Kapital adieu

In Polen verdient, nach Hause mitgenommen.

Ausländische Banken, Versicherungen, Logistikunternehmen, Telekommunikationsfirmen, Discounterketten verdienen in Polen prächtig. Die Gewinne wandern jedoch zumeist ab in ihre Heimatländer und Stammhäuser. Die Wochenzeitung „Niedziela“ („Der Sonntag“) vom 3. Januar 2015 widmete dem unverändert aktuellen Problem einen kurzen, bündigen und sehr eindeutigen Artikel.

Seit Beginn der Transformation 1989 gelangte ausländisches Kapital in Höhe von 444 Mrd. Euro nach Polen, schreibt die Zeitschrift. Gleichzeitig verlieβ polnisches Kapital in einer Höhe von 94 Mrd. Euro das Land. Per Saldo entstand somit ein Überhang an ausländischem Kapital von 350 Mrd. Euro. Das entspricht dem Gegenwert des polnischen Bruttosozialprodukts (BSP) eines Jahres.

Das ausländische Geld wurde vor allem in die industrielle Fabrikation, sowie in das Banken- und Versicherungswesen investiert. Besonders schmerzhaft dabei war der Ausverkauf der prosperierenden polnischen Banken.

Haben wir diese groβe Kapitalspritze gut genutzt? Erhebliche Zweifel sind angebracht, angesichts eines eher moderaten Wirtschaftswachstums (meistens um die 3% p.a. – Anm. RdP), einer groβen Arbeitslosigkeit (meistens nicht unter 10% – Anm. RdP) , einer gigantischen Arbeitsemigration (gut 2 Mio. Menschen, die dauerhaft das Land seit 1990 verlassen haben – Anm. RdP), immer weiter auseinanderklaffen der Einkommensunterschiede, einer fortschreitenden sozialen Ausgrenzung groβer Bevölkerungsgruppen und eines bleibenden Innovationsrückstandes. (…)

Ausländische Investitionen werfen, das ist klar, Gewinne an Ausländer ab. Bei Direktinvestitionen sind das die Dividenden. Im Falle von Wertpapieren und Krediten sind es die anfallenden Zinsen. Im Jahr 2014 betrugen die Abflüsse aus allen ausländischen Investitionen in Polen 18,2 Mrd. Euro. Soviel haben bei uns die westlichen Investoren in nur zwölf Monaten verdient. Im Jahre 2006 betrug dieser Negativsaldo für die polnische Wirtschaft 11,5 Mrd. Euro. In sieben Jahren stieg er somit um sage und schreibe 58% an. Das ist ein beunruhigendes Tempo. Die Folge: das Volkseinkommen, das es in Polen selbst zu verteilen gilt, ist um 4% kleiner als das (in Polen durch In- und Ausländer erwirtschaftete – Anm. RdP) Bruttoinlandsprodukt (BIP). (…)

Wir haben es also nicht geschafft das Fremdkapital für ein dynamisches Wachstum des BIP zu nutzen. Anders war es in den westeuropäischen Ländern, die dank des Marshall Plans ein hohes Wirtschaftswachstum erlebt haben.

Bei uns haben die ausländischen Direktinvestitionen nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht, und dass obwohl ausländische Firmen einen 45-prozentigen Nachlass in der Körperschaftssteuer und staatliche Subventionen in den Sonderwirtschaftszonen nutzen konnten. Ausländische Arbeitgeber profitierten auch durch die niedrigen polnischen Löhne. (…)

Im Jahr 2013 verzeichneten die ausländischen Firmen einen Reingewinn von 11,8 Mrd. Euro. Ein ausländisches Unternehmen kann seine Gewinne wieder in Polen investieren oder sie auβer Landes bringen. Das erste wäre ein Grund zur Freude, denn man kann davon ausgehen, dass das Geld dem Land zugutekommt. Doch die Ausländer haben auch das Recht die Gewinne zu transferieren. Der Preis für den Beitritt (1996 – Anm. RdP) zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) war die völlige Liberalisierung des Kapitaltransfers.

Polen hat keine Möglichkeit den Transfer von Gewinnen ausländischer Investoren zu beschränken, und diese bevorzugen die Gewinnausfuhr. 2013 haben sie 7,8 Mrd. Euro Gewinne aus Direktinvestitionen ins Ausland überwiesen. Tendenz steigend, was nicht gerade als ein Vertrauensbeweis für wirtschaftlichen Perspektiven unseres Landes gewertet werden kann. (…) Das meiste Geld floss nach Deutschland, Holland und Luxemburg. (…)

Der Zufluss ausländischer Investitionen hat Polen nicht das erhoffte Wirtschaftswunder gebracht. (…) Gebracht hat es dafür den Effekt des sich entfernenden Leuchtens am Horizont. Je mehr ausländisches Kapital hereinströmt, umso gröβer die Abwanderung der Gewinne ohne dass sich die ökonomische Situation spürbar verbessert. Wir können nur hoffen, dass wir nicht in den endlosen Kreislauf eines eher bescheidenen Wachstums geraten, wie das vielen Ländern Afrikas und Südamerikas widerfahren ist.

RdP




Amber Gold Affäre. Freibrief zum Betrug

Erste Bilanz. Hauptverdächtige vom Gefängniswärter geschwängert.

Der Sommer 2012 stand in Polen ganz im Zeichen der Amber Gold Affäre. Knapp drei Jahre später zieht die Staatsanwaltschaft in Łódź, die in diesem Fall ermittelt, eine erste Bilanz ihrer Tätigkeit. Mit einer Anklageerhebung wird bis Mitte 2015 gerechnet.

Nach Meinung der Ermittlungsbehörde war Amber Gold mit Sitz in Gdańsk von Anfang an eine Schattenbank, deren Geschäftsmodell auf einem Anlagesystem mit Schneeballcharakter beruhte. Amber Gold gelang es, Anlagen von etwa 18 Tausend Personen mit einem Gesamtwert von 851 Mio. Zloty (ca. 213 Mio. Euro) anzuhäufen. Die 2009 gegründete Firma gab vor, auf Anlagegold und andere Edelmetalle spezialisierte Investmentfonds zu betreiben, und versprach den zumeist älteren Anlegern bis zu 16,5 Prozent Zinsen pro Jahr zu zahlen. Physisches Gold besaβ sie dabei lediglich im Wert von knapp 10 Mio. Zloty (ca. 2,5 Mio. Euro). Die Schattenbank meldete am 13. August 2012 Konkurs an.

Zur Amber Gold Affäre empfehlen wir Ihnen die folgende Sendung.

Inzwischen wurden 19 Tausend Zeugen, dabei handelt es sich zum größten Teil um Geschädigte, verhört. Die schriftlichen Unterlagen umfassen 51 Tausend Blatt. 28 Fachleute aus dem Beratungsunternehmen Ernst &Young erstellten im Auftrag der Staatsanwaltschaft ein 230 Seiten starkes Gutachten. Demnach wurde Amber Gold nicht von auβen finanziert, bekam keine Zuschüsse, Subventionen oder Kredite und betrieb keine Geldwäsche.

Amber Gold betrieb 60 Filialen im ganzen Land, beschäftigte rund 400 Mitarbeiter und war Hauptgesellschafter, und somit wichtigster Investor, der Fluglinien OLT Express Germany, OLT Express Poland sowie OLT Express Regional, die 2011 im groβen Stil ins Fluggeschäft in Polen eingestiegen sind. Obