Polen im Leben der Queen
Margaret Thatcher ebnete den Weg.
Jahrelang distanzierte sich die am 8. September 2022 verstorbene Königin Elisabeth II., wie die meisten britischen Politiker, von Kontakten mit kommunistischen Ländern, darunter auch mit der Volksrepublik Polen. Nach dem Ende des Kommunismus änderte sich die Situation. Die Königin empfing drei aufeinanderfolgende polnische Staatspräsidenten, beehrte Polen mit einem Staatsbesuch und traf dreimal mit dem polnischen Papst Johannes Paul II. zusammen.
Begegnungen zwischen der britischen Monarchin und den Inhabern der wichtigsten Ämter in Polen wurden erst nach der politischen Wende von 1989 möglich. Eine Ausnahme von dieser Regel gestattete sich ihr Ehemann Philip, Herzog von Edinburgh, der im August 1975 nach Sopot kam, wo er als Teilnehmer eines Wettbewerbs im Gespannfahren und gleichzeitig als Präsident des Internationalen Reitsportverbandes (FEI) auftrat. Im Rahmen dieser Reise besuchte er auch Warschau und den Białowieża-Urwald. Zweifellos jedoch wurde der Weg nach Polen von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher geebnet, die im November 1988 Warschau und Gdańsk besuchte.
Ein Bankett zu Ehren von Lech Wałęsa und der Staatsbesuch in Polen
Im April 1991 empfing Elisabeth II. den wenige Monate zuvor gewählten polnischen Staatspräsidenten Lech Wałęsa und seine Frau Danuta, auf Schloss Windsor. Ihm zu Ehren gab die Königin ein feierliches Bankett.
Polen besuchte die britische Monarchin ein paar Jahre später, am 25. bis zum 27. März 1996. Es herrschte denkbar schlechtes Frühlingswetter mit viel Regen und heftigem Wind.
Am 25. März wurde Elisabeth II. im Innenhof des Präsidentenpalastes von Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski und seiner Frau offiziell begrüßt. An der Zeremonie nahmen die Spitzen des polnischen Staates teil. Die Königin wurde auf ihrem Staatsbesuch von vierzig Personen begleitet, darunter u. a. von Außenminister Malcolm Rifkind. Zu ihrem engen Gefolge gehörten zwölf Personen, darunter der persönliche Sekretär der Königin, Hofdamen, der königliche Stallmeister, ein Leibarzt, Garderobieren und ein Friseur.
Nach der Begrüßungszeremonie führte die Königin ein kurzes Gespräch mit Präsident Kwaśniewski. Orden und Geschenke wurden ausgetauscht. Die Königin verlieh dem Präsidenten den Bathorden. Aleksander Kwaśniewski überreichte Elisabeth II. die höchste Auszeichnung Polens, den Orden des Weißen Adlers.
Am selben Tag legten Elisabeth II. und der Herzog von Edinburgh einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. Die Königin pflanzte symbolisch einen Baum (Stieleiche) in der Nähe, um so des 400-jährigen Bestehens Warschaus als Hauptstadt zu gedenken.
Entlang eines dichten Spaliers von Warschauern und Touristen, mit denen sie mehrfach kurze Gespräche führte, machte Elisabeth II. einen Spaziergang durch die Altstadt. Anschließend besuchte sie das königliche Schloss. Dort eröffnete sie in Anwesenheit von Präsident Aleksander Kwaśniewski die Ausstellung „Adler und Löwe“ über die polnisch-britischen Beziehungen. Die Königin betonte, dass damit der 900-jährigen Kontakte zwischen den beiden Ländern gedacht werde.
Königin Elisabeth II. und Prinz Philip gedachten ebenfalls der Opfer des Holocausts und legten einen Kranz am Mahnmal am Umschlagplatz nieder, von wo aus die Juden des Warschauer Ghettos in die Gaskammern von Treblinka abtransportiert worden waren. Am Abend fand im Präsidentenpalast ein offizielles Abendessen statt, das von Präsident Kwaśniewski zu Ehren des Königspaares gegeben wurde.
Elisabeths II. denkwürdige Sejm-Rede
Am zweiten Tag ihres Staatsbesuches hielt die Königin eine Rede vor den beiden Kammern des polnischen Parlaments.
„Ich bin mir bewusst, dass ich hier im Herzen der polnischen Demokratie stehe“, begann die Königin ihre Ansprache von der Rednertribüne des Sejm aus. Die Monarchin erinnerte an die reichen dynastischen, handelspolitischen und politischen Kontakte zwischen den beiden Ländern, die mit ihrem Vorfahren König Knut dem Großen begannen, der ein Neffe des polnischen Königs Bolesław des Tapferen war. Sie erinnerte auch an die Zeit des Zweiten Weltkriegs. „Wer weiß“, sagte sie, „ob die Flamme der Freiheit nicht erloschen wäre, wenn Polen uns in jenen Tagen nicht beigestanden hätte“ und gedachte so der polnischen Einheiten, die zu Lande, zu Wasser und in der Luft an der Seite der Briten gekämpft hatten.
„Der Krieg hat uns geeint, aber auch gespalten, denn das Jahr 1945 hat nicht allen die Freiheit gebracht“, erinnerte Elisabeth II. „Umso mehr freut es uns, dass Polen seine volle Souveränität wiedererlangt hat und dass Sie die Entscheidung getroffen haben, sich um die Mitgliedschaft in den europäischen und westlichen Institutionen zu bewerben“, betonte sie. „Wir unterstützen nachdrücklich die Erweiterung der Europäischen Union und der NATO, wir sind solidarisch mit Ihrem Bestreben, diesen Organisationen beizutreten, und wir sind fest davon überzeugt, dass dieses Bestreben von keinem Land mit einem Veto belegt werden kann“, so ihre Erklärung. (Polen trat1999 der Nato und 2004 der EU bei).
„Polen braucht Europa. Aber Europa braucht auch Polen“, sagte Elisabeth II. Die Sejm-Abgeordneten und die Senatoren antworteten mit Ovationen, als sie auf Polnisch sagte: „Polen soll Polen sein“.
Der Sprecher des Buckingham Palastes, Charles Anson, eröffnete an diesem Tag vor der Presse, dass die Königin ein wichtiges Teilstück ihrer Rede ausgelassen hatte. Laut dem Text, der den Journalisten zuvor übergeben worden war, handelte es sich um den folgenden Absatz: „Wir werden auch nie das Leiden des polnischen Volkes während der Nazi-Besatzung und das schreckliche Schicksal der polnischen Juden vergessen können.“ Anson behauptete, der Grund für die Auslassung sei ein „menschlicher Fehler“ gewesen. Er fügte hinzu, dass die Königin, wie sie es bereits früher geäußert hat, sich des Leidens der polnischen Nation und der jüdischen Gemeinschaft voll bewusst sei.
Geräucherter Lachs in Dillsauce
Noch vor ihrer Rede im Parlament besuchte die Königin am 26. März 1996 das Stefan-Batory-Gymnasium in Warschau. Sie sah sich eine Aufführung eines Fragments von „Pan Tadeusz“ an, das von den Schülern aufgeführt wurde. Sie sprach mit den Jugendlichen und Lehrern. Sie besuchte eine Ausstellung über die Geschichte der Schule, die speziell für ihren Besuch vorbereitet worden war. Anschließend traf sie mit einer Gruppe von Lehrern und mehreren Dutzend Schülern zusammen, die sich in ihren schulischen Leistungen besonders hervorgetan hatten.
Während ihres Aufenthalts in Warschau wohnte die Königin im Schloss Belvedere. Dort empfing sie am zweiten Tag ihres Besuchs den damals schon ehemaligen Staatspräsidenten Lech Wałęsa, auf dessen Einladung sie nach Polen gekommen war. Nach dem Treffen wiederholte Wałęsa eine Äußerung, die er bereits während seines Besuchs in Großbritannien im Jahr 1991 gemacht hatte, als er die britische Königin als Mutter der Nation bezeichnet hatte, die diese in schwierigen Situationen aufzurichten weiß. „In Demokratien wird gezögert und debattiert, und es gibt keine Kontinuität und niemanden, der den Emotionen der Wähler nicht nachgibt“, sagte Walesa.
Die Königin besuchte an diesem Tag auch den British Council. Sie enthüllte eine Gedenktafel zur Erinnerung an ihren Besuch und die Eröffnung der neuen Büros, der Bibliothek und des Sprachzentrums. Sie wohnte dem Englischunterricht bei. Im Palast auf dem Wasser im Lazienki-Park traf die Königin mit Mitarbeitern der britischen Botschaft zusammen.
Am 26. März gab das Königspaar außerdem ein Mittagessen im Hotel Bristol zu Ehren von Präsident Aleksander Kwaśniewski und seiner Frau. Anwesend waren die wichtigsten polnischen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Den Gästen wurde geräucherter Lachs in Dillsauce, gebratenes schottisches Lammfleisch in Minzsauce mit Dariole-Kartoffeln und eine delikate Ahornmousse serviert. Ausgeschänkt wurden Weiß- und Rotweine sowie drei Sorten Whisky.
Am Nachmittag legte die Königin einen Kranz am Denkmal für die im August 1944 gefallenen Piloten der Royal Air Force nieder, die Versorgungsflüge für das schwer umkämpfte Warschau absolviert hatten.
Zur gleichen Zeit besuchte Prinz Philip das Zentrum für britisches und europäisches Recht an der Universität von Warschau. Er führte Gespräche mit dem Rektor sowie mit Mitgliedern des Senats der Universität und mit Studenten. Zwischen der Universität Warschau und der Universität Cambridge (der Herzog war Kanzler der Universität) wurde ein Kooperationsabkommen unterzeichnet.
