Geld, Gerät, GI’S und der eiserne Riegel

Polens korrigierte Verteidigungsdoktrin.

Mit dem Krieg in der Ukraine steigen die polnischen Verteidigungsausgaben stetig und die Polen, das Schicksal der Ermordeten von Butscha und Irpin vor Augen, nehmen das billigend in Kauf.

In einer Umfrage, die Anfang April 2023 das Wochenmagazin „Sieci“ („Netzwerk”) in Auftrag gab, wurde gefragt, welche Art von Armee Polen haben sollte. Nur 32 Prozent der Befragten antworteten, dass eine Armee, die das Land so lange verteidigen kann, bis  die Alliierten Polen zur Hilfe kommen, ausreicht. Dagegen waren 68 Prozent der Meinung, dass es eine Armee geben muss, die in der Lage wäre, einen feindlichen Angriff aus eigener Kraft abzuwehren.

Daraus lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen. Die Polen unterschätzen den Krieg in der Ukraine nicht und er macht ihnen Angst. Diese Angst jedoch, und das ist eine weitere Beobachtung, lähmt sie nicht und macht sie nicht zu Defätisten, die zu weitreichenden Zugeständnissen bereit wären, nur um sich in einer trügerischen Sicherheit wähnen zu können. Für die meisten Polen ist die Verteidigung ihres Landes, das bekunden sie zumindest, eine selbstverständliche Antwort auf einen möglichen Überfall.

Und schließlich die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung. Polen sollte sich in einem eventuellen Krieg in erster Linie auf sich selbst verlassen. Das zeigt schlussendlich, dass die Polen in der Lage sind, aus dem bisherigen Verlauf des Krieges in der Ukraine und aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen.

Ernüchterung

Der Krieg wirkte ernüchternd und hat so manche frühere polnische Illusion zunichtegemacht. Die Ukraine war in der Lage gewesen, den russischen Überfall in den ersten Kriegswochen aus eigener Kraft abzuwehren. Erst dann erhielt sie nennenswerte militärische Unterstützung. Vorher bekam der ukrainische Botschafter in Berlin von deutschen Spitzenpolitikern, wie Christian Lindner, zu hören „Euch bleiben nur wenige Stunden“ und deswegen könne man nur humanitären Beistand leisten.

Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass es versteckte, aber erhebliche Unterschiede in der Politik der einzelnen Nato-Mitglieder im Umgang mit dem Aggressor gibt. Während die am stärksten bedrohten Staaten Ostmitteleuropas eine entschlossene Reaktion forderten, reagierten andere, vor allem Deutschland und Frankreich, mit Zögern und Zaudern, in der Hoffnung, mit Moskau bald einen Deal machen zu können, selbst wenn das auf Kosten der Ukraine gehen sollte. Bei vielen Polen weckte das sofort Assoziationen an die Vergangenheit, als verschiedene europäische Mächte, trotz Unterstützungszusagen, Polen den Aggressoren zum Fraß vorwarfen.

Ein solches Verhalten der Franzosen, Deutschen und manch anderer in Westeuropa gibt Anlass zur Sorge. Es stellt deren Glaubwürdigkeit als  Verbündete in Frage und untergräbt das Vertrauen innerhalb der Nato. Wird sich ihre Reaktion nicht, wie im Falle Englands und Frankreichs im September 1939, in leeren Gesten erschöpfen? Die haben damals zwar dem Dritten Reich den Krieg erklärt, aber zu Hilfe gekommen sind sie dem überfallenen Polen nicht.

Umso mehr als der berühmte Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, der im Falle eines Angriffs zur Anwendung kommt, von der Verpflichtung der Vertragsparteien spricht, Maßnahmen zu ergreifen, die sie als notwendig erachten, um einem angegriffenen Verbündeten beizustehen. Das muss nicht unbedingt militärisches Eingreifen sein. Man kann sich auch, wie Deutschland zu Beginn des Ukrainekrieges, darauf beschränken, 5.000 Helme zu schicken. Zumal der lang anhaltende Frieden und der daraus resultierende Wohlstand  Westeuropa geistig demobilisiert und militärisch impotent gemacht haben.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Nato wenig wert ist. Sie ist viel wert. Das aber nur, wenn sich das Bündnis weiterhin nicht nur auf Berlin, Paris und einige andere Partner stützt, die mut- und hoffnungslos die eigene Sache für aussichtslos halten und glauben, ohne Russland nicht auskommen zu können. Hätten allein sie das Sagen, stünde Putin schon längst an der polnischen Grenze. Daran gibt es leider keinen Zweifel. Deswegen gilt, frei nach Vergil, die Einschränkung, „traut nicht den Deutschen, auch wenn sie eine Zeitenwende verkünden”.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Amerika

Die Stärke und Lebenskraft der Nato wird nach wie vor von den Vereinigten Staaten bestimmt, zu denen die Polen mit wesentlich mehr Vertrauen aufschauen als so manche westeuropäische Bündnismitglieder. Nur sind die Amerikaner ziemlich weit weg und haben nicht nur Probleme mit Russland, sondern auch mit China. Gerade deshalb muss sich Polen selbst helfen, damit ihm die Amerikaner helfen wollen und können.

