DAS WICHTIGSTE AUS POLEN 27. MÄRZ – 2. April 2016

Kommentator Janusz Tycner und Joachim Ciecierski gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche ein: Warschau unter den zehn gefährlichsten Städten Europas, behauptet die Bild-Zeitung. Wir lachen darüber. Staatspräsident Andrzej Duda nutzt Teilnahme am Nuklear-Gipfel in Washington, um seine Sicht der polnischen Sicherheits- und Innenpolitik den amerikanischen meinungsbildenden Eliten zu vermitteln. Papst Franziskus kommt Ende Juli nicht nur zum Weltjugendtag in Kraków nach Polen. Erste Kontaktaufnahme der neuen Regierung auf höchster Ebene mit Weißrussland. Kostenlose Abgabe von Medikamenten an über 75jährige verabschiedet. Prozess in Sachen Amber-Gold-Affäre in Gdańsk eröffnet. Marihuanahaltige Schmerzmedikamente werden in Polen zugelassen und bezuschusst.

http://www.radiodienst.pl/amber-gold-affaere-freibrief-zum-betrug-2/

http://www.auslandsdienst.pl/3/24/Artykul/144215,Amber-Gold-Freibrief-zum-Betrug




Drogenzucht gewinnt an Wucht

Alle zwei Tage wird irgendwo im Land eine Cannabisplantage ausgehoben.

Das kleine Anwesen in der Ortschaft Promna, Kreis Białobrzegi, unweit von Warschau, sah aus wie eine gut gehende Autowerkstatt. Sorgsam sortierte Felgen und Karosserieteile entlang des Zauns gestapelt, eine Montagegrube im Freien, Autos, die offensichtlich auf Reparatur warteten. Als jedoch die Fahndungsgruppe der Polizei in Begleitung einer Antiterroreinheit das Gebäude im Handstreich Ende Mai 2015 unter ihre Kontrolle brachte, fand sie im Inneren eine hochprofessionell betriebene Cannabisplantage vor. Bewässerung, Belüftung und Wärmeregulierung waren computergesteuert.

652 Pflanzen, manche weit über einen Meter hoch, haben die Beamten sichergestellt. Vierzehn Kilogramm Marihuana in einem Schwarzmarktwert von 700 Tausend Zloty (ca. 175 Tausend Euro) hätte man daraus herstellen können, hieβ es anschlieβend im Polizeibericht. Drei 30 bis 35-jährige Männer wurden vor Ort festgenommen und anschlieβend vom Haftrichter zunächst einmal für drei Monate in Untersuchungshaft geschickt.

Cannabisplantagen in stillgelegten Fabriken, einstigen Militäranlagen, in alten Scheunen, privaten Kellern oder auf freiem Feld – Polens Drogenfahnder geraten nur noch selten ins Staunen, wie kürzlich geschehen in der Gemeinde Łęczna bei Lublin. Bei einer Razzia drangen sie in die Hallen einer abgeschiedenen, ehemaligen Obstfabrik, wo fünftausend Cannbissetzlinge gediehen: bestes Saatgut, grell beleuchtet, stets frisch belüftet, reichlich gedüngt, automatisch beregnet und – von einem eigens in Holland angeheuerten Gärtner fachmännisch betreut.

Die angebliche Recyclingfirma zur Verwertung alter Kleidung war zwei Jahre lang tätig, bis sie aufflog. Als „Investor“ entpuppte sich eine vietnamesische Bande, deren Mitglieder sich jedoch rechtzeitig absetzen konnten. Neben dem Holländer landeten vier Polen in Untersuchungshaft. Mit jeder der drei bis vier Ernten im Jahr konnten die Ganoven bis zu einhundert Kilogramm Marihuana einfahren, in einem Schwarzmarktwert von jeweils ca. 5 Mio. Zloty (ungefähr 1,25 Mio. Euro).