Am Abend folgte das Königspaar im Nationaltheater der Balett-Aufführung „Die unbehütete Tochter“ mit der Musik von Ferdinand Hérold. Zu diesem Anlass fand ebenfalls ein Treffen zwischen der Königin und geladenen Kulturschaffenden statt.
Ein Tag in Krakau
Am dritten Tag ihres Besuchs in Polen, dem 27. März 1996, flogen Elisabeth II. und ihr Ehemann Prinz Philip nach Krakau. Sie besuchten die Sehenswürdigkeiten der Stadt, das Königsschloss Wawel, die Kathedrale, in der Elisabeth II. mit dem Metropoliten von Krakau, Kardinal Franciszek Macharski, zusammentraf. In der Krypta der Kathedrale legte sie Blumen an den Gräbern von General Władysław Sikorski und Marschall Józef Piłsudski nieder.
Begleitet von einer Polizeieskorte schlenderte Königin Elisabeth trotz des Schneefalls über den Krakauer Markt, wo sie von zahlreichen Einwohnern der Stadt, Pfadfindern und Studenten begrüßt wurde. Auf dem Programm standen die Tuchhallen, das Anhören des Hejnals, der zu jeder vollen Stunde vom Turm der Marienkirche geblasen wird, sowie die Besichtigung des Veit-Stoss-Altars aus dem 15. Jahrhundert in der Marienkirche. Prinz Philip besuchte parallel das ehemalige jüdische Viertel Kazimierz, das jüdische Kulturzentrum und die Remuh-Synagoge.
Von Krakau aus flog das Königspaar zurück nach Großbritannien.
Der Besuch von Lech Kaczyński
Der dritte polnische Präsident, der sich mit der britischen Monarchin traf, war Lech Kaczyński. Er und seine Frau Maria trafen am Nachmittag des 6. November 2006 zu einem offiziellen Besuch auf Einladung von Premierminister Tony Blair in London ein. Am 7. November 2006 wurden Lech und Maria Kaczyński von Königin Elisabeth II. bei einer Privataudienz im Buckingham Palast empfangen.
„Mit tiefer Trauer habe ich vom Tod des Präsidenten Lech Kaczyński und der First Lady, Frau Kaczyński, erfahren. Aus diesem traurigen Anlass erinnere ich an die lange und achtungsvolle Karriere von Präsident Kaczyński im Dienste des Staates und an seine Rolle in der Solidarność-Bewegung. Der Tod vieler anderer führender polnischer Persönlichkeiten, darunter der des ehemaligen Staatspräsidenten im Exil Ryszard Kaczorowski, macht diese Tragödie noch einschneidender. Ich möchte dem gesamten polnischen Volk mein tiefstes Mitgefühl aussprechen“, schrieb die britische Monarchin am 10. April 2010, kurz nach der Katastrophe von Smolensk, in einem Beileidsbrief.
Begegnungen mit Johannes Paul II.
Elisabeth II. traf dreimal mit dem polnischen Papst Johannes Paul II. zusammen. Es sei daran erinnert, dass Großbritannien, nach dem Bruch mit Rom durch Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert, die Beziehungen zum Vatikan erst 1914 wieder aufnahm und erneut eine Gesandtschaft beim Vatikan einrichtete.
Elisabeth II. war die erste britische Monarchin, die dem Vatikan einen Staatsbesuch abstattete. Das geschah am 5. Mai 1961 während des Pontifikats von Papst Johannes XXIII. Ihre erste Audienz bei Johannes Paul II. fand am 17. Oktober 1980 im Vatikan statt. Die Königin wurde dabei von ihrem Ehemann begleitet.
Viel wichtiger jedoch war das zweite Treffen, das am 28. Mai 1982 im Buckingham Palast stattfand. Der Papst besuchte Elisabeth in einer für die Briten schwierigen Zeit. Der Krieg mit Argentinien um die Falklandinseln und der interne Konflikt in Nordirland, der religiös motiviert war, dauerten noch an. Sowohl die IRA als auch die protestantischen Milizen schreckten nicht vor Gewalt zurück. Die Pilgerreise von Johannes Paul II. nach Großbritannien im Jahr 1982 war der erste Besuch eines Oberhaupts der katholischen Kirche in diesem Land seit der Reformation. Im selben Jahr wurde Sir Mark Evelyn Heath zum ersten britischen Botschafter beim Heiligen Stuhl seit 1534 ernannt.
Elisabeth II. traf den polnischen Papst ein letztes Mal am 17. Oktober 2000 in der päpstlichen Privatbibliothek des Vatikans. Die Audienz dauerte etwa zwanzig Minuten. Die Königin hielt sich zu dieser Zeit zu einem viertägigen Staatsbesuch in Italien auf.
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