Die ukrainische Erfahrung beeinflusst heute stark das Denken amerikanischer Strategen. Das „Wall Street Journal” veröffentlichte Anfang April einen Artikel von John Bolton, eines Diplomaten und zeitweisen Beraters von Donald Trump. Bolton schrieb unter anderem, dass die Vereinigten Staaten in erster Linie auf jene Verbündeten setzen sollten, die Amerikas Stärke stärken, also auf aktive und gut bewaffnete Verbündete, die in der Lage sind, einen Angriff aus eigener Kraft abzuwehren. Denn nur sie sind es wert, dass man ihnen hilft. Da ist kein Platz für Abtrünnige, die kostenlos vom amerikanischen Militärschirm profitieren. In dieser Denkweise, die auch von Joe Bidens demokratischem Team weitgehend geteilt zu werden scheint, macht der Aufbau einer starken Armee Polen zu einem wertvollen und schützenswerten Partner für Amerika.

Die Zahl der amerikanischen Truppen in Polen, die heute auf über 10.000 geschätzt wird, mag nicht überwältigend sein, aber drei Dinge sind erwähnenswert.

Erstens: Amerikanische GIs sind in Polen stationiert, was noch vor wenigen Jahren undenkbar schien.

Zweitens: In Poznań wurde ein vorgeschobenes Kommando des V. Landkorps der US-Armee eingerichtet, der erste ständige Stützpunkt der amerikanischen Streitkräfte auf polnischem Territorium.

Drittens: Seit Anfang April gibt es in Powidz, etwa 80 Kilometer östlich von Poznań, ein Dienstleistungs- und Rüstungslager der US-Armee, das schon bald mehrere Tausend Panzer und Kampffahrzeuge beherbergen soll. So wird sich die amerikanische Reaktionszeit auf eine russische Bedrohung von anderthalb Monaten auf wenige Tage verkürzen. Es wird lediglich erforderlich sein, die GI-Besatzungen nach Polen zu verlegen.

Umsonst kann man nicht in Frieden  leben

Die amerikanische Unterstützung bekommt dadurch einen greifbaren Charakter, der nicht nur mit der Verschärfung der Lage in Europa, sondern auch mit dem Aufbau der Glaubwürdigkeit Polens als Verbündeter zusammenhängt. In diesem Sinne ist auch die Verteidigungspolitik der derzeitigen Regierung zu verstehen, die davon ausgeht, dass Polen in diesem Jahr über 130 Milliarden Zloty (ca. 28.2 Milliarden Euro) für das Militär ausgeben wird. Das sind etwa 4 Prozent des polnischen BIP und damit doppelt so viel wie das auf dem Nato-Gipfel im September 2014 in Newport/Wales festgelegte Minimum von 2 Prozent. Im Jahr 2022 gehörte Polen mit Ausgaben in Höhe von 2,45 Prozent des BIP bereits  zu den lediglich neun NatoMitgliedern, die ihre Verpflichtungen erfüllten.

Durch den Krieg in der Ukraine wird der Unterhalt der Armee immer teurer, aber es gibt keine Alternative. Denn die Alternative zu diesen Kosten könnte das Schicksal der ermordeten Einwohner von Butscha und Irpin sein. Mit anderen Worten: umsonst kann man nicht in Frieden leben.

Eine Brandmauer

Die Aggression Moskaus gegen die Ukraine hat viele bisherige Verteidigungspläne auf den Kopf gestellt. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Hauptverteidigungslinie gegen einen Angriff aus dem Osten entlang der Weichsel verlaufen würde. Die polnische Armee sollte dort kämpfend auf die Unterstützung der Alliierten warten.

Heute wissen wir viel mehr. Erstens ist klar, dass eine solche Strategie mit dem Abschlachten von Zivilisten in den von Moskau besetzten Gebieten enden könnte, wie man es in der Ukraine gesehen hat. Zweitens darf man nicht erwarten, dass die Unterstützung der Alliierten vollständig und sofort erfolgt. Ohne die amerikanische Präsenz, müsste Polen möglicherweise sehr lange darauf warten. Und es wäre nicht sicher, dass die Russen bis dahin nicht Warschau eingenommen und eine ihnen genehme Marionettenregierung eingesetzt hätten.

Jetzt müssen die Verteidigungspläne, unter Berücksichtigung der Geschehnisse in der Ukraine, neu erstellt werden. Es kommt nicht mehr in Frage, den Feind auf polnisches Gebiet einzulassen. Dazu bedarf es  einer starken Brandmauer aus Raketenartillerie und Panzern. Ein eiserner Riegel soll durch den Kauf von 506 amerikanischen HIMARS-Raketenwerfern, die Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern abfeuern können, und 218 südkoreanischen K239 Chunmoo Geschosswerfern (Reichweite je nach Rakete bis zu 290 Kilometer) geschaffen werden.

Die ersten der 20 HIMARS-Raketenwerfer, die Polen 2019 bestellt hat, werden im Mai bzw. Juni 2023 eintreffen, aber auf die nächsten 486 wird man noch einige Jahre lang warten müssen. Genau aus diesem Grund hat man entschieden, zusätzlich südkoreanische Raketenwerfer zu kaufen, die schneller beschafft werden können. Im September werden 18 K239 Chunmoo zur Bewaffnung der 18. mechanisierten Division gehören, und der Rest soll bis 2027 nach und nach an Polen geliefert werden.

