Geld, Gerät, GI’S und der eiserne Riegel

Polens korrigierte Verteidigungsdoktrin.

Mit dem Krieg in der Ukraine steigen die polnischen Verteidigungsausgaben stetig und die Polen, das Schicksal der Ermordeten von Butscha und Irpin vor Augen, nehmen das billigend in Kauf.

In einer Umfrage, die Anfang April 2023 das Wochenmagazin „Sieci“ („Netzwerk”) in Auftrag gab, wurde gefragt, welche Art von Armee Polen haben sollte. Nur 32 Prozent der Befragten antworteten, dass eine Armee, die das Land so lange verteidigen kann, bis  die Alliierten Polen zur Hilfe kommen, ausreicht. Dagegen waren 68 Prozent der Meinung, dass es eine Armee geben muss, die in der Lage wäre, einen feindlichen Angriff aus eigener Kraft abzuwehren.

Daraus lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen. Die Polen unterschätzen den Krieg in der Ukraine nicht und er macht ihnen Angst. Diese Angst jedoch, und das ist eine weitere Beobachtung, lähmt sie nicht und macht sie nicht zu Defätisten, die zu weitreichenden Zugeständnissen bereit wären, nur um sich in einer trügerischen Sicherheit wähnen zu können. Für die meisten Polen ist die Verteidigung ihres Landes, das bekunden sie zumindest, eine selbstverständliche Antwort auf einen möglichen Überfall.

Und schließlich die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung. Polen sollte sich in einem eventuellen Krieg in erster Linie auf sich selbst verlassen. Das zeigt schlussendlich, dass die Polen in der Lage sind, aus dem bisherigen Verlauf des Krieges in der Ukraine und aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen.

Ernüchterung

Der Krieg wirkte ernüchternd und hat so manche frühere polnische Illusion zunichtegemacht. Die Ukraine war in der Lage gewesen, den russischen Überfall in den ersten Kriegswochen aus eigener Kraft abzuwehren. Erst dann erhielt sie nennenswerte militärische Unterstützung. Vorher bekam der ukrainische Botschafter in Berlin von deutschen Spitzenpolitikern, wie Christian Lindner, zu hören „Euch bleiben nur wenige Stunden“ und deswegen könne man nur humanitären Beistand leisten.

Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass es versteckte, aber erhebliche Unterschiede in der Politik der einzelnen Nato-Mitglieder im Umgang mit dem Aggressor gibt. Während die am stärksten bedrohten Staaten Ostmitteleuropas eine entschlossene Reaktion forderten, reagierten andere, vor allem Deutschland und Frankreich, mit Zögern und Zaudern, in der Hoffnung, mit Moskau bald einen Deal machen zu können, selbst wenn das auf Kosten der Ukraine gehen sollte. Bei vielen Polen weckte das sofort Assoziationen an die Vergangenheit, als verschiedene europäische Mächte, trotz Unterstützungszusagen, Polen den Aggressoren zum Fraß vorwarfen.

Ein solches Verhalten der Franzosen, Deutschen und manch anderer in Westeuropa gibt Anlass zur Sorge. Es stellt deren Glaubwürdigkeit als  Verbündete in Frage und untergräbt das Vertrauen innerhalb der Nato. Wird sich ihre Reaktion nicht, wie im Falle Englands und Frankreichs im September 1939, in leeren Gesten erschöpfen? Die haben damals zwar dem Dritten Reich den Krieg erklärt, aber zu Hilfe gekommen sind sie dem überfallenen Polen nicht.

Umso mehr als der berühmte Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, der im Falle eines Angriffs zur Anwendung kommt, von der Verpflichtung der Vertragsparteien spricht, Maßnahmen zu ergreifen, die sie als notwendig erachten, um einem angegriffenen Verbündeten beizustehen. Das muss nicht unbedingt militärisches Eingreifen sein. Man kann sich auch, wie Deutschland zu Beginn des Ukrainekrieges, darauf beschränken, 5.000 Helme zu schicken. Zumal der lang anhaltende Frieden und der daraus resultierende Wohlstand  Westeuropa geistig demobilisiert und militärisch impotent gemacht haben.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Nato wenig wert ist. Sie ist viel wert. Das aber nur, wenn sich das Bündnis weiterhin nicht nur auf Berlin, Paris und einige andere Partner stützt, die mut- und hoffnungslos die eigene Sache für aussichtslos halten und glauben, ohne Russland nicht auskommen zu können. Hätten allein sie das Sagen, stünde Putin schon längst an der polnischen Grenze. Daran gibt es leider keinen Zweifel. Deswegen gilt, frei nach Vergil, die Einschränkung, „traut nicht den Deutschen, auch wenn sie eine Zeitenwende verkünden”.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Amerika

Die Stärke und Lebenskraft der Nato wird nach wie vor von den Vereinigten Staaten bestimmt, zu denen die Polen mit wesentlich mehr Vertrauen aufschauen als so manche westeuropäische Bündnismitglieder. Nur sind die Amerikaner ziemlich weit weg und haben nicht nur Probleme mit Russland, sondern auch mit China. Gerade deshalb muss sich Polen selbst helfen, damit ihm die Amerikaner helfen wollen und können.

Die ukrainische Erfahrung beeinflusst heute stark das Denken amerikanischer Strategen. Das „Wall Street Journal” veröffentlichte Anfang April einen Artikel von John Bolton, eines Diplomaten und zeitweisen Beraters von Donald Trump. Bolton schrieb unter anderem, dass die Vereinigten Staaten in erster Linie auf jene Verbündeten setzen sollten, die Amerikas Stärke stärken, also auf aktive und gut bewaffnete Verbündete, die in der Lage sind, einen Angriff aus eigener Kraft abzuwehren. Denn nur sie sind es wert, dass man ihnen hilft. Da ist kein Platz für Abtrünnige, die kostenlos vom amerikanischen Militärschirm profitieren. In dieser Denkweise, die auch von Joe Bidens demokratischem Team weitgehend geteilt zu werden scheint, macht der Aufbau einer starken Armee Polen zu einem wertvollen und schützenswerten Partner für Amerika.

Die Zahl der amerikanischen Truppen in Polen, die heute auf über 10.000 geschätzt wird, mag nicht überwältigend sein, aber drei Dinge sind erwähnenswert.

Erstens: Amerikanische GIs sind in Polen stationiert, was noch vor wenigen Jahren undenkbar schien.

Zweitens: In Poznań wurde ein vorgeschobenes Kommando des V. Landkorps der US-Armee eingerichtet, der erste ständige Stützpunkt der amerikanischen Streitkräfte auf polnischem Territorium.

Drittens: Seit Anfang April gibt es in Powidz, etwa 80 Kilometer östlich von Poznań, ein Dienstleistungs- und Rüstungslager der US-Armee, das schon bald mehrere Tausend Panzer und Kampffahrzeuge beherbergen soll. So wird sich die amerikanische Reaktionszeit auf eine russische Bedrohung von anderthalb Monaten auf wenige Tage verkürzen. Es wird lediglich erforderlich sein, die GI-Besatzungen nach Polen zu verlegen.

Umsonst kann man nicht in Frieden  leben

Die amerikanische Unterstützung bekommt dadurch einen greifbaren Charakter, der nicht nur mit der Verschärfung der Lage in Europa, sondern auch mit dem Aufbau der Glaubwürdigkeit Polens als Verbündeter zusammenhängt. In diesem Sinne ist auch die Verteidigungspolitik der derzeitigen Regierung zu verstehen, die davon ausgeht, dass Polen in diesem Jahr über 130 Milliarden Zloty (ca. 28.2 Milliarden Euro) für das Militär ausgeben wird. Das sind etwa 4 Prozent des polnischen BIP und damit doppelt so viel wie das auf dem Nato-Gipfel im September 2014 in Newport/Wales festgelegte Minimum von 2 Prozent. Im Jahr 2022 gehörte Polen mit Ausgaben in Höhe von 2,45 Prozent des BIP bereits  zu den lediglich neun NatoMitgliedern, die ihre Verpflichtungen erfüllten.

Durch den Krieg in der Ukraine wird der Unterhalt der Armee immer teurer, aber es gibt keine Alternative. Denn die Alternative zu diesen Kosten könnte das Schicksal der ermordeten Einwohner von Butscha und Irpin sein. Mit anderen Worten: umsonst kann man nicht in Frieden leben.

Eine Brandmauer

Die Aggression Moskaus gegen die Ukraine hat viele bisherige Verteidigungspläne auf den Kopf gestellt. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Hauptverteidigungslinie gegen einen Angriff aus dem Osten entlang der Weichsel verlaufen würde. Die polnische Armee sollte dort kämpfend auf die Unterstützung der Alliierten warten.

Heute wissen wir viel mehr. Erstens ist klar, dass eine solche Strategie mit dem Abschlachten von Zivilisten in den von Moskau besetzten Gebieten enden könnte, wie man es in der Ukraine gesehen hat. Zweitens darf man nicht erwarten, dass die Unterstützung der Alliierten vollständig und sofort erfolgt. Ohne die amerikanische Präsenz, müsste Polen möglicherweise sehr lange darauf warten. Und es wäre nicht sicher, dass die Russen bis dahin nicht Warschau eingenommen und eine ihnen genehme Marionettenregierung eingesetzt hätten.

Jetzt müssen die Verteidigungspläne, unter Berücksichtigung der Geschehnisse in der Ukraine, neu erstellt werden. Es kommt nicht mehr in Frage, den Feind auf polnisches Gebiet einzulassen. Dazu bedarf es  einer starken Brandmauer aus Raketenartillerie und Panzern. Ein eiserner Riegel soll durch den Kauf von 506 amerikanischen HIMARS-Raketenwerfern, die Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern abfeuern können, und 218 südkoreanischen K239 Chunmoo Geschosswerfern (Reichweite je nach Rakete bis zu 290 Kilometer) geschaffen werden.

Die ersten der 20 HIMARS-Raketenwerfer, die Polen 2019 bestellt hat, werden im Mai bzw. Juni 2023 eintreffen, aber auf die nächsten 486 wird man noch einige Jahre lang warten müssen. Genau aus diesem Grund hat man entschieden, zusätzlich südkoreanische Raketenwerfer zu kaufen, die schneller beschafft werden können. Im September werden 18 K239 Chunmoo zur Bewaffnung der 18. mechanisierten Division gehören, und der Rest soll bis 2027 nach und nach an Polen geliefert werden.

Auch Panzer, die von vielen Theoretikern der Kriegskunst vorschnell zum Aussterben verurteilt wurden, haben bewiesen, dass sie in den europäischen Ebenen noch immer unverzichtbar sind. Zumal ein potenzieller Gegner seine Bodentruppen gerade auf gepanzerte Waffen und Artillerie stützt. Polen, das den größten Teil seiner T-72- und PT-91-Twardy-Panzer an die ukrainische Armee abgegeben hat, gleicht das Defizit nun durch den Kauf von wesentlich moderneren Waffen aus.

Dabei handelt es sich vor allem um schwere Abrams-Panzer. Premierminister Morawiecki, der Mitte April 2023 das Werk in Alabama besuchte, in dem die Abrams-Panzer hergestellt werden, bestätigte, dass die ersten Fahrzeuge im Juni in Polen eintreffen werden. Dabei handelt es sich um eine Charge von 14 aufgerüsteten Panzern aus dem Bestand der Marines. Insgesamt hat Polen 116 solcher Maschinen gekauft. Die USA werden außerdem 250 Abrams in der neuesten Version liefern, wobei die Lieferungen 2026 enden sollen.

Das ist noch nicht alles an Panzerwaffen, denn jetzt kommt der südkoreanische K2-Panzer ins Arsenal – ein leichterer, weniger gepanzerter, aber hoch automatisierter Panzer mit einer Langstrecken-Kanone, die einen besseren Schutz vor feindlichem Feuer ermöglicht. Es sollen 1.000 solcher Panzer angeschafft werden, von denen mindestens die Hälfte in Polen, in den Militärischen Motorenwerken (WZM) in Poznań hergestellt werden soll.

Zu den Panzerwaffen gehören die Kanonenhaubitzen vom polnischen Typ Krab und ihre koreanischen Gegenstücke vom Typ K9, die zur Beschleunigung der Modernisierung der Armee angeschafft wurden. Ende März 2023 unterzeichnete die Regierung außerdem einen Vertrag über die Lieferung von 1.400 der neuesten Borsuk-Schützenpanzer des polnischen Herstellers Huta Stalowa Wola.

Solche Waffen hatte Polen noch nie

Obwohl die Verstärkung der Landstreitkräfte, wie die ukrainischen Erfahrungen zeigen, Vorrang hat, geht es bei den Anschaffungen auch um andere Waffen. Im kommenden Jahr werden polnische Piloten hinter dem Steuer des modernsten Flugzeugs der fünften Generation, der amerikanischen F-35 sitzen. Ursprünglich war die Pilotenausbildung in den USA für zwei Jahre geplant und die Maschinen sollten 2026 in Polen in Dienst gestellt werden, aber unter den aktuellen Umständen soll der Termin vorverlegt werden. Die neuen Flugzeuge, aber auch die  älteren F-16, die die polnische Luftwaffe bereits besitzt, sollen mit den neuesten JASSM-XR-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 1.800 Kilometern bewaffnet werden, die gerade in den Werken von Lockheed Martin in Produktion gehen.

Polen hat noch nie eine Waffe mit solch einer Reichweite besessen. Und es geht nicht nur darum, mit diesen Raketen Moskau zu treffen, sondern auch darum, dass die Flugzeuge im Falle eines Angriffs an der polnischen Grenze Ziele aus einer sehr sicheren Entfernung, nämlich außerhalb der Reichweite des Feindes, treffen könnten.

Hinzu kommen ebenfalls südkoreanische Flugzeuge des Typs FA-50, die bereits in diesem Jahr auf dem Stützpunkt in Minsk-Mazowiecki unweit von Warschau eintreffen werden, sowie AW101 Merlin-Seehubschrauber und AW149-Mehrzweckhubschrauber. Derweil bereitet sich das polnische Verteidigungsministerium auf Gespräche über die Lieferung von Apache-Kampfmaschinen und MQ-9B Reaper-Drohnen vor. Andere Drohnen, die berühmten türkischen Bayraktar TB2, sind bereits auf dem Stützpunkt in Mirosławiec in Pommern eingetroffen, wo die Ausbildung an der neuen Waffe begonnen hat.

Der Umbau der Luftverteidigung ist seit einigen Jahren im Gange, beginnend mit dem Mittelstreckensystem Vistula (Patriot-Batterien) und endend mit dem Kurzstreckensystem Pilica Plus.

Auch zur See gibt es Veränderungen: Minenzerstörer vom Typ Kormoran II werden in Dienst gestellt. Drei von ihnen sind bereits im Einsatz, und die Produktion eines weiteren hat gerade begonnen. Dennoch bleiben die Seestreitkräfte das größte Sorgenkind der polnischen Armee. Ersatz für alle aus Altersgründen ausgemusterten U-Boote und für die zwei altersschwachen Fregatten ist nicht in Sicht.

Trotz aller Investitionen gibt es noch viel zu tun. Die polnische Armee braucht eine bessere Aufklärung, die nicht nur notwendig ist, um die Absichten des Feindes zu durchschauen, sondern auch, um weit entfernte Ziele für die eigene Artillerie und Raketen ausfindig zu machen. Die Luft- und Seeverteidigung muss kontinuierlich verstärkt werden. Und schließlich müssen Zehntausende von Soldaten gefunden und ausgebildet werden, um das alles zu bewältigen.

Vielleicht wäre dieser Aufwand heute geringer, wenn die Regierung Donald Tusk in den Jahren 2007 bis 2015 im Rahmen eines aufgezwungenen Reset mit Russland die polnische Armee im Osten des Landes nicht entwaffnet hätte. Fast alle militärischen Standorte östlich der Weichsel wurden geschlossen, die wenigen verbliebenen hatten Symbolcharakter. Die gesamte polnische Armee mit 60.000 Soldaten und Offizieren konnte bequem im Warschauer Nationalstadion Platz finden. Heute zählt sie knapp 170.000 Mann. Deswegen ist es so wichtig, die Verteidigungskapazitäten wieder aufzubauen, und zwar in einem beschleunigten Tempo. Dabei weiß niemand, wie viel Zeit Polen dafür bleibt.

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Haubitzen, Kampfjets, Panzer. Polens Jahrhundertkauf in Südkorea

Viel Kriegsgerät für fünfzehn Milliarden Dollar.

Entsprechende Verträge wurden Ende August 2022 unterzeichnet, aber es dauerte noch eine Zeit lang, bis sich die Öffentlichkeit, aus den nach und nach durchsickernden Einzelheiten, ein Bild von dem gewaltigen Umfang des Geschäfts machen konnte.

Für die polnischen Einkäufer waren bei der Auswahl südkoreanischer Rüstungsgüter die beinahe sofortige Verfügbarkeit (die ersten 180 Panzer sollen bis Ende 2022 eintreffen, die ersten Flugzeuge Mitte 2023), der neueste Stand der Technik, die Leistungsfähigkeit, die Zuverlässigkeit und der nachweislich effiziente Service ausschlaggebend. Nur Südkorea war in der Lage, so schnell, so viel gutes Gerät zu liefern: knapp 1.000 Panzer des Typs K2 Black Panther, fast 700 Panzerhaubitzen des Typs K9 und 48 leichte FA-50 Kampfflugzeuge. Hinzu kam, dass ein Großteil der Panzer und Geschütze in Polen gebaut werden soll.

Deutschland ausgestochen

Deutsche Rüstungskonzerne wie Rheinmetall oder Krauss-Maffei Wegmann (KMW) erhielten keine Aufträge aus Warschau. Zu lang seien, so polnische Stellen, deren Lieferzeiten angesichts der russischen Bedrohung. Zu unberechenbar zudem die deutsche Politik und Öffentlichkeit. Zu groß das Risiko bei einem russischen Angriff auf Polen, wie dem auf die Ukraine heute, Opfer des deutschen Zauderns und Hamletisierens zu werden, während Munition und Ersatzteile an der Abwehrfront sofort benötigt werden.

Zudem zeigt das Korea-Geschäft erneut, wie realitätsfern die Ringtauschkonzepte der deutschen Regierung sind. Polen hat bereits 250 schwere amerikanische Abrams-Panzer gekauft, die nach und nach geliefert werden. Jetzt sollen 1.000 hochmoderne, leichtere Kampfpanzer aus Südkorea hinzukommen. Gleichzeitig gingen alle etwa 250 T-72 und PT-91 Twardy Panzer (eine rundum modernisierte Version des T-72) aus polnischen Beständen in die Ukraine. Dafür bot Berlin Polen, im Ringtausch, 100 uralte Leopard 1 an. Ein Modell aus der Mottenkiste, welches dem sowjetrussischen T-72 unterlegen ist. Und auch die deutsche Idee, Warschau mit 20 halbwegs modernen Leopard 2 (lieferbar nach und nach innerhalb von fünf Jahren) unter die Arme zu greifen, wirkte so befremdlich, dass sie von Polen verworfen wurde.

Leopard 2 Panzer der polnischen Armee.

Die polnische Initiative dürfte Berlin zudem unter Druck setzen. Wenn Polen mit seinen knapp 40 Millionen Einwohnern seine Streitkräfte mit 1.500 Kampfpanzern (Leopard 2, Abrams und die K2 aus Südkorea) sowie etwa 800 eigenen und koreanischen Panzerhaubitzen aufrüstet, wird die Bundesrepublik weiterhin, zumindest theoretisch, nicht mit nur etwa 300 Kampfpanzern und 119 Haubitzen operieren können. Die Verbündeten, allen voran die USA, werden von Deutschland eine vergleichbare Anstrengung erwarten. Berlin hat solchen Erwartungen in der Vergangenheit zumeist wenig Beachtung geschenkt, wovon der heutige Zustand der Bundeswehr zeugt.

Jedenfalls, bezogen auf die doppelte Einwohnerzahl und die höhere Wirtschaftskraft im Vergleich zu Polen, wären es dann weit über 2.000 Kampfpanzer, über die die deutschen Streitkräfte verfügen müssten. Das ist, unter den heutigen in Deutschland herrschenden politischen Verhältnissen, ein schwer vorstellbares Szenario.

Sobald der K2 in großer Stückzahl in Polen einsatzfähig ist, wird er in Ostmitteleuropa vieles in der sicherheitspolitischen Landschaft verändern. Der K2-PL ist dem russischen Standardpanzer T-72 weit überlegen. Nur die modernste Variante des russischen T-90 und der immer noch nicht einsatzfähige T-14 Armata sind ihm gewachsen. Von beiden Modellen müsste Moskau große Mengen beschaffen, wollte es den 1.500 modernen Kampfpanzern Polens entgegentreten. Eine für einen Angriff erforderliche Überlegenheit von 3 zu 1 oder gar 4 zu 1, wäre von Moskau nicht finanzierbar.

Der K2-Panzer. Verlockendes Angebot aus Korea

Der Zeitdruck ist groß. Die erste Lieferung der 180 Panzer wird in der „normalen“ K2 Ausführung erfolgen. Danach werden die Modelle den polnischen Bedürfnissen angepasst. Die polnische Variante nennt sich dann K2-PL. Davon sollen ab 2026 weitere 820 Stück gebaut und die bereits gelieferten K2 modernisiert werden.

Der Hersteller Hyundai Rotem, eine Tochtergesellschaft der Hyundai Motor Group, hat den Bau einer neuen Fabrik für deren Produktion in Polen angekündigt. Dort sollen ebenfalls gemeinsam mit der Polnischen Rüstungsgruppe (PGZ), neue Fahrzeuge, einschließlich Infanterietransporter, entwickelt werden.

K-2 ist der weltweit modernste Kampfpanzer im Nato-Standard, der bereits gebaut wird und tatsächlich lieferbar ist.

Wie die „PL“ Ausführung letztendlich genau aussehen wird, ist derzeit nicht bekannt. Es wurde aber bereits ein K2 PL „Wolf“ gezeigt. Bei ihm fiel auf, dass die Wanne des Panzers um einen Satz Laufräder verlängert wurde. Zusammen mit einem neuen kompakteren Antrieb könnte diese Erweiterung dazu dienen, im Panzer ein von der Besatzung komplett getrenntes Munitionsdepot einzurichten und die Mannschaft in einer besonders geschützten Zelle unterzubringen.

Polen hat auch 250 amerikanische Abrams-Panzer gekauft.

Auf der polnischen Wunschliste stehen ebenfalls eine verstärkte Panzerung, ein 360-Grad-Beobachtungssystem und ein verbessertes aktives Schutzsystem gegen Raketen und Artilleriegeschosse. Als gewiss gilt, dass der K2 über ein polnisches Kommunikationssystem und ein Gefechtsführungssystem verfügen soll, beides wird mit anderen in der polnischen Armee verwendeten Systemen kompatibel sein.

Modernster westlicher Panzer

Mit dem „normalen“ K2 hat sich Warschau für den weltweit modernsten Kampfpanzer im Nato-Standard entschieden, der bereits gebaut wird und tatsächlich lieferbar ist. Der K2 stammt nicht aus dem Kalten Krieg, er wird seit 2014 hergestellt und gehört zur Standardausrüstung der südkoreanischen Armee. Er ist mit einer automatisch geladenen 120-mm-Glattrohrkanone sowie einem 12,7-mm-Maschinengewehr ausgerüstet und verfügt über Selbstverteidigungssysteme, die unter anderem in der Lage sind, in seine Richtung abgefeuerte Geschosse zu zerstören oder zu „blenden“. Er ist dieselbetrieben, kann bis zu 4,10 Meter tiefe Wasserhindernisse überwinden und wiegt 55 Tonnen.

Der K2 ist kein revolutionärer Wurf, aber weit moderner als die Modelle aus dem Kalten Krieg. Gerade vom Leopard 2 hat der K2 viel übernommen, insbesondere die Bordwaffe. Es ist jedoch der einzige Panzer in der westlichen Welt, der über einen Autolader für die Kanonen verfügt. Der Ladeschütze an Bord entfällt. Die Mannschaft besteht aus drei Personen. Bei den neuesten Modellen des K2 Black Panther wird wiederum eine vierte Person eingeplant, die Luftdrohnen oder unbemannte Unterstützungsfahrzeuge steuern könnte.

Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak unterzeichnet den K2-Kaufvertrag am 26. August 2022.

Der K2 verfügte von Beginn an über Innovationen, die der deutsche Leopard erst jetzt, im Zuge von Modernisierungen erhält und das auch nur teilweise. Abgesehen von dem schon erwähnten aktiven Selbstschutzsystem, das angreifende Raketen abwehrt, kann der K2 durch sein hydropneumatisches Fahrwerk eine unterschiedliche Bodenfreiheit herstellen.

Mit einem Gewicht von nur 55 Tonnen folgt der K2 eher den russischen Vorbildern und ist wesentlich leichter als die westlichen Modelle. Mit 1.500 PS verfügt er daher über ein exzellentes Verhältnis von PS zu Gewicht. Motor, Getriebe und Kanone der ersten Baugruppe stammen aus Deutschland beziehungsweise wurden in Lizenz hergestellt und werden jetzt auf modernere koreanische Entwicklungen umgestellt.

Eine weitere Besonderheit ist das offene Konzept des Hyundai-Konzerns. Es ermöglicht Weiterentwicklungen des Panzers von Baugruppe zu Baugruppe, ebenso kundenspezifische Lösungen für den Export. Das Angebot von Hyundai ist aufgrund des Technologietransfers und der Schulung der Mitarbeiter vor Ort  für die Bestellländer attraktiv.

Das enorme Volumen des polnischen Auftrags hat eine Signalwirkung. Letztlich wollen alle Länder im östlichen Europa ihre Panzerflotten modernisieren. Für sie wird der K2 jetzt noch interessanter. Die entscheidenden Gründe, die Polen für den K2 haben votieren lassen, gelten auch für andere. Die deutsche Industrie kann nur dann wieder ins Spiel kommen, wenn sie in der Lage ist, schnell eine deutliche Weiterentwicklung des Leopard 2 anzubieten, zusammen mit einem Konzept, wie dieser Panzer in großer Stückzahl im Land der Abnehmer gebaut werden kann.

In Warschau heißt es, was die Einführung eines weiteren Panzertyps in der polnischen Armee angeht, dass, entsprechend der angestrebten Struktur der polnischen Panzertruppe, sich die schweren amerikanischen Abrams operativ mit dem leichteren K2-Modell ergänzen sollen. Der K2 Panzer verfügt gegenüber dem amerikanischen Abrams über eine größere Geländegängigkeit und Manövrierfähigkeit sowie die Fähigkeit, Wasserläufe zu überqueren. Zusätzlich besitzt er wirksamere Elemente der Feuerleitanlage.

Die K9-PL-Haubitzen

Die südkoreanische Panzerhaubitze K9 Thunder ist mit einer 155-mm-Kanone bewaffnet und hat eine Reichweite von 40 Kilometern. Es ist ein rein südkoreanisches Produkt und keine Kombination von Bestandteilen aus mehreren Ländern, wie die vergleichbare, in Polen hergestellte Panzerhaubitze Krab. Ihr Turm kommt aus England, das Fahrgestell aus Südkorea, Motor und Getriebe aus Deutschland, der Rest ist polnisch. Die Geschützreichweite der Krab beträgt 4,5 bis 40 Kilometer und die maximale Geschwindigkeit 60 km/h. Sie feuert zwei bis drei Schuss pro Minute. Die polnische Armee hat 92 Krabs bestellt, wovon bis Mitte 2022 80 Stück geliefert wurden.

Panzerhaubitze K9 Thunder.

18 Krab Haubitzen hat Polen der Ukraine geschenkt, woraufhin die Ukrainer 54 Stück für umgerechnet ca. 640 Millionen Euro in Polen in Auftrag gegeben haben. Sie sind voll des Lobes über deren hohe Mobilität und Treffsicherheit. Dennoch, so ist in polnischen Fachkreisen zu hören, die sehr gute Kanonenhaubitze Krab, die jetzt die ukrainischen Streitkräfte bei der Aggressionsabwehr unterstützt, besteht aus vielen Komponenten, die unter verschiedenen Lizenzen hergestellt werden. Dies bringt Komplikationen mit sich.

Für die Haubitze K9-PL, die in Polen, in polnisch-koreanischer Zusammenarbeit produziert werden soll, wird es nur eine ausländische Quelle geben – Südkorea. Der große Vorteil der K9 ist das automatische Ladegerät, das in polnischen Haubitzen nicht vorhanden ist.

Polnische Panzerhaubitze Krab.

Die ersten K9 sollen noch 2022 geliefert werden, auch, um die Lücke nach dem Rüstungstransfer in die Ukraine zu schließen. Die geplante PL-Variante soll ebenfalls eine automatische Nachladevorrichtung haben und eine höhere Feuerrate aufweisen als die der Krabs.

Der Kaufvertrag sieht in der ersten Stufe die Lieferung von 48 Kanonenhaubitzen vor, die nächste Stufe beinhaltet die Lieferung von mehr als 600 Geschützen ab 2024. Ab 2026 sollen die K9 in Polen gefertigt werden. Alle K9 sollen von Anfang an mit polnischen Kommunikationssystemen ausgestattet und an das integrierte Kampfmanagementsystem Topaz angeschlossen sein.

Der Kampfjet FA-50

Polen ist 2022 eines von nur noch drei Nato-Ländern mit MiG-29-Kampfflugzeugen (23 Maschinen) und das einzige, das noch die Su-22 (18 Flugzeuge) einsetzt. Die in die Jahre gekommenen Jets aus der Sowjet-Ära wurden mehrfach aufwendig aufgerüstet, um ihre Systeme Nato-kompatibel zu halten. Es wird jedoch zunehmend schwieriger, dafür zu sorgen, dass sie auch kampftauglich bleiben, zumal eine schrumpfende Nutzerzahl und Sanktionen gegen Russland die Verfügbarkeit von Ersatzteilen einschränken.

Der staatliche Rüstungskonzern Polska Grupa Zbrojeniowa (PGZ) stellt MiG-29 Ersatzteile im eigenen Land her, wartet auch die polnischen MiG-29 und Su-22. Allerdings kann das Unternehmen keine MiG-29 Triebwerke produzieren. Außerdem wurden im Inland hergestellte Komponenten mit einem tödlichen Absturz im Jahr 2018 in Verbindung gebracht, der zur vorübergehenden Stilllegung der polnischen MiG-29-Flotte führte.

FA-50 beim Start.

Polen verfügt bereits über 36 F-16 aus US-amerikanischer Produktion und hat bei den USA 32 F-35A Tarnkappenjets bestellt. Die 48 Flugzeuge des Typs FA-50 aus Südkorea sollen Warschau helfen, die Modernisierung voranzutreiben.

Die FA-50 ist ein leichtes Kampfflugzeug. Es kann Überschallgeschwindigkeiten von Mach 1,5 erreichen und verschiedene Bomben sowie Luft-Luft- und Luft-Boden-Raketen mit bis zu vier Tonnen Gewicht tragen. Die maximale Flughöhe beträgt 16.800 Meter. Polen wird das verbesserte Block-20-Modell erhalten, das mit Nato-Systemen kompatibel ist.

In Warschau entschied man sich für die FA-50 jedoch nicht nur wegen ihrer Kampffähigkeit, sondern wiederum auch  wegen der Schnelligkeit, mit der sie beschafft werden konnte. Man hatte auch andere Flugzeuge in Betracht gezogen, darunter weitere F-16, aber keines konnte schnell genug geliefert werden. Die polnischen Luftstreitkräfte sollen die ersten zwölf FA-50 bis Mitte 2023 erhalten.

Außerdem basiert die FA-50 auf dem südkoreanischen Trainings- und leichten Kampfflugzeug T-50, das Korea Aerospace Industries in Zusammenarbeit mit Lockheed Martin, dem Hersteller der F-16, entwickelt hat. Ein Pilot, der auf einer F-16 ausgebildet wurde, braucht daher wenige Trainingsstunden, um auch eine FA-50 selbständig fliegen zu können. Die Kosten für die Ausbildung als solche sind dadurch viel geringer, und man kann mehr Piloten ausbilden.

Staatspräsident Andrzej Duda (Bildmitte) und Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak begutachten ein FA-50 Modell während der Militärtechnikmesse in Kielce am 5. September 2022.

Gemäß dem Vertrag mit Südkorea wird es bis 2026 eine FA-50 Wartungs- und Serviceeinrichtung in Polen geben. Auf diese Weise erhält das Land eine verlässliche Option für Ersatzteile, was besonders im Falle von Konflikten mit hoher Intensität wichtig ist, wenn Lieferketten unterbrochen werden können. Auf diese Weise kann die Einsatzbereitschaft von Kampfflugzeugen auf höchstem Niveau gehalten werden. Zudem haben die amerikanischen F-16 und südkoreanischen FA-50 viele identische Bauteile, sodass zwei Lieferketten bestehen, eine koreanische und eine amerikanische, die sich im Falle von Störungen gegenseitig ergänzen können.

Die polnischen FA-50 Kampfflugzeuge sollen in ihrer endgültigen Konfiguration FA-50PL das AESA-Radar, die hochmodernen AIM-9X Sidewinder Kurzstreckenraketen und längerfristig auch die AIM-129 AMRAAM Mittelstreckenraketen erhalten. Da das Flugzeug mit einem Scharfschützenzielgerät ausgestattet sein wird, können die Raketen nicht nur per Radar, sondern auch durch Laser gelenkt werden.

Damit werden die FA-50PL die Fähigkeiten der MiG-29 Kampfflugzeuge deutlich übertreffen und eine vollwertige Ergänzung zu den F-16 Flugzeugen sein.

Die Folgen

Der Südkorea-Großeinkauf, gepaart mit weiteren Anschaffungen in den USA, soll Polen innerhalb kurzer Zeit in den Rang der militärisch stärksten europäischen Nato-Partner hieven und einen Abschreckungseffekt erzielen, der Russland dauerhaft von einem Überfall abhält. Diesem Ziel dient auch die amerikanische Militärpräsenz in Polen.

Sollte es Russland dennoch wagen Polen, anzugreifen, will das Land hartnäckigen Widerstand leisten können und, das Schicksal der ukrainischen Bevölkerung in den russisch besetzten Gebieten vor Augen, dem Angreifer möglichst keine Geländegewinne gestatten. Mit einem unsicheren Kantonisten wie Deutschland im Rücken, gilt es vielleicht sogar den Russen einige Wochen lang Widerstand zu leisten, bis der amerikanische Entsatz kommt.

Eine so schnelle und umfangreiche Neubewaffnung stellt Staat und Armee vor riesige Aufgaben. Kampfpersonal und Wartungsdienste müssen erheblich aufgestockt und ausgebildet werden. Angesichts des gewaltigen Material- und Munitionsverbrauchs in der Ukraine, gilt es große Reserven anzulegen und die Munitionsherstellung im Land deutlich zu erhöhen. Umfangreiche Baumaßnahmen sind unumgänglich. Das alles ist sehr teuer, aber immer noch viel billiger als die Folgen eines von Russland entfachten Vernichtungskrieges auf eigenem Territorium.

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@ RdP




Leistungsstark, sicher, umstritten. Abrams-Panzer für Polen

Werden die US-Riesen die Sicherheit des Landes ausreichend stärken?

 In der Wüste hat er sich bewährt. Wird er sich in Ostpolen bewähren? Der Abrams übertrifft, zumindest auf dem Papier, die russischen Panzer um Längen.

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Die erste Lieferung von 28 Geräten soll noch in diesem Jahr in Polen eintreffen. Es werden Schulungspanzer sein. Anschließend sollen nach und nach 220 vollwertige Kampfpanzer geliefert werden. Der Auftrag im Wert von über 23 Milliarden Zloty (gut 5 Milliarden Euro) soll bis 2026 abgeschlossen sein. Danach wird die polnische Armee mit einem der modernsten Panzer ausgestattet sein, die es heute gibt. Das heißt aber nicht, dass der Abrams nur Vorzüge hat.

Der Name des Panzers erinnert an General Creighton Abrams, der im Zweiten Weltkrieg ein Panzerbataillon und gut zwanzig Jahre später das gesamte amerikanische Truppenkontingent in Vietnam befehligte. Das Fahrzeug wurde von der Firma Chrysler Defense entwickelt, die später von General Dynamics übernommen und in General Dynamics Land Systems umbenannt wurde. Die Konstruktion entstand bereits in den 1970er-Jahren, die Serienproduktion begann 1980. Anfangs war die Leistung des Panzers seinen europäischen Konkurrenten unterlegen, doch später wurde das Kampffahrzeug wiederholt verbessert. Insgesamt gibt es inzwischen mehr als ein Dutzend Abrams-Versionen. Über zehntausend Stück wurden produziert.

Außer in den Vereinigten Staaten werden sie von den Armeen Marokkos, Kuwaits, Iraks, Ägyptens, Australiens, Saudi-Arabiens und bald auch Taiwans eingesetzt. Die Amerikaner nutzen sie in Europa, u. a. auch in ihrem Stützpunkt in Powidz, ungefähr einhundert Kilometer östlich von Poznań/Posen. Polen wird das neueste Modell, die M1A2 SEP v3, erhalten, das 2020 in Dienst gestellt wurde.

Schwer zu knacken

Ende der 1980er-Jahre war unklar, ob der Abrams auf dem modernen Schlachtfeld noch etwas ausrichten kann. Dann hat er sich jedoch während der Befreiung Kuwaits zwischen Januar und März 1991 (Operation Wüstensturm) sehr gut bewährt und war dem T-72 aus der Sowjetzeit, der von den Irakern eingesetzt wurde, haushoch überlegen. Die geringen Verluste gaben Anlass zu Optimismus. Nach Angaben des Rüstungs-Fachportals Defence24 wurden von den 1.800 M1, die damals in den Kampf fuhren, nur 23 zerstört oder schwer beschädigt, zwei davon von den eigenen Besatzungen, um zu verhindern, dass die Fahrzeuge in feindliche Hände fallen.

Im Dritten Golfkrieg, gegen Saddam Hussein, im Frühjahr 2003 erwies sich der Abrams erneut als schwer zerstörbar. Bis 2005 waren 1.100 dieser Panzer im Irak im Einsatz. Siebenhundert von ihnen wurden getroffen, aber im Allgemeinen entstanden minimale Schäden. Nur achtzig mussten in den Vereinigten Staaten überholt werden.

Nach dem Krieg rüsteten die Amerikaner die neue irakische Armee mit Abrams-Panzern aus. Bei den Kämpfen gegen den Islamischen Staat verloren die Iraker über fünfzehn von ihnen. Etliche weitere wurden von den Dschihadisten erbeutet und dann gegen die irakische Armee eingesetzt. Nun waren es die Amerikaner, die mit der Jagd auf den Abrams aus der Luft begannen und viele zerstörten.

Nach 2015 kam er im Krieg im Jemen durch die saudi-arabische Armee zum Einsatz. Hier wurden durch die Huthi-Rebellen mindestens dreiundzwanzig Panzer außer Gefecht gesetzt. Nach offiziellen Angaben wurden in all den erwähnten Konflikten nur fünfzig bis sechzig Abrams vollständig zerstört. In Wirklichkeit waren die Verluste höher, denn einige Maschinen, die lediglich als beschädigt eingestuft wurden, mussten fast von Grund auf neu gebaut werden. Ausgerechnet russische Granatwerfer, darunter die uralte Kornet und der noch ältere RPG-29, können den amerikanischen Panzern etwas anhaben.

Auf den ersten Blick

Dennoch ist der Abrams auf den ersten Blick ein sehr guter, wenn nicht der beste Panzer der Welt. Sehr wenige Schwachstellen, ein allgemein gelungenes Konstruktionssystem mit isolierten Magazinen zur sicheren Aufbewahrung der Munition, dicke Kammern der Spezialpanzerung und in der Version M1A2 SEP v.3, die Polen erwerben will, auch die modernsten Lösungen im Bereich der zur Panzerung verwendeten Materialien (NGAP-Verbundpanzerung), ein verbessertes Feuerleitsystem (SKO) und ein Hilfsenergiesystem. Diese und andere Vorteile ließen sich lange aufzählen.

Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak und der stellv. Ministerpräsident Jarosław Kaczyński bei der Verkündung der Entscheidung, Abrams-Panzer für die polnische Armee zu kaufen, in der 1. Warschauer Panzerbrigade in Wesoła bei Warschau am 14. Juli 2021.

In der Kabine ist Platz für vier Soldaten. Die Hauptbewaffnung ist eine 120-mm-Kanone aus deutscher Produktion. Sie kann u. a. mit Panzerabwehrraketen aus abgereichertem Uran und Munition für den Abschuss von Tieffliegern bestückt werden. Kleinere Ziele werden mit Kanonen des Kalibers 12,7 mm oder 7,62 mm und einer ferngesteuerten Kanone, die zum TUSK-Set für den Stadtkampf gehört, beschossen.

Vorerst wird der polnische Abrams nicht mit einem aktiven Schutzsystem ausgestattet, aber die Armeeführung erwägt die Anschaffung. Hier könnten das israelische Trophy oder das amerikanische MAPS-System zum Einsatz kommen. Das Gefechtsführungssystem, die sogenannte Joint Battle Command Platform, gilt als sehr modern, und die Kommunikation der Abrams soll mit dem polnischen System Jaśmin synchronisiert werden.

Wie General Maciej Jabłoński, Inspekteur der Bodentruppen im Generalkommando der Streitkräfte, in einem Interview mit der Monatszeitschrift „Polska Zbrojna“ („Bewaffnetes Polen“) betonte, schätzt die NATO das Potenzial des Abrams im Vergleich mit dem in Russland beliebten T-80, der sich heute in der Ukraine im Einsatz befindet, als doppelt so hoch ein.

Ein Nichtschwimmer

Einer der größten Nachteile des Abrams ist sein Gewicht von mehr als 60, bei einigen Modellen sogar bis zu 70 Tonnen. Das ist der Preis einer soliden Panzerung. Zum Vergleich: Russische Panzer wiegen nicht mehr als 45 Tonnen.

Leopard-Panzer der polnischen Armee.

In der Wüste kann ein Panzer schwer sein. In dem von Flüssen durchzogenen Mitteleuropa ist das anders. Viele polnische Brücken halten nicht einmal dem Gewicht des Leopard stand, der ohnehin etwas leichter ist als der Abrams. Außerdem kann der deutsche Panzer, ebenso wie die russischen, über den Grund eines Flusses fahren. Der amerikanische Konkurrent benötigt schon eine spezielle Ausrüstung, um bis auf die Höhe der Einstiegsluken abtauchen zu können.

Daher würde er bei Einsätzen im Nordosten Polens, dem Ausgangspunkt eines möglichen Konflikts mit Russland und Weißrussland, nicht von Nutzen sein. Das russische Gerät würde es ebenfalls in den Unwägbarkeiten Masurens und der Suwałki-Seenplatte nicht leicht haben, aber auf die Abrams würde es wahrscheinlich erst im Vorfeld von Warschau stoßen.

Ein weiterer Nachteil des M1 ist der Kraftstoffverbrauch. Er kann mit Diesel, Flugbenzin JP-8 oder niederoktanigem Benzin angetrieben werden. Für 100 Kilometer benötigt er fast 150 Liter Öl. Der Leopard braucht nur 70 Liter, der polnische PT-91 50 Liter. Der Abrams kann mit einer Betankung 420 Kilometer weit fahren, in schwierigem Gelände sogar nur 150 Kilometer. Die Motorleistung unterscheidet sich nicht von den Möglichkeiten der modernen Konkurrenz. Er hat 1.500 PS und erreicht damit eine Geschwindigkeit von 70 km/h in leichtem Gelände und weniger als 50 km/h in ungünstigerem Terrain. Ein Vorteil ist seine gute Beschleunigung.

Die Art und Weise, wie die Munition in die Bordkanone geladen wird, hat Vor- und Nachteile. Während viele Hersteller den Vorgang automatisiert haben, setzen die Amerikaner bis heute auf die manuelle Beladung. Die Feuerrate des Panzers beträgt maximal zwölf Schuss pro Minute, realistisch sind etwa neun.

Die Russen verwenden einen Mechanismus, bei dem die Granaten im Turm wie die Speichen eines Rades angeordnet sind. Die Besatzungen zahlen jedoch einen hohen Preis für diesen Komfort. Wird der Turm getroffen, explodieren die Geschosse, töten alle und zerstören den Panzer vollständig. Beim Leopard befindet sich die Geschützmunition teilweise in abgeschotteten Magazinen, beim Abrams vollständig. Nur die Besatzungen der Abrams haben dadurch gute Chancen, den Treffer in den Munitionsvorrat zu überleben.

Eile ist ratsam

Wie bei der Bundeswehr zu Zeiten des Kalten Krieges soll in Polen eine bewegliche und kampfstarke Vorwärtsverteidigung durch Panzer eine russische Attacke bereits in Grenznähe abfangen. Das jenseits der Grenze liegende Weißrussland ist hierbei in der polnischen Wahrnehmung ausschließlich das perfekte Einfallstor für den Gegner.

Bei der Wahl eines Panzers für die Armee musste Polen jahrelange Vernachlässigungen ausgleichen. Zu Beginn des Jahrhunderts verfügten die polnischen Streitkräfte über 1.500 Panzer, doch ein großer Teil davon waren sowjetische T-55, die an die Zeit von Chruschtschow erinnerten und entsorgt werden mussten.

Später wurden deutsche Leopard gekauft, aber ansonsten passierte nicht viel. Heute verfügt die Armee über 250 Panzer aus Deutschland, die recht gut sind, aber modernisiert werden müssen, was nur sehr langsam geschieht. Darüber hinaus gab es bis vor Kurzem etwas weniger als dreihundert T-72, die allesamt der Ukraine übergeben wurden. Außerdem gibt es 230 Stück der in Polen modifizierten Version des T-72, die als PT-91 Twardy bekannt ist.

Der PT-91 Twardy, eine in Polen modifizierte Version des sowjetischen T-72.

Panzer ähnlicher Kategorie wie der des Abrams, die heute weltweit produziert werden, sind der koreanische K2, die neueste Version des Leopard, der britische Challenger 3 und der russische T14 Armata (letzterer wird noch nicht in Serie produziert). Neben dem Kauf neuer Maschinen wurde auch erwogen, die polnischen Geräte durch einheimische Ingenieure modernisieren zu lassen oder sogar eine eigene Konstruktion zu entwickeln.

Kritiker der Entscheidung, Abrams zu kaufen, weisen darauf hin, dass die polnische Rüstungsindustrie nichts von diesem Kauf haben wird, außer vielleicht der Möglichkeit, eigene Munition zu entwickeln. Polen erhält von den Amerikanern fertige Fahrzeuge und die Amerikaner werden diese auch warten.

Die Pläne für den Bau eines polnischen Panzers kann man getrost vergessen, denn wenn erst einmal 23 Milliarden Zloty für den amerikanischen Panzer ausgegeben sind, wird es schwierig sein, weiteres Geld für einen ähnlichen Zweck zu beschaffen. Die Entscheidung über den Kauf wurde durch die Situation hinter der polnischen Ostgrenze beschleunigt. Ein eigenes polnisches Programm würde sich über Jahre erstrecken. Derweil können Panzer schon bald benötigt werden.

