Aus deutschen Landen, reichlich vorhanden

Landschaft nach der Übernahme. Deutsche Konzerne auf dem polnischen Medienmarkt.

Die aktuellen Erhebungen haben eigentlich nichts Neues ans Tageslicht gebracht, und doch stockte vielen wieder einmal der Atem, denn die Zahlen sind wahrlich überwältigend. Platz eins: Bauer-Verlag, der 2014 knapp 294 Mio. Exemplare seiner Presserzeugnisse in Polen verkauft hat. Rang zwei: Ringier Axel Springer – mit nicht ganz 123 Mio. Exemplaren. Platz drei: Passauer Neue Presse (Polska Press Grupa): knapp 112 Mio. Rang sieben: Burda-Verlag mit gut 27 Mio. Exemplaren. Fazit: siebzig Prozent der Medien in Polen, abgesehen von TV-Sendern, befinden sich in deutschem Eigentum, darunter praktisch alle Regionalzeitungen.

Der erste polnische Verlag auf der Liste: Agora („Gazeta Wyborcza“ u.a.), belegt Platz vier mit knapp 66 Mio. verkaufter Exemplare.

Seitdem das Internet-Fachportal „wirtualnemedia.pl“ Ende April 2015 die Zahlen für das Jahr 2014 veröffentlicht hat, wird das Thema „polnisch-sprachige deutsche Medien in Polen“ immer wieder in der Öffentlichkeit aufgegriffen. Im Wahljahr 2015 (Mai – Präsidentschaftswahlen, Oktober – Parlamentswahlen), eigentlich kein Wunder.

In Deutschland nicht vorstellbar

Wären solche Zustände in Deutschland möglich? Theoretisch ja, praktisch jedoch sind sie nicht vorstellbar. Im Herbst 2005 verkaufte die deutsche Verlagsgruppe Holtzbrinck für etwa 150 Mio. Euro den Berliner Verlag (u. a. der Herausgeber der „Berliner Zeitung“) an die Mecom Group des britischen Medienmanagers David Montgomery. Deutschlandweit rief dies einen Sturm der Entrüstung hervor. Erstmals war ein deutsches Zeitungshaus in den Besitz eines ausländischen Finanzinvestors gelangt. Montgomerys „Gebaren“ wurde seitdem fortlaufend von den deutschen Medien beobachtet. Ablehnung und Tadel waren an der Tagesordnung. Im Januar 2009 endete „der Spuk“. Der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg kaufte die „Berliner Zeitung“ „zurück“.

Angesichts der geballten deutschen Kritik an dem Briten Montgomery und seinem Kauf, kam niemandem in Deutschland in den Sinn von „antibritischer Stimmungsmache“ oder „antibritischen Ressentiments“ zu sprechen. Wer dagegen die deutsche mediale Vorherrschaft in Ostmitteleuropa oder in Polen anspricht, muss darauf gefasst sein, dass ihm „Germanophobie“, „Nationalismus“ oder andere niedrige Beweggründe unterstellt werden. Dies ist ein probates Mittel, um der Diskussion darüber auszuweichen, wie es zu einer solchen Dominanz kommen konnte und welche Folgen sie hat.

Ein Parteikonzern wird zerschlagen

Das Konzept der sogenannten Transformation, also der Übergangs vom Kommunismus zur Marktwirtschaft im ganzen ehemaligen Ostblock, sah, allem voran, den Ausverkauf des Staatseigentums vor. Es gibt viele Schätzungen, doch es überwiegt die These, das polnische Staatseigentum sei für etwa zehn Prozent seines realen Wertes veräuβert worden.

Verkauft wurden auch Zeitungen. Das bewerkstelligte in Polen der Abwicklungsausschuss (Komisja Likwidacyjna), der ab 1990 das riesige Vermögen des staatlichen Konzerns RSW Prasa-Książka-Ruch (Arbeiterverlagsgenossenschaft Presse-Buch-Vertrieb) unter den Hammer brachte.

RSW war der gröβte Pressekonzern Ostmitteleuropas. Bis 1990 gehörten ihm 45 Tageszeitungen (darunter das Parteiorgan „Trybuna Ludu“) und 235 Zeitschriften mit einer einmaligen Auflage von 3,5 Mio. Exemplaren. Er kontrollierte den gesamten Pressevertrieb im Land, besaβ 17.000 Zeitungskioske und 200 Zwischenlager. Hinzu kamen 7 Buchverlage, 5 Agenturen (darunter die Agentur Interpress (PAI), auf deren Betreuung, gegen Entgelt, alle ständigen ausländischen Korrespondenten und Reisejournalisten angewiesen waren, und die Zentrale Fotoagentur (CAF), die die gesamte Presse mit Bildern belieferte), 17 Groβdruckereien, eine Philatelie-Handelskette, 4 groβe Mitarbeiter-Erholungsheime, wertvolle Grundstücke mit Bürogebäuden in ganz Polen usw., usf.

Die „Arbeiterverlagsgenossenschaft“ war in Wirklichkeit Eigentum der herrschenden, kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) und, neben den Mitgliederbeiträgen, ihre wichtigste Geldquelle.

Im März 1990 verabschiedete der Sejm den Beschluss zur Abwicklung des Konzerns. Ein Teil der Zeitungen wurde, zu Vorzugspreisen, an Mitarbeiter-Genossenschaften verkauft. Die jedoch hatten kein Geld für den Computersatz (DTP), der gerade groβ im Kommen war, für besseres Papier, Layout, Recherchen usw. Von Schulden bei Druckereien und im Vertrieb geplagt, gingen sie entweder Pleite oder nahmen ausländische Investoren mit an Bord, die bald darauf den ganzen Laden übernahmen. Die einzige Mitarbeiter-Genossenschaft, die nach 1990 überlebte, und erst kürzlich in eine GmbH umgewandelt wurde, ist die des postkommunistischen Wochenmagazins „Polityka“.

Die restlichen Zeitungen und Zeitschriften verkaufte man der französischen Verlagsgruppe Hersant und der norwegische Firma Orkla Media. Sie waren die groβen ausländischen Spieler der ersten Stunde.

Bauer Media Group

Deutsche Medienkonzerne, zunächst noch mit den Folgen der Wiedervereinigung beschäftigt, waren von Anfang an dabei, hielten sich jedoch im Hintergrund, sondierten erst einmal das neue Gelände, wie z.B. der Bauer-Verlag, der 1991 mit der polnischen Version der Jugendzeitschrift „Bravo“ einen ersten Testballon steigen lieβ.

Heute besitzt Bauer RMF den gröβten privaten Radiosender des Landes, das mächtige Internetportal Interia.pl und eine Groβdruckerei in Ciechanów, im Nordosten des Landes. Dazu eine riesige Palette an Zeitschriften, unter denen sich sieben der zehn bestverkauften des Landes befinden: „Twój Styl“ („Dein Stil“), „Kobieta i Życie“ („Frau und Leben“), „Chwila dla Ciebie“ („Ein Augenblick für Dich“), „Bravo“, „PC Format“, „Tele Tydzień“ („Tele Woche“), „Tele Świat“ („Tele Welt“), „Twoje Imperium“ („Das Imperium“), „Świat Kobiety“ („Welt der Frau“), „To & Owo“ („Dies & Das“), „Życie na Gorąco“ („Das Leben ganz heiβ“) und weitere achtzig Titel.

Burda International PL

Im Jahr 1993 kam Gruner+Jahr mit der Hochglanzzeitschrift „Claudia“ auf den polnischen Markt, einem Produkt, das die einheimischen, eher grauen denn bunten Frauenmagazine sofort in den Schatten stellte. Mit der prachtvollen „National Geographic“ (G+J erwarb die Lizenz für ganz Ostmitteleuropa) landeten die Hamburger kurz darauf einen weiteren Volltreffer.

Im Jahr 2013 verkaufte G+J seine polnischen Unternehmungen an Burda International Polska, der im Augenblick elf Hochglanzmagazine herausgibt, darunter „Elle“, „In Style“, „Claudia“, „Burda“, „Focus“, „Gala“, „National Geographic Polska“, „Chip“.

Polska Press Grupa

Atemberaubend gestaltete sich auch die Invasion der Passauer Neuen Presse in Polen. Seit Jahren schon kursiert das Gerücht, der kleine Verlag aus Passau sei von Bertelsmann vorgeschickt worden, um den Markt der Regionalzeitungen in Ostmitteleuropa zu erobern.

