29.06.2022. Politik unterhalb der Gürtellinie. Gedanken am Rande der Warschauer Schwulenparade

Es sollten 80.000 kommen, am Ende waren es, so die Schätzungen der Polizei, etwa 15.000. Die zwanzigste alljährliche Gleichstellungsparade sexueller Minderheiten zog am Samstag, dem 25. Juni durch das, hitzebedingt, fast menschenleere Stadtzentrum von Warschau. Es gab keine Zwischenfälle, dafür, wie immer, einige Obszönitäten und, zum ersten Mal, viele ukrainische Homoaktivisten, die ihre Meinung laut kundtaten: Die Toleranz in Polen sei viel weiter fortgeschritten als in ihrer Heimat.

Mit von der Partie waren Politiker aus dem linksliberalen und vor allem dem linken Lager. Polens Linke ist zersplittert, aber in einigen Punkten zeigt sie Einigkeit. Fast ausschließlich angesiedelt in der dünnen Schicht großstädtischer Öko-, Urban-Styler- und gut situierter, dem westlichen Zeitgeist nacheifernder liberaler Bildungseliten-Milieus, konzentriert sich linke Politik beinahe ausnahmslos auf die Forderungen sexueller Minderheiten und Themen wie die weitestmögliche Freigabe von Abtreibungen sowie die Aufnahme von Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten. Die wichtigen Probleme der Sozialpolitik überlässt sie der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, die diese mit Geschick anpackt und sich daher gute Chancen ausmalen kann, im Herbst 2023 die Parlamentswahlen zum dritten Mal in Folge zu gewinnen.

Doch die polnische Linke geht noch weiter. Regenbogenfahnen schwingend marschierten ihre Politiker auch bei der diesjährigen Warschauer Homoparade begeistert Hand in Hand mit Vertretern von Konzernen. Da waren die Repräsentanten großer Banken, darunter derjenigen, die für die Krise im Jahr 2008 verantwortlich waren: Goldman Sachs und J.P. Morgan. Auch Coca-Cola, Unilever und Microsoft waren mit von der Partie. Man war geradezu überrascht, dass Amazon nicht dabei war, denn das Unternehmen ist für seine hervorragende Behandlung aller Mitarbeiter, unabhängig von ihren sexuellen Veranlagungen, bekannt. Das sollte natürlich nur ein Scherz sein…

Wie auch immer, die Großkonzerne dieser Welt haben wieder einmal vorgegeben, die Unterdrückten zu sein, und linke Politiker haben diese Chuzpe bezeugt.

Wenn sich jemand fragt, warum die polnische Linke seit geraumer Zeit eine politische Niederlage nach der anderen einsteckt, so hat er die Antwort: Eine Politik, die sich fast ausschließlich unterhalb der Gürtellinie bewegt, greift viel zu kurz.

Es gibt in der Tat eine ganze Reihe von Problemen, die von einer politischen Kraft, die sich für die Rechte der Ausgegrenzten einsetzt, angegangen werden könnten. Was ist mit den Gewerkschaften in den Konzernen, die von ihren polnischen Arbeitnehmern erwarten, dass sie sich mit LGBTQIA-Milieus identifizieren? Wie könnte man das Rentensystem reformieren? Wie kann man Bedürftige schützen? Wie schafft man Wohnraum für  Geringverdiener?

Das sind die Themen, mit denen sich die Linke im Laufe ihrer Geschichte beschäftigt hat. Heute tun das die regierenden Nationalkonservativen und werden deswegen als Populisten verschrien.

Die Weltkonzerne verfahren in diesem Fall nach der Methode „Haltet-den-Dieb“. Sie selbst haben viel in Sachen Arbeitnehmerrechte im Westen und Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in ärmeren Ländern auf dem Gewissen. Manche von ihnen unterlaufen die Sanktionen gegen Russland. Andere wiederum, wie BNP Paribas oder Google, stehen in engsten Geschäftsbeziehungen mit Staaten, wie dem Iran, dem Sudan oder Saudi-Arabien, wo die Homosexualität mit Gefängnis oder gar mit der Todesstrafe geahndet wird. Doch bei der Homoparade achtet niemand darauf, denn der Feind sind diejenigen, denen vorgeworfen wird, die Rechte von Minderheiten einzuschränken. In diesem Fall ist es angeblich die jetzige polnische Regierung.

Es scheint auch für die Schwulenaktivisten keine Rolle zu spielen, was ein Sponsoren-Unternehmen tut. Entscheidend ist, dass seine Chefs, und auf deren „Empfehlungen“ hin auch die Mitarbeiter, Regenbogenfahnen schwingen und die richtigen, politisch korrekten Ansichten vertreten.

RdP




Migranten aufnehmen? Bedenken aus Polen zum Lesen empfohlen

Sicherheit für das Land. Hilfe vor Ort. Aus den Fehlern anderer lernen.

Der Reporter und Publizist Witold Gadowski gilt als einer der besten polnischen Kenner des Nahen Ostens auf der konservativen Seite des politischen Spektrums. Ob man sie nun teilt oder nicht, es ist aufschlussreich seine Beobachtungen und Einschätzungen kennenzulernen, denn sie machen die Einstellung der meisten Polen nachvollziehbar und bilden zugleich die Grundlage für die offizielle Haltung Warschaus in dieser Frage.

Das Gespräch erschien im Wochenmagazin „Sieci“ („Netzwerk““) vom 14.01.2018.

Wissen wir inzwischen warum 2015 mehr als eine Million Migranten nach Europa reingelassen wurden? War das Zufall, eine Regung der Menschlichkeit, ein gut durchdachter Plan?

Witold Gadowski.

Der Streit darüber dauert an, ein Ende ist nicht abzusehen. Einerseits haben wir da die Ideologie der naiven Zuversicht. Der arabische Frühling war eine wunderbare Erscheinung. Die arabischen Gesellschaften sind endlich erwacht.

Die groβe Völkerwanderung war eine Folge des Zusammenbruchs von Willkürregimen im Nahen Osten und Nordafrika. Europa wird nun durch Menschen anderer Kulturen bereichert. Engstirnige nationale Eigenbefindlichkeiten werden zerschlagen. Europa öffnet sich einer neuen, lichten Zukunft, in der die heutigen Völker sich wie in einem Schmelztiegel endlich auflösen werden.

Alle Völker? Keine Inseln, die die Aufnahme von Migranten verweigern?

Keine Ausnahmen. Die Verfechter der naiven Zuversicht sind nicht so naiv um nicht zu wissen, dass Völker mit einem starken nationalen Zusammenhalt ihrer Vorstellung vom Umbau Europas gefährlich werden könnten. Der Patriotismus dieser Völker, den sie mutwillig mit Nationalismus gleichsetzten oder unwissentlich damit verwechseln, könnte das Feuer unter ihrem Schmelztiegel auspusten.

Verfechter der naiven Zuversicht. Parole „No borders, no nations, stop deportations“.

Wer ist der Erfinder der Ideologie der naiven Zuversicht?

Schwer zu sagen. Einer der ganz groβen Verfechter ist George Soros, ein allseits bekannter Schirmherr und groβzügiger Gönner des Kultes um die sogenannte offene Gesellschaft.

Und die andere Sichtweise?

Sie ist unromantisch und lebensecht. Es gab flächendeckend keinen spontanen arabischen Frühling. Dahinter verbargen sich nicht selten die ziemlich kurzlebigen Interessen anderer Staaten, standen oftmals der amerikanische, französische, britische, israelische oder russische Geheimdienst.

Der Schutzwall Europas wurde immer dünner bis er brach. Gaddafis Regime in Libyen war sein wichtigster Bestandteil. Auch das ägyptische Einfallstor wurde weit aufgerissen. Hinzu kamen die Zerschlagung des Irak und der Zusammenbruch Syriens. Bis dahin war das Durchqueren dieser Staaten schwierig. Die Diktaturen mit ihren funktionierenden Sicherheitskräften blockierten den Weg.

Die Völkerwanderung ist ausgebrochen.

Doch es waren zugleich sehr brutale Regime.

Ja, aber welche dienlichen Ergebnisse brachte deren Zerschlagung? Wir haben jetzt mehrere gescheiterte Staaten. In Libyen gibt es drei Machtzentren die sich bekämpfen. Der Lebensstandard ist im Vergleich zu Gaddafis Zeiten dramatisch gesunken. Ägypten ist in den Strudel einer noch schwerwiegenderen Wirtschaftskrise geraten als jemals zuvor und wird vom Militär regiert. In Syrien kehrt Assad blutig an die Macht zurück. Der Irak besteht heute aus drei voneinander losgelösten Gebieten. Es herrscht Chaos.

