Preussens Raub tilgt Polens Gloria
Vernichtet. Das betrübliche Schicksal der polnischen Kronjuwelen.
„Das schlechte Gewissen ist ein böser Gast, gönnt dem Übeltäter weder Ruh‘ noch Rast.“ So erging es auch den Preußen. Der Raub der polnischen königlichen Insignien im Jahr 1795 fand im Geheimen statt und wurde auch jahrzehntelang geheim gehalten. Die Beute war erheblich, aber bei Weitem nicht von solch einem berauschenden Wert wie erhofft. Sie wurde im Stillen eingeschmolzen. Der ideelle Schaden, den die Preußen mit ihrem rücksichtslosen Vorgehen der polnischen Nation, ihrer Identität, Kultur und Tradition zugefügt haben, bleibt unermesslich.
Widerrechtlich in die königliche Schatzkammer des Wawel-Schlosses von Krakau zu gelangen, galt jahrhundertelang als schier unmöglich. Den Zugang versperrten sechs massive Eisentüren. Zu jeder von ihnen hatte ein anderer Senator die Schlüssel.
Um sie zu verwenden, musste das Parlament, der Sejm, jedes Mal einen neuen Beschluss fassen. Nicht einmal Polens Könige konnten an dieser Regelung vorbei in die Schatzkammer gelangen. Sie beherbergte Staatsvermögen, das klar getrennt war vom Privatvermögen der jeweiligen Herrscher.
Aber auch nach dem Öffnen der Eisentüren war der Zugang zum Inhalt der Schatzkammer nicht einfach. Er befand sich nämlich in zwei eisernen Truhen, die mit Doppelschlössern und sieben Vorhängeschlössern gesichert waren. In den Truhen wiederum befanden sich neunzehn Schatullen mit königlichen Insignien, von denen einige bereits seit achthundert Jahren hier gelagert wurden.
Polen: Ohnmächtig, gedemütigt, besetzt
Im Jahr 1795 sollte Polen für 123 Jahre endgültig von der Europakarte verschwinden. Nach den ersten beiden Teilungen, 1772 und 1793, bahnte sich 1794 die dritte und letzte Aufspaltung der Reste des Landes an. Diese befanden sich bereits unter russischer Besatzung.
Und der russische Botschafter in Warschau, Iosif Igelström verhängte, nach eigenem Gutdünken, Verbote (z. B. den höchsten polnischen Orden – der des Weißen Adlers zu tragen). Er verfügte eine rigorose Pressezensur und gründete eine politische Geheimpolizei. Persönlich beaufsichtigte er deren weitverzweigtes Zuträger-Netzwerk in den Innungen, im Handel, im Schulwesen, in der katholischen Kirche und innerhalb des Königshofes.
Bezeichnend auch, dass Igelström nach seinem Eintreffen in Warschau, im Dezember 1793, es nicht für notwendig hielt, sich Polens letztem, bereits völlig machtlosem König Stanislaus II. August Poniatowski vorzustellen. In die Lebenszeit des Monarchen (1732-1798) fielen alle drei und in die Zeit seiner Herrschaft die letzten beiden Teilungen des Landes.
Dieses ohnmächtige und tief gedemütigte, russisch besetzte Restpolen, mit einer Fläche von gut 220.000 Quadratkilometern, sollte nun endgültig unter seine drei Nachbarn: Russland, Preußen und Österreich, aufgeteilt werden. Im Oktober 1795 unterschrieben die Teilungsmächte einen entsprechenden Vertrag.
Ein letztes Aufbäumen
Der letzte Versuch die Katastrophe abzuwenden war der im März 1794 ausgebrochene nationale Aufstand unter der Führung von General Tadeusz Kościuszko (fonetisch: Koschtschiuschko, 1746-1817). Der erfolgreiche Kommandeur im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg war 1784 heimgekehrt. Jetzt, zehn Jahre später, gelang es ihm nicht, nach einigen ersten, vielversprechenden Erfolgen, die russischen Besatzungstruppen aus dem nur noch auf dem Papier als unabhängig geltenden Restpolen zu vertreiben.
Und es sollte noch schlimmer kommen. Mitte Mai 1794 verwarf Friedrich Wilhelm II. von Preußen das Neutralitätsversprechen und stellte sich an die Seite der Russen, um die Bekämpfung des Aufstands zu unterstützen. Ende Juni 1794 gesellte sich auch Österreich hinzu.
Anfang Juni 1794 fügten die vereinigten russisch-preußischen Truppen den polnischen Aufständischen eine schmerzhafte Niederlage in der Schlacht bei Szczekociny (fonetisch: Schtschekotzini), knapp 80 Kilometer nördlich von Kraków, zu. Der Aufstand sollte noch bis Ende November 1794 andauern.
Nach seinem Fall brauchten die drei Sieger knapp ein Jahr, um sich darüber einig zu werden, wer sich wieviel von der polnischen Beute nehmen durfte. Der Vertrag über die dritte Teilung Polens wurde, wie bereits beschrieben, im Oktober 1795 unterzeichnet.
Nach dem Sieg von Szczekociny trennten sich die Wege der Verbündeten. Die Preußen zogen nach Kraków. Kościuszko hatte den aufständischen Kommandeur der Krakauer Garnison, General Ignacy Wieniawski, mit der Verteidigung der Stadt beauftragt. Bei aussichtsloser Lage sollte Wieniawski Krakau übergeben, aber nicht an den preußischen Befehlshaber General Elsner, sondern unbedingt an die Österreicher.
Doch Wieniawski kapitulierte vor den Preußen ohne den Kampf aufzunehmen. Er verfügte gerade einmal über 3.800 Soldaten, von denen etwa 2.000 unbewaffnet waren. Die Preußen marschierten am 15. Juni 1794 in die ehemalige polnische Hauptstadt ein und blieben dort fast eineinhalb Jahre lang. Erst Anfang 1796 übernahmen die Österreicher auf der Grundlage der endgültigen Bestimmungen des dritten Teilungsvertrages die Stadt. Bis 1918 sollten sie dortbleiben.
Ausfindig machen und diskret plündern
Nach der Einnahme von Krakau erhielten die preußischen Verwalter der Stadt: General von Ruets und der Gouverneur von Krakau Hartwig van Hoym, von Friedrich Wilhelm II. den Befehl, so viel wie möglich über den Ort der Lagerung der wertvollsten Juwelen der polnischen Adelsrepublik in Erfahrung zu bringen und den Plan einer diskreten Plünderung auszuarbeiten.
Diskret, denn auch die beiden anderen Teilungsmächte waren an der Beute interessiert. Zudem gehörte der Diebstahl von Kronjuwelen keineswegs zu den Taten, dessen sich ein Herrscher rühmen wollte.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich alle Schlüssel zur Schatzkammer in den Händen von Pater Sebastian Sierakowski (1743-1824), Pfarrer der Königskathedrale auf dem Wawel-Hügel. Der Priester war ein außerordentlich ehrlicher, pflichtbewusster und diskreter Mensch. Und die Sicherheit der Kronjuwelen wurde vor allem durch Verschwiegenheit gewährleistet. Aus diesem Grund hatte man die Art der Schlüsselaufbewahrung geändert. Gewölbe im Erdgeschoss eines Flügels des Arkadenhofs des Wawel beherbergten die Schatzkammer. Nur wenige Eingeweihte wussten, wo genau sich die Räume befanden. Nicht einmal den Russen, die noch vor dem Kościuszko-Aufstand von 1794 in Krakau auf Beutezug gegangen waren und alles geplündert hatten, was sie finden konnten, war es gelungen die Schatzkammer ausfindig zu machen.
Die Preußen hatten den Raubzug fortgesetzt, aber der polnische Staatsschatz blieb unversehrt. Und vielleicht hätte diese Situation angedauert, wenn nicht…
Ein gewisser Zubrzycki (fonetisch: Subschitski), der als Lagerhalter auf dem Wawel arbeitete herausgefunden hätte, wo sich die Schatzkammer befand. Er gab die Information an den preußischen Gouverneur der Stadt, von Hoym weiter. Im Gegenzug bekam Zubrzycki das Amt des königlichen Kommissars in Częstochowa/Tschenstochau, eine Wohnung und 180 Taler Judaslohn pro Jahr.
Zu dem Einbruch kam es dann in der Nacht vom 3. zum 4. Oktober 1795, als bereits klar war, dass Krakau bald in österreichische Hände fallen würde. Die Angelegenheit war ernst, sodass davon auszugehen ist, dass Friedrich Wilhelm II. selbst den Diebstahl angeordnet haben muss.
Von Hoym wurde von mehreren Offizieren, einigen Arbeitern und einem eigens aus Breslau angereisten Schlosser, einem gewissen Lang, begleitet. Schon vor der ersten Tresortür musste der Schlosser kapitulieren. Die Schlösser waren nicht zu knacken. Die Zeit verging, die Einbrecher wurden ungeduldig, denn es galt die Angelegenheit im Schutz der Dunkelheit zu erledigen.
Einer der Offiziere schlug vor, eine Kanone heranzuholen und die Tür zu durchschießen. Die Idee wurde jedoch schnell verworfen. Der Knall würde die Stadt aufschrecken und der Schuss könnte zudem die mittelalterliche Konstruktion der Kammer zum Einsturz bringen.
So wurde beschlossen, den besten Schlosser in Krakau, Meister Weiss, einzuschalten. Aus dem Bett geholt, bestätigte auch er, dass sich die Schlösser ohne die passenden Schlüssel nicht öffnen lassen.
Die „rettende“ Idee am Ende war: Einen der Steinbalken unter der mächtigen Tür zu entfernen, sich durch das entstandene Loch zu zwängen und die Tür von innen zu entriegeln. Stundenlang wurde auf die Steinschwelle mit Spitzhacken eingeschlagen, bis es gelang eine Öffnung zu schaffen. Weiss, der Dünnste der Truppe, zwängte sich unter der Tür hindurch und öffnete sie.
Auch bei den nächsten fünf Türen ließen sich die Schlösser nicht öffnen, aber das Herausschlagen der seitlichen Steinbalken ging verhältnismäßig leicht vonstatten. Am frühen Morgen des 4. Oktober 1795 standen die Einbrecher schließlich vor den Eisentruhen, in denen die königlichen Kostbarkeiten versteckt waren. Meister Lang konnte die Scharniere durchsägen. Die Räuber brachten alle neunzehn Schatullen zum Wagen und fuhren, ohne sie zu öffnen, zur Krakauer Residenz von Hoyms.
Pfarrer Sierakowski entdeckte den Raub bereits am nächsten Morgen. Ihm waren in der Nacht verdächtige Geräusche zu Ohren gekommen. Er hatte aber alle sechs Schlüssel zur Schatzkammer bei sich und ging davon aus, dass die mächtigen Türen jedem Einbruchsversuch standhalten würden.
Er machte die Angelegenheit nicht publik. Offiziell wurde die leere Schatzkammer erst von den Österreichern entdeckt, nachdem sie die Kontrolle über Krakau von den Preußen übernommen hatten. Dies geschah drei Monate später, am 05. Januar 1796.
Die Tannenberg-Schwerter
Der neue österreichische Landeshauptmann forderte den Stadtrat auf, eine Sonderkommission zum Wawel zu entsenden, um den Schaden zu ermitteln. Die Österreicher wollten offenbar nicht des Raubes bezichtigt werden. Als Pater Sierakowski die erste Tür öffnete, sahen die Delegierten eine völlig verwüstete Schatzkammer: Aufgebrochene Türen, offene Truhen, zerstörte Verriegelungen, mehrere Dokumente, auf dem Boden verstreut.
Die Einbrecher hatten auch zwei mittelalterliche Schwerter ohne Juwelen oder wertvolle Verzierungen auf dem Boden zurückgelassen. Es waren einfache Militärwaffen, aber sie hatten für die polnische Nation einen hohen symbolischen Wert. Der Großmeister des Deutschen Ordens Ulrich von Jungingen hatte sie unmittelbar vor der Schlacht bei Grunwald/Tannenberg am 15. Juli 1410 an König Władysław Jagiełło gesandt, zusammen mit der Aufforderung, sich dem Kampf zu stellen.
Der Orden wurde vernichtend geschlagen. Später wurden die Schwerter bei offiziellen Anlässen den polnischen Königen vorangetragen, als Symbol der Macht der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Bis heute werden die Grunwald-Schwerter als wichtige nationale Symbole betrachtet und verwendet.
Die Räuber hatten offenbar keine Ahnung von der historischen Bedeutung der beiden Schwerter, auch für Preußen. Schließlich waren sie ein Zeugnis der germanischen Niederlage von 1410. Als solches hätte man sie in Berlin ganz bestimmt gerne zurückerhalten, so wie es weit später mit den bei Tannenberg von den Polen erbeuteten Fahnen des Deutschen Ordens geschah.
Die beiden Schwerter jedoch gerieten in den Besitz der Adelsfamilie Czartoryski, bis sie 1853 von der russischen Gendarmerie als „illegale Waffen“ beschlagnahmt wurden. Seitdem sind sie verschollen.
Die Verluste
In einer Schätzung der Verluste im Auftrag der Österreicher, stellte die Sonderkommission des Krakauer Stadtrates fest, dass insgesamt 120 Gegenstände von unterschiedlichem Wert aus der Schatzkammer verschwunden waren.
Der bedeutendste war die so genannte Chrobry-Krone, auch Corona Privilegiata (Privilegierte Krone) genannt, die seit der Krönung von Władysław Łokietek/Ellenlang (König von Polen bis 1333) am 20. Januar 1320 die Köpfe aller seiner Nachfolger bei den Krönungszeremonien zierte. Abgesehen von ihrem unschätzbaren symbolischen und historischen Wert, bestand sie aus fast eineinhalb Kilogramm reinem Gold und war mit 300 Edelsteinen sowie 80 Perlen verziert.
Die Preußen hatten außerdem vier weitere Kronen gestohlen. Die der Königinnen. Sie war aus reinem Gold gefertigt, mit Edelsteinen und Perlen besetzt.
Die Ungarische Krone, mit nach Polen gebracht von Stephan Batory (Wahlkönig von Polen 1576 bis 1586).
Die Schwedische Krone, zusammen mit weiteren dynastischen Insignien der Wasa-Dynastie. Drei Mitglieder dieses Königshauses wurden nacheinander auf den polnischen Thron gewählt und regierten Polen insgesamt von 1587 bis 1668.
Entwendet wurde auch die sogenannte Huldigungskrone, mit der die Könige bei den hierfür vorgesehenen Zeremonien auftraten.
Die Räuber hatten zudem vier Zepter erbeutet, zwei goldene und zwei aus vergoldetem Silber. Das Zepter von Stanisław II. August Poniatowski, des letzten polnischen Königs, war außergewöhnlich reich mit den kostbarsten Steinen verziert, darunter Diamanten, Smaragden, Saphiren und Rubinen.
Das schartige Schwert
Des Weiteren kamen fünf Reichsäpfel und das berühmteste polnische Schwert – der Szczerbiec (fonetisch: Schtscherbjets), das „Schartige Schwert” abhanden. Das Schwert kehrte später nach Krakau zurück und ist heute das wichtigste Kronjuwel Polens, das einzige erhaltene Insigne der Piasten-Dynastie.
Einer Legende nach entstand die Scharte, als Bolesław I. Chrobry/ Der Tapfere Herrscher von Polen war (in den Jahren 992 bis 1025) und 1018 mit dem Schwert, beim Verlassen des von ihm eroberten Kiew, auf das Goldene Tor von Kiew schlug. Tatsächlich wurde das Goldene Tor erst 1037, neunzehn Jahre später, errichtet.
Das zweischneidige zeremonielle Schwert, knapp ein Meter lang, versehen mit üppigen gotischen Verzierungen, entstand vermutlich Ende des 12. oder zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Es wurde zum ersten Mal bei der Krönung von Władysław I. Łokietek/Ellenlang 1320 verwendet. Bei allen weiteren Krönungszeremonien wurde es als das Symbol der Kontinuität des Königreiches genutzt.
Preußische Behörden hatten es, nach der Einschmelzung der goldenen Insignien, verkauft und es befand sich ab 1810 in den Händen verschiedener, meist russischer Sammler. 1884 hatte es die Petersburger Eremitage aus der Sammlung des russischen Botschafters in Paris erworben. Nach dem verlorenen Krieg gegen Polen im Jahr 1920, verpflichteten die Bolschewisten sich zur Rückgabe der vom Zarenreich in Polen, während der Teilungen, geraubten Kulturgüter. Im Jahr 1928 kehrte der Szczerbiec nach Polen zurück.
Das Schwert, das im Königsschloss auf dem Wawel ausgestellt wird, hat in der Nähe des Griffs ein Austrittsloch im Keil, das als „Scharte“ bezeichnet wird. Forscher interpretieren diese unterschiedlich. Vielleicht ist es der Rückstand eines herausgebrochenen Ornaments oder das Loch ist durch Rost entstanden und seine regelmäßige Form ist das Ergebnis eines Versuchs den Schaden zu verbergen.
Die Scham im Gesicht von Königin Luise
Außerdem verschwunden waren: Reliquienschreine, Rittergürtel und viele kleinere Gegenstände, wertvoll, aber nicht unersetzlich. Alles war schnell aus Hoyms Residenz geholt und über Schlesien nach Berlin gebracht worden.
In dem einige Jahre später erstellten Inventar sind alle diese Gegenstände verzeichnet, und sogar einer mehr. Dabei handelte es sich um die sogenannte Moskauer Krone. Sie jedoch war nicht geraubt, sondern als Pfand nach Berlin gebracht worden, für ein preußisches Darlehen an den polnischen König Johann II. Kasimir.
Friedrich Wilhelm II. hatte diesen Raub nicht angeordnet, um in den Besitz der symbolträchtigen Insignien des polnischen Staates zu gelangen, an dessen Abschaffung er mitgewirkt hatte, sondern wegen ihres Schmuckwertes. Daher mussten die Stücke, solange die preußische Staatskasse gefüllt war, weder durch ihn noch durch seinen Nachfolger Friedrich Wilhelm III. angerührt werden.
Auf jeden Fall waren sie 1800 noch in Berlin. Das bestätigte August Friedrich, Herzog von Sussex, dem polnischen Schriftsteller und Politiker Julian Ursyn Niemcewicz (1758-1841). Er hatte sie dort gesehen und sogar eine der Kronen anprobiert.
1797 bemerkte der polnische Adelige Feliks Łubieński (1758-1848) bei der Krönung von Friedrich Wilhelm III. (Sohn Friedrich Wilhelms II.), dass Königin Luise von Preußen, die Ehefrau des frisch gekrönten Königs, eine Halskette trug, die sich im polnischen Kronschatz auf dem Wawel befunden hatte.
Die Königin muss davon nichts gewusst haben, denn als Graf Łubieński ihr davon erzählte, stand sie wie vom Blitz getroffen auf, wurde rot wie eine Pfingstrose und verließ sofort die Zeremonie. Offenbar kündigte sie anschließend ihrem Gatten an, dass sie nie wieder Schmuck von ihm tragen würde. Von da an trug Luise nur noch Eisenschmuck. Er soll wirklich schön gewesen sein und wurde damals an allen europäischen Höfen akzeptiert.
Edelsteine herausgebrochen, Insignien eingeschmolzen
Bald jedoch wurden die Zeiten sehr turbulent. Die Napoleonischen Kriege entbrannten. Die vernichtende Niederlage Preußens in der ersten Phase dieser Kriege entblößte die Schwäche des Staates und wies auf die dringende Notwendigkeit von Reformen hin, vor allem innerhalb der Armee. Selbst Friedrich Wilhelm III., den Historiker fast einvernehmlich als einen „eher begrenzten“ Herrscher charakterisieren, hatte das verstanden.
Doch die notwendigen Reformen waren nicht die einzige Ursache, weshalb sich die Berliner Staatskasse leerte. Die Niederlage im Krieg mit Frankreich bedeutete, dass eine hohe Kontribution gezahlt werden musste. Im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts benötigte Berlin daher sehr schnell, viel Geld. Damit war das Schicksal der polnischen Insignien besiegelt.
Anfang 1809 ließ der preußische Monarch den Wert der geraubten Juwelen schätzen. Das Ergebnis: 525.259 Taler. Das war eine beträchtliche Summe. Doch bei der Größe des preußischen Staates reichte sie nur für relativ geringe, laufende Ausgaben aus.
Außerdem zeigt die Tatsache, dass hundert Jahre zuvor ein Darlehen von 300.000 Talern gegen die Verpfändung einer einzigen, der Moskauer Krone aus polnischem Besitz gewährt wurde, deutlich, dass der symbolische Wert des gesamten Schatzes unvergleichlich höher war.
Friedrich Wilhelm III. war jedoch kein weitsichtiger Herrscher, und anstatt Russland, das schon immer Anspruch auf den polnischen Thron erhoben hatte und zu dieser Zeit sehr reich war, anzubieten, den Wawel-Schatz ganz oder teilweise zu kaufen, beschloss er die königlichen Insignien einfach einzuschmelzen.
Knapp zwei Jahrzehnte später, als sich Zar Nikolaus I. im Mai 1829 zum König von Polen (Kongresspolen) krönen ließ, suchte St. Petersburg tatsächlich händeringend nach den Symbolen der polnischen Königsmacht, um sie politisch für sich zu vereinnahmen. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät.
Die Einschmelzung hatte am 17. März 1809 in Königsberg unter strengster Geheimhaltung stattgefunden. Nur Friedrich Wilhelm III. und sein engster Kreis wussten von dem Vorhaben, das von Staatsminister von Altenstein überwacht wurde. Zunächst wurden die polnischen Kronjuwelen zu Goldklumpen eingeschmolzen. Daraus gelang es ca. 12 Kilogramm Goldbarren zu gewinnen, wie in den Archiven akribisch festgehalten wurde.
Im Juli desselben Jahres ließ der König daraus Münzen prägen. Wer heute im Besitz von preußischen Talern aus dem Jahr 1809 ist, der kann davon ausgehen, dass sie aus dem Gold der polnischen Königsinsignien geprägt wurden. Die aus den Kronen, Schwertern und anderen Schätzen herausgebrochenen Edelsteine wurden auf etwa 50.000 Taler geschätzt und verkauft.
Eine letzte Chance wird vertan
Die ganze Angelegenheit hätte in einem großen diplomatischen Skandal enden können. Zu dieser Zeit existierte nämlich bereits das Herzogtum Warschau mit einer Fläche von 155.000 Quadratkilometern und 4,3 Millionen Einwohnern. Es war ein von Napoleon errichteter, kurzlebiger (1807-1815) polnischer Rumpf-und Satellitenstaat, der sich aber erstaunlich dynamisch entwickelte und durchaus effizient regiert wurde.
Bereits im Jahr 1807 hatte das siegreiche Frankreich Preußen unter anderem zur Rückgabe der geraubten Insignien an Warschau verpflichtet. Der Historiker und Politiker Józef Kalasanty Szaniawski (1764-1843) wurde auf polnischer Seite ermächtigt, über diese Angelegenheit und die Rückgabe der von Preußen geraubten polnischen Archive in Berlin zu verhandeln. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine reelle Chance die Insignien wiederzufinden. Der Intendant der napoleonischen Armee, Prinz Daru, wurde in dieser Angelegenheit mit Forderungen überhäuft.
Es entstand jedoch ein klarer polnisch-französischer Interessenkonflikt. Die Polen wollten ihre wichtigsten Staatssymbole zurückhaben. Der Verwaltungschef der napoleonischen Armee, Herzog Daru, hingegen wollte vor allem die riesigen Kontributionen eintreiben, die Frankreich Preußen auferlegt hatte. Die französische Armee, die sich auf die Invasion Russlands vorbereitete, verschlang Unsummen.
Die Angelegenheit zog sich hin. Es ist anzunehmen, dass die Franzosen sogar indirekt Einfluss auf die Entscheidung zum Einschmelzen der Insignien genommen haben. Friedrich Wilhelm III. wurde von ihnen heftig bedrängt schnell zu zahlen und er beschaffte sich so einen Teil der Forderungen.
In eine Zwickmühle geraten, spielten die Preußen auf Zeit, hielten sich nach der Einschmelzung bedeckt und, wie sich herausstellte, war das die richtige Strategie. Als Napoleon 1812 nach Russland aufbrach, kümmerten die polnischen Schätze niemanden mehr. Drei Jahre später wurde Napoleon besiegt und mit ihm ging auch seine Schöpfung, das Herzogtum Warschau, unter.
Eine Kopie erweckt Aufsehen
Nicht alle haben sich mit dem bitteren Verlust abgefunden. Adam Orzechowski, ein Antiquitätenhändler aus Nowy Sącz/Neu Sandez im Süden Polens führte Ende der 90er Jahre eine Ankaufsaktion für preußische Münzen aus dem Jahr 1809 durch. In diesem Jahr waren das Gold und das Silber aus den polnischen Kronjuwelen in die preußischen Münzstätten gelangt. Zumindest einige dieser Münzen müssen Gold und Silber aus den königlichen polnischen Kronen, Reichsäpfeln und Zeptern enthalten.
Zwischen 2001 und 2003 fertigte eine Gruppe von Goldschmieden und Juwelieren mit Interesse an der Geschichte Polens, unter Beteiligung von Orzechowski, eine Nachbildung der Chrobry-Krone (Corona Privilegiata) an.
Die Replik basiert auf den Erkenntnissen von zwei Kunsthistorikern: Jerzy Lileyka und Michał Rożek. Die beiden analysierten Zeichnungen und Gemälde von Krzysztof Józef Werner (1718-1778) und von Marcello Bacciarelli (1731-1818), zwei Malern, die den letzten König Polens, Stanisław August Poniatowski mit den Krönungsinsignien „live“ porträtiert hatten. Die Wissenschaftler stützten sich auch auf Dokumente aus der Überprüfung des Kronschatzes von 1730, die detaillierte Skizzen aller Krönungsinsignien enthielten, darunter natürlich auch der Chrobry-Krone.
Zeitgenössische Goldschmiede verwendeten unter anderem 0,6 Kilogramm Gold (0,9 Kilogramm weniger als das Original) und 60 Gramm Silber. Die Nachbilder achteten darauf, dass das Gold, wie das Original, 16 bis18 Karat hatte. Echte Rubine einzusetzen erwies sich als zu teuer. In der Kopie sind es synthetische. Dafür sind alle anderen 88 Edelsteine (Smaragde, Saphire und Granate) und die 80 Perlen echt. Die Goldschmiede und Edelsteinschleifer, die an der Kopie arbeiteten, verwendeten Handwerksmethoden aus der Zeit, in der das Original geschaffen wurde.
„Die nachgebaute Krone“, so Orzechowski, „ist eine exakte Rekonstruktion. Jedes kleine Detail ist korrekt ausgeführt, selbst der kleinste Edelstein musste dem Original entsprechen.“
Mit ähnlicher Genauigkeit gestalteten Orzechowski und sein Team auch eines der von den Preußen gestohlenen Zepter und einen der Reichsäpfel nach.
Die prächtigen Kopien wurden in den letzten zehn Jahren immer wieder an verschiedenen Orten in Polen gezeigt. Wann und ob sie jemals in der heutigen königlichen Schatzkammer des Wawel-Schlosses ihren endgültigen Aufbewahrungs- und Ausstellungsort finden werden, ist nicht bekannt.
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