Im Jahr 1994 kauften die Passauer der französischen Hersant-Gruppe die ersten Regionalzeitungen in Polen ab. Heute hat der Verlag 19 Regionalzeitungen: Dziennik Bałtycki („Ostsee Tagblatt“) – Gdańsk/Danzig, „Dziennik Łódzki“ („Lodzer Tagblatt“) und „Express Ilustrowany“ („Der Bebilderte Express“) – Łódź/Lodz, „Dziennik Zachodni“ („West-Tagblatt“) – Katowice/Kattowitz, „Gazeta Krakowska“ („Krakauer Zeitung“) und „Dziennik Polski“ („Polnisches Tagblatt“) – Kraków/Krakau, „Głos Wielkopolski“ („Die Stimme Groβpolens“) – Poznań/Posen, „Gazeta Wrocławska“ („Breslauer Zeitung“) – Wrocław, „Kurier Lubelski“ („Lubliner Kurier“) – Lublin, „Metropolia Warszawska“ („Die Warschauer Metropole“) – Warszawa, „Gazeta Lubuska“ („Lebuser Zeitung“) – Zielona Góra/Grünberg, „Gazeta Pomorska“ („Pommerische Zeitung“) und ”Express Bydgoski” („Bromberger Express“) – Bydgoszcz/Bromberg, ”Nowości – Dziennik Toruński“ („Neuigkeiten – Thorner Tagblatt“) – Toruń, „Kurier Poranny“ („Morgenkurier“) und „Gazeta Współczesna“ („Zeitgenössische Zeitung“) – Białystok, „Nowa Trybuna Opolska“ („Neue Oppelner Tribüne“) – Opole, „Echo Dnia“ („Tagesecho“) – Kielce, „Gazeta Codzienna Nowiny“ („Tageszeitung – Neuigkeiten“) – Rzeszów, „Głos Dziennik Pomorza“ („Die Stimme – Pommerisches Tagblatt“) – Słupsk/Stolp.

Der Monopolbildung auf dem Regionalzeitungsmarkt hat die polnische Antimonopolbehörde (UOKiK), beim Zukauf weiterer Blätter durch die Passauer Neue Presse 2013, ausdrücklich zugestimmt. Die Behörde untersteht direkt dem Ministerpräsidenten. Amtsinhaber in jener Zeit war Donald Tusk.

Zu diesem Konglomerat gesellen sich: mehr als einhundert lokale Wochenblätter, sowie die landesweite kostenlose Zeitung „Nasze Miasto“ („Unsere Stadt“) – Wöchentliche Gesamtauflage 0,5 Mio. Exemplare. Auβerdem: vier Anzeigenblätter, fünf Fernsehzeitschriften, sechs Anzeigeninternetportale, 15 Internetfachportale für das Bauwesen.

Die Passauer geben zudem eine landesweite Tageszeitung heraus „Polska The Times“ und betreiben eine Nachrichtenagentur (Agencja Informacyjna Polska Press).

Ringier Axel Springer

Der Springer-Verlag betreibt sein Polen-Geschäft zusammen mit dem Schweizer Medienkonzern Ringier AG. Anders als die Passauer, hat er es auf landesweite Medien abgesehen.

Springer ist Herausgeber von „Fakt“ (der polnischen „Bild-Zeitung“, wie sie genannt wird), der auflagenstärksten Zeitung Polens (Verkauf 2015: ca. 350.000 Exemplare) und von zwei Sport-Blättern: „Sport“ und „Przegląd Sportowy“ („Sport Rundschau“).

Hinzu kommen: das radikal antikatholisch und gegen die nationale polnische Tradition ausgerichtete Kampfblatt „Newsweek Polska“, das Wirtschafts-Monatsmagazin „Forbes“ und das gröβte, und ähnlich wie „Newsweek Polska“, ideologisch gefärbte polnisch sprachige Internetportal Onet.pl. Des Weiteren hat der Konzern eine Reihe von Computer-Fachzeitschriften in seinem Angebot.

„Mediale Kolonie“

Die schärfsten Kritiker des geschilderten Zustandes sprechen von Polen als einer deutschen „medialen Kolonie“. „Wohin der Eingeborene in der polnischen Medienlandschaft auch blickt, überall sieht er deutsche Plantagen“, so der Ende 2014 verstorbene, katholische Solidarność-Aktivist aus Oberschlesien Kazimierz Świtoń.

Die Medienkundlerin Olga Dąbrowska-Cendrowska von der Jan-Kochanowski-Universität in Kielce hat Ende 2014 eine Studie mit dem Titel “Burda Media Polska, Bauer Media, Ringier Axel Springer, G+J Polska – die Kondition der »groβen deutschen Vier« auf dem polnischen Medienmarkt“ veröffentlicht. Es ist eine umfangreiche Analyse des Werdegangs dieser Firmen in Polen, ihrer Unternehmens- und Verkaufsstrategien.

Das Fazit der Studie lautet: diese Firmen seien „die wichtigsten Verleger auflagenstarker Magazine. (…) Ihr wesentlichster Ansatz lautet: Gewinnerzielung bei kleinstmöglichem Eigenengagement. Die Vereinheitlichung der Inhalte und der Botschaften, „Tabloidisierung“ (verstanden als Sensationshascherei, Tabubruch, Katastrophenjournalismus, Ausleuchtung des Privatlebens von Stars, Alltagsgeschichten – Anm. RdP), mit dem Ziel den Interessen eines wenig anspruchsvollen Verbrauchers zu genügen, begünstigen die Erwirtschaftung zufriedenstellender Gewinne.“

Der Medienwissenschaftler von der Uniwersytet Śląski (Schlesische Universität) in Katowice, Prof. Stanisław Oniszczuk bestätigt das, geht jedoch entschieden weiter: „Selbstverständlich sind Gewinne für die Unternehmen das Wichtigste. Deswegen haben ja die deutschen Konzerne Marksegmente der Frauen-, Fernseh,- Computer – und Autozeitschriften erobert. Stets jedoch bleibt die Frage offen: schreitet im Gefolge dieser Verleger nicht auch eine Informationspolitik, die mit der polnischen Staatsraison nicht immer vereinbar ist, voran?“

Prof. Ryszard Terlecki, Historiker, Medienexperte und Politiker der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hegt in dieser Hinsicht keine Zweifel: „Jede Nation hat ihre eigenen Traditionen, ihr Wertesystem, ihren Kulturcode. Medien die von auβen kommen, scheren sich nicht darum, sondern zwingen ein Wertesystem auf, das ihrer Heimat eigen ist.“

Beobachtet und zusammengefasst

An der Spitze der deutschen Medienunternehmen in Polen haben erfahrene deutsche Kaufleute das Sagen. Ihre einzige Aufgabe: den Stammhäusern in Berlin, Offenburg und woanders stets satte Gewinne einzufahren. Wie erreicht man dieses Ziel? Polnische Medienwissenschaftler weisen auf einige typische Erscheinungen hin:

1. Regionale Medien

A. In den regionalen Medien sind investigativer Journalismus und die Kontrollfunktion gegenüber der regionalen Verwaltung praktisch auβer Kraft gesetzt. Man will keine „Scherereien“. Zudem sind kommunale Behörden wichtige Anzeigengeber in der oft vor sich hindämmernden polnischen Provinz. So verschmelzen die regionalen, polnischsprachigen Medien, die in weiten Teilen des Landes völlig konkurrenzlos agieren, mehr oder weniger zu einem Bestandteil der regionalen Machtkartelle, die von Amtsperiode zu Amtsperiode wiedergewählt werden und alles unter Kontrolle haben.

B. Die Chefposten werden mit „Managern“ besetzt, die stets bereit sind das journalistische Berufsethos an den Nagel zu hängen, denn Werbung, „Productplacement“ und als Berichte getarnte Sponsorenbeiträge haben absoluten Vorrang.

C. Eine Zeitung soll vor allem unterhalten, Ratgeber sein, Lokales möglichst auf Hagelschäden, Feuerwehrfeste und Umleitungen reduzieren.

D. Vor der Übernahme hatten Regionalzeitungen, wie „Dziennik Polski“ („Polnisches Tagblatt“) aus Kraków oder „Głos Wielkopolski“ („Die Stimme Groβpolens“) aus Poznań, auch eine überregionale, meinungsbildende Bedeutung. Inzwischen sind auch sie der Gleichschaltung zum Opfer gefallen.

E. In der eher unpolitischen Gangart der polnischsprachigen deutschen Regionalmedien gibt es einige bemerkenswerte Ausnahmen. Zu ihnen gehört ganz gewiss das auffällig starke, jahrelange Engagement des „Dziennik Zachodni“ („West-Tagbaltt“) in Katowice für die Oberschlesische Autonomiebewegung, die als Vertreterin einer nirgendwo anerkannten „schlesischen Nation“ sich de facto für die Loslösung Oberschlesiens von Polen einsetzt.

F. Ob auf Anweisung oder als Folge des vorauseilenden Gehorsams ihrer polnischen Angestellten, Tatsache ist, dass in den monopolisierten regionalen Medien eindeutig propolnische Stellungnahmen zu kontroversen polnisch-deutschen Themen (Frau Steinbachs Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin, Kontroverse um den Film „Unsere Mütter, unsere Väter“, in dem die Polen als blutrünstige Antisemiten dargestellt worden sind usw.) kaum zu vernehmen sind.