Keine Staaten, keine Grenzen.

Eine Völkerwanderung ist ausgebrochen und der Krieg heizt sie noch an, denn unter den Menschen, die nach Europa wollen sind auch Kriegsflüchtlinge. Die meisten Kriegsflüchtlinge jedoch sitzen fest in Lagern ihrer benachbarten Staaten und haben keine Chance von dort wegzukommen. Das Ergebnis: nach Europa strömen überwiegend diejenigen, die die Schlepper teuer bezahlen. Diese Menschen sind oft sehr fordernd und stehen der europäischen Kultur ablehnend gegenüber. Das schafft eine Verfeindung, die sich vertiefen wird.

Glaubwürdige Untersuchungen, wie die des Pew Research Center, gehen davon aus, dass in Schweden im Jahr 2050 Moslems gut dreiβig Prozent der Bevölkerung ausmachen werden. Das ist ein Anteil, der eine Machtübernahme auf demokratischem Weg möglich machen würde.

Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“. Polnische Ausgabe.

Michel Houellebecq hat in seinem Roman „Unterwerfung“ ein solches Szenario bereits vorhegesagt. Er beschreibt, wie eine Moslem-Partei in Frankreich legal an die Macht kommt. In Schweden ist so etwas denkbar. Es ist ein Land mit einer zahlenmäβig sehr überschaubaren Bevölkerung und dementsprechend treten dort Veränderungen schneller ein.

Spöttelnd könnte man sagen, das Kalifat Malmö gibt es bereits. Man braucht ja nur die dort wohnenden Schweden zu fragen. Der Bürgermeister von London ist ein Moslem, der zwar unaufhörlich seinen Liberalismus zur Schau stellt, was man als eine Zwischenetappe betrachten kann.

Labour-Wahlveranstaltung in Birmingham 2015.

In der britischen Presse erschien 2015 ein Foto von der Wahlveranstaltung eines Labour-Kandidaten in einem muslimischen Viertel von Birmingham. Frauen und Männer sitzen streng voneinander getrennt.

Ja. Die auf Frauenrechte so fixierte Linke übergeht und überhört geflissentlich, wie Frauen in den muslimischen Gesellschaften in Europa behandelt werden. Viele Polen, die in Groβbritannien leben haben mir berichtet, auf welche Probe sie gestellt werden, wenn sie durch die Wand oder durch die Decke hören wie muslimische Ehemänner oder Väter Frauen misshandeln.

Was tun, wenn man in England durch die Wand hört wie muslimische Ehemänner oder Väter Frauen misshandeln? Am besten nichts, sonst gibt’s Schwierigkeiten.

Manche waren unvorsichtig genug einzuschreiten und haben sich dadurch selbst in Schwierigkeiten gebracht. Die Gewalt ging nämlich weiter, während sie ins Visier der Polizei und der Sozialbehörde gerieten. Sie mussten sich rechtfertigen, sie zahlten Strafen wegen Hausfriedensbruchs, wurden von ihren muslimischen Nachbarn verklagt und mussten rasch ihren Wohnort wechseln.

Das ist schwer zu glauben.

Solche und ähnliche Geschichten höre ich von unseren Landsleuten jedes Mal wenn ich in Groβbritannien bin.

Moslems genieβen mehr Schutz in europäischen Staaten als Europäer?

Im (polnischen privaten – Anm. RdP) Fernsehsender TVN (am 27. Mai 2017 – Anm. RdP) sagte eine Dame (die Mitarbeiterin der „Gazeta Wyborcza“, Anna Pamula – Anm. RdP), dass, wenn Polen, wie von der EU gefordert, siebentausend Migranten aufnimmt und einer von ihnen eine Bombe zündet, die zehn Polen tötet, wir dann immer noch 6.999 Leben gerettet haben.

Als ich das hörte, wurde mit bewusst, dass ich dieses Denken von anderswoher kenne. Ich habe seinerzeit Isabelle Coutant-Peyre interviewt, die jetzige Ehefrau des internationalen Terroristen Carlos. Ich habe zu ihr gesagt, dass ihr Mann unschuldige Menschen umgebracht hat, indem er Bomben in Hochgeschwindigkeitszügen und Restaurants zündete. „Das ist die Ökonomie der menschlichen Leben“, antwortete sie darauf. Das heiβt, wenn man eine Revolution machen will, dann muss es Opfer geben. Das sagte eine gefragte Pariser Anwältin!

Wenn wir uns dem Massenzustrom von Migranten widersetzen, hören wir: „Was sollen wir tun? Die Boote nach Afrika zurückschleppen, auf Leute, die die Grenzen stürmen schieβen? Würdest Du schieβen?“

Die Migration ist eng verwoben mit der Stimmung in Europa. Wenn hier eine wohlwollende Einstellung vorherrscht oder sogar Enthusiasmus, dann wird dieses Signal in den betroffenen Gebieten sofort wahrgenommen über Internet, iPhones, Satelliten-TV. Die Menschen dort sehen, dass sie in Europa mit Blumen empfangen werden, wie es ja zu Beginn war, und dass sie „Dschizya“ bekommen, die den Ungläubigen auferlegte Steuer.

Sie meinen Sozialhilfe?

Ja. Europäer glauben, sie zeigen sich so von der groβzügigen Seite und erwarten Dankbarkeit. Doch es wird keine Dankbarkeit geben, denn die Ankömmlinge sind überzeugt, Allah beschere ihnen dieses Geld und die „ungläubigen Hunde“ versuchen die Auszahlung hinauszuzögern und möglichst niedrig zu halten.

Der anfängliche Enthusiasmus der Europäer, das „Refugees welcome“ hat das die Migration angekurbelt?

Selbstverständlich! Doch das ist vorbei. Meine deutschen Bekannten wohnen auf Sylt. Anfänglich wollten alle dort den Ankömmlingen helfen. Als dann aber zweihundert Leute ankamen, als im November 2015 der erste Mord geschah, als reitende Frauen grob belästigt wurden, bekamen die Menschen Angst. Heute wollen sie niemanden mehr aufnehmen, aber die alte Idylle ist Vergangenheit.

Der anfängliche Willkommens-Enthusiasmus ist vorbei, Demonstration in Wien, November 2016.

Dieser Umschwung müsste eigentlich den Politikern erlauben, endlich die Grenzen zu sichern.

Der anfängliche Willkommens-Enthusiasmus ist zwar vorbei, aber eine eindeutige Verteidigungsbereitschaft ist auch nicht zu erkennen. Der Westen passt sich langsam den neuen Gegebenheiten an. Einige Dutzend abgebrannte Autos in der letzten Silvesternacht in Deutschland, eine brutal zusammengeschlagene Polizistin in Frankreich. LKW-Fahrer, die durch Calais nach Groβbritannien fahren, werden von dunkelhäutigen Banden überfallen.

Alle sehen wie die Zustände sind, aber kaum jemand mag durchgreifen. In Berlin habe ich eine Demonstration von Arabern beobachtet. Nicht wenige Polizisten, die sie begleiteten waren derselben Abstammung. Man sah ihnen förmlich ihr Desinteresse an, einige hatten zu Zöpfen zusammengeflochtene Bärtchen. So eine Polizei weckt keinen Respekt.

Was werden die Politiker tun, wenn eine neue Migranten-Welle aufkommt? Wer von ihnen wird die Grenzen verteidigen wollen? Die Migranten wissen, dass so etwas nicht passieren wird.

Hier stellt sich die Frage: will Brüssel, will der Westen die Migrationswelle aufhalten oder einen Einsaug-Mechanismus schaffen?

Viktor Orban hat sich in Ungarn zu entschiedenen Maβnahmen durchgerungen. Er hat einen doppelten Grenzzaun bauen und scharf bewachen lassen.

Ungarischer Stacheldrahtzaun an der serbischen Grenze. Orban hat sich viel Ärger eingehandelt.

Und die Bulgaren gucken weg, wenn Mafia-Banden an der Grenze Jagd auf Migranten machen. Die Kunde hat sich schnell verbreitet, dass man Bulgarien unbedingt meiden sollte. Komischerweise hat der Westen hier, bis auf einige Medienberichte, weggeschaut. Orban hingegen hat zu legalen, administrativen Maβnahmen gegriffen und handelte sich dadurch viel Ärger ein.

Bulgarische Schlägertrupps auf der Jagd nach Migranten.

Der Westen zaudert, gibt sich weitgehend lustlos und handlungsunfähig. Die Staaten unserer Region, Polen, Ungarn, die Slowakei und sogar das vom Atheismus durch und durch geprägte Tschechien leisten Widerstand.

Es sind Staaten, die durch Fremdherrschaft und fremde Willkür schwer geprüft wurden. Staaten, ohne jegliche koloniale und imperiale Vergangenheit. Es sind weitgehend gewachsene Nationalstaaten, was dort als ein Vorteil angesehen wird. Nach langer Fremdherrschaft sind sie dabei ihre nationale Staatlichkeit einzurichten. Eine nicht endende Umverteilung von Migranten, wie sie anfänglich von der EU gefordert wurde, würde ihre innere Stabilität zugrunde richten.

Wir sehen was in Schweden, Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien passiert. Alle diese Länder hatten „ihre“ islamistischen Terrorattentate, verübt mit Bomben, Maschinenpistolen, Messern, Lkw. Man sagt den Bürgern dort, sie müssen sich nun mal daran gewöhnen, am besten so tun als wäre nichts gewesen usw. Polen hat „sein“ islamistisches Terrorattentat bis jetzt noch nicht gehabt, und das soll so bleiben. Wir wollen nicht aus dem Schaden lernen, sondern vor dem Schaden klug handeln.

Man kann sich auch leicht vorstellen, wie diese Umverteilung aussehen würde. Im Westen bleiben die Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter. Hirten, Arbeitslose und Ungelernte werden in den Osten „gegangen“. Aus fremder Haut ist gut Riemen schneiden.

Als die Vorgängerregierung von Frau Kopacz im Frühherbst 2015, kurz vor den Parlamentswahlen, der Aufnahme von siebentausend Migranten zustimmte, da wurde Polen ein EU-Zuschuss von 6.000 Euro pro Person in Aussicht gestellt. Als sich die Nachfolgeregierung weigerte die Leute aufzunehmen, hieβ es plötzlich, ein Land kann sich „freikaufen“ wenn es 250.000 Euro pro nicht aufgenommenen Migranten zahlt. Das alles ist unglaublich!

Wir hören immer wieder den guten Rat: nehmt doch die siebentausend Migranten aus Italien und Griechenland auf, dann lässt euch die EU in Ruhe. Siebentausend, das ist doch nicht viel.

Sie würde uns nicht in Ruhe lassen.

Wenn wir die Tür einen Spaltbreit öffnen, kriegen wir sie nie wieder zu?

Nein. Die EU ist wie der Zauberlehrling. Sie hat etwas entfesselt, sich auf etwas eingelassen, was sie nicht beherrscht. Sie würde immer wieder die Umverteilung in Gang setzen. Deswegen darf man sich nicht darauf einlassen. Anschlieβend käme die Familienzusammenführung.

Groβbritannien und Dänemark wurden aus diesem System von vorneherein ausgenommen. Brüssel weiβ, dass die Regierungen dieser Länder auf ihre Wähler hören müssen. Es ist an der Zeit Brüssel daran zu gewöhnen, dass die jetzige polnische Regierung das auch tun muss.

Refugees-Welcome-Kundgebung in Kraków, September 2015.

Inwieweit hat die strikte Weigerung von Recht und Gerechtigkeit Migranten aufzunehmen zu ihrem Wahlsieg 2015 beigetragen?

Wesentlich. Die meisten Polen spüren instinktiv, dass hier eine Utopie verwirklicht werden soll, die Multikulti-Gesellschaft.

Anti-Migranten-Happening in Lublin, September 2015.

Würden diese Menschen an unsere Küsten angespült, natürlich würden wir uns um sie vor Ort kümmern. Doch sie legen oft Tausende von Kilometern zurück durch sichere Drittstaaten, um nach Europa zu kommen. Sie wollen nach Deutschland, Schweden, Frankreich, Belgien gelangen.

Dort sind oft schon ihre Verwandten, existieren ganze Netzwerke, die sie auffangen: Moscheen, Koranschulen, Läden, kulturbedingte Dienstleistungen, eigene Stadtbezirke oder Straβenzüge, ausgedehnte Integrationsmaβnahmen, eine einigermaβen anständige Sozialhilfe.

Straβenszene im Londoner Stadtteil Tower Hamlets.

Niemand von diesen Leuten will nach Polen, Ungarn, Slowenien oder Lettland gehen, Polnisch, Ungarisch, Slowenisch oder Lettisch lernen.

Die Umverteilung wäre also eine reine Zwangsmaβnahme. Die meisten würden alles tun, um von uns aus wieder in den Westen Europas zu gelangen. Sollen wir sie in bewachte Lager stecken? Ihnen an der Grenze Handschellen anlegen, wenn sie uns von den deutschen Behörden nach der Flucht zwangsüberstellt werden? Denn so war es vorgesehen. Wer „umverteilt“ wurde, der müsste an Ort und Stelle bleiben.

Das Hereinlassen einer groβen Zahl von Menschen aus einem fernen Kulturkreis schafft eine groβe Verantwortung.

Anfang der neunziger Jahre halfen meine Kollegen von der Solidarność dem Kinderheim in Beiuş, in Rumänien, wo schreckliche Zustände herrschten. Sie haben einige der Waisen nach Polen geholt. Am Anfang war alles wunderbar, aber nach einiger Zeit schwand das Interesse für sie. Es gab niemanden, der sich intensiv um die Erziehung dieser Jungs gekümmert hätte. Bis es zu einer brutalen Vergewaltigung in einem Freibad in Kraków kam. Die Täter waren die Jungs aus Beiuş.

So geschieht es auch mit den Migranten.

Im Nahen Osten, in Nordafrika sind sie unter der Aufsicht ihrer Gemeinschaft, ihrer Familien. In Europa sind sie meistens auf sich gestellt. Aus einer Welt, wo Frauen wie das Eigentum von Männern behandelt werden, wo man dem Vater für die künftige Ehefrau zahlen muss, gelangen sie in eine Welt, wo Sexualität offen ausgelebt, zur Schau getragen wird. Das nimmt in ihrem Fall oft ein böses Ende.

Das dauerhafte Zusammenleben mit einer Vielzahl von Menschen, die einer anderen Kultur entstammen und sich häufig nicht integrieren können und oft auch nicht wollen, gestaltet sich schwierig.

Stellen sie sich eine Kleinstadt in Polen vor. Nach der Sonntagsandacht kommen die Leute aus der Kirche. Auf der Straβe geht eine Migrantenfamilie, der Mann verliert die Geduld, schlägt seine Frau. Einige Männer versuchen ihn daran zu hindern. Was werden die Medien berichten? Polnische Rassisten haben einen Migranten zusammengeschlagen. Migranten üben Vergeltung. Die Polen auch. Die Hölle öffnet sich.

Die Antwort darauf lautet: auch in Polen gibt es Gewalt.

Aber natürlich, wie überall. Aber von unserer eigenen Gewalt haben wir mehr als genug, weitere brauchen wir  nicht noch zusätzlich zu importieren.

Junge Moslems aus gewissen Kreisen erachten Frauenbelästigung als einen aufregenden Zeitvertreib. Wollen wir das auch bei uns? Es gibt zudem eine Erscheinung, die als „Gangasta-Islam“ umschrieben wird. Aus ihrer Gemeinschaft herausgelöste junge Moslems rotten sich zu kriminellen Banden zusammen, terrorisieren im Geiste des Islam ihre Umgebung, islamisieren die Gefängnisse. Es entsteht eine Parallelwelt, aus der die Einheimischen flüchten und wo die Polizei am liebsten wegschaut.

Wie das funktioniert habe ich vor Kurzem im dänischen Aarhus gesehen, wo sich der einst lichte, moderne Stadtteil Brabrand in einen Slum verwandelt hat. In Betonschachteln, die auf einer schlammigen Wiese stehen, leben ein paar Tausend Menschen auf engem Raum: Palästinenser, Libanesen, Syrer, Sudanesen, Jemeniten, Somalier, Algerier, Ägypter, Nigerianer. Dänen sieht man dort nicht.

Trotz aller Integrationsanstrengungen.

Ja. In allen Ländern, von denen wir hier reden wurden in etlichen Anläufen aufwendige Integrationsprogramme aufgelegt, wie z.B. in Frankreich: kleine Sportzentren, Jugendhäuser, Kultureinrichtungen, Sozialarbeiter. Das alles ist gescheitert.

Moslems protestieren in London gegen einen Auftritt des rechten holländischen Politikers Geert Wilders, Oktober 2009.

Entstanden sind in allen französischen Groβstädten Territorien, wo die Sitten, der Handel, die Kleidung, der gesellschaftliche Umgang (Frauen sind weder in den Cafés noch auf den Straßen zu sehen) muslimisch sind, wo Salafisten das französische Gesetz durch die Scharia ersetzt haben. Hinzu kommen eine hohe Kriminalität, Drogenhandel, unkontrollierte Einwanderung, überforderte Schulen.

Und linke Gutmenschen, die behaupten die christliche Tradition provoziere die Migranten.

Es gibt drei Phasen. In der ersten Phase, in der es nur wenige Migranten gibt, sind die Ankömmlinge friedlich und höflich. In der zweiten Phase stellen sie Forderungen. Sie sind in den Kommunen vertreten, erzwingen Halal-Fleisch in den Schulkantinen, die Schlieβung von Pubs, das Abnehmen der Kreuze. Dann kommt die dritte Phase, in der sie das Sagen haben, auf einem eigenen Territorium.

Scharia-Polizei in Wuppertal.

Papst Franziskus ruft ständig dazu auf Migranten aufzunehmen.

Papst Franziskus wusch und küsste die Füβe von Moslems in der Gründonnerstagsmesse 2016. Er holte Moslemfamilien von der Insel Lesbos. Das sind eindrucksvolle christliche Gesten. Nur sollten solche Gesten an jene gerichtet sein, die sie im christlichen Sinne verstehen. Das ist genauso wie mit dem Hinhalten der anderen Wange. Halten wir sie einem Dummkopf hin, dann wird er dadurch noch dreister.

Papst Franziskus wäscht und küsst die Füβe von Moslems, April 2016.

Die Gesten des Papstes, vor denen ich mich verneige, werden in der Welt des Islam durchgehend als Unterwerfungsgesten Roms gegenüber dem Propheten ausgelegt. Das stärkt nur den kriegerischen Islam. Wir müssen besonnen handeln. Der katholische Glaube ist kein dumpfer Glaube.

Oder vielleicht doch? Einer unserer führenden katholischen Publizisten, Tomasz Terlikowski hat neulich über den in Polen vor kurzem begangenen „Tag des Islams in der katholischen Kirche“ eine kurze, sehr treffende Glosse geschrieben.

„Es gab Begegnungen, Vorträge, alle gewidmet »der Sorge um das gemeinsame Haus«“, schreibt Terlikowski. „Im Dialog gelang es festzustellen, dass Katholiken und Moslems die Natur lieben. Es wurde gemeinsam aus der Bibel und aus dem Koran gelesen.
In derselben Zeit sterben aus der Hand von Moslems Tausende von Christen. Ihre Kirchen werden niedergebrannt. Christinnen werden entführt, zum Übertritt zum Islam gezwungen, in Harems gesteckt, brutal miβbraucht.“, so Terlikowski

„Das geschieht nicht gegen den Koran, sondern unter ausdrücklicher Berufung auf ihn und auf das Beispiel Mohammeds. Sie tun dasselbe, was er getan hat. Mohammed ist Vorbild für sie, so wie er tötete, betrog, sich kleine Mädchen als Frauen nahm.

Doch das scheint bei diesem Dialog niemanden zu stören. Dialog und politische Korrektheit sind wichtiger“, schreibt Terlikowski.

Ja, das ist schon sehr bedrückend.

„Du liebst Christus, du wirst sterben wie Christus“. Vom IS ermordete Christen, Syrien August 2015.

Es heiβt, die Polen wollen den Kriegsopfern nicht helfen.

Das stimmt nicht. Man muss nur zwischen tatsächlicher Hilfe und der Umsetzung einer gefährlichen politischen Multikulti-Utopie unterscheiden. Polen hilft vor Ort und sollte auch Kriegsopfer aufnehmen, aber nur zu unseren Bedingungen.

Wen im Einzelnen?

Wir haben einen wichtigen Trumpf, das sind die hervorragenden Ortskenntnisse unserer kirchlichen Hilfsorganisationen, die vor Ort tätig sind. Sie kennen die Orte, wo es Christen gibt, die wirklich nicht mehr weiterwissen. Sie sollten wir aufnehmen.

Wie viele?

Einige Hundert Familien. Generell wollen die Christen Syrien nicht verlassen und wir sollten alles tun, um sie darin mit unserer Hilfe vor Ort zu bestärken. Es gibt aber leider auch solche, für die es kein Zurück gibt, weil sie Gefahr laufen von ihren muslimischen Nachbarn ermordet zu werden.

Um wen geht es konkret?

Es sind überwiegend Assyrer, Menschen einer uralten Kultur, mit einer in der ganzen Welt weitverbreiteten Diaspora. Hervorragende Geschäftsleute. Sie sind fleiβig, umsichtig, gebildet.

Wie können wir vor Ort, in Nahost helfen?

Viele Hilfsorganisationen betreiben im Grunde ein Geschäft und verbrauchen bis zu dreiβig Prozent der Hilfsmittel selbst. Banden vor Ort stehlen ein weiteres Drittel. So darf man es nicht machen.

Das zerstörte Karakosch.

Sondern wie?

Man muss die Notleidenden vor Ort ausfindig machen und ihnen helfen. Zusammen mit einigen Kollegen von der Stiftung Orla Straż (Adlerwache – Anm. RdP) helfen wir der altertümlichen christlichen Stadt Karakosch im Irak. Dort lebten einst 55.000 Menschen, davon waren neunzig Prozent Christen.

Sie wurden vom IS vertrieben. Jetzt kommen sie in die verminten Ruinen zurück. Es gibt keine Schulen, Krankenhäuser, Läden. Ich habe in meinen Fernsehsendungen um Spenden gebeten. Es sind 500.000 Zloty (ca. 120.000 Euro – Anm. RdP) zusammengekommen.
Von diesem Geld haben wir eine Schlosserei wiederaufgebaut, eine Schweiβerei ausgestattet, Druckmaschinen für Schulbücher gekauft, einem Laden das Startkapital gegeben. Jetzt helfen wir beim Wiederaufbau des Gesundheitszentrums und wir haben eine Weihnachtsfeier für Kinder unterstützt.

Das Geld bekommen Leute, die wir kennen. Für diese halbe Million Zloty konnte man dort fünfmal so viel erreichen wie bei uns, wenn man hier Migranten aufnähme.

Lesen Sie dazu: Syrien,  Irak, Libanon. Polen Hilft vor Ort. 

RdP




Syrien, Irak, Libanon. Polen hilft vor Ort

Die andere Facette der polnischen Migrationspolitik.

Polen verfolgt eine klare Politik: keine Migranten ins Land lassen, dafür Kriegsopfern und Flüchtlingen im Mittleren Osten direkt helfen. Über den vehementen polnischen Widerstand gegen die EU-Zwangsumverteilung von Migranten gab und gibt es in den deutschsprachigen Medien unzählige kritische Berichte. Über die humanitäre polnische Hilfe vor Ort vernimmt man so gut wie nichts.

Dabei lassen sich die Zahlen durchaus sehen. Die polnische Regierung hat 2017 umgerechnet knapp 88 Millionen Euro an verschiedene Stellen und Organisationen überwiesen, die das Leid der Menschen im Irak, in Syrien und dem Libanon lindern sollen.

Beata Kempa, die Koordinatorin der polnischen humanitären Hilfe, zu Besuch in Zaatari, dem gröβten jordanischen Lager für syrische Flüchtlinge, Januar 2018. Polen wird dort eine Krankenstation errichten und betreiben.

Koordiniert werden die mannigfaltigen polnischen staatlichen und privaten humanitären Vorhaben im Ausland neuerdings von einer eigens im Dezember 2017 hierfür geschaffenen Dienststelle. Sie ist angesiedelt im Amt des Ministerpräsidenten (entspricht dem deutschen Bundeskanzleramt). Als erste Koordinatorin der polnischen humanitären Hilfe ist seither Beata Kempa tätig, Sejm-Abgeordnete und namhafte Politikerin der seit 2015 regierenden Vereinigten Rechten.

Geld aus Warschau

Der gröβte Teil der 88 Millionen Euro, nämlich 50 Millionen Euro, flossen 2017 von Warschau an die Europäische Investitionsbank (EIB) in einen neugegründeten Fonds, der den betroffenen Regionen zu Gute kommen soll. Polen ist hier der gröβte Geldgeber vor Italien (45 Millionen Euro), Slowakei (2 Millionen Euro), Slowenien (0,5 Millionen Euro) und Luxemburg (0,4 Millionen Euro).

Etwa 25 Millionen Euro gingen 2017 an den EU-Spezialfonds für Flüchtlinge, die in der Türkei Aufnahme gefunden haben. Der polnische Gesamtanteil an diesem Fonds beträgt 57 Millionen Euro. Die zweite Tranche soll 2018 überwiesen werden.

Etwa 5 Millionen Euro aus Warschau bekamen  das Internationale Rote Kreuz und die Behörde des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge.

Knapp 8 Millionen Euro betrug 2017 die staatliche Unterstützung für die fünf polnischen Hilfsorganisationen, die im Mittleren Osten tätig sind. Diese Organisationen wiederum haben 2017 zusätzlich etwa 12 Millionen Euro polnischer Spendengelder im Mittleren Osten ausgegeben.

Von Familien in Polen zu Familien in Syrien

Die mit Abstand meisten Spenden für den Mittleren Osten, knapp 8 Millionen Euro, sammelte 2017 Caritas Polska, die Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche. Führend war hier deren Hilfsprogramm „Rodzina rodzinie“ („Von Familie zu Familie“).

Spendenaufruf der Caritas Polska für das Hilfsprogramm „Von Familie zu Familie“.

Etwa sechzehntausend Einzelpersonen, Familien, Firmen, Pfarrgemeinden, Orden folgten dem Aufruf von Caritas Polska und verpflichteten sich, allein oder im Verein mit anderen, jeweils eine syrische Familie aus Aleppo regelmäβig mit monatlichen Spenden zu unterstützen.

Das Programm sieht vor, ein halbes Jahr lang jeden Monat umgerechnet ca. 120 Euro zu überweisen. Im zerstörten Aleppo kann eine Familie davon ihre elementarsten Bedürfnisse finanzieren. In derselben Zeit können Spender auch einen beliebigen, kleineren Betrag einzahlen, der zusammen mit anderen Kleinspenden zu einem „Familienpaket“ von 120 Euro gebündelt wird.

Jeden Monat erhalten knapp neuntausend Familien in Aleppo diesen Betrag von der Caritas Polska ausgezahlt. In der vollkommen zerstörten Stadt, in der es keine Energie- und keine Wasserversorgung mehr gibt, können sie dafür Trinkwasser und die teure Elektrizität aus privaten Stromgeneratoren zum Betreiben wenigstens einer Glühbirne und der Kochstelle kaufen. Dazu noch die einfachsten Lebensmittel.

Geld für Studenten, Wintersachen für Kinder

Mitte 2017 hat Caritas Polska ein weiteres halbjähriges Vorhaben in Aleppo begonnen. Achthundert Studenten aus den ärmsten Familien bekommen pro Monat 46 US-Dollar Beihilfe für Lehrbücher, Fotokopie-Kosten, Internetzugang, alles Dinge, die für dortige Verhältnisse sehr teuer sind. Zum Vergleich: wer in Aleppo Arbeit hat verdient zwischen 30 und 65 US-Dollar im Monat.

Die dritte gegenwärtige Maβnahme ist die Versorgung der Kinder mit Wintersachen. Sehr viele von ihnen laufen drauβen bei drei bis vier Grad über Null in leichten Flip-Flops herum, haben keinen Anorak.
Ende 2017 ist in Aleppo, dank Caritas Polska, die erste mobile Krankenstation aus Polen eingetroffen. Kosten, ungefähr 200.000 Euro.

Seit 2012 hat Caritas Polska im Mittleren Osten insgesamt neunzehn groβe Vorhaben durchgeführt. Darunter die mehrjährige Bezuschussung eines Krankenhauses in Damaskus, die Aktion „Milch für Kurdistan“, die Finanzierung der Arbeit von mehreren mobilen Krankenstationen im Nordirak, letzteres gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hl. Elisabeth in Bratislava in der Slowakei (dieses Projekt läuft derzeit noch), ebenso wurden mehrere Weihnachtspaket-Aktionen für Kinder in Flüchtlingslagern in der Türkei organisiert.

Milch für Aleppo

„Kościół w Potrzebie“ (fonetisch „Kostsiul w Potschebie“), der polnische Ableger des internationalen katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ bezuschusste mit 250.000 Euro an polnischen Spendengeldern den Wiederaufbau des Hl. Ludwig-Krankenhauses in Aleppo. Mit umgerechnet 300.000 Euro finanziert die Organisation das laufende Vorhaben „Milch für Aleppo“. Es kommt regelmäβig 2.800 Kindern zugute von der Geburt an bis zum 10. Lebensjahr.

Die damalige Ministerpräsidentin Beata Szydło bei der Eröffnung des Hilfsprogramms „Milch für Aleppo“, März 2017 in Warschau.

Seit November 2017 werden Spenden für den Wiederaufbau einer Schule im syrischen Homs für 1.500 Kinder gesammelt. Zusammen mit der ungarischen Botschaft in Warschau finanzierte und verschickte die Organisation im November letzten Jahres 1.300 Weihnachtspakete für Kinder eines Flüchtlingslagers im kurdischen Erbil im Irak.

Wasser für Flüchtlinge

Polska Akcja Humanitarna (Polnische Humanitäre Aktion), das gröβte nichtkirchliche Hilfswerk Polens, ist seit 2012 in Syrien, in den Provinzen Idlib und Aleppo tätig. Die PAH beliefert 53 Flüchtlingslager mit frischem Wasser in Tankwagen, kümmert sich um die Leerung von Fäkaliengruben, besorgt die Müllabfuhr, baut Pumpstationen, Latrinen und dazugehörige Waschstellen. Verteilt Hygieneartikel. Beliefert Backstuben mit Mehl und Hefe. In türkischen Flüchtlingslagern finanziert die PAH Schulbusse, die Kinder zum Unterricht und wieder nach Hause bringen.

Flüchtlingslager in Syrien. Polska Akcja Humanitarna liefert Trinkwasser.

Wärme im Winter

Das Polskie Centrum Pomocy Międzynarodowej (fonetisch Mendsinarodowei – PCPM) – Polnisches Zentrum für Internationale Hilfe, ebenfalls eine nichtkirchliche Organisation, ist in den syrischen Flüchtlingslagern im Libanon tätig. Zwischen Oktober und Dezember 2017 zahlte es monatliche Beihilfen von 147 US-Dollar an 1.100 Flüchtlingsfamilien in der Provinz Akkar aus.

Polnischer Mitarbeiter von PCPM sammelt Anträge auf Winterhilfe von syrischen Flüchtlingen im Libanon.

Die Menschen konnten so ihre provisorischen Unterkünfte abdichten, Wintersachen und Brennstoffe kaufen. Bei Temperaturen, die sich um null Grad bewegen eine lebensrettende Maβnahme. Sie wurde vom polnischen Auβenministerium bezahlt.

Alle geschilderten Aktivitäten sollen 2018 fortgesetzt werden.

Das PCPM betreibt in Akkar auch eine Grundschule für Flüchtlingskinder.  In diese Schule fuhr am 13. Februar 2018, während seines zweitägigen Besuches im Libanon, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, um sich mit den polnischen Helfern zu treffen. Dort gab er auch bekannt, Polen werde 10 Millionen US-Dollar für den Bau von Feritighäusern für syrische Flüchtlinge in Akkar bis Mitte 2018  bereitstellen.

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im Gespräch mit polnischen Helfern in Akkar am 13.02.2018.

Den Straβenkindern von Akleppo helfen

Groβes haben der Franziskanerorden, der bereits in Aleppo einige Hilfsprojekte betreibt, und die Stadt Katowice vor. Das Vorhaben heiβt „Śląskie dzieciom z Aleppo“ („Die Woiwodschaft Schlesien den Kindern von Aleppo“) und sieht den Bau eines Waisenzentrums in der zerstörten Stadt vor.

Dort leben, oft auf der Straβe, bis zu dreiβigtausend Kinder, die ihre Eltern und nicht selten auch weitere Verwandte verloren haben. Für sie soll ein Tagesaufenthaltszentrum entstehen mit psychologischer Betreuung, Bildungsangeboten, vollwertiger Ernährung, ebenso sind ein  Sportplatz und ein Schwimmbad geplant.

Kosten: etwa vier Millionen Zloty (knapp eine Million Euro). Die Spendenaktion läuft seit Januar 2018, getragen vom Franziskanerorden, der Stadt und der Diözese Katowice. Die ganze Summe dürfte bis Ende 2018 zusammenkommen. Gleichzeitig laufen die Planungsarbeiten. Die Bauarbeiten in Aleppo sollen Anfang 2019 beginnen.

© RdP




Obama von Słupsk und die falsche Hexe

Wenn Kirchenfeindschaft den Verstand trübt.

Es sollte ein historischer Akt der Gerechtigkeit sein und zugleich eine saftige Ohrfeige für die katholische Kirche. Robert Biedroń, Bürgermeister von Słupsk/Stolp, hatte beschlossen „eine Frau, ein Opfer der katholischen Inquisition“, die in seiner Stadt „auf dem Scheiterhaufen endete“ zu rehabilitieren, und einen Kreisel nach ihr zu benennen.

Seit den letzten Kommunalwahlen im November 2014 regiert Robert Biedroń (Jahrgang 1976), der seine Homosexualität offen lebt und als sein politisches Markenzeichen führt, die neunzigtausend Einwohner zählende Kreisstadt Słupsk/Stolp nahe der Ostseeküste. In Polen selbst hat sein Wahlsieg für weit weniger Aufregung gesorgt als z.B. in den deutschsprachigen Medien, wo Biedrońs Einzug in die Kommunalpolitik als ein kolossaler Triumph des Fortschritts in dem stets „konservativen“, „erzkatholischen“, „intoleranten“ und „verstaubten“ Polen dargestellt wurde.

Mit seinem Auftreten und den enormen Hoffnungen, die er zu entfesseln vermochte, hat er sich in den Boulevardmedien den Beinamen „Obama von Słupsk“ eigehandelt.

Über Biedrońs politische Karriere und die Gründe für seinen Wahlsieg, lesen Sie bitte ausführlich hier.

Skandalnudel bleibt Skandalnudel

Eigentlich, so hieβ es gleich nach seiner Wahl zum Bürgermeister, Ende 2014, habe Biedroń einen Reifungsprozess durchgemacht, sich von der „Skandalnudel“ in einen fleiβigen, ernstzunehmenden Politiker verwandelt. Nach knapp zwei Jahren im Amt nehmen sich Biedrońs Erfolge bei der Sanierung der hochverschuldeten Stadt jedoch eher dürftig aus. Auch die von ihm versprochene Belebung der sündhaft teuren Investitionsruine eines Aquaparks, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte, ist längst noch nicht erfolgt. Biedroń wiedźma papież 1 fot.

Biedroń wiedźma paiez  2 fot.
Das Amtszimmer des Bürgermeisters von Słupsk mit Papstbild ohne Biedroń (oben) und mit Biedroń (unten rechts) ohne Papstblid.

Der vermeintliche Sieg des Fortschritts ging in Biedrońs Fall nicht automatisch einher mit einem Triumph der Vernunft. In die Schlagzeilen gerät der Bürgermeister regelmäβig lediglich dank seines leeren Aktionismus, seiner kleinen und gröβeren Provokationen, für die er in seiner Anfangszeit als Warschauer Sejm-Politiker auch schon bekannt war. Viele Menschen stöβt das ab, viele klatschen ihm aber auch Beifall, zieht doch wenigstens auf diese Weise, die ansonsten vergessene Provinzstadt, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.

Nachfolgend einige Schlagzeilen.

April 2015. „Biedroń gesteht im TV! Ich bin immer weniger kompetent in Sex-Fragen. Bin 39 und fange langsam an zu vergessen was Sex ist.“

Juni 2015. „Biedroń wirft Portrait Johannes Paul II. aus seinem Amtszimmer weg.“ Der heiliggesprochene Papst ist Ehrenbürger der Stadt. Das so entsorgte Bild wurde anschließend feierlich in der Słupsker Marienkirche aufgehängt.

September 2015. Biedroń verfügt „Allgemeine Erfassung aller Kruzifixe in Schulklassen und Kindergärten in Słupsk. Eltern befürchten ein Verbot.“ Ein erzwungenes Abhängen fand nicht statt.

September 2015. „Biedroń will neue Straβen ausschließlich nach Frauen benennen. Männeranteil ist bereits viel zu hoch“. Die Medien berichten darüber groß und breit, es blieb aber alles beim Alten.

Dezember 2015. „Biedroń verbietet Weihnachtsbaum und Weihnachtsschmuck vor dem Rathaus.“ Nach Protesten lieβ er sich doch noch umstimmen.

Dezember 2015. Für Biedroń ist „Weihnachten nur ein verlängertes Wochenende“.

Februar 2016. „Biedroń stellt sich hinter Wałęsa“, als der Ende 2015 endgültig seiner bezahlten Spitzeltätigkeit für die polnische Stasi Anfang der 70er Jahre überführt wurde.

Februar 2016. „Biedrońs Skandal-Interview“ im Fernsehen. „Wenn man gut im Bett ist, dann muss man ein wenig herumhuren. Wenn man aber Politiker ist, dann muss man das unbedingt tun.“

Mai 2016. „Biedroń will ausdrücklich kommunistische Straβen-Namensgeber in Słupsk beibehalten“.

Biedroń setzt auf Provokation und Polarisierung, und nicht selten sind dabei Unwissenheit und Verblendung seine Wegweiser. So wie jüngst bei der „Rehabilitierung“ von Trina Papistin, die als Hexe 1701 in Stolp verbrannt wurde.

Doch nicht „unsere“ Hexe

„Es soll die Wiederherstellung der Ehre eines Opfers der römisch-katholischen Kirche sein, es soll zeigen, wie auch die Kirche Frauen gequält hat. Wir wollen, dass „unsere“ Hexe nicht vergessen wird, und wollen laut kundtun, wie man Frauen, auch in unserem Land, behandelt hat“, hieβ es auf der offiziellen Internetseite der Stadt.

Inzwischen wurde die Eintragung gelöscht. Zu groβ war die Blamage.

Biedroń wiedźmy fot. 1 Trina war der Kosename von Katherina, eigentlich Katarzyna, denn Trina war Polin und verheiratet mit dem Kaschuben Martin (Marcin) Nipkow. Sie wurde Papistin genannt, weil sie katholisch war. Nach Nipkows Tod heiratete sie den Metzger Andreas Zimmermann.

Trina trug damals ihr Katholischsein so offen zur Schau, „wie Biedroń heute seine Homosexualität“, schrieb ein Regionalhistoriker, als der stets auftrumpfende Biedroń seiner Ignoranz überführt wurde. Das damalige Stolp war, bis auf wenige Ausnahmen, zu denen Trina gehörte, rein protestantisch. Und das Land, in dem sie ermordet wurde, war nicht „unser Land“ sondern hieβ Preuβen. Polnisch wurde Stolp erst 1945, also 244 Jahre nach Trinas Verbrennung.

Trina, als „Papistin“ verspottet, war eine ausgewiesene Heilkräuterkennerin, die oft um Hilfe gebeten wurde. Das konnte den örtlichen Quacksalbern und Apothekern gar nicht gefallen. Und es war tatsächlich der Apotheker Zienecker, der am 4. Mai 1701 beim Stolper Magistrat gegen Katherina Zimmermann, früher Nipkow, genannt Trina Papistin, Beschwerde wegen Hexerei einlegte.

Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Stadtrat Holz wandte sich an die Juristische Fakultät der protestantischen Universität Rostock, die im Juli 1701 das Martern einer Katholikin als rechtens befand. Eine der ältesten Universitäten Deutschlands, und nicht die katholische Heilige Inquisition, brachte daher Trina, die vermeintliche Hexe, auf den Scheiterhaufen.

Biedroń wiedźmy fot. 2 Am 11. August 1701 begann das Foltern. Trinas Extremitäten wurden in einen Stock geklemmt, mittels Schraubstöcken brach man ihr die Beine und Arme. Sie gestand, widerrief, wurde daraufhin, einige Tage später, mit glühenden Eisen traktiert, blieb nunmehr jedoch standhaft bis an ihr Ende. Am 30. August 1701 starb sie auf dem Scheiterhaufen, zurück blieben ihr Ehemann und die Kinder.

Die Kirche hat zu danken

Einen Rückzieher konnte sich Biedroń nicht erlauben. Am 29. Juni 2016 fasste der 24-köpfige Stadtrat von Słupsk einen Beschluss über die Benennung von elf Kreiseln im Verlauf der neuen Umgehungsstraβe, die den Stadtkern entlasten soll. Auf diese Weise kam eine polnische, katholische Märtyrerin in Słupsk posthum zu Berühmtheit und Ehren.

