Waidmannslust trifft Waidmannsfrust

Was andere kaputt gemacht haben sollen Polens Jäger wieder geradebiegen.

Niederwild verschwindet, Großwild nimmt zu. Wildschäden plagen die Bauern. Vegetarier,  Veganer, Politiker und Gewissensbisse plagen die Jäger.

Ein Gespräch mit Roman Miler, Vorstand von Gobarto S.A., einer der führenden polnischen Firmen auf dem Gebiet der Schweine- und Wildfleischverarbeitung, und gleichzeitig einem passionierten Jäger aus der Gegend von Leszno/Lissa in Westpolen. Das Interview erschien in der Branchenzeitschrift „Wieści Rolnicze“ („Landwirtschaftliche Neuigkeiten“) vom November 2019.

Roman Miler.

Die Erwartungen, die man heute in Polen den Jägern entgegenbringt wären vor dreißig Jahren noch undenkbar gewesen.

Hirsch. Briefmarke 1970.

Milde Winter und eine enorme Erweiterung der Anbauflächen von Mais und Raps haben einen früher unvorstellbaren Anstieg des Wildschwein- und Hirschbestandes verursacht. Vor allem Mais steigert erheblich die Vermehrungsfreudigkeit dieser Tiere.

In den Sechziger- und Siebzigerjahren waren in der Gegend von Leszno, wo sich meine Jagdpächter-Vereinigung befindet, Wildschweine und Hirsche eine Seltenheit. Wurde ein Wildschwein erlegt, kamen Leute aus der Umgebung, um es zu sehen. Hatte man die Fährte eines Hirsches entdeckt, waren alle Jagdinteressierten in heller Aufregung, wollten das Tier sehen oder wenigstens sein Orgeln hören.

Wildschwein. Briefmarke 1970.

Heute verwandeln sich Maisfelder regelmäßig in Brunftplätze. Auf der dringenden Abschussliste in meinem Jagdrevier stehen im Augenblick fünfzehn Hirsche. Noch vor vierzig Jahren waren eine solche Situation unvorstellbar.

Wie hat sich in der letzten Zeit die Artenvielfalt in der freien Wildbahn in Polen verändert?

Hase. Briefmarke 1986.

Noch vor dreißig Jahren überwogen Hasen, Rebhühner und Wachteln, also Niederwild. Auf jedem noch so kleinen Kartoffel- oder Rübenacker hockten Schwärme von Rebhühnern. Heute gibt es sie fast nicht mehr. Manchmal heißt es, die Jäger hätten sie ausgerottet, ebenso wie die Hasen. In Wirklichkeit ist das Niederwild vor allem deswegen von unseren Feldern verschwunden, weil die Monokultur in der Landwirtschaft um sich greift. Einzelne Äcker wurden zu riesigen Feldern zusammengelegt. Feldraine und Sträucher, die ihre natürlichen Brutstätten sind, wurden beseitigt. Zudem dezimieren Krankheiten und Wildschweine, die ja Allesfresser sind, den Bestand des Niederwilds.

Rebhuhn. Briefmarke 1986.

Hat nicht auch die vermehrte Anwendung von Chemie in der Landwirtschaft das Ihre dazu beigetragen?

Auf jeden Fall. Je mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden, umso schneller griff die Unfruchtbarkeit unter den Rebhühnern und Wachteln um sich. Sie begannen auszusterben. Heute züchten wir in vielen Jagdpächter-Vereinigungen Rebhühner und Fasane und setzen sie aus, um sie für die kommenden Generationen zu erhalten.

Fasan. Briefmarke 1970.

Dafür gibt es jetzt viel mehr Füchse.

Der einzige natürliche Feind der Füchse war die Tollwut, aber, um Menschen davor zu schützen, werden seit Jahren flächendeckend Impfköder aus der Luft ausgelegt. Daraufhin ist der Fuchsbestand geradezu explodiert.

All diese ungünstigen Entwicklungen sollen die Jäger wieder geradebiegen?

Fuchs. Briefmarke 1970.

Ja, man erwartet von uns, dass wir die ausufernden Bestände dezimieren und den vom Verschwinden bedrohten Arten wieder ihren ursprünglichen Platz in der Natur verschaffen.

Die Abschusspläne jedenfalls, werden von Jahr zu Jahr umfangreicher. Was Bauern anbauen schmeckt dem Wild, vor allem den Wildschweinen, oft viel besser als das, was sie im Wald finden. Es ist auch viel einfacher zugänglich.

Wildschwein. Briefmarke 1973.

Während der Aussaat ernähren sich die Wildschweine von Saatkartoffeln, aber auch von Weizen- und Maissaaten. Ebenso enorm sind die Schäden, die sie an reifen Feldfrüchten anrichten, insbesondere an Kartoffeln, Weizen, Hafer und Mais. Hinzu kommen die Wiesenschäden. Die Tiere streben, insbesondere im Frühjahr, auf die Wiesen und Weiden, wühlen die Flächen um, auf der Suche nach Engerlingen und Mäusen, um so ihren Eiweiβbedarf zu decken.

Reh. Briefmarke 1973.

Wir beobachten nach Möglichkeit die Felder, stellen Hochsitze auf, errichten Zäune. An manchen Waldrändern muss man inzwischen Draht- und Elektrozäune montieren. Wir bekommen Hilfe von der Forstverwaltung und von den Landwirten, die uns oft kostenlos Transportmittel zur Verfügung stellen.

Es sind die Jagdpächter-Vereinigungen, die für Wildschäden auf den Feldern aufkommen müssen.

Elch. Briefmarke 1954.

Wir haften für Verluste, die durch Wildschweine, Hirsche, Damhirsche und Rehe entstehen. Dieses Wild wird bejagt. Enorme Zerstörungen richten aber auch, vor allem in Westpommern (Gegend um Szczecin/Stettin – Anm. RdP), Elche an, die große Anbauflächen zertrampeln. Genauso heftig wüten, auf ihre Art, die Biber. Da aber sowohl Elche wie auch Biber nicht bejagt werden dürfen, kommt für diese Schäden der Staat auf.

Woher nehmen Sie das Geld für all das?

Elch. Briefmarke 1970.

Aus den Mitgliedsbeiträgen. Aus dem Verkauf von Wildfleisch und Jagdtrophäen, und aus den Erlösen, die uns Jagden ausländischer Jäger einbringen.

Wie entschädigen Sie die Bauern? Nur mit Geld?

Meistens ja, aber ab und zu kommt es vor, dass wir uns mit den Bauern darauf einigen, dass wir ihnen im Frühjahr das Saatgut stellen, wenn Mais vernichtet wurde. Oder, nachdem Wildschweine eine Wiese umwühlt haben, liefern wir manchmal Heu. Es kommt immer darauf an, wie man sich einigt.

Biber. Briefmarke 1954.

Das Verhältnis zwischen den Jägern und den Bauern ist nicht immer von Harmonie geprägt.

Wir haben seit April 2019 ein neues System für die Schätzung von Wildschäden, das viele, früher häufig aufgetretene Missverständnisse und Konflikte ausgeräumt hat. Konflikte gibt es natürlich auch weiterhin. Das Wild vernichtet menschliche Arbeit, wirft somit Kalkulationen und Hoffnungen auf Einnahmen über den Haufen. Da liegen oft die Nerven blank. Die Feststellung und Schätzung der Schäden muss schnell erfolgen, denn Regen und Wind können die Spuren rasch verwischen. Die aber sind ausschlaggebend dafür, wer zahlt, die Vereinigung der Jagdpächter oder der Staat.

Fasan. Briefmarke 1986.

Wir sind auf eine gute Zusammenarbeit mit den Bauern angewiesen. Ohne ihr Wohlwollen, können wir auf Dauer nicht viel ausrichten. Ihre Hilfe ist wichtig, zum Beispiel bitten wir sie immer öfter darum, Schneisen durch die Rapsfelder zu mähen, was uns den Abschuss von Wildschweinen sehr erleichtert. Ein wichtiges Gebot der Jägerethik ist, die erlegten Tiere nicht leiden zu lassen. Bei ungünstigen Bedingungen ist das sehr schwierig, wenn nicht unmöglich.

Rebhühner. Briefmarke 1970.

Der Wildschweinbestand muss drastisch eingeschränkt werden, um die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest einzudämmen. Die Jagdpächter-Vereinigungen sind dazu verpflichtet. Seit jeher geltende Jagdprinzipien wurden deswegen außer Kraft gesetzt.

Ja, man zwingt uns geradezu von Staatswegen, den Bestand um jeden Preis zu verkleinern. Früher gab es eine Schonzeit, um trächtige Bachen und Bachen mit Frischlingen zu schützen.

Wildschwein. Briefmarke 1981.

Nicht alle Jäger akzeptieren diese Veränderung. Sie sagen, der Anblick von Föten, die aus dem Bauch einer trächtigen Sau herausgenommen oder von Ferkeln, die orientierungslos herumlaufen, wenn sich die Sau nicht mehr bewegt, ist nicht zu ertragen.

Das ist wahrlich eine sehr brutale Erfahrung. Niemand will darüber reden, aber, so schlimm es ist, es muss sein. Den Jagdkammeraden, die mit diesem Problem zu mir kommen, rate ich auf die Bauernhöfe zu fahren, wo gerade wegen der Schweinepest trächtige Sauen und Ferkel zu Dutzenden, oft zu Hunderten, abgeschlachtet und in Kadavercontainern abtransportiert werden, und die Bauernfamilien schauen fassungslos zu. Es gab Suizide deswegen.

Gelingt es in Ostpolen, wo die Schweinepest die größten Sorgen bereitet, den Wildschweinbestand auf null zu reduzieren?

Hirsch. Briefmarke 1973.

Das ist nicht das Ziel. Die Statistiken sind verständlicherweise nicht gänzlich präzise, aber sie geben auf jeden Fall die Tendenz wieder. Es heißt, in Polen gab es im Jahr 2000 um die 118.000 Wildschweine. Im Jahr 2014 lag der Bestand bei knapp 290.000 Tieren. Im Jahr 2018 waren es etwa 220.000. Die Behörden wollen, dass künftig im Durchschnitt auf einen Quadratkilometer 0,1 Wildschweine kommen. Polen hat eine Fläche von 312.000 Quadratkilometern. Das wären dann so um die 35.000 Wildschweine. Mal sehen.

Mittlerweile darf man mit Hilfe von Nachtsicht- und Wärmebildgeräten jagen.

Reh. Briefmarke 1981.

Jede Verbesserung kommt uns, und letztendlich auch dem Wild, zugute. Es gibt weniger angeschossene Tiere und der Jäger sieht auch im Dunkeln genau was ihm da vor die Flinte läuft.

Einerseits wird den Jägern gegeben, andererseits genommen. Seit April 2018 dürfen in Polen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre nicht mehr an Jagden teilnehmen.

Wir sind dabei, Unterschriften für eine Bürger-Gesetzesinitiative zu sammeln, damit diese Bestimmung rückgängig gemacht wird.

(Anm. RdP: Wenn für eine Bürger-Gesetzesinitiative mindestens 100.000 Unterschriften zusammenkommen, dann muss das Parlament die Initiative auf seine Tagesordnung setzen. Das Parlament kann sie aber schon in der ersten Lesung ablehnen. Die meisten der von Bürgern ins Leben gerufenen Gesetzesanträge enden so.

Manchmal schaffen sie es aber auch in die zweite Lesung, das heißt in die Beratungen der zuständigen Ausschüsse, bzw. es wird ein Unterausschuss zu der Bürger-Gesetzesinitiative gegründet. Bis auf eine Ausnahme (Verbot des Sonntagshandels) sind Gesetzesinitiativen von Bürgern in diesen Gremien bis zum Ende der jeweiligen Legislaturperiode „auf Eis“ gelegt worden, weil sie der gerade regierenden Mehrheit nicht in ihr politisches Konzept passten. – Anm. RdP)

Fuchs. Briefmarke 1981.

Eltern haben das Recht ihre Kinder gemäß ihren Überzeugungen zu erziehen. Das betrifft den Glauben, die Weltanschauung und die daraus sich ergebenden Verhaltensweisen.

Das Verbot unsere Kinder auf die Jagd mitzunehmen bedeutet, dass man uns unsere Kinder entzieht, vorenthält. Was jahrhundertelang eine Selbstverständlichkeit war, zum normalen Erwachsenwerden gehörte, wird plötzlich verboten, nur weil radikale Vegetarier und Veganer, radikale Aktivisten, die sich die Vermenschlichung der Tiere auf ihre Fahnen geheftet haben, es so wollen.

Elch. Briefmarke 1981.

Sollen unsere Kinder wirklich glauben, dass die Milch aus dem Supermarkt kommt und Kühe lila sind? Die Hähnchenkeulen, in Folie verpackt, sind okay. Dass man die Hühner vorher schlachten, ausnehmen und zu verwertbarem Fleisch machen muss, gehört aber verboten. Diese Art von Heuchelei prägt leider zunehmend die Gesellschaft.

RdP