2. Bunte Blätter

Groβe Teile dieser Blätter werden in Deutschland geschrieben, bebildert und vor Ort ins Polnische übersetzt. So wird, wie Prof. Terlecki sagt, „der eigene Kulturcode“ ins Nachbarland befördert.

3. Überregionale Medien

Mit dem Massenblatt „Fakt“ haben es die Kaufleute von Ringier Axel Springer auf das sensationslustige Massenpublikum abgesehen. Vorbild und Maβstab aller Dinge ist hier die deutsche „Bild-Zeitung“, die aber in Polen inzwischen eindeutig überboten worden ist. „Fakt“ teilt blindlinks in alle Richtungen aus, schürt Konflikte, stachelt an, wuchert mit Blut und Brutalität. Neustes Beispiel: Mitte August 2015 hat ein offensichtlich Geisteskranker, auf offener Straβe in Kamienna Góra/Landshut in Niederschlesien, mit einer Axt ein 10jähriges Mädchen erschlagen. „Fakt“ brachte das Foto der Sterbenden auf der ersten Seite, was sogar den sonst deutschlandfreundlichen ehem. Auβenminister Sikorski zu der Twitter-Eintragung veranlasste: „I wonder if in Germany @Axel Springer would dare to splash a photo of a 9-year-old-girl murderd with an axe“.

Ansonsten setzten die Manager Ringier Axel Springer auf die kaufkräftigste Kundschaft; das etablierte junge und etwas reifere, gut verdienende, genussfreudige Groβstadtpublikum und diejenigen, die gerne dazu gehören möchten. Man gibt sich „europäisch“, nationale Tradition, Geschichte, Literatur, das Einstehen für das eigene Land, Religion, Familie gelten als „längst überholt“ und diejenigen, die dazu stehen gelten als „Hinterwäldler“ und „Dörfler“. Für die Erstgenannten steht symbolisch Donald Tusk, für die anderen Jarosław Kaczynski.

"Polens Kirche deckt Pädophilie". 9/2013
Springer-Blatt „Newsweek Polska“ und die Kirche. „Polens Kirche deckt Pädophilie“. 9/2013

Newsweek 39-2012
„Gottesfürchtiger Sex“. 39/2012

Newsweek 31-2012
„Vater in Soutane“ 31/2012.

In diesem Konflikt, den sie geradezu schüren, bekennen sich „Newsweek Polska“ und das Internetportal Onet.pl eindeutig zu den Ersteren. Das Titelbild des „Newsweek Polska“, auf dem der Oralverkehr zwischen einem Kind und einem Priester suggeriert wird, spricht Bände. Wahre Begebenheiten spielen auch in diesem Fall keine Rolle.

Sie geben Hunderte von Blättern heraus, aber ein Ruhmesblatt ist das Wirken deutscher Medienkonzerne in  Polen für sie beileibe nicht. Sie haben, die ohnehin  vorhandene, mediale Sumpflandschaft an der Weichsel erheblich vertieft und erweitert. Zarte Versuche von Springer die politische Kultur positiv zu bereichern, mit einer Tageszeitung wie „Dziennik Polska – Europa – Świat“ („Tagblatt Polen – Europa – die Welt“ 2006-2009) oder  der hoch intellektuellen Beilage zum Revolverblatt „Fakt“ („Tygodnik Idei Europa“ – „Wochenblatt der Ideen Europa“) sind längst Geschichte. Es geht ja auch nicht um Ruhm, sondern nur ums Geld, und die Kaufleute an ihrer Spitze sind zu sehr vielem bereit.

31/2010
„Väter in Soutanen“. 31/2010

Hat also Stefan Bratkowski, der Doyen des polnischen Journalismus und, nebenbei bemerkt, ein glühender Gegner Jarosław Kaczyńskis und seiner politischen Richtung, mit seiner bereits 2003 ausgesprochenen Warnung doch recht gehabt? „Es ist sehr gefährlich, wenn ausländische Medien mit Monopolcharakter die öffentliche Meinung formen. Das kann den Informationsfluss in unserem Land gefährden und bewirken, dass die Diskussion über die für Polen wichtige Themen, ausschlieβlich durch ausländische Medienkonzerne moderiert wird.“

Mit einem Anteil von 70 Prozent der polnischsprachigen deutschen Medien am polnischen Medienmarkt ist die Ausschlieβlichkeit noch nicht erreicht, doch sie existiert bereits bei den Regionalzeitungen. Das Gleichgewicht jedenfalls ist eindeutig gestört.

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