Stadtpräsident Biedroń machte gute Miene zum unerwarteten Ausgang seiner Aktion. Dass sich der örtliche Bischof ausdrücklich bei ihm bedankte und erwägt, wie es heiβt, zum Todestag der Märtyrerin am Kreisel eine groβe heilige Messe zu feiern, war so nicht geplant.

Vor Ignoranz und ihren Folgen schützt auch der angeblich so rationale Atheismus offensichtlich nicht.

© RdP




Obama von Słupsk

Homosexueller wird Bürgermeister. Na und?

Unter dem Titel „Obama von Słupsk“ veröffentlichte die Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) vom 20-21.12.2014 einen Artikel von Piotr Kobalczyk über die Wahl von Robert Biedroń (Jg. 1976) zum Bürgermeister der 90.000-Einwohner-Kreisstadt Słupsk/Stolp nahe der Ostseeküste. Biedroń bekennt sich offen zu seiner Homosexualität. Sein Sieg war in den deutschsprachigen Medien die wichtigste Nachricht zu den polnischen Kommunalwahlen von Ende November 2014. Das Chaos, in dem sie mündeten, die groben Miβstände, die sie kennzeichneten und die politische Krise, die sie hervorriefen, waren für sie keiner einzigen ernsthaften Analyse wert.

In Polen selbst hat Biedrońs Wahl für weit weniger Aufregung gesorgt. Immerhin hatte das im deutschsprachigen Raum stets als „konservativ“, „erzkatholisch“, „intolerant“ oder „muffig“ (wie die SZ vom 27.11.2014 schrieb), dargestellte Polen, bereits 1992 eine Frau (Hanna Suchocka) als Regierungschefin, dreizehn Jahre früher als Deutschland. Ebenfalls 1992 wurde Hanna Gronkiewicz-Waltz polnische Nationalbankpräsidentin, was der Bundesbank bis heute nicht widerfahren ist. Vergeblich sucht man im Bundestag bis heute nach Transsexuellen oder Schwarzafrikanern. Im polnischen Sejm waren sie immerhin zwischen 2011 und 2015 durch die Personen von Anna Grodzka und John Godson, einem Nigerianer, der seit 2000 die polnische Staatangehörigkeit besitzt, vertreten.

Sejm-Abgeordnete Anna Grodzka
Sejm-Abgeordnete Anna Grodzka

Sejm-Abgeordneter John Godson
Sejm-Abgeordneter John Godson

Peinliche Bemerkungen über Abgeordneten-Hintern

Nach den Parlamentswahlen von 2011 zog auch Robert Biedroń, in den Reihen der rabiat antiklerikalen Palikot-Bewegung des berüchtigten Polit-Clowns Janusz Palikot, in den Sejm ein. Der bekannte politische Kommentator Robert Mazurek beschrieb im Internetportal „wPolityce.pl“ („inder.Politik.pl“) am 3.12.2014 die Anfänge von Biedrońs politischer Karriere so:

„Ich erinnere mich an den Herbst 2011. Zusammen mit Palikots Haufen zog auch der angehende Promi in den Sejm ein. Es war ein peinlicher Anblick: breites Lächeln und eine grenzenlose Leere im Kopf. Der angehende Dr. der Politologie wusste damals nicht einmal was der Senioren-Konvent (vergleichbar mit dem Ältestenrat des Bundestages – Anm. RdP) sei“.

Hinzu kamen „seine vor laufenden Kameras gemachten peinlichen Bemerkungen über die Abgeordneten-Hintern, die ihn am meisten beeindruckt haben, und über das Anmachen von gut aussehenden Politikern“, erinnert sich Mazurek, und fährt fort: „Nebenbei bemerkt fällt es leicht sich auszumalen, was einem konservativen Abgeordneten medial widerfahren würde, wenn er sich dermaβen anzüglich über Busen und Hinterbacken seiner Abgeordneten-Kolleginnen öffentlich ausgelassen hätte.“

Später „wurde es nicht besser. Immer mehr Interviews, immer blödere Fernsehsendungen“, in denen er sich zeigte, „immer mehr Flitter. So wurde Biedroń groß – ein Politiker, der nur deswegen bekannt ist, weil er bekannt ist, ultrafortschrittlich, lächelnd, von den Mainstreammedien verehrt.“

Dann aber, so Mazurek, begann sich etwas zu ändern. Biedroń erwies sich als lernfähig, lieβ sich vom Bazillus der ernsthaften Politik anstecken, zeigte sich zunehmend als ein „fleiβiger und durchaus kompetenter Abgeordneter, der sich in die Arbeit der parlamentarischen Ausschüsse für Justiz und Auβenpolitik einbrachte “, immer mehr darum bemüht, das Image des Homo-Vorkämpfers abzulegen.

Um seinem wachsenden Gefallen am Politikmachen weiterhin frönen zu können, musste er sich allerdings etwas Neues einfallen lassen, denn die Palikot-Bewegung, mit der er ins Parlament kam, ist heute politisch tot, hatte keine Chance bei den Parlamentswahlen 2015 noch einmal über die 5%-Hürde zu kommen und in den Sejm zu gelangen.

Auch wenn er im Sejm drei Jahre lang den Wahlkreis Słupsk vertrat, mietete sich Biedroń erst kurz vor den Kommunalwahlen vom November 2014 dort eine Wohnung, gründete die Wählerliste „Endlich ein Wechsel“ und zog mit einem Minibudget in den politischen Kampf um das Bürgermeisteramt. In die zweite Runde gelangte er mit einem minimalen Vorsprung von 498 Stimmen gegenüber dem örtlichen nationalkonservativen PiS-Kandidaten und weit abgeschlagen hinter dem Favoriten von der regierenden Bürgerplattform (PO). Doch Biedroń, so Mazurek, „ackerte wie ein Gaul und gewann“ zwei Wochen später die Stichwahl.

Robert Biedroń in Słupsk im Kommunalwahlkampf, November 2014
Robert Biedroń in Słupsk im Kommunalwahlkampf, November 2014

Bezeichnend war, dass der bis vor kurzem noch rabiat antiklerikale Biedroń, der lautstark die Abnahme des Kruzifixes von der Stirnwand im Plenarsaal des Sejm forderte, nun beteuerte, er werde auf keinen Fall das Kreuz und das Portrait des hl. Johannes-Paul II. aus seinem Słupsker Amtszimmer entfernen lassen. Auch werde er keinen Sex-Anleitunsunterricht in den Słupsker Schulen fördern und keine Gay-Pride-Paraden veranstalten.

Was von Biedrońs Versprechungen nach knapp zwei Jahren üriggeblieben ist, lesen Sie hier.

Man sieht, schreibt Mazurek, „dass er sich sehr bemüht, den Ruf einer männlichen Skandalnudel und eines Exzentrikers los zu werden. Wie weit wird diese Wandlung gehen? Eine gute Frage… Ich habe keine Ahnung, ob Biedroń ein guter Bürgermeister sein wird. Bis jetzt ist jedenfalls über seine Fähigkeiten innerhalb der Verwaltung nichts bekannt“, lautet sein Fazit.

Warum also hat Biedroń gewonnen?

Kommentatoren nennen mehrere Gründe:

1.Die Obama-Methode

Piotr Lisiewicz zitiert in der Wochenzeitung „Gazeta Polska“ („Polnische Zeitung“) vom 17.12.2014 eine Überschrift aus der Regionalpresse von vor der Komunalwahl: „Skandal an höchsten Stellen in Słupsk: Bürgermeister beteuert, mit Abfackeln von zwei Autos seiner Konkurrenten nichts zu tun zu haben“. Solche Schlagzeilen sagen viel aus über das politische Klima in der Stadt.

„Zweimal gab es in den letzten Jahren in Słupsk Volksbefragungen über die Abberufung des bisher seit 12 Jahren amtierenden Bürgermeisters, eines Altkommunisten, der durch Filz und Vetternwirtschaft die Stadt in Schach hielt. Beide Male scheiterten die Befragungen an unzureichender Beteiligung“, erinnert in der „Rzeczpospolita“ der eingangs erwähnte Piotr Kobalczyk.

„Biedroń gewann in Słupsk nicht weil er schwul ist. Er gewann trotzdem. Er gewann, weil er nicht von hier ist“, lautet die nüchterne Diagnose von Joanna Podgórska in der Wochenzeitung der postkommunistischen Linken „Polityka“ vom 9.12.2014.

Biedrońs Verheiβung „Endlich ein Wechsel“ fiel auf einen fruchtbaren Boden, wie einst das berühmte „Change“ von Barack Obama.