Auch Panzer, die von vielen Theoretikern der Kriegskunst vorschnell zum Aussterben verurteilt wurden, haben bewiesen, dass sie in den europäischen Ebenen noch immer unverzichtbar sind. Zumal ein potenzieller Gegner seine Bodentruppen gerade auf gepanzerte Waffen und Artillerie stützt. Polen, das den größten Teil seiner T-72- und PT-91-Twardy-Panzer an die ukrainische Armee abgegeben hat, gleicht das Defizit nun durch den Kauf von wesentlich moderneren Waffen aus.

Dabei handelt es sich vor allem um schwere Abrams-Panzer. Premierminister Morawiecki, der Mitte April 2023 das Werk in Alabama besuchte, in dem die Abrams-Panzer hergestellt werden, bestätigte, dass die ersten Fahrzeuge im Juni in Polen eintreffen werden. Dabei handelt es sich um eine Charge von 14 aufgerüsteten Panzern aus dem Bestand der Marines. Insgesamt hat Polen 116 solcher Maschinen gekauft. Die USA werden außerdem 250 Abrams in der neuesten Version liefern, wobei die Lieferungen 2026 enden sollen.

Das ist noch nicht alles an Panzerwaffen, denn jetzt kommt der südkoreanische K2-Panzer ins Arsenal – ein leichterer, weniger gepanzerter, aber hoch automatisierter Panzer mit einer Langstrecken-Kanone, die einen besseren Schutz vor feindlichem Feuer ermöglicht. Es sollen 1.000 solcher Panzer angeschafft werden, von denen mindestens die Hälfte in Polen, in den Militärischen Motorenwerken (WZM) in Poznań hergestellt werden soll.

Zu den Panzerwaffen gehören die Kanonenhaubitzen vom polnischen Typ Krab und ihre koreanischen Gegenstücke vom Typ K9, die zur Beschleunigung der Modernisierung der Armee angeschafft wurden. Ende März 2023 unterzeichnete die Regierung außerdem einen Vertrag über die Lieferung von 1.400 der neuesten Borsuk-Schützenpanzer des polnischen Herstellers Huta Stalowa Wola.

Solche Waffen hatte Polen noch nie

Obwohl die Verstärkung der Landstreitkräfte, wie die ukrainischen Erfahrungen zeigen, Vorrang hat, geht es bei den Anschaffungen auch um andere Waffen. Im kommenden Jahr werden polnische Piloten hinter dem Steuer des modernsten Flugzeugs der fünften Generation, der amerikanischen F-35 sitzen. Ursprünglich war die Pilotenausbildung in den USA für zwei Jahre geplant und die Maschinen sollten 2026 in Polen in Dienst gestellt werden, aber unter den aktuellen Umständen soll der Termin vorverlegt werden. Die neuen Flugzeuge, aber auch die  älteren F-16, die die polnische Luftwaffe bereits besitzt, sollen mit den neuesten JASSM-XR-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 1.800 Kilometern bewaffnet werden, die gerade in den Werken von Lockheed Martin in Produktion gehen.

Polen hat noch nie eine Waffe mit solch einer Reichweite besessen. Und es geht nicht nur darum, mit diesen Raketen Moskau zu treffen, sondern auch darum, dass die Flugzeuge im Falle eines Angriffs an der polnischen Grenze Ziele aus einer sehr sicheren Entfernung, nämlich außerhalb der Reichweite des Feindes, treffen könnten.

Hinzu kommen ebenfalls südkoreanische Flugzeuge des Typs FA-50, die bereits in diesem Jahr auf dem Stützpunkt in Minsk-Mazowiecki unweit von Warschau eintreffen werden, sowie AW101 Merlin-Seehubschrauber und AW149-Mehrzweckhubschrauber. Derweil bereitet sich das polnische Verteidigungsministerium auf Gespräche über die Lieferung von Apache-Kampfmaschinen und MQ-9B Reaper-Drohnen vor. Andere Drohnen, die berühmten türkischen Bayraktar TB2, sind bereits auf dem Stützpunkt in Mirosławiec in Pommern eingetroffen, wo die Ausbildung an der neuen Waffe begonnen hat.

Der Umbau der Luftverteidigung ist seit einigen Jahren im Gange, beginnend mit dem Mittelstreckensystem Vistula (Patriot-Batterien) und endend mit dem Kurzstreckensystem Pilica Plus.

Auch zur See gibt es Veränderungen: Minenzerstörer vom Typ Kormoran II werden in Dienst gestellt. Drei von ihnen sind bereits im Einsatz, und die Produktion eines weiteren hat gerade begonnen. Dennoch bleiben die Seestreitkräfte das größte Sorgenkind der polnischen Armee. Ersatz für alle aus Altersgründen ausgemusterten U-Boote und für die zwei altersschwachen Fregatten ist nicht in Sicht.

Trotz aller Investitionen gibt es noch viel zu tun. Die polnische Armee braucht eine bessere Aufklärung, die nicht nur notwendig ist, um die Absichten des Feindes zu durchschauen, sondern auch, um weit entfernte Ziele für die eigene Artillerie und Raketen ausfindig zu machen. Die Luft- und Seeverteidigung muss kontinuierlich verstärkt werden. Und schließlich müssen Zehntausende von Soldaten gefunden und ausgebildet werden, um das alles zu bewältigen.

Vielleicht wäre dieser Aufwand heute geringer, wenn die Regierung Donald Tusk in den Jahren 2007 bis 2015 im Rahmen eines aufgezwungenen Reset mit Russland die polnische Armee im Osten des Landes nicht entwaffnet hätte. Fast alle militärischen Standorte östlich der Weichsel wurden geschlossen, die wenigen verbliebenen hatten Symbolcharakter. Die gesamte polnische Armee mit 60.000 Soldaten und Offizieren konnte bequem im Warschauer Nationalstadion Platz finden. Heute zählt sie knapp 170.000 Mann. Deswegen ist es so wichtig, die Verteidigungskapazitäten wieder aufzubauen, und zwar in einem beschleunigten Tempo. Dabei weiß niemand, wie viel Zeit Polen dafür bleibt.

© RdP

 

 




Wie stark ist die polnische Armee…

…und welche Lehren sie aus dem Ukraine-Krieg ziehen sollte.

  
Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine begann am 24. Februar 2022  der erste große reguläre Krieg in Europa seit 1945. Er wird von zwei großen Staaten geführt, die sich auf einem ähnlichen technologischen Entwicklungsstand befinden, und zeichnet sich durch eine enorme Intensität der Kampfhandlungen aus. Die erste Phase dieses Krieges, die mit einer strategischen Niederlage Russlands endete, lässt Schlussfolgerungen zu, die für die polnische Verteidigungsplanung sehr nützlich sein können. Denn wie im Falle der Ukraine, kann Polens Gegner nur Russland heißen, und auf ihn gilt es sich einzustellen.

Lesenswert auch: 

„Leistungsstark, sicher, umstritten. Abrams-Panzer für Polen“

„Haubitzen, Kampfjets, Panzer. Polens Jahrhundertkauf in Südkorea“

Das Aus für die „Armee neuen Typs“

LEHRE 1. Als völlig unbrauchbar erweist sich angesichts des Ukraine-Krieges das Armee-Konzept, welches die Regierung Donald Tusk in ihrer Amtszeit (2007 bis 2015) umgesetzt hat. Durch massive Ausgabeneinschränkungen und Standortschließungen wurde Polens Berufsarmee bis zum Jahr 2014 auf 96.000 Mann reduziert. Davon waren nicht mehr als 60.000 einsatztauglich.

Voraussichtliches Kampfgebiet im Nordosten Polens.

Diese eher kleine Kampftruppe, bestehend aus allen drei Waffengattungen, sollte auf einem beschränkten Gebiet im Nordosten des Landes (d. h.  entlang der Grenzen zum Kaliningrader Gebiet, zu Litauen und Weißrussland, die mittlere Weichsel mit Warschau im Rücken) versuchen, die Russen aufzuhalten. Sie hätte keine Möglichkeit gehabt, ihre Verluste durch Reservisten auszugleichen, denn seit 2008 wurden aus Kostengründen keine Reservisten mehr zu Übungen eingezogen. Im selben Jahr wurde ebenfalls der Wehrdienst abgeschafft.

Die polnische Armee war damals auf einen kurzen Abwehrkrieg ausgerichtet. Sie sollte durchhalten bis der Nato-Entsatz in die Kämpfe eingreift. Doch bis der eingetroffen wäre, könnten die Russen bereits Warschau eingenommen haben. Zu Tusks Zeiten gab es in Ostpolen keine Nato- und US-Stützpunkte wie heute.

Dagegenhalten, bis Hilfe kommt

LEHRE 2. Würde sich die Ukraine nicht derart vehement und erfolgreich zur Wehr setzen, sondern hätte nach wenigen Tagen die Waffen gestreckt, hätte der Westen sie schnell abgeschrieben, ihr seine Hilfe versagt und „notgedrungen“ bald wieder mit Putin kooperiert.

Auch wenn Polen Nato-Mitglied ist und eigentlich Anspruch auf Beistand, laut Art. 5 des Nato-Vertrages hat, so könnte ein schneller Zusammenbruch der polnischen Verteidigung die Alliierten, allen voran das benachbarte Deutschland, dazu veranlassen, sich auf Kosten Polens mit den geschaffenen Tatsachen abzufinden. Im Verteidigungsfall kann es Wochen dauern, bis die Nato-Alliierten Polen effektiv zur Hilfe kommen wollen und können. So lange muss die polnische Armee in der Lage sein, die Russen hinzuhalten.

Eine große, schlagkräftige Armee tut not

Die polnischen Streitkräfte zählen heute knapp 150.000 Soldaten, davon gehören 32.000 der Territorialverteidigung an.

Die Ukraine, die sich seit der russischen Besetzung der Krim 2014 auf eine große Auseinandersetzung mit Russland vorbereitete, hat ihre Einsatztruppen auf 200.000 Soldaten aufgestockt und verfügte Anfang 2022 über 240.000 Reservisten. Die meisten von ihnen haben Fronterfahrung aus den Kämpfen durch die sie in den letzten acht Jahren im Donbass gegangen sind.

Zudem hat die Ukraine ihre gepanzerten Truppen stark ausgebaut, indem sie alle, auch die ältesten Panzer und Truppentransporter, überholt und modernisiert  hat, anstatt sie zu entsorgen. Sie hat auch ihre Grenzverteidigung ausgebaut, um den Gegner vom ersten Augenblick des Krieges an in schwere Kämpfe zu verwickeln. Im Norden haben die Ukrainer aufgrund dessen einen Sieg errungen, im Süden dagegen waren die Erfolge nur begrenzt.

Für eine wirksame Landesverteidigung Polens bedarf es nicht nur einer gut ausgerüsteten, sondern auch einer zahlenmäßig starken Armee.

Unter den Bedingungen der modernen Kriegsführung können Luftwaffe, Raketen- und Luftlandekräfte jenseits der Frontlinie jederzeit schmerzhaft zuschlagen. In solch territorial ausgedehnten Staaten wie Polen und der Ukraine würden die Sicherung strategisch oder operativ wichtiger Regionen, der Schutz überlebenswichtiger Infrastruktur (Eisenbahn, Pipelines usw.) und der Schutz von Einrichtungen, die wichtig sind für das Empfangen alliierter Unterstützung (Häfen, Flughäfen, Kommunikationswege, Kriegsmateriallager u. Ä.) die Fähigkeiten jeder elitären, notgedrungen zahlenmäßig kleinen Berufsarmee übersteigen. Denn selbst der am besten ausgebildete und ausgerüstete Soldat hat an einem Ort, an dem er nicht anwesend ist, keinerlei Kampfwert.

Russisches Gemetzel im Warschauer Vorort Praga am 4.11.1794 auf Befehl Feldmarschall Alexander Suworows. Ca. 23.000 Ermordete. Gemälde von Aleksander Orłowski.

LEHRE 3. Deswegen bedarf es im Abwehrkampf gegen Russland einer zahlenstarken, mobilen, gut gepanzerten Armee, die auf  trainierte und motivierte Reservisten zurückgreifen kann.

Russische Massenverbrechen und der Zivilschutz

Russischer Massenterror nach der Niederschlagung des polnischen Nationalaufstandes von 1863. Ca. 5.000 Gehängte.

LEHRE 4. Die jetzigen Erfahrungen aus der Ukraine, aber auch die aus Syrien und Tschetschenien sowie alle historischen Erfahrungen Polens, der baltischen Staaten und der Ukraine aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert weisen auf den Vernichtungscharakter der von Russland geführten Kriege hin.

Deren Ziel ist es, die politischen Eliten der eroberten Nationen zu beseitigen und der verbleibenden Bevölkerung so große Verluste zuzufügen, dass deren Fähigkeit zum Widerstand gebrochen wird.

Massenmorde auf Befehl des NKWD-Chefs Beria in den Gefängnissen (hier in Lwów/Lemberg) des von den Sowjets zwischen 1939 und 1941 besetzten Ostpolens, unmittelbar nach dem deutschen Überfall im Juni 1941. Ca. 30.000 Mordopfer.

Das bedeutet, dass die polnische Armee in der Lage sein muss, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um das räumliche und zeitliche Ausmaß der Besetzung polnischen Territoriums durch die Russen so gering wie möglich zu halten, da die  betroffene Bevölkerung Opfer von Massenverbrechen der Angreifer sein würde.

LEHRE 5. Die oberste russische Kriegsleitung und die Kommandeure vor Ort haben keine Hemmungen, Kampffortschritte durch gezielte Bombardierungen von Wohngegenden und Krankenhäusern zu erzielen. Nicht auszuschließen ist auch der Einsatz von Massenvernichtungswaffen.

Der Schutz der Zivilbevölkerung ist unter diesen Bedingungen von großer Bedeutung. Doch ein ganzheitliches Zivilschutzsystem zur Abschirmung der Bevölkerung, der Arbeitsplätze, der öffentlichen Einrichtungen, der Kulturgüter gibt es nicht. Vernachlässigt wurde auch die Ausbildung der Bevölkerung für den Umgang mit Kriegssituationen.

Massengrab der auf Befehl Stalins im April und Mai 1940 erschossenen polnischen Offiziere nach der Entdeckung durch deutsche Truppen 1943. Etwa 25.000 Mordopfer.

Die wenigen übriggebliebenen öffentlichen Schutzräume aus der kommunistischen Zeit wurden entweder mutwillig zerstört oder zweckentfremdet. Sichere Notunterkünfte für Krankenhäuser gibt es ebenso wenig wie bombensichere Wasserbrunnen und Notkraftwerke zur Stromversorgung. Die polnische Bevölkerung wäre bei einem russischen Angriff, wie ihn jetzt die Ukraine erlebt, praktisch schutzlos.

Verlassene Zivilschutzanlage in Warschau.

Territoriale Verteidigungskräfte versus Einsatzkräfte

LEHRE 6. Die Wirksamkeit der ukrainischen Territorialen Verteidigungskräfte (TV) ist beeindruckend und bestätigt die Richtigkeit der Entscheidung, diese Art von Truppen 2015 in Polen ins Leben zu rufen. Die Opposition und mit ihr die westlichen Medien behaupteten damals, es würden rechtsradikale Schlägertrupps in staatlicher Regie gegründet. Eine „Privatarmee“ des Ideengebers dieser Einheiten, Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, die gewaltsam den zivilen Widerstand gegen die nationalkonservative Regierung unterdrücken soll. Ansonsten seien diese Einheiten, so hieß es, „Kanonenfutter“, eine „Pfadfinderarmee“, die von den russischen „Speznas“-Elitekommandos im Nu aufgerieben würde.

Die polnischen Territorialen Verteidigungskräfte sind schlagkräftig, aber mit ca. 32.000 Soldaten viel zu klein.

Der enorme Zulauf von Freiwilligen, sieben Jahre Dienst im Katastrophenschutz, die Einsätze in der Corona-Epidemie, bei der Sicherung der Grenze zu Weißrussland gegen die von Lukaschenka gesteuerte Migrantenflut und die die ukrainischen Erfahrungen haben gezeigt, wie absurd die anfänglichen Unterstellungen waren.

LEHRE 7. Die Anzahl der polnischen Territorialen Verteidigungskräfte ist viel geringer als die der ukrainischen (aktuell ca. 32.000, Endziel: 50.000). Das sind viel zu wenige. Sie müssen zumindest auf mehr als einhunderttausend Reservisten ausgeweitet werden.

Die ukrainischen Einheiten der TV haben die vorrückenden Russen in der dichten Bebauung der Großstädte (Charkiw, Sumy, Tschernihiw, Mariupol) erfolgreich aufgehalten und in den Ortschaften am Rande von großen Ballungsräumen (z.B. rund um Kiew) die russischen Nachschubkolonnen siegreich abgewehrt.

Ein unscheinbares ziviles Auto nähert sich einer solchen Kolonne auf etwa zweihundert Meter. Zwei ukrainische Soldaten springen heraus, feuern ihre Panzerfäuste ab und fliehen mit dem Auto, während Explosionen den Konvoi in Panik versetzen. Auf Twitter konnte man mehrere Male solche Attacken sehen.

Soldaten der polnischen Territorialen Verteidigungskräfte richten eine amerikanische Panzerabwehrrakete vom Typ Javelin.

Es ist fast unmöglich, die Territorialen Verteidigungskräfte, die in kleinen, beweglichen Trupps operieren und über keine schwere Ausrüstung verfügen, mit Luft- und Raketenangriffen zu bekämpfen. Deswegen ist ihre Tarnung in den sozialen Medien relativ locker. Man kann dort unzählige Berichte über ihre Aktivitäten sehen.

LEHRE 8. Für die Einsatztruppen gilt genau das Gegenteil. Es gibt kaum Fotos oder Videos von sich bewegenden ukrainischen gepanzerten und mechanisierten Kolonnen im Internet. Militärische Disziplin und ein hohes Maß an staatsbürgerlichem Bewusstsein (Zivilisten filmen ihre eigenen Truppen nicht und stellen solches Material nicht ins Internet) ermöglichen es, das notwendige Maß an militärischer Geheimhaltung über die Aktivitäten der Einsatztruppen zu wahren. Das verzerrt jedoch in den Augen der Öffentlichkeit das Ausmaß ihrer tatsächlichen Rolle in diesem Krieg.

Ohne dadurch die Bedeutung der Territorialen Verteidigungskräfte  schmälern zu wollen, sei daher betont, dass diese ihre eigentlichen Aufgaben, nämlich die Verzögerung des Vormarsches, die Bindung von Kräften und die Lähmung des gegnerischen Nachschubs, sehr gut erfüllen. Die angreifenden russischen Verbände jedoch werden, in erster Linie, von ukrainischen Einsatztruppen mit einem großen Anteil an Artillerie, gepanzerten und mechanisierten Kräften und unter Anwendung von Drohnen abgewehrt.

Polnische Panzerhaubitze Krab. Schussreichweite bis zu 40 Kilometer.

LEHRE 9. Die polnische Armee entwickelt daher zu Recht die Artillerie (mit Panzerhaubitzen Krab, selbstfahrende Mörser Rak usw.) und die Panzertruppen (mit PT90 Twardy, Leopard 2, Abrams) weiter. Ohne schweres Gerät ist es weder möglich, die russischen Bataillonsverbände wirksam zu bekämpfen, noch die vom Angreifer eroberten Gebiete zurückzugewinnen. Die zum Gegenangriff übergehenden Truppen müssen in der Lage sein, große Feuerkraft und große Beweglichkeit miteinander zu verknüpfen. Dafür sind Panzer, selbstfahrende Artillerie- und Flugabwehrsysteme, Schützenpanzer mit großer Feuerkraft notwendig.

Amerikanischer Abrams-Panzer. Polen hat 250 Stück gekauft.

LEHRE 10. Voraussetzungen für den Erfolg der Ukrainer sind die gute Zusammenarbeit beider Truppengattungen: territorial und operativ, ihre ausreichende Zahlenstärke, um den Russen an allen, nicht nur an ausgewählten, Angriffsfronten entgegentreten zu können, und eine hohe Kampfmoral.

Ein Grund zur Zufriedenheit für Polen ist, dass die 2019 in Polen entwickelten Einsatzrichtlinien für die Territorialen Verteidigungskräfte im Jahr 2020 an die ukrainischen Streitkräfte weitergegeben wurden. Die Ukrainer haben sie mit ihren eigenen, reichen Erfahrungen aus dem Donbass kreativ kombiniert und so die erwähnte hohe Wirksamkeit erzielt.

Raketenabwehr, Flugabwehr und Schiffsabwehr

Russland ist im Krieg gegen die Ukraine in Bezug auf die Luftwaffe und die Mittel- und Langstreckenraketensysteme im Vorteil. Dieser Vorteil ist jedoch geringer als erwartet. Die Russen haben die Vorherrschaft in der Luft nicht errungen, und nach dem Abfeuern von etwa zweitausend Mittelstreckenraketen, bei einer jährlichen Produktion von etwa einhundert eigener Raketen, beginnen sie, ihren Mangel zu spüren.

Die Erfahrungen Großbritanniens und Frankreichs (beides Länder, die in der Produktion wesentlich effizienter sind als Russland) in Libyen im Jahr 2011  zeigen, dass das in modernen Kriegen eine häufig auftretende Erscheinung ist. Der Verbrauch an intelligenter Munition in der ersten Phase eines hochintensiven Konflikts, übersteigt die Herstellungsmöglichkeiten von Staaten, deren Wirtschaft nicht vollständig auf Kriegsproduktion umgestellt ist. Die mit Sanktionen belegte russische Wirtschaft wird in den kommenden Jahren nicht in der Lage sein, ihren Bestand an moderneren Kampfsystemen aufzufüllen.

Lehre 11. Polen sollte daher in der Lage sein, die im Kaliningrader Gebiet und möglicherweise auch in Weißrussland stationierten russischen Raketensysteme zu zerstören, bevor sie zum Einsatz kommen, und mit seinen eigenen Raketenabwehrsystemen (z.B. vom Typ Patriot) Angriffe durch evtl. nicht zerstörte Waffen zu verhindern.

US-Mehrzweckkampfflugzeuge F-16 (oben, Polen hat 32 davon) und F-35 (unten, Polen hat 32 Stück gekauft, sie werden ab 2025 eintreffen) bilden das Rückgrat der polnischen Luftwaffe.

Die russischen Iskander-Raketen sind billiger als die amerikanischen Patriots, und Polen wird den quantitativen Wettlauf Rakete gegen Antirakete nicht gewinnen. Darum ist der genaue Ablauf entscheidend. Zunächst zerstören polnische Langstreckenartillerie und mit Raketen bestückte Kampfflugzeuge (z. B. die F-35), die weit entfernte Ziele treffen können, ausgemachte russische Raketensysteme, und erst dann können polnische Raketenabwehrsysteme mit deren Überresten fertig werden.

Kurzstrecken-Flugabwehrsystem „Narew“. Eine polnisch-britische Konstruktion zur Bekämpfung von Flugzeugen, Hubschraubern und Raketen. Bestellt sind 23. Die ersten beiden sind bereits im Einsatz.

Lehre 12. Die Ukrainer sind nicht in der Lage, russische Raketensysteme zu erreichen, um sie zu zerstören. Darunter leidet die Bevölkerung. Die russischen Luftangriffe sind nicht spektakulär, aber sie fordern Opfer, was die Richtigkeit der Entwicklung eines mehrstöckigen Luftverteidigungssystems (das Kurzstrecken-Flugabwehrsystem „Narew“ und das Mittelstrecken-Flugabwehr- und Raketenabwehrsystem „Wisła“) bestätigt. Es ist daher erfreulich, dass die polnische Armee noch in diesem Jahr mit den ersten „Narew“- Systemen ausgerüstet wird. Das Fehlen effizienter Raketenabwehrsysteme war bis jetzt ein Grundübel, das die polnischen Streitkräfte geradezu wehrlos machte.

Mittelstrecken-Flugabwehr- und Raketenabwehrsystem „Wisła“. So nennen sich in Polen die bekannten „Patriot“-Raketen. Polen hat zwei Abschussvorrichtungen gekauft. Für mehr reicht vorerst das Geld nicht aus,

Lehre 13. Eine wirksame Verteidigung muss mit der Fähigkeit einhergehen, den Feind wirksam anzugreifen. Der schnelle Verbrauch von intelligenten Lenkwaffen, vor allem Drohnen, bestätigt die Notwendigkeit, die eigene Herstellung solcher Angriffsmittel zu entwickeln. Die russischen Kolonnen, die viele Tage lang in den Außenbezirken von Kiew und Charkiw standen und geradezu auf einen Schlag aus der Luft warteten, beweisen das. Ein erkannter und unbeweglicher Gegner, der nicht angegriffen wird, kann nur eines bedeuten: das Fehlen eigener Mittel zur Zerstörung. Das darf nicht passieren.

Die türkischen Drohnen Bayraktar TB2 haben sich auf Seiten der ukrainischen Streitkräfte hervorragend bewährt. Polen hat 24 Stück davon gekauft.

Lehre 14. Das zögernde Verhalten Deutschlands, das im Kriegsfall für Polen , wenn auch nicht politisch, so doch geografisch das wäre, was Polen für die Ukraine ist (das Haupttransitland für Kriegsmateriallieferungen), beweist, dass diese Hilfe Polen möglicherweise gar nicht oder nur unter Schwierigkeiten erreichen könnte. Polen muss daher über eigene Produktionskapazitäten für Grundausrüstung und Munition verfügen.

Der Küstenschutz

Die Versenkung des Raketenkreuzers „Moskwa“ zeigt wie wirksam die von den Küstenbatterien abgefeuerten Schiffsabwehrraketen sein können. Polen verfügt über solche Systeme und sollte sie ausbauen.

Lehre 15. Die Stützpunkte der russischen Ostseeflotte im Kaliningrader Gebiet und im Raum St. Petersburg sind leicht zu blockieren. Polen sollte im Einvernehmen mit Estland auch die Ausfahrt aus dem Finnischen Meerbusen mit zusätzlichen Schiffsabwehrraketensystemen schließen.

Die polnische Küstenverteidigung verfügt über eine mobile Batterie, ausgestattet mit norwegischen NSM-Seeziel-Marschflugkörpern mit einer Reichweite von bis zu 180 Kilometern.

Lehre 16. Die Reichweite polnischer Antischiffsraketen reicht aus, um Schiffe in den für Polen wichtigen Teilen der Ostsee zu treffen. Ein Problem bleibt die Erfassung von Zielen jenseits der Horizontlinie. Das kann man nur mit Hilfe von Satellitensystemen. Polen muss sich ein solches System zulegen. Es ist in jedem Fall für die effiziente Durchführung der meisten modernen Kampfhandlungen unverzichtbar.

Seit mehreren Jahren laufen die Vorbereitungen im Rahmen des „Orka“-Programms. Es sieht vor, dass Polen moderne U-Boote mit Langstrecken-Marschflugkörpern kauft, die Ziele tief in Russland treffen können. Sie werden als ein wichtiges polnisches Abschreckungsinstrument angepriesen.

Lehre 17. Angesichts der ukrainischen Erfahrungen erweist sich diese Anschaffung als sinnlos. Der Abschuss von ein paar Dutzend Raketen mit konventionellen Sprengköpfen durch polnische U-Boote wird Russland nicht sonderlich beeindrucken. Der enorme finanzielle Auffand stünde in keinem Verhältnis zu den Resultaten, wenn man bedenkt, dass der bereits erwähnte russische Abschuss von mehr als zweitausend solcher Raketen auf ukrainische Ziele im Endeffekt nicht viel Wirkung zeigte.

Satellitensystem und Drohnen

Das amerikanische Satelliten-Zielerfassungssystem spielt eine Schlüsselrolle wenn es um die Genauigkeit der ukrainischen Artillerie- und Drohnenangriffe geht. Dieses System ist derzeit nicht überlastet.

Lehre 18. Polen kann sich nicht darauf verlassen, dass das auch der Fall ist, wenn es angegriffen wird. Denn unter den Bedingungen eines Nato-weiten Koalitionskrieges wäre die Warteschlange derer, die das amerikanische System nutzen wollen, lang. Ein autonomes polnisches Satelliten-Zielerfassungssystem für die Bedürfnisse der polnischen Armee ist daher notwendig.

Zusammengefasst

Die polnische Armee muss zahlenmäßig in der Lage sein, langfristig das gesamte Staatsgebiet zu verteidigen und auf dem Gebiet der verbündeten Länder an der Ostflanke der NATO und der Ukraine zu operieren. Schließlich ist kaum anzunehmen, dass Russland Polen angreifen und gleichzeitig die Ukraine in Ruhe lassen wird. Der Schutz der Bevölkerung setzt voraus, dass die polnischen Streitkräfte in der Lage sind, das Ausmaß des Eindringens des Feindes, der in den besetzten Gebieten Vernichtungsaktionen durchführen wird, zu minimieren.

Die polnischen Streitkräfte müssen nicht nur eine russische Offensive stoppen können, bei der die Aktivitäten der Territorialen Verteidigungskräfte eine wichtige Rolle spielen werden, sondern auch fähig sein, vom Feind besetzte Teile des Landes zurückzuerobern und daher offensive Operationen von Einsatztruppen durchzuführen. Diese müssen in den Bereichen Führung, Kommunikation, Aufklärung, Zielerfassung und Gefechtsfeldkontrolle durch ein eigenes Satellitensystem unterstützt und kontinuierlich mit dem notwendigen Kriegsmaterial versorgt werden.

Lehre 19. Die von den Russen in der Ukraine begangenen Verbrechen erinnern auch an eine andere tragische Wahrheit, die seit Jahrhunderten bekannt ist: Im Falle einer russischen Aggression ist die Kapitulation keine Möglichkeit, das eigene Leben zu retten. Die einzige Überlebenschance ist der Kampf.

Lesenswert auch: 

„Haubitzen, Kampfjets, Panzer. Polens Jahrhundertkauf in Südkorea“

„Leistungsstark, sicher, umstritten. Abrams-Panzer für Polen“

© RdP