Ein Apfel täglich – Herrn Putin abträglich

Polen hat russisches Embargo gut weggesteckt.

Am 6. August 2014 verfügte Staatspräsident Wladimir Putin ein Einfuhrverbot für Agrarprodukte aus Ländern, die aufgrund der Krim-Besetzung gegen Russland Sanktionen verhängt hatten. Nach gut einem Jahr steht nun fest: der Agrar-Groβhersteller Polen hat das russische Embargo bislang gut weggesteckt. Russland wollte Polen und anderen EU-Staaten Schaden zufügen, hat aber vor allem sich selbst getroffen.

Das sind die Kernaussagen eines Berichtes, den der russische Volkswirt Jewgenij Gontmacher, stellv. Direktor des renommierten Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften und der polnische Politologe Ernest Wyciszkiewicz vom Polnisch-Russischen Dialogzentrum in Warschau Anfang November 2015 gemeinsam veröffentlicht haben.

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Spätsommer 2014. Russische Berhörden vernichten „Schmuggelobst“ aus Polen in der Nähe von Kaliningrad.

Moskaus Hoffnungen und Erwartungen bei der Verhängung der Gegensanktionen waren hochgesteckt und klar umrissen. Begleitet wurde diese Maβnahme von Vernichtungsaktionen, bei denen Planierraupen und Bagger vor laufenden Kameras Lebensmittel aus EU-Staaten in Matsch verwandelten. Der Wegfall des russischen Marktes für europäische Agrarprodukte sollte:

1. den EU-Agrarproduzenten Milliardenverluste zufügen;

2. Zehntausende von Arbeitsplätzen in der EU gefährden;

3. heftige Proteste hervorrufen, die die innenpolitische Festigkeit der einzelnen EU-Staaten nachhaltig untergraben und ihre Regierungen zwingen sollten, notgedrungen, einen russlandfreundlichen Kurs in der Auβenpolitik einzuschlagen;

4. Unfrieden zwischen den EU-Staaten säen;

5. die bis dahin eher schwach entwickelte russische Agrarproduktion ankurbeln.

Russland schadet sich selbst

Die Autoren widmen sich zuerst Russland. Dort haben sich zwischen Mai 2014 und Mai 2015 die Nahrungsmittel im Durchschnitt um 23% verteuert. So ist der Preis für Schweinefleisch um 23% gestiegen, der für Käse um 20%, für tiefgefrorenen Fisch um 38%, bei Mohrrüben beträgt die Preissteigerung 39%, bei Äpfeln 37% und bei Getreide 49%. Auch die Preise von Nahrungsmitteln, für die kein Einfuhrverbot bestand stiegen in ähnlichem Ausmaß: Zucker um 52%, Sonnenblumenöl um 23%, Nudeln um 21%.

Drei Umstände führten zu dieser Situation: die EU-Sanktionen, die daraufhin verhängten russischen Einfuhrverbote und der Verfall des Rubel.

Derweil kommt die ausgeweitete russische Agrarproduktion nur schwer in Gang. Eine industriemäβige Fischzucht und Tierhaltung erfordern enorme Investitionen. Putin jedoch hat das Embargo zunächst für ein Jahr verhängt, dann um ein weiteres Jahr verlängert. Diese Zeiträume sind zu kurz, um gewaltige Ausgaben zu wagen. Umso mehr als Bruteier, Kälber, Futtermittelzusatzstoffe für Milchvieh und Fischbrut, Kartoffelsetzlinge, Zuckerrüben und Mais für eine Massenproduktion in Russland teuer im Westen gekauft werden müssten.

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Die ausgeweitete russische Agrarproduktion kommt nur schwer in Gang.

Zudem sind den russischen Verbrauchern unverändert importierte Nahrungsmittel lieber als einheimische, und sie werden in ihrer Haltung noch bestätigt. Der hohe Preisanstieg hat die Nachfrage gedrosselt. Um Käufer zu locken, drücken russische Hersteller massiv die Kosten. Schlechte Qualität ist die Folge. Laut offiziellen russischen Angaben entsprechen 23% der heimischen Milchprodukte, darunter 78% des Käses, nicht den Normen.

Polen weiβ sich zu helfen

Dem ersten Anschein nach versetzte Russland mit seinen Embargomaβnahmen Polen einen schmerzlichen Schlag. Der Verlust eines groβen Absatzmarktes, der zudem fast vor der Haustür lag, sollte enorme Einbuβen nach sich ziehen, polnische Getreidebauern, Viehhalter, Obstproduzenten und die gesamte Lebensmittelbranche auf die Barrikaden treiben. Bevorstehende Kommunalwahlen (November 2014), Präsidentschafts- und Parlamentswahlen (im Mai bzw. Oktober 2015) schienen die Verantwortlichen in Warschau besonders erpressbar zu machen. Doch der Kreml hatte sich verhoben.

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Polnische Lebensmittel bei Tesco in Groβbritannien.

Die gesamten polnischen Exporte des Jahres 2014 beliefen sich auf 165 Mrd. Euro. Davon entfielen 26,3% auf Deutschland, 6,4% jeweils auf Tschechien und Groβbritannien, 5,6% auf Frankreich, 4,5% auf Italien, 4,2% auf Russland und 4,1% auf die Niederlande. Demnach verkaufte Polen 2014 deutlich mehr Waren und Dienstleistungen nach Tschechien (für knapp 11 Mrd. Euro) als nach Russland (für 7 Mrd. Euro), das immerhin vierzehnmal mehr Einwohner zählt.

Für 2015 wird ein Rückgang des Russland-Anteils am polnischen Export von 4,1 auf 2,8% vorhergesagt. Die Ausfuhr polnischer Äpfel, Birnen und anderer Obstsorten, polnischen Gemüses, von Haselnüssen (2013 kaufte Russland immerhin 90 Tonnen), Schweinefleisch und Käse ist 2015 bei null angelangt.

Anfänglich hat das russische Embargo sehr vielen polnischen Agrarproduzenten das Leben schwer gemacht. Lkw-Transporte mussten umkehren, Lagerhallen quollen über, die oft schnell verderbliche Ware musste zu Schleuderpreisen abgestoβen werden.

Schon im August 2014 gab die EU-Kommission bekannt, es werde EU-weit Kompensationszahlungen für Embargo-Geschädigte geben.

Nach anfänglicher Orientierungslosigkeit, einer Unlust zu handeln und der Unterschätzung der Embargo-Verluste durch die Verantwortlichen in Warschau, gelang es schlussendlich doch noch das EU-Hilfsprogramm in Anspruch zu nehmen.

Polnische Obst-und Gemüsebauern bekamen bis Juni 2015 insgesamt 155 Mio. Euro Entschädigung. Die zweite Tranche von 200 Mio. Euro soll bis Ende Juni 2016 ausgezahlt werden.

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Polnischer Stand bei der Agrar-Messe in Schanghai 2014.

Zuvor, bereits im Frühherbst 2014. hatte es eine massive Werbekampagne gegeben: „Iss polnische Äpfel, Putin zum Trotz“, die in kurzer Zeit eine Verdopplung der Binnennachfrage nach polnischem Obst mit sich gebracht hatte. Gleichzeitig startete das Landwirtschaftsministerium in Warschau eine emsige Suche nach Ersatzmärkten in Südostasien, im Nahen Osten und Nordafrika. Sie wurde von Erfolg gekrönt.

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Polnische Präsentation bei der Agrarmesse in Abu Dhabi 2015.

Die Zahlen belegen es. Der polnische Agrarexport wuchs 2014 um 7,1%, für 2015 wird ein Zuwachs von 6,5% vorhergesagt. Russlands Embargo hat anfänglich wehgetan, aber es hat auch Anpassungsmaβnahmen erzwungen, die den polnischen Agrarexport schon ein Jahr später gegen russische Sanktionen praktisch immun gemacht haben.

© RdP




Neuer Staatspräsident. Neue Deutschlandpolitik?

Es wird Veränderungen geben.

Die innenpolitische Entwicklung in Polen: Abwahl des „deutschfreundlichen“, so das „Handelsblatt“ am Tag nach der Entscheidung, Staatspräsidenten Komorowski im Mai 2015 und das sehr wahrscheinlich bevorstehende Wahldesaster der Tusk-Partei Bürgerplattform bei den Parlamentswahlen im Oktober 2015, treiben deutschen Politikern und Journalisten tiefe Sorgenfalten auf die Stirn.

Deutsche Politik und deutsche Medien haben jahrelang ausschließlich und alles auf Komorowski und Tusk gesetzt. Beides „pflegeleichte“ Politiker, wie es „Der Spiegel“ im Dezember 2013 freimütig formulierte, auf deren Beflissenheit stets Verlass war. So gesehen kommt ihnen der neue Staatspräsident Andrzej Duda, für den sie, als Kandidaten, nur Hohn und Spott („Pappkamerad“, „Mr. Nobody“) übrig hatten, sehr ungelegen.

Das Staatsoberhaupt und die Auβenpolitik

Als „oberstem Vertreter der Republik Polen“ gewährt die Verfassung dem Staatspräsidenten einen nicht geringen Spielraum auf dem Gebiet der Auβenpolitik. Ohne seine Ratifizierung kann kein von Polen eingegangenes internationales Abkommen in Kraft treten. Staatspräsident Lech Kaczyński z. B. hat Berlin in Rage gebracht, weil er sich die Freiheit nahm und als einer der letzten in Europa im Namen Polens seine Unterschrift unter den Lissabonner Vertrag setzte. Er wollte die Iren nicht auch noch unter Druck setzten und abwarten, bis das irische „Ja“ (oder „Nein“) im zweiten Referendum (das erste fiel negativ aus) feststand.

Staatspräsidente Lech Kaczyński unterschreibt am 10. Oktober 2009 den Lissabonner Vertrag.
Staatspräsident Lech Kaczyński unterschreibt am 10. Oktober 2009 den Lissabonner Vertrag.

Der Staatspräsident vertritt Polen bei seinen Besuchen im Ausland. Ohne seine Zustimmung kann kein polnischer Botschafter ernannt werden. Er kann durchaus eigene Schwerpunkte in der Auβenpolitik setzten.

Lech Kaczyński hat das viele Male vorgemacht, z. B. als er im August 2008 die Staats- bzw. Regierungschefs der baltischen Staaten und der Ukraine dazu bewog, gemeinsam nach Tiflis zu fliegen, um sich mit Georgien solidarisch zu zeigen, als russische Truppen im Anmarsch auf die Hauptstadt waren.

Andrzej Duda war Lech Kaczyńskis engster Mitarbeiter. Seine Vereidigung zum Staatspräsidenten soll am 6. August 2015 stattfinden. Bis dahin will er sich, in dem ihm zur Verfügung gestellten kleinen Palais im Zentrum von Warschau, auf die Amtszeit vorbereiten, seinen Berater- und Mitarbeiterstab zusammenstellen, ausländische Politiker empfangen. US-Präsidentschftskandidat Jeb Bush, Kanadas Regierungschef Stephen Harper, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg waren seine ersten Gäste.

Das kleine PalaIs in der Warschauer Foksalstrasse dient Andrzej Duda, bis zu seiner Vereidgung am 6. August 2015, als vorläufiger Amtssitz.
Das kleine PalaIs in der Warschauer Foksalstrasse dient Andrzej Duda, bis zu seiner Vereidgung am 6. August 2015, als vorläufiger Amtssitz.

Welche Akzente wird Andrzej Duda in der Auβenpolitik und insbesondere in den Beziehungen zu Deutschland setzten? Eine ganzheitliche, programmatische Aussage von ihm zu diesem Thema gibt es (noch) nicht. Eckpfeiler jedoch sind anhand von Dudas Äuβerungen im Wahlkampf und der Darlegungen seiner auβenpolitischen Berater (Prof. Krzysztof Szczerski und Dr. Witold Waszczykowski) sehr deutlich erkennbar.

1. Duda: Hauptziel ist die Wahrnehmung und Umsetzung nationaler polnischer Interessen mit Hilfe einer aktiven und selbständigen polnischen Auβenpolitik. Einer Politik des „regen Dialogs mit unseren Partnern“. Ausgangspunkt dieses Dialogs muβ die realistisch eingeschätzte Gemeinsamkeit oder der Widerspruch der Interessen sein. „Wir werden einen Staatspräsidenten erleben, der mit Nachdruck über die polnischen Anliegen reden und andere wirksam von der Richtigkeit unserer Argumente überzeugen kann“, so Prof. Szczerski im Wochenblatt „Gazeta Polska“ („Polnische Zeitung“) vom 27. Mai 2015.

Duda-Berater Prof. Krzysztof Szczerski.
Duda-Berater Prof. Krzysztof Szczerski.

Tusks Politik hat Berlins kühnste Träume übertroffen

Der deutschen Politik und den deutschen Medien bereiten solche Aussichten sichtlich Kopfzerbrechen und Kummer. Sie waren bis jetzt anderes gewohnt. Der Wahlsieg Donald Tusks im Herbst 2007 und der tragische Tod  Staatspräsident Lech Kaczyńskis im April 2010, der in Deutschland als „rückwärtsgewandter Störenfried“ galt, haben in Deutschland ein kaum kaschiertes Aufatmen ausgelöst. Es begann eine Zeit, in der Polen von der deutschen Politik „nicht mehr als Problem betrachtet“ werden musste, wie es der scheidende polnische Botschafter in Berlin, Prawda im „Tagesspiegel“ im August 2012 gleichsam stolz und ehrerbietig verkündete.

Marek Prawda, bis 2012 ppolnischer Botschafter in Berlin. Vollzug gemeldet: Polen kein Problem mehr für die deutsche Politik.
Marek Prawda, bis 2012 polnischer Botschafter in Berlin. Den Deutschen Vollzug gemeldet: Polen kein Problem mehr für die deutsche Politik.

Tusks neuer Kurs in der Auβenpolitik hat Berlins kühnste Träume übertroffen.

A. Tusks Polen lockerte deutlich seine Beziehungen zu den USA.

B. Tusks Polen nahm Abschied von einer eigenständigen Ostpolitik: Polen bündelt, koordiniert und vertritt in enger Zusammenarbeit und Absprache mit möglichst vielen ost- und mitteleuropäischen Staaten deren Interessen in Brüssel und gegenüber der „West-Nato“ und der „West-EU“ in der Sicherheits-, Energie-, Klima- und Agrarpolitik. Nur so bekommen diese Staaten ein politisches Gewicht, das sie allein niemals aufbringen können. Die Aufgabe dieses auβenpolitischen Kurses durch Tusk und Komorowski hat der deutschen Politik das Leben um ein Vielfaches leichter gemacht.

C. Tusks Polen nahm Abschied von der eisernen Regel: Polen spricht mit Moskau niemals über die Köpfe der Staaten hinweg, an die es im Osten grenzt: der Ukraine, Weiβrusslands, des Baltikums. Stattdessen ernannte Tusk Polen zum Mitglied im „EU-Klub der Groβen“ (Deutschland, Frankreich, Großbrittanien, Italien, Spanien). Zu einem Land, dass direkt mit Moskau redet und die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit Putins Russland, ungeachtet der Menschenrechtslage und des russischen Machtgebarens, genauso wie die anderen erwähnten Staaten um jeden Preis vorantreibt.

Diese Politik, bis zur Selbstverleugnung betrieben, legte, als gröβtes Geschenk, Putins Russland die ganze Untersuchung der Smolensk-Katastrophe in die Hände. Das Wrack der Unglücksmaschine ist bis heute nicht nach Polen gebracht worden.

Der Ukraine-Krieg hat Tusks Russlandpolitik zum Einsturz gebracht. Vorher aber hat diese Politik das Ansehen Polens bei seinen unmittelbaren Nachbarn im Osten ganz und gar ruiniert.

Tusk und Komorowski haben die „Störenfried-Politik“ Warschaus beendet. Sie behinderte nicht länger die reibungslose Umsetzung der deutschen Russlandpolitik, die zumeist nach den Standards und Vorlagen eines „Gasprom-Gerhard“ Schröder („Putin ein lupenreiner Demokrat“) geführt wurde.

Führe, Deutschland! Tusks und Sikorskis Berliner Huldigung

D. Tusks und Komorowskis Polen erhob die Anpassung an die deutsche Auβenpolitik praktisch zur Staatsdoktrin. Ihre höchste Vollendung fand diese Doktrin in der berühmten „Berliner Huldigung“, wie der Akt der Unterwerfung seitdem in Polen genannt wird.

Tusks Auβenminister Sikorski. Führe, Deutschland! Polen wird sich selbst abwickeln.
Tusks Auβenminister Sikorski. Führe, Deutschland! Polen wird sich selbst abwickeln.

Tusks Auβenminister Sikorski fuhr Ende November 2011 eigens nach Berlin, um Deutschland offiziell Polens „Juniorpartnerschaft“ anzubieten. In seiner, ansonsten auf Englisch gehaltenen, Rede huldigte er Deutschland in deutscher Sprache: „Ich danke Ihnen als Politiker und als Pole“. Er bat Deutschland darum die Führungsrolle in Europa zu übernehmen. Er versprach, der polnische Staat werde sich in einem künftigen, vereinigten, von Deutschland geführten Europa weitestgehend selbst abwickeln und seine Kompetenzen nur noch auf Fragen der „nationalen Identität, der Religion, des Lebensstils, der öffentlichen Moral und der Einkommens- und Mehrwertssteuersätze“ beschränken, ansonsten jedoch alles in die Hände Berlins legen. Den verzauberten deutschen Gastgebern stellte Sikorski hingebungsvoll in Aussicht: „Wenn ihr uns in den Entscheidungsprozess einbindet, könnt ihr auf unsere Unterstützung zählen“.

Die Hackordnung war damit festgelegt, doch für den von Sikorski erhofften Posten des Nato-Generalsekretärs oder wenigstens eines EU-Kommissars hat es dennoch nicht gereicht.

Ob EU-Kilmapolitik, die die polnische Steinkohle und damit Oberschlesien als Industrierevier endgültig stilllegen soll. Ob die Ukraine-Krise, in der Tusk auf die aktive Beteiligung Polens an deren Lösung, auf „Anraten“ Berlins und Moskaus, schnell verzichtet hat. Ob die Frage der polnischen Minderheit in Deutschland und viele andere… Für Tusk und Komorowski galt uneingeschränkt, wie in der katholischen Kirche: Roma (Berlin) locuta, causa finita – Berlin hat gesprochen, der Fall ist erledigt.

Tusk hat es immerhin geschafft den ersehnten Posten des EU-Ratsvorsitzenden zu bekommen.

E. Tusks Wirtschaftspolitik war schlicht und einfach: Das Billiglohnland Polen hat seine historische Erfüllung gefunden als verlängerte Werkbank der deutschen Industrie und, wie eh und je, als Zulieferer frischer, williger, schnell integrierbarer und preiswerter Arbeitskräfte nach Deutschland.

Von der Taz bis zur FAZ

„Wenn einem so viel Gutes widerfährt…“ Deutsche Medien und die deutsche Politik haben über ihrem polnischen Favoriten einen breiten Schutzschirm aufgespannt. Während der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sich unter einem Dauerbeschuss deutscher Medien befand, waren „unser Mann“ Donald Tusk und das „System Tusk“ unangreifbar: populistische Versprechungen, Amtsmissbrauch, Korruption, Filz, Kolonisierung der öffentlichen und privaten Medien, Verdopplung der Staatsschulden, gigantische Geldverschwendung, Enteignung der Pensionsfonds, die Verwandlung des Parlaments in eine Abstimmungsmaschinerie der Regierung…

Es galt das Prinzip der drei Affen: „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“. Von der Taz bis zur FAZ, vom ZDF bis zum Deutschlandfunk: gleichgeschaltet, oft bis in kleinste Details, in ihrer Polen-Berichterstattung, hielten die deutschen Medien, durch eine Legion von Korrespondenten in Warschau vertreten, Donald Tusk und den Seinen eisern die Treue. Wenn es etwas in Tusk-Polen zu beanstanden gab, dann nur das Noch-Vorhandensein einer, zeitweise, vor allem nach der Smolensk-Katastrophe 2010, fast schon ghettoisierten, Opposition, mit ihren „Monsterfiguren“: Jarosław Kaczyński und dem Radio-Maryja-Begründer Pater Rydzyk.

Was Wunder, dass die deutsche Politik und die deutschen Medien erhebliche Probleme damit haben, die demokratische Entscheidung der Polen hinzunehmen. Zu akzeptieren, dass in einer Demokratie irgendwann die Opposition an die Macht kommt. Wie gerne würde man in Berlin die Beziehungen zu Polen, wie gehabt, weiterhin auf das Niveau der alle fünf Jahre stattfindenden Jubelfeiern zu Ehren des polnisch-deutschen Nachbarschaftsvertrages reduzieren…

Keinen Euro, bitte!

2. Duda: EU-Mitgliedschaft auf jeden Fall, ja, aber die Einführung des Euro, wenn überhaupt, dann in ferner Zukunft, wenn Polen das Wirtschafts- und Sozialniveau führender westeuropäischer Staaten erreicht hat.

Die deutsche Politik und die deutsche Wirtschaft dagegen drängen auf eine baldige Übernahme des Euro durch Polen und haben auch in dieser Frage in Donald Tusk (er versprach im September 2008, den Euro werde es in Polen schon 2011 geben) und Staatspräsident Komorowski treue Verbündete gehabt, nicht jedoch in der polnischen Bevölkerung.

Rolf Wilhelm Nikel. Deutscher Botschafter in Warschau.
Rolf Wilhelm Nikel. Deutscher Botschafter in Warschau.

Der deutsche Botschafter in Warschau, Nikel, hat die deutsche Haltung im November 2014 mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, in dem er sich, wie selbstverständlich, direkt in die polnische Euro-Debatte einmischte. Deutschland sei sehr positiv zu einem schnellen Eintritt Polens in die Euro-Zone eingestellt. Mit groβem Bedauern sehe man, dass vor der Krise die polnische Öffentlichkeit eine sehr gute Meinung über die gemeinsame Währung hatte, während jetzt nur noch 25 bis 30 Prozent der Polen den Euro haben wollen. Er, Nikel, sei Staatspräsident Komorowski dankbar dafür, dass er die Debatte über die Euro-Einführung begonnen habe, weil sie notwendig sei.

Komorowski hat, ganz in Nikels Sinn, die Notwendigkeit der Übernahme des Euro den Polen geradezu gebetsmühlenartig eingetrichtert, was sicherlich zu seiner Wahlniederlage beitrug.

Sicherheit vor Russland

3. Duda: Angleichung der Sicherheitsstandards zwischen „Nato-West“ und „Nato-Ost“. Nicht nur gemeinsame Manöver, sondern ständige Anwesenheit von Nato-Truppen an der Ostflanke des Bündnisses, vor allem im Baltikum und in Polen.

Die deutsche Politik und die deutsche Öffentlichkeit lehnen das mehrheitlich rundweg ab.

4. Duda: Angesichts der deutschen Haltung (siehe oben) benötige Polen umso mehr die ständige militärische Präsenz und ein Höchstmaβ an ständigem politischen und wirtschaftlichen Engagement der USA in Europa.

In Deutschland stöβt das weitestgehend auf Ablehnung.

5. Duda: Rückkehr Polens zu seiner ursprünglichen Ostpolitik (siehe Punkt 1B und 1C).

Polen will grundsätzlich gute Beziehungen zu Russland unterhalten, doch die politischen Ziele beider Staaten sind oft völlig andere. Die Grundlage des Dialogs mit Russland müssen bilden: das Achten des Völkerrechts durch Russland (Ukraine – Anm. RdP), die historische Wahrheit (Katyń-Mord, unterlassene Hilfe für den Warschauer Aufstand 1944 usw. – Anm. RdP), Bereitschaft zur lückenlosen Aufklärung der Smolensk-Katastrophe, Abkehr von der russischen Embargopolitik auf dem Agrarsektor.

Deutschland, das seit einiger Zeit im Alleingang die EU-Russlandpolitik führt, will dabei ungern behelligt werden. Die „polnische Einmischung“ brächte nur Probleme mit sich.

Mit Deutschland ernsthaft reden

6. Frage an Duda-Berater, Prof. Szczerski im Gespräch mit der Zeitung „Nasz Dziennik“ („Unser Tagblatt“) vom 11. Juni 2015: „Werden sich unsere derzeitigen Beziehungen zu Deutschland ändern? Sie haben sie seiner Zeit als geradezu vasallisch bezeichnet, weil unser Land auf das Kleinstmaβ eines deutschen Klienten geschrumpft ist“.

Szczerski: „Ich gebrauche solch eindeutige Worte nur selten, rede lieber davon, dass unsere Beziehungen zu Deutschland weitgehend auf einer Asymmetrie zu unseren Ungunsten beruhen. Das muss korrigiert werden, im Sinne einer beiderseitigen Achtung und eines auf Zusammenarbeit ausgerichteten Dialogs. (…) Es gibt keine zwei Staaten mit identischen Zielen. Es wird also auch Auseinandersetzungen geben, aber gerade deswegen hat man die Diplomatie erfunden.“

So sieht der Abschied von der Tusk-Komorowski-Deutschlandpolitik aus, hin zu einem normalen, zwischenstaatlichen Dialog auf gleicher Augenhöhe. Sollte Dudas Partei, Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Herbst an die Regierung kommen, dürfte sich diese Veränderung, egal ob man sie „Wende“ oder „Korrektur“ nennt, schnell einstellen.

Dass man das in Deutschland sehr ungern, aber notgedrungen, zur Kenntnis nimmt, beweist die FAZ. Nach wochenlanger Duda-Schelte, Duda-Hohn und Duda-Hysterie (Intoleranz, „Orbanisierung“ Polens, EU-Feindlichkeit usw.) während des polnischen Wahlkampfes, hat sich das Blatt zu Prof. Szczerski begeben und ihn nach den auβenpolitischen Absichten des neuen polnischen Staatsoberhauptes gefragt. Herausgekommen ist in dem Bericht eine Beschwichtigung nach dem Motto: alles halb so wild, Geschichte spielt keine Rolle mehr, es wird fast genauso weitergehen wie bisher.

Duda-Berater Dr. Witold Waszczykowski.
Duda-Berater Dr. Witold Waszczykowski.

„Wunschdenken?“ titelte daraufhin das angesehene Internetportal „wPolityce.pl“ („inderPolitik.pl“) und fragte den Duda-Berater Dr. Waszczykowski: „Die FAZ hat verkündet, dass es nur eine „leichte Korrektur“ des auβenpolitischen Kurses geben wird. Im Prinzip wird sich nichts ändern. Ist das richtig?“

Waszczykowski: „Es ist nicht der richtige Augenblick, um das bekannt zu geben. Eines ist jedoch wichtig: wir werden zu klaren Aussagen in unserer Auβenpolitik zurückkehren, um unsere nationalen Interessen wahrzunehmen. Diese Interessen werden manchmal mit den Interessen anderer europäischer Staaten kollidieren. Wir werden mit unseren Partnern in Europa ehrlich und ernsthaft reden müssen. Zum Beispiel über die Haltung gegenüber Russland. Deutschland hat da eine andere Meinung als wir. Den Deutschen wird man ernsthaft die Frage stellen müssen, was ihnen wichtiger sei: Putins gutes Selbstbefinden oder die Sicherheit seiner östlichen Verbündeten, Polens und der baltischen Länder.

Eine solche Korrektur in unserer Auβenpolitik muss und wird es geben. Heute will Deutschland der Verbesserung der Sicherheit unserer Staaten nicht zustimmen oder, besser gesagt, der Angleichung an den Stand des Westens. Wir verlangen keine Privilegien, wir wollen Gleichbehandlung. Bis jetzt waren unsere nationalen Interessen zweitrangig. Vorrangig waren die Interessen der Bürgerplattform und Tusks persönliche Interessen, nicht die des polnischen Staates. Man hört natürlich hier und da die Flüsterpropaganda, Recht und Gerechtigkeit werde einen Krieg mit Russland vom Zaun brechen. Das ist absoluter Quatsch. Wir werden weiterhin mit Russland zusammenleben, Handel betreiben, aber es gibt keinen Grund die russische Aggression zu rechtfertigen.“, so Waszczykowski.

© RdP




Das Wichtigste aus Polen 14. Mai – 27. Mai 2017

Kommentator Andrzej Godlewski und Janusz Tycner diskutieren die wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in  Polen.  ♦ Neuauflage des Streits um die EU-Umverteilung von Emigranten, Hilfe vor Ort und Terrorgefahr. Die Positionen bleiben dieselben. ♦ Pläne der Justizreform. Die Öffentlichkeit zumeist dafür. Juristen verteidigen den Rechtsstaat oder ihre Standesprivilegien? ♦ Zum ersten Mal seit zwei Jahren erwägen deutlich weniger Polen auf Arbeistssuche ins Ausland zu gehen.




Das Wichtigste aus Polen 12. März – 19. März 2017

Kommentator Andrzej Godlewski und Janusz Tycner diskutieren die wichtigsten Ereignisse der letzten Woche in  Polen.

♦ Polen und die EU:  Tusk-Wahl als EU-Sanktionen-Ersatz gegen Polen, Rechtsstaatsverfahren oder Scherbengericht?,Justizreform von zwei Seiten aus gesehen. Dazu empfehlen wir: http://www.radiodienst.pl/donald-der-gehorsame/

♦ Weniger Handel am Sonntag: Für und Wider. Dazu empfehlen wir: http://www.radiodienst.pl/handel-am-sonntag/

♦ „Nutella“-Ost, „Nutella“-West. Dieselbe Marke, zwei Qualitäten. Dazu empfehlen wir: http://www.radiodienst.pl/weiss-weisser-deutsch/




Das Wichtigste aus Polen 26. Februar – 11. März 2017

Kommentatorin Aleksandra Rybińska und Janusz Tycner diskutieren die  wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in Polen.

♦  Tusk in seinem EU-Amt bestätigt.  Die Warschauer Regierung und ihre Gründe, sich gegen Tusk auszusprechen. Wer ist Jacek Sariusz-Wolski?  Polen allein auf weiter Flur.

Dazu empfehlen wir auch:  http://www.radiodienst.pl/donald-der-gehorsame/

♦  Der Gedenktag zu Ehren der „Verstoβenen Soldaten“. Späte Anerkennung für die gefallenen und ermordeten Kämpfer des antikommunistischen Widerstandes nach 1945.

Dazu empfehlen wir auch:  http://www.radiodienst.pl/archaeologie-des-terrors/

♦ Der Frauentag 8. März und warum der radikale Feminismus in Polen so wenig Anklang findet.

♦ Auf vielfachen Wunsch unserer Zuhörer und Leser werfen wir einen Blick aus unserer Warschauer Warte auf den Bundestagswahlkampf.

Dazu empfehlen wir auch:   http://www.radiodienst.pl/martinek-der-polenschreck/

 

 




Das Wichtigste aus Polen 5. Februar – 11. Februar 2017

Kommentator Andrzej Godlewski und Janusz Tycner diskutieren die wichtigsten Ereignisse der letzten Woche in Polen.

Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Warschau wirft viele Themen und Fragen auf:

Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Anbetracht der EU-Krise und der EU-Rettungsmaßnahmen,

in Sachen Brexit und Emigranten weitgehende Übereinstimmung,

⋅ keine Fortschritte in Bezug auf die Anerkennung der polnischen nationalen Minderheit in Deutschland und die North-Stream-Erdgasleitung unter der Ostsee, die von Polen abgelehnt wird, weil sie Russlands Erdgasmonopol in der EU befördert,

Merkel – Kaczyński, eine politische Partnerschaft ganz besonderer Art.

Regierungspläne zur Verwandlung der Hauptstadt in eine Metropolregion sorgen für politischen Zündstoff.

Der parlementarsiche Untersuchungsauschuss bringt Licht ins Dunkel der Amber-Gold-Affäre. 




Das Wichtigste aus Polen 18. September – 24. September 2016

Kommentatorin Aleksandra Rybińska und Janusz Tycner diskutieren die wichtigsten Ereignisse der letzten Woche in Polen. Emigranten, Brexit, weniger EU-Zentralismus: verhaltener Optimismus in Warschau nach dem EU-Gipfel in Bratislava. Neue, schockierende Erkenntnisse, wie die Smoleńsk-Katastrophe vom 10. April 2010 „untersucht“ wurde. Woran kränkelt die Opposition in Polen. Hochpolitisch und vorest suspendiert: die neue Umsatzsteuer.




Das Wichtigste aus Polen 28. August – 17. September 2016

Jakub Kukla und Janusz Tycner diskutieren die wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in Polen. So wie bisher geht es nicht weiter: polnische Ziele und Erwartungen hinsichtlich der EU-Reform.  Das gemeinsame Auftreten der Visegrad-Gruppe verleiht den EU-Staaten Ostmitteleuropas mehr Gewicht am Brüsseler Verhandlungstisch. Reprivatisierungsskandal belastet die Warschauer Oberbürgermeisterin und die Partei Bürgerplattform schwer. Parlametarischer Untersuchungsauschuss soll die politischen Umstände der Amber-Gold-Affäre aus der Tusk-Zeit aufklären. Gesucht und nicht gefunden – der angebliche Nazi-Gold-Zug bleibt unauffindbar.




Das Wichtigste aus Polen 1. Mai – 7.Mai 2016

Kommentatorin Katarzyna Małecka und Janusz Tycner gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche ein. Keine 1. Mai-Randale in Warschau. Welche Gefühle verbinden die Polen mit ihrer Nationalfahne und ihrer Nationalhymne? Kompromissvorschlag im Streit um das Verfassungsgericht, aber kein Kompromiss in Sicht. Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit will Polen nicht aus der EU führen. Grosser Kompromiss rettet vorerst Kohlebergbau in Oberschlesien. Daimler baut in Polen eine Motorenfabrik.




DAS WICHTIGSTE AUS POLEN 10. APRIL – 16. APRIL 2016

Kommentator Janusz Tycner und Joachim Ciecierski gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche ein: Feierlichkeiten zum Jahrestag der Smoleńsk-Katastrophe hatten zum ersten Mal offiziellen Charakter. Europäisches Parlament ruft in seiner Polen-Entschliessung die Regierung in Warschau zur Kapitulation im Konflikt um das Verfassungsgericht auf. So wird sich jedoch das Problem nicht lösen lassen. Regierungsmehrheit sitzt weiterhin politisch fest im Sattel, Opposition schwächelt zunehmend. Grosse Feierlichkeiten zum 1050. Jahrestag der Taufe Polens.




Das Wichtigste aus Polen 31. Januar – 6. Februar 2016

Kommentator Jakub Kukla und Janusz Tycner gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche ein: Richtlinien der Aussenpolitik der nationalkonservativen Regierung von Aussenminister Witold Waszczykowski vor dem Sejm präsentiert, Grossbritanien Polens neuer wichtiger EU-Partner. Die offiziellen polnisch-deutschen Beziehungen von  Nüchternheit und Normalität geprägt, von Eiszeit keine Spur. Ministerpräsidentin Beata Szydło bespricht in Oslo norwegische Erdgaslieferungen nach Polen. Reform der Staatsnawaltschaft. Neues Kindergeld im Anmarsch.




Das Wichtigste aus Polen 17. Januar – 23. Januar 2016

KommentatorJanusz Tycner und Joachim Ciecierski gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche ein: Ministerpräsidentin Beata Szydło stand ihren Mann während der Polen-Debatte im Europaparlament. Staatspräsident Andrzej Duda zu Besuch bei EU und Nato in Brüssel. Krise um das Verfassungsgericht schwelt weiterhin, politische Lösung gesucht. Öffentliche Medien kommen endlich ins Gleichgewicht. Seltsame Vorgänge bei der Senkung der Kreditwürdigkeit Polens durch die Ratingagentur Standard & Poor’s.  Polens neuer Vetreidigungsminister Antoni Macierewicz will schnell eine leistungsfähige Territorialverteidigung schaffen.