kommen in diesem Segment auf einen Zentralwert von 7.000 Zloty (ca. 1.643 Euro) brutto und 4.760 Zloty (ca. 1.117 Euro) netto vor Steuern. (25 Prozent von ihnen verdienen mehr als 10.000 Zloty brutto).

Abteilungsleiter: Zentralwert 6.650 Zloty (ca. 1561 Euro) brutto und 4.522 Zloty (ca. 1.062 Euro) netto vor Steuern. (25 Prozent verdienen mehr als 9.400 Zloty brutto).

Vorarbeiter/Meister: Zentralwert 4.500 Zloty (ca. 1.056 Euro) brutto und 3.060 Zloty (ca. 718 Euro) netto vor Steuern. (25 Prozent verdienen mehr als 5.645 Zloty brutto).

Arbeiter: Lohnzentralwert 3.205 Zloty (ca. 752 Euro) brutto und 2.179 Zloty (ca. 512 Euro) netto vor Steuern. (25 Prozent verdienen mehr als 4.100 Zloty brutto)

Am besten, abgesehen von den Managern, verdienen in Polen 2019 Programmierer, E-Commerce- und Telekommunikation-Fachleute. Der Zentralwert liegt in dieser Gruppe bei 6.000 Zloty (ca. 1.408 Euro) brutto und 4.080 Zloty (ca. 957 Euro) netto vor Steuern. Auch hier gibt es Ausreiβer (25 Prozent) mit mehr als 8.500 Zloty brutto sowie einem in dieser Branche üblicherweise sehr groβen Angebot an nichtmateriellen Vergünstigungen.

Pharma, Biotechnologie, Finanzdienstleistungen, Versicherungen: Zentralwert 5.500 Zloty (ca. 1.291 Euro) brutto und 3.740 Zloty (877 Euro) netto vor Steuern.

Schwerindustrie: Zentralwert 5.000 Zloty (ca. 1.174 Euro) brutto und 3.400 Zloty (ca. 798 Euro) netto vor Steuern.

Dienstleistungen für die Bevölkerung, Tourismus, Gastronomie: Zentralwert 3.500 Zloty (ca. 822 Euro) brutto und 2.380 Zloty (ca. 589 Euro) netto vor Steuern.

Auch räumlich gesehen gibt es in Polen ein beachtliches Lohngefälle. Während in Warschau der Median (Lohnzentralwert) 6.100 Zloty (ca. 1432 Euro) brutto beträgt (4.148 Zloty ≈ 974 Euro netto vor Steuern), liegt er in Wrocław bei 5.400 Zloty (ca. 1.268 Euro) brutto und 3.672 Zloty (ca. 862 Euro) netto vor Steuern.

In Kraków, Poznań und Katowice beträgt der Zentralwert 5.000 Zloty (ca. 1.173 Euro) netto und 3.400 Zloty (ca. 798 Euro) netto vor Steuern.

Am Ende der Skala rangieren Olsztyn, Kielce und Lublin mit einem Zentralwert von 3.750 Zloty (ca. 880 Euro) brutto und 2.550 Zloty (ca. 599 Euro) netto vor Steuern.

Will man den Zentralwert der Löhne und Gehälter auf dem Land auβerhalb der (hier nur beispielhaft)  erwähnten polnischen Groβstädte erfahren, dann muss man jeweils etwa zehn Prozent von den angegebenen Werten abziehen.

Gefragt, ob sie ihren Lohn als gerecht empfinden, antworteten Ende 2018 nur 4 Prozent der Polen mit „eindeutig ja“. 32 Prozent „eher ja“. 41 Prozent „eher nein“ und 21 Prozent mit „eindeutig nein“.

Der umstrittene Gini-Koeffizient

Lange Zeit galt in Polen die These, dass sich die Lohnunterschiede innerhalb der berufstätigen Bevölkerung verkleinern. Sie wurde untermauert von den Untersuchungsergebnissen des Statistischen Hauptamtes (GUS). Zwischen 2006 und 2016 soll der sogenannte Gini-Koeffizient, mit dem diese Unterschiede gemessen werden, von 33 auf 30 gefallen sein. Null bedeutet auf der Gini-Skala absolute Gleichheit. In Deutschland beträgt der Gini-Koeffizient 29, in Schweden 27, in Russland 41.

Die GUS-Untersuchungen erwiesen sich jedoch als unzulänglich. Sie wurden von Interviewern durchgeführt, die den Befragten Fragebogen zum Ausfüllen brachten. Diese schrieben hinein, was sie für richtig hielten. Die Reichen und Reichsten waren hierbei in ihren gut abgeschirmten Wohnsiedlungen und Residenzen meistens gar nicht erreichbar.

Die neusten gemeinsamen Untersuchungen des GUS und des polnischen Finanzministeriums stützen sich deswegen vor allem auf Steuerangaben.

Aus ihnen geht hervor, dass von 1989 bis 2018 die zehn Prozent der am besten verdienenden Polen ihren Anteil am Gesamteinkommen der Bevölkerung von 25 Prozent auf 40 Prozent erhöhen konnten. Dementsprechend stehen 90 Prozent der Polen nur 60 Prozent des Gesamteinkommens im Lande zur Verfügung. Das Ergebnis: Der Gini-Koeffizient beträgt in Polen 51.

Das wäre ein trauriger Rekord, der das Land in eine Reihe mit Botswana, Haiti und Namibia – jeweils um die 61 und dem Weltrekordhalter Südafrika mit einem Gini-Koeffizienten von knapp 64 stellen würde. Wäre da nicht die Tatsache, dass die Gini-Untersuchungen in den meisten Ländern nach derselben Methodik durchgeführt werden wie seinerzeit in Polen. So lange das so bleibt, taugen, wie es sich zeigt, alle internationalen Gini-Koeffizient-Vergleiche wenig.

Groβe Teile der polnischen Gesellschaft, die Arbeit haben, können nur sehr mühsam ihre elementaren Bedürfnisse befriedigen. Diese Gruppe von oft jungen Menschen kann sich nur das billigste Essen leisten, Second-Hand-Kleidung (in Polen sehr verbreitet) kaufen, die Monatskarte, um zur Arbeit zu kommen, erwerben. Zum Kauf einer neuen Waschmaschine müssen sie bereits einen Kredit aufnehmen. Sozialhilfe steht ihnen nicht zu, denn die bekommt man in Polen nur, wenn das Pro-Kopf-Einkommen in einer Familie unter 510 Zloty (ca. 120 Euro) liegt.

Gut zwei Millionen Polen sind seit 1990, auf der Suche nach Arbeit, dauerhaft ausgewandert. Durch die Emigration, durch die seit 1990 ständig fallende Geburtenrate und die gute Konjunktur, die seit 2015 anhält, fehlen zunehmend Arbeitskräfte.

Daraus ergibt sich ein steigender Druck auf die polnischen Arbeitgeber, die Löhne zu erhöhen, um Arbeitskräfte halten zu können oder neue zu werben. Die Firmen tun dies sehr widerstrebend, daran gewöhnt, dass die Menschen in Polen händeringend Arbeit suchten, und nicht umgekehrt. Inzwischen sind nicht nur Fachkräfte (vor allem Fernfahrer, Bauarbeiter und Programmierer), sondern teilweise auch Aushilfskräfte knapp geworden.

Mehr dazu in  „Auf gutes Geld programmiert“ 

2019 findet also ein Lohnanstieg statt, der zwar zu den höchsten seit 2008 gahört, sich aber dennoch in Grenzen hält. Der Grund: Viele Ukrainer, die auf Arbeitssuche nach Polen kommen. Ihre Lohnerwartungen sind etwas bescheidener. Geschätzt arbeiten bereits bis zu einer Million Ukrainer in Polen. Tendenz steigend.

Mehr dazu in „Billigpole wird unterboten“

 Hinweis: Der  EZB-Referenzkurs (Durchschnitt im Jahr 2018) betrug 1 Euro = 4,2615 Zloty. Für die Umrechnung der im Artikel aufgeführten Beträge in Euro wurde er (da Devisenkurse ohnehin ständigen Schwankungen unterliegen) auf zwei Nachkommastellen, d.h. 1 Euro = 4,26 Zloty, abgerundet.

Lesenswert auch:

„Wie reich sind die Polen 2018“

„Wie trinken die Polen“

„Weiss, weisser, deutsch“

„Was tragen die Polen“

„Was essen die Polen“ 

© RdP