Lesenswert auch: „Haubitzen, Kampfjets, Panzer. Polens Jahrhundertkauf un Südkorea“

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»Leo« Polski

In die Jahre gekommen. Dem deutschen Panzer der Superlative steht die Polonisierung bevor.

Der Anlauf hat einige Jahre  lang gedauert, jetzt geht es an die Arbeit. Für umgerechnet gut 560 Mio. Euro sollen 128 »Leopard« 2A4 Panzer der polnischen Armee bis 2020 aufgerüstet und modernisiert werden. Knapp die Hälfte der Auftragssumme erhält der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall AG. Am Ende soll sich der deutsche »Leopard« 2A4 in einen »Leoparden« 2PL verwandeln. Ist hier gar ein »Leo« Polski im Werden? Daran scheiden sich noch die Geister.

Der erste Posten, 124 Stück des »Leopard« 2A4, traf zwischen August 2002 und Juni 2003 in Polen ein. Dabei handelte es sich um ursprünglich „eingemottete“ Exemplare, hergestellt zwischen 1985 und 1987. Sie sind es, die jetzt erneuert werden sollen.

Zur Lieferung gehörten damals ebenfalls zehn Bergepanzer 2, gepanzerte Reparaturfahrzeuge zur Instandsetzung und Bergung von beschädigten Kampfpanzern. Auβerdem 35 leichte, gepanzerte Transporter M113, die als mobile Feuerleitstellen und Gefechtsstände oder zur Bergung von Verwundeten eingesetzt werden, 6 Tieflader, knapp 120 Lastkraftwagen und 25 Geländewagen. Polen zahlte dafür gerade einmal etwa 25 Mio. Euro.

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»Leopard« 2A4 bei Truppenparade in Warschau.

Die internationale Lage war damals entspannt. Wegen zu hoher Lagerungskosten wollte die Bundeswehr daher enorme Bestände ihres ausgemusterten Fuhrparks aus der Zeit des Ost-West-Konfliktes loswerden. Der Bundesrechnungshof nahm ihr im Nachhinein den „Polen-Deal“, als zu preiswert, übel.

Im November 2013 kaufte Polen dann, für ca. 180 Mio. Euro, weitere 105 gebrauchte (Fertigungszeit zwischen 1995 und 1997) »Leopard«-Panzer der Version A4 und A5, sowie mehr als 200 Fahrzeuge der taktischen und technischen Unterstützung. Gebraucht, aber in sehr gutem Zustand. „Die Deutschen haben sie kaum genutzt und hervorragend gewartet“, hieß es damals von polnischer Seite.

2A4 – Unverwundbarkeitsmythos begraben

Inzwischen harren die ersten, im Jahr 2002 gekauften, 124 Panzer, die alle um die dreiβig Jahre alt sind, dringend einer Modernisierung. Wie sehr, das zeigte sich, als Ende August 2016 die Türkei die Operation “Schutzschild Euphrat” startete, mit dem Ziel an ihrer südlichen Grenze eine Sicherheitszone zu schaffen.

Anfang Dezember 2016 kamen in der Gegend der syrischen Stadt al-Bab rund 45 türkische »Leopard« 2A4 zum Einsatz. Bis zu zehn von ihnen wurden von IS-Kämpfern zerstört oder zumindest kampfuntauglich gemacht.

Damit war der Unverwundbarkeitsmythos des guten alten »Leopard« 2A4 begraben. Entstanden war dieser Mythos im Kosovo und in Afghanistan, wo es keine Verluste gab. Die neuesten Panzerabwehrlenkwaffen jedoch, wie die US-amerikanische TOW-2A der kurdischen Partisanen, aber auch die russischen 9K111 »Fagot« oder 9K135 »Kornet« der IS-Kämpfer, sind in der Lage die bereits etwas betagten »Leos« ernsthaft zu verwunden.

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Zerstörte türkische »Leopard« 2A4 in Syrien. Dezember 2016.

Der grundlegende Entwurf des Panzers stammt aus den 1970er-Jahren und war darauf ausgerichtet Frontalangriffe riesiger sowjetischer Panzerverbände abzuwehren. Seine Vorderpanzerung ist sehr stark, wobei speziell die Turmfront für panzerbrechende Geschosse bis heute nahezu undurchdringlich ist. Um Gewicht zu sparen und die Mobilität zu verbessern wurden jedoch vor allem die Seiten der Wanne wesentlich schwächer gepanzert und müssen daher um jeden Preis abgesichert werden. Die Türken hatten dies offensichtlich versäumt.

Übrigens sind bei den neueren »Leos« der Typen A5 bis A7 diese Defizite weitgehend behoben. Dies soll bei dem 2A4 nun nachgeholt werden. Davon abgesehen ist, am Rande bemerkt, generell der Einsatz von einzelnen Panzern oder kleinen Gruppen, wie es die türkische Armee in Syrien praktiziert hat, ein gefährliches Unterfangen. Panzer müssen in gröβeren Verbänden eingesetzt werden.

Selbst ist der Pole

Das polnische Verteidigungsministerium hat den Groβauftrag zur Nachrüstung mit einem am 28. Dezember 2016 unterzeichneten Vertrag an den staatlichen polnischen Rüstungskonzern Polska Grupa Zbrojeniowa SA (Polnische Rüstungsgruppe AG – PGZ SA) vergeben. Acht von insgesamt sechzig PGZ-Betrieben sollen sich an der »Leo«-Modernisierung beteiligen.

Der Umbau wird in den Montage- und Reparaturhallen der Zakłady Mechaniczne (Mechanische Werke) Bumar-Łabędy SA im oberschlesischen Gliwice/Gleiwitz vorgenommen. Ihnen zuarbeiten sollen u. a. die Mechanischen Werke in Poznań/Posen (Antriebssysteme) und Tarnów (Richtantriebe für den Panzerturm), die Gleiwitzer OBRUM GmbH (übernimmt die notwendige Anpassung der Ausbildungsmittel und Simulatoren), das Warschauer Przemysłowe Centrum Optyki SA (Zentrum der Optischen Industrie AG) – Lieferant von Wärmebildgeräten der neusten Generation, die oberschlesische Rosomak SA, zuständig für eine neue rundum Turmpanzerung.

Für die polnische Seite war es wichtig, dass von dem Groβauftrag für die eigene Rüstungsindustrie so viel wie möglich an Wertschöpfung, hochqualifizierten Arbeitsplätzen und wehrtechnischem Know-how „hängen“ bleibt. Die Warschauer nationalkonservative Regierung hat sich nämlich die Wiederbelebung und Modernisierung der polnischen Industrie ganz groβ auf ihre Fahnen geschrieben.

Weg vom Billiglohnland, hin zu Hochtechnologien, lautet die Devise einer Politik, zu der die Rüstungsindustrie einen gehörigen Beitrag beisteuern soll. Ob es um die Beschaffung neuer Armeehubschrauber (Polen hat gleich zwei Helikopterfabriken: PZL Mielec des US-Konzerns Lockheed Martin und PZL Swidnik des italienischen Konzerns Finmeccanica-Leonardo), die Ausrüstung und Ausstattung der neu geschaffenen Territorialtruppen oder die Modernisierung der Marine geht, ausländische Rüstungsanbieter haben aktuell nur dann eine Chance, wenn sie die heimische Industrie kräftig mit einbinden.

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Bumar-Łabędy-Werke. Szenen einer »Leo«-Kampfwertsteigerung 1.

Eingeweihte wissen zu berichten, dass Rheinmetall in dieser Hinsicht ein schwieriger Gesprächspartner war. Der Konzern wollte gerne auf alle polnischen Wünsche eingehen. Allerdings, indem er eigene technische Lösungen liefert, und zwar am besten solche, die bereits in der bestehenden Angebotspalette enthalten waren. Neue, polnische Komponenten sahen die deutschen Rüstungskaufleute nur ungern, besonders wenn sie bereits ähnliche anbieten konnten. Übel nehmen kann man diese Einstellung den deutschen Rüstungskaufleuten nicht, doch die Polen hatten noch ein wichtiges Ziel vor Augen: ihre »Leos« in Zukunft möglichst ohne fremde Hilfe nutzen und warten zu können.

Am Ende der Verhandlungen stand ein Vertrag, den der polnische Hauptauftragnehmer, die Mechanischen Werke Bumar-Łabędy, am 18. Februar 2017 mit Rheinmetall abschloss. Beide Seiten verkündeten, sie hätten einen Erfolg davongetragen.

Das deutsche Unternehmen brüstete sich damit einen dicken Auftrag an Land gezogen zu haben und gab bekannt, „der strategische Partner“ zu sein, der „entscheidende Schlüsseltechnologien in der Elektronik und Waffentechnik“ zu dem »Leo«-Modernisierungsprogramm beisteuere. Den Polen hingegen war es wichtig, dass sie in Zukunft in Eigenregie Überholungs- und Reparaturpläne aufstellen sowie in Polen hergestellte »Leo«-Ersatzteile verwenden können. Dieser Aspekt wurde daher von polnischer Seite besonders herausgestellt.

»Leo« mit neuen Krallen

Fachleute sprechen bei diesem Vorhaben nicht von einer Generalüberholung sondern von einer Kampfwertsteigerung. Dennoch werden die »Leopard« 2PL keine neuen Glattrohrkanonen vom Typ L/55 bekommen. Die L/55 sind um 25 Prozent länger als ihre Vorgänger (die aktuell montierten L/44), haben eine deutlich höhere Mündungsgeschwindigkeit und erreichen damit eine entsprechend höhere Durchschlagsfähigkeit der Geschosse (bis zu 810 Millimeter Panzerstahl auf eine Entfernung von 2 Kilometern).

Da auf den polnischen »Leos« auch keine neuen Türme montiert werden sollen, kann leicht der Eindruck entstehen, es sei mehr oder weniger Kosmetik, die an den Kampfpanzern vorgenommen wird. Dem ist nicht so.

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Bumar-Łabędy-Werke. Szenen einer »Leo«-Kampfwertsteigerung 2.

Ihre Silhouette wird sich durch das Anbringen der ausgeklügelten modularen AMAP-Panzerung verändern. Diese dünne und leichte keramische Beschichtung erzeugt ein vierstufiges aktives Schutzsystem. Es erschwert erheblich die Erfassung des Panzers durch die feindliche Ortung. Es zerstört anfliegende Geschosse oder Lenkflugkörper. Gelingt das nicht, dann soll die eigentliche Panzerung den Durchschlag verhindern. Bei einem Treffer schützt sie die Besatzung vor den Auswirkungen. Das Technikwunder des deutschen Unternehmens IBD Deisenroth Engineering GmbH wird die polnische Rosomak SA in Lizenz herstellen. Zudem sollen minensichere Sitze und eine neue Feuerlösch- und Brandunterdrückungsanlage eingebaut werden.

Der Turm wird auf elektrische Richtantriebe der deutschen Firma Jenoptik AG (Lizenzhersteller Mechanische Werke Tarnów) umgestellt. Das erhöht die Präzision, schafft mehr Platz und vermindert die Gefährdung der Besatzung. Die bisherigen hydraulischen Richtantriebe wurden nämlich von einer leicht entflammbaren Flüssigkeit bewegt. Sie zirkulierte in Schläuchen, die im Turm verlegt sind.

Ein neuer Hilfsgenerator, in der Wanne eingebaut, ermöglicht die Stromversorgung des Fahrzeugs bei ausgeschaltetem Hauptmotor, was die Treibstoffkosten deutlich senken dürfte.

Die bisherige L/44-Kanone soll u.a. ein neues Rohrrücklaufsystem, einen neunen Verschluss und eine neue Mündungsbremse bekommen, sodass sie die modernsten Munitionssorten verwenden kann, die in der Lage sind die Panzerung der russischen Kampfpanzer T-90A und T-72B3 zu durchschlagen. Die herkömmlichen L/44-Kanonen konnten das nicht, bzw. nur bedingt.

Verbessert oder ersetzt werden noch viele andere Bestandteile und Systeme. Ganz wichtig ist dabei die Einhaltung der Gewichtsobergrenze von 60 Tonnen, damit die Aufhängung nicht verstärkt werden muss.

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Bumar-Łabędy-Werke. Szenen einer »Leo«-Kampfwertsteigerung 3.

Der Zeitplan ist sehr eng. Er sieht vor, dass Rheinmetall zusammen mit seinen polnischen Partnern bis Ende 2017 einen Prototyp an die Streitkräfte ausliefert. Nach Prüfung sollen diese dann die Serienproduktion freigeben. Die ersten fünf Serienfahrzeuge werden 2018 von Rheinmetall umgerüstet. Im gleichen Jahr sollen weitere zwölf Kampfpanzer unter Einbeziehung polnischer Subunternehmer bei Bumar-Łabędy auf gleiche Weise modernisiert werden. Dabei bildet Rheinmetall das Personal am Arbeitsplatz vor Ort aus. Ab dem 18. Fahrzeug übernimmt die polnische Seite die Projektleitung, das 124. Fahrzeug soll abschließend 2020 ausgeliefert werden.

Die jetzt anstehenden Modernisierungsmaßnahmen sind dringend erforderlich, damit die polnische Landesverteidigung glaubhaft und wirksam bleibt. Sie machen aus dem »Leoparden« keinen polnischen Panzer. Dass es jedoch bei den Verhandlungen gelang, dem Rheinmetall-Konzern viele Zugeständnisse in Sachen Lizenzen, Wertschöpfung und moderner Arbeitsplätze abzutrotzen, wird der Verteidigungsbereitschaft des Landes und seiner Industrie gut tun.

Zu diesem Thema auch:

„Nicht jeder Schuss ein Russ“

„Des Hauses Schwelle eine Festungswehr“

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Das Wichtigste aus Polen 16. August – 22. August 2015

Kommentator Janusz Tycner und Joachim Ciecierski gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche in Polen ein: Feierlichkeiten zum Tag der Polnische Armee am 15. August in Warschau. Der Sieg über die Bolschewisten vor Warschau am 15. August 1920 rettete Polens junge Unabhängigkeit. Polens Armee in keinem guten Zustand. Staatspräsident Andrzej Dudas erste Auslandsbesuche. Das Pilgern ist der Polen Lust.

August 1920. Piłsudskis Sieg – Europas Rettung

Ein Anti-Katyń gibt es nicht




Nicht jeder Schuss ein Russ

Streit um Tauglichkeit der Leopard-Panzer schwappte von Deutschland nach Polen über.

Die deutsche Zeitung „Welt am Sonntag“ hat Ende April 2015 einen publizistischen Schuss abgefeuert, der nicht nur im deutschen Blätterwald, sondern auch in den polnischen Medien einschlug wie eine echte Panzergranate. Das Echo hallt immer noch nach. Die Kernaussage des „WamS“-Artikels: „Mit dem »Leopard« 2 verfügt die Bundeswehr zwar über einen der besten Kampfpanzer weltweit. Den Soldaten fehlt jedoch eine ausreichend schlagkräftige Munition. Heißt: keine Chance gegen russische Panzer“.

Die Nachricht, dass „die auf Wolframbasis hergestellte Pfeilmunition der Bundeswehr nicht genügend kinetische Energie produziert, um die technologisch anspruchsvolle Panzerung der neuesten russischen Gefechtsfahrzeuge vom Typ T90 und modernisierter T80 zu durchschlagen“, sorgte in Polen für Aufregung. Schlieβlich rüstet das Land seit zehn Jahren kontinuierlich auf »Leopard«-Panzer um, und das denkbare Risiko eines bewaffneten Konfliktes mit Russland ist seit der Krim-Besetzung und dem Ausbruch der Kämpfe im Donbas deutlich gestiegen. „Polens Panzer: für den Krieg oder fürs Museum?“, titelte am 9. Mai 2015 das viel gelesene Internetportal „wPolityce.pl“ („inderPolitik.pl“).

Zum Schnäppchenpreis

Die erste Partie, 124 Stück des »Leopard« 2A4, traf in Polen zwischen August 2002 und Juni 2003 ein. Es waren ursprünglich „eingemottete“ Exemplare, hergestellt zwischen 1985 und 1987. Dazu gab es zehn Bergepanzer 2. Hierbei handelt es sich um gepanzerte Reparaturfahrzeuge zur Instandsetzung und Bergung von beschädigten Kampfpanzern. Auβerdem 35 leichte, gepanzerte Transporter M113, die als Feuerleitpanzer, mobile Gefechtsstände und zur Bergung von Verwundeten eingesetzt werden, 6 Tieflader, knapp 120 Lkws und 25 Geländewagen. Polen zahlte dafür gerademal in etwa 25 Mio. Euro.

Die internationale Lage war damals sehr entspannt. Wegen zu hoher Lagerungskosten wollte die Bundeswehr ihre enormen ausgemusterten Bestände aus der Zeit des Ost-West-Konfliktes loswerden. Der Bundesrechnungshof hat ihr im Nachhinein den „Polen-Deal“, als zu preiswert, übelgenommen.

Ertüchtigung des alten Eisens

Zwischen 2014 und 2019 sollen die ersten polnischen »Leos« nach und nach modernisiert werden. Konkrete Gespräche mit dem Hersteller, der Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG in München sind, wie es heiβt, sehr fortgeschritten. Krauss-Maffei soll eine der beiden polnischen Staatsfirmen (Bumar-Labedy in Gliwice/Gleiwitz oder die Militärischen Motorenwerke WZM in Poznań/Posen), die um den Auftrag ringen, unterstützen. Kosten: ca. 250 Mio. Euro.

Tomasz Siemoniak, Verteidigungsminister im Kabinett Ewa Kopacz, nahm am 23. Januar 2015 in Zielona Góra/Hirschberg offiziell zu der Modernisierung Stellung und demonstrierte zugleich eine verblüffende Hilflosigkeit seiner Regierung in Anbetracht des ruinösen Wettkampfes, in den sich die beiden staatlichen Firmen gestürzt haben, anstatt sich den groβen Staatsauftrag einvernehmlich zu teilen, um hier wie dort die Arbeitsplätze zu sichern. „Ich habe das den beiden Direktoren erklärt, aber jeder von ihnen will den ganzen Kuchen bekommen, nicht den halben“, sagte Siemoniak. Es sieht so aus, als hätte der Staat als Eigentümer in diesem Fall abgedankt.

Panzer der Superlative

Im November 2013 kaufte Polen für ca. 180 Mio. Euro weitere 105 gebrauchte (Jg. 1995-1997) »Leopard“-Panzer der Version A4 und A5, samt mehr als 200 Fahrzeugen der taktischen und technischen Unterstützung. Gebraucht, aber in sehr gutem Zustand. „Die Deutschen haben sie kaum genutzt und hervorragend gewartet“, heiβt es damals von polnischer Seite. Da die polnische Bahn nur zwölf Tiefladerwaggons besitzt, die solche Sechzigtonnen-Kolosse befördern können, wird die Anschaffung erst nach und nach über die Schiene ausgeliefert.