Seine Gegenkandidaten beeindruckten durch Kenntnis der örtlichen Probleme und warfen Biedroń vor, er habe davon keine Ahnung. Biedrońs Antwort: „Sie kennen sich gut aus, und dennoch ist es um die Stadt so schlecht bestellt“, traf ins Schwarze.

2. Rebellion der Verzweifelten

Ruin und Abwicklung der Słupsker Groβbetriebe aus kommunistischer Zeit, massenweise Abwanderung junger Menschen zur Arbeit ins Ausland, Stagnation und Perspektivlosigkeit, die vordergründig durch renovierte Fassaden und neue Ladenzeilen kaschiert wurden. Das alles mündete im Januar 1998 in tagelangen Krawallen und Barrikadenkämpfen (22 zerstörte Polizeiautos, 72 verwundete Polizisten, 240 Festnahmen).

Der Auslöser: ein Polizist hatte einen 13jährigen Basketballfan auf offener Straβe zu Tode geprügelt. Die in Słupsk seit 1945 ansässige kommunistische Milizschule, nach 1989 in Polizeischule umbenannt, der gröβte Arbeitgeber vor Ort, und ihre entfesselten Beamten, hatten noch lange nach der Wende in der Stadt, nach alter Manier, für Ruhe und Ordnung „gesorgt“. Ob ein Blechschaden am Auto, ein Streit in der Kneipe, ein Strafzettel oder eine Festnahme, die Uniformierten waren immer im Recht, und wer nicht spurte, der wurde weichgeprügelt und wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt angezeigt. Staatsanwaltschaft und Gerichte sorgten für Rückendeckung. Was Wunder, dass die Krawalle von 1998 einem Volksaufstand glichen, bei dem ältere Frauen Polizisten von Balkonen mit Blumentöpfen bewarfen.

Schwere Krawalle in Słupsk 1998
Schwere Krawalle in Słupsk 1998

Piotr Lisiewicz erinnert in der „Gazeta Polska“ an diese Ereignisse und schreibt über Biedrońs Sieg: „Słupsk hat wieder einmal rebelliert“. Die Polizeiwillkür wurde nach 1998 eingedämmt, aber alle anderen Probleme sind geblieben. „Die Einwohner von Słupsk haben es sich so vorgestellt: sie wählen einen Bürgermeister von Auβerhalb, und der bringt in einem Bus eine Crew von Fachleuten mit, die die Stadt verwalten werden. Der Unmut über den lokalen Klüngel, der Wunsch ihn um jeden Preis davonzujagen, haben alle anderen Argumente in den Schatten gestellt. Darum haben sie Biedroń gewählt.“

3. Geblendet und erpresst

„Słupsk wurde auf gewisse Weise erpresst“, schreibt Piotr Kobalczyk in der “Rzeczpospolita“. „Machen wir uns nichts vor. Von Anfang an wurde in den Mainstream-Medien unterschwellig die Botschaft verkündet, dass Słupsk eine Prüfung in Toleranz ablegt. In wie weit sind die Menschen dort europäisch und fortschrittlich.“

Und dazu der Medienrummel. „Die Übertragungswagen groβer TV-Sender kamen erst dann, als Biedroń erschien. Alles was vor Biedroń war, war plötzlich langweilig und veraltet. Alles was mit ihm kam, war modern und spannend“. Plötzlich redeten sie sogar in Amerika über Słupsk.

Biedroń belagert von den Medien nach der Wahlentscheidung im November 2014
Biedroń belagert von den Medien nach der Wahlentscheidung im November 2014

Kobalczyks Fazit: „War Biedrońs Wahl zum Bürgermeister ein Beleg für Eigensinn, Offenheit, oder ein Ausdruck gefühlter provinzieller Minderwertigkeit? Oder ist die Antwort viel banaler: viele Einwohner von Słupsk haben einem in der Welt bekannten Schwulen, einem Polit-Promi ihre Stimme gegeben, damit ihre Stadt, sei es nur für kurze Zeit, automatisch in eine andere, bessere Liga aufgenommen wird?“

Wie geht es weiter?

Die Prosa des Lebens wird auch den neuen Bürgermeister bald einholen. Biedroń kommt mit dem Fahrrad ins Amt. Die zwei Dienstwagen im Rathaus sind abgeschafft, ebenso das Mineralwasser im Konferenzsaal, harte Sparmaβnahmen sollen die Ausgaben der Stadt um 5 Mio. Zloty (ca. 1,2 Mio. Euro) senken. Auf Biedrońs Anregung soll ab Mai eine Mieterhöhung um 10% in allen sechstausend städtischen Wohnungen in Kraft treten. Schon heute sind knapp viertausend städtische Mieter in Słupsk mit ihren Zahlungen im Rückstand.Im Dezember 2014 belief sich dieser Zahlungsrückstand auf insgesamt 17 Mio. Zloty (gut 4 Mio. Euro), davon gut 2 Mio. Zloty (knapp 0,5 Mio. Euro) Zinsen. Wird das gutgehen?

Der erhoffte Bus mit Fachleuten jedenfalls, ist nicht eingetroffen. Robert Biedroń ist in Słupsk ein politischer Einzelgänger, er braucht einen Apparat zum Regieren und Verwalten. In den Internetforen wurden sie bereits bemerkt: die vielen alten Kader aus dem bisherigen Klüngel, die er notgedrungen zu seinen engsten Mitarbeitern gemacht hat.

Biedroń hat den Menschen in Słupsk einen fundamentalen Wandel versprochen. Wird er sich, wie Obama, schon bald der politischen Wirklichkeit unterwerfen müssen? Und wird er, sollte er politisch scheitern, die „Homophobie“ dafür verantwortlich machen?

Polen “mit einem starken, katholisch geprägten Konservatismus“ wird in Deutschland (wie z. B. in der Tageszeitung „Die Welt“ vom 22.12.2014) stets und gerne eine kollektive Phobie (wörtlich: krankhafte Angst, Angstneurose, Abneigung, Ekel) in Bezug auf Homosexuelle unterstellt. Zwar wurde der Schwulenparagraph, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, in Polen bereits 1932 abgeschafft (in Deutschland erst 62 Jahre später), zwar gaben 2013 nur etwa 25% der Befragten Polen an, dass sie Homosexualität für „nicht normal“ halten, aber der erhobene deutsche Zeigefinger senkt sich deswegen um keinen Millimeter. Toleranz muss man den Polen „einbimsen“, verkündet „Die Welt“.

Biedroń war vor 2011, vor seiner Abgeordneten-Zeit also, Chef der „Kampagne gegen die Homophobie“, einer Organisation, die gegen die Diskriminierung von Homosexuellen kämpft. In einer ihrer Broschüren mit dem Titel „Regenbogen-Fibel oder (fast) alles, was Ihr über Schwule und Lesben wissen wollt“ schrieb er über die Entkriminalisierung der Homosexualität in Polen 1932, wie folgt:
„Dieses für seine Zeit moderne Strafgesetzbuch (…) bewirkte, dass, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, Homosexuelle durch das polnische Strafrecht nicht mehr verfolgt wurden. Das schuf eine zweideutige und kuriose Situation. Einerseits war es gut, dass homosexuelle Handlungen nicht mehr bestraft wurden, andererseits jedoch verschwanden Homosexuelle durch die Entkriminalisierung aus dem öffentlichen Raum und damit aus dem menschlichen Bewusstsein“ (Unterstreichung RdP).

Kurz gesagt: dass Homosexuelle in Polen nicht verfolgt wurden, war eine Art der Verfolgung, denn man schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. So gesehen hatten es die deutschen Homosexuellen besser.

Die Zeitung „Rzeczpospolita“ vom 2.12.2014 sprach, vor dem Hintergrund der Biedroń-Wahl, den Krakauer Politologen Jacek Kloczkowski darauf an. Seine Antwort: „Es gibt unter den Polen solche, die Homosexuelle einfach nicht mögen, wozu sie im Übrigen ein Recht haben“, so lange sie nicht gegen das Strafgesetzbuch verstoβen. „Es gibt die Mehrheit, der die Schwulen egal sind, so lange sie nicht von aggressiven Schwulen-Propagandakampagnen behelligt werden“, weil sie der Meinung sind, dass sexuelle Vorlieben nur in die Privatsphäre gehören. „Es gibt welche, die Mitleid mit Schwulen haben und solche, die sie mögen. Die polnische Gesellschaft unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von vielen anderen in Europa.“ Die Toleranz in dieser Hinsicht ist eindeutig vorherrschend, die Akzeptanz nicht, so die These des Wissenschaftlers.

© RdP