In Anbetracht solcher Einnahmemöglichkeiten wundert es nicht, dass immer mehr „Unternehmer“ in die Cannabisbranche einsteigen, während sie vorgeben, wie vor kurzem aufgedeckt, eine Chemische Reinigung oder gar eine Straußenfarm zu betreiben. Wem des Startkapital für die lukrative durch eine Überdachung geschützte Produktion fehlt, der versucht sich als Freiluftgärtner, wie ein 44-jähriger Mann aus der Näher von Toruń/Thorn, der, getarnt inmitten eines groβen Maisfeldes, gut dreihundert stattliche Cannabisstauden züchtete. Oder er hegt das Kraut in „Heimarbeit“, wie der auβergewöhnlich erfolgreiche 56-jährige Hobbygärtner von Jelenia Góra/Hirschberg. Auf dem Dachboden seines Hauses brachte er eine Ernte von 50 kg Marihuana im Wert von ca. 1 Mio. Zloty (in etwa 250 Tausend Euro) ein.

Cannabis ist die in Polen mit Abstand populärste Droge. Von nicht wenigen Medien und Schickimicki-Promis als völlig harmlos, entspannend und „in“ dargestellt, setzt sie seit Jahren ihren Siegeszug, vor allem unter der groβstädtischen Jugend, fort. Auch der Politrowdy Janusz Palikot hat das Seine dazu beigetragen. Der frühere Stellvertreter Donald Tusks in der regierenden Bürgerplattform und spätere Begründer einer rabiat-antikirchlichen Politbewegung, startete seiner Zeit einige publikumswirksame Propagandafeldzüge für die Freigabe von Cannabis in Polen. Schützenhilfe leistete dem inzwischen völlig ins politische Abseits geratenen Palikot u.a. die linke „Gazeta Wyborcza“, die sich auch weiterhin für die Kampagne gegen das Cannbisverbot engagiert.

Nach neusten Erkenntnissen schädigt der Dauerkonsum von Marihuana erheblich das Herz-Kreislaufsystem (Herzrhythmusstörungen), Lunge und Atemwege (sehr hoher Teergehalt), es beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit und das Gedächtnis. Alkohol verstärkt diese negativen Wirkungen. Für nicht wenige ist es die Einstiegsdroge schlechthin.

Auf die illegale Herstellung von Betäubungsmitteln stehen in Polen Haftstrafen von 6 Monaten bis zu 8 Jahren. Wer bisher straffrei war und zum ersten Mal mit einer geringfügigen Menge Rauschgift (bis zu 5 Gramm Marihuana, bis zu 0,5 Gramm Amphetaminen, einigen Extasytabletten) ertappt wird, kann auf Einstellung des Verfahrens hoffen. Wiederholungstäter müssen mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.

Der neuste Bericht des Fachportals Narkotyki.pl schlieβt mit der Feststellung: „Bezeichnend für den polnischen Drogenmarkt sind: die zunehmende Zahl von Personen, die mit Drogen experimentieren, das steigende Angebot, der Preisrückgang, die steigende Anzahl von Dealern und Schmugglern und ein Anstieg der heimischen Herstellung. Die Plage verbreitet sich in allen sozialen Schichten, am schnellsten jedoch unter Jugendlichen. Auf dem Drogenmarkt überwiegt Marihuana, aber es steigt auch die Nachfrage nach Haschisch, Amphetaminen und Kokain. All das führt zu einem schnellen Anstieg der Drogenkriminalität“.

2014 wurden in Polen gut 75 Tausend Drogendelikte registriert, etwa 2% mehr als im Vorjahr. Es wurden 301 Drogentote gezählt, von denen jedoch keiner auf Grund von Marihuanamissbrauch ums Leben kam.
Immer mehr Produzenten von Marihuana versuchen sich unauffällig im Umkreis der Groβstädte niederzulassen. Das aufgrund einer Vielzahl baulicher Veränderungen dort herrschende Chaos und der dichte Verkehr auf den Zufahrtstraβen schaffen ein relativ sicheres Umfeld für die Nachschubbeschaffung des nötigen Rohstoffs und den Abtransport des Fertigproduktes.

Mit der Zunahme der Drogenproduktion steigt auch die Erfolgsquote der Fahnder. Allein zwischen Januar und März 2015 haben sie 162 Cannabisplantagen ausgehoben (in demselben Zeitraum 2014 waren es lediglich 57) und 265 kg Marihuana sichergestellt. Die Polizisten verneinen die Frage, ob ihre Erfolge bei der Plantagenbekämpfung nur die Spitze des Eisbergs treffen. Es handle sich, so heiβt es, auf jeden Fall um viel mehr als nur die Spitze.

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