Sie könnten auch ganz alleine kommen. Die polnischen Kommandeure sind voll des Lobes darüber, wie die praktisch veranlagten Deutschen dafür gesorgt haben, dass die Panzer problemlos auf normalen Straβen fahren können. Die Giganten verfügen über die erforderlichen Rückspiegel, Blinker, Stopplichter, Scheinwerfer, Nummernschilder, die Ketten bekommen Gummiaufsätze und der Druck pro Achse ist mit dem bei einem schweren Lkw vergleichbar. Allein der Dieselverbrauch von rund 8 Litern auf 1 km schreckt ab.

„Das ist ein geradezu genial konzipiertes Fahrzeug. Alles an ihm ist so gemacht, dass der Soldat sich auf seinem Auftrag konzentrieren kann und nicht durch Nebensächlichkeiten abgelenkt wird.“, zitierte das Wochenmagazin „Polityka“ vom 11. Juni 2014 Feldwebel Tomasz Potęga, der seit 2002 einen »Leopard« fährt.

Er war sehr überrascht, als er das erste Mal sah, wie das riesige Gefährt, ebenso wie ein Pkw, mit einem kleinen Zündschüssel angelassen wird. Sowjetische Panzer, die er früher fuhr, haben drei verschiedene Zündmechanismen und man muss bis zu achtzehn Handgriffe vornehmen, bis sie sich von der Stelle bewegen.
Feldwebel Potęga kann stundenlang über die Vorteile seines Gefährtes berichten. Einen »Leopard« lenkt man fast so leicht wie einen Pkw. Mit zwei Universal-Schraubschlüsseln kann man bequem an alle Bauteile gelangen und selbst im Gelände lässt sich der Motor in nur einer halben Stunde ausbauen.

Die 60 Tonnen Stahl fahren bis zu 70 km/h schnell, dennoch bringen die Bremsen sie auch bei dieser Geschwindigkeit sofort zum Stehen. Man muss sich nur sehr gut festhalten. Egal wie schnell der Panzer fährt, egal wie groβ die Bodenunebenheiten sind, die Kanone bleibt dank eines perfekten Stabilisierungssystems stets auf das Ziel gerichtet. Die 120-mm-Glattrohrkanone hat eine Rekordreichweite von vier Kilometern. Kurzum: der »Leopard« ist ein Panzer der Superlative.

Vor Görlitz abgeschnitten

Man fragt sich natürlich, warum die beiden Einheiten, auf die die 250 polnischen »Leopard«-Panzer verteilt wurden (10. Panzer-Kavalleriebrigade und die 34. Panzer-Kavalleriebrigade) dicht nebeneinander (in Sędziszów/Neuhammer am Queis und Żagań/Sagan), im äuβersten Südwesten des Landes, kurz vor Görlitz, stationiert sind. Die Antwort lautet: seit 1989 hat man es nicht geschafft Truppenstandorte im Osten des Landes aufzubauen.

Die Verteilung der mageren polnischen Streitkräfte bleibt so, wie sie zur Zeit des Warschauer Paktes war, d.h. sie konzentriert sich fast ausschlieβlich im Westen. Die beiden »Leopard«-Panzerbrigaden sind etwa 500 km weit entfernt von der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad und zu Weiβrussland stationiert. Während eines Überraschungsangriffs auf Polen, das weiβ man inzwischen, planen die Russen die sofortige Zerstörung aus der Luft von allen Brücken über die das Land teilende Weichsel. Die Panzer, samt der wenigen Kampfeinheiten der polnischen Armee, wären westlich der Weichsel abgeschnitten.

Ganz lahm sind die Leos nicht

Zur brenzligen Frage der Munition befragte die Tageszeitung „Nasz Dziennik“ („Unser Tagblatt“) am 2. Mai 2015 Oberstleutnant Dr. Krzysztof Gaj, einen bis vor Kurzem aktiven Offizier der Panzertruppe, der mittlerweile am Nationalen Zentrum für Strategische Studien arbeitet.

Der Bericht der „WamS“ enthält, seiner Ansicht nach, nur die halbe Wahrheit. Dass die »Leopard«-Munition nicht gerade zur wirksamsten gehört, weiβ man nicht erst seit heute. Doch das lässt sich durch gute Kampftaktik ausgleichen.

Der Einsatz von einzelnen Panzern oder kleinen Gruppen sei ein gefährliches Missverständnis. Panzer müssen in gröβeren Verbänden eingesetzt werden. Die Kommandeure können dann dafür sorgen, dass sie die feindlichen Gerätschaften von der Seite angreifen, wo die Panzerung deutlich dünner sei. Auf diese Weise kann ein »Leopard« auch den modernsten russischen T90-Panzer vernichten. Die Kampftaktik entscheidet alles. Woher kommen also solche alarmistischen Berichte? Bei Tests zur Messung der Durchschlagskraft der Munition wird vornehmlich auf die Stirnseite eines Panzers gefeuert.

Die Wirksamkeit der Munition erhöht sich deutlich, wenn sie aus längeren Kanonenläufen abgeschossen wird. In den neuen »Leopard« A6-Panzern wurde die alte 5,28 m lange L/44 120-mm-Glattrohrkanone durch die 6,60 m lange L/55 ersetzt. Dieselbe Munition bekommt dadurch eine erheblich gröβere Durchschlagskraft. Bei der Modernisierung der polnischen »Leos« muss also auch diese Veränderung übernommen werden. Eine weitere deutliche Verbesserung brächte der Austausch der heutigen Wolfram-Pfeilgeschosse gegen Uranmunition, was in Deutschland auf Widerstand der SPD und der Grünen stöβt.

So hilflos jedenfalls, wie das augenblicklich dargestellt wird, so Oberstleutnant Gaj, ist der »Leopard« bei weitem nicht.

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China näht, Polen vergeht

Armee bestellt Uniformen in Fernost.

Obschon nach der Abschaffung der Wehrpflicht, nach vielen Reformen, Einsparungswellen und Standortstillegungen der letzten Jahre, die Soldaten der einsatzfähigen Kampfeinheiten der polnischen Armee bei weitem nicht das neue, auf sechzigtausend Zuschauer angelegte Nationalstadion in Warschau füllen würden, sorgte die Nachricht für ein gewisses Aufsehen. Zum ersten Mal bekam eine chinesische Firma den Auftrag polnische Armeeuniformen zu nähen.

Einheimische Hersteller schlugen Alarm. „Die Armee hat immer wieder versprochen so viel wie möglich in Polen einzukaufen, aber es genügt ja, wie man sieht, ein nur um wenige Prozentpunkte billigeres Angebot, und das Versprechen gilt nicht mehr“, so Radosław Kalinowski, Chef von Andropol, einer Firma aus Andrychów unweit von Kraków, die seit Jahren Stoffe für polnische Armeeuniformen liefert.

Bis 2017 plant die polnische Armee eine halbe Million neuer Feld- und Kampfuniformen zu kaufen. Die erste Ausschreibung im Wert von 150 Mio. Zloty (gut 37 Mio. Euro) wurde in mehrere Teile aufgegliedert, um es einer gröβeren Anzahl von Firmen zu ermöglichen sich einen Auftrag zu sichern. Gut 31,5 Mio. Zloty (ca. 7,9 Mio. Euro) werden nun nach China flieβen, der Rest polnischen Herstellern zugutekommen.

Die UNIFEQ Europe GmbH, die im Konsortium mit zwei chinesischen Bekleidungsgiganten (Ningbo Evergreen Knitting Co. und Zhenjiang Xinjian Textile Inc.) an der Ausschreibung teilgenommen hatte, bekam den Zuschlag für die Anfertigung von 158.000 Sommer Felduniformen zu einem Preis von knapp 200 Zloty (ca. 50 Euro) pro Stück. Die polnischen Anbieter wurden in diesem Fall durch die Chinesen um fünf Prozent unterboten.

Die Nähereien der Ningbo Evergreen liegen in der Sonderwirtschaftszone Fenghua, im Osten des Landes, und fertigen Kleidung für Firmen wie Zara, Calvin Klein, Disney oder Tesco. Xinjian Textile hingegen stellt riesige Mengen verschiedenster Tarnmusterstoffe für die chinesische Armee und Polizei her. Den polnischen Groβauftrag betrachten beide Unternehmen als einen Meilenstein auf dem Weg zur Eroberung des europäischen Marktes. Die Information darüber wurde auf den Internetseiten beider Firmen daher groβ herausgestellt.

Die polnischen Hersteller waren empört. „Es stimmt, unser Angebot war ein wenig teurer“, sagt Kalinowski, und fragt gleichzeitig ob die Armee erwartet, dass die Firma ihre ohnehin schon niedrigen Löhne unter den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn senkt. „Als Branche beschäftigen wir in Polen, trotz der Konkurrenz aus China, der Türkei oder Bangladesch, mehr als dreizehntausend Leute. Wieviel wird es den Staat kosten, wenn wir anfangen sie zu entlassen? Die Sozialkosten werden in diesen Fällen in Polen oft nicht berücksichtigt.“

Der bekannte Militärexperte und Autor Andrzej Walentek ist der Meinung, dass polnische Steuergelder möglichst in Polen ausgegeben werden sollten. „In vielen Ländern der Welt ist das eine Selbstverständlichkeit“, sagt Walentek und verweist auf die USA. Dort kam es vor kurzem zu einem „politischen Erdbeben“, als herauskam, dass Teile der F-15-Flugzeugtriebwerke aus China geliefert werden.

Schadenfreude kam in der polnischen Textilbranche und in Fachportalen des Militärs im Internet auf, als bekannt wurde, dass die Chinesen den Liefertermin nicht halten konnten und eine deftige Konventionalstrafe zahlen müssen. Die ersten 63.000 Uniformen kamen mit mehrwöchiger Verspätung Ende März in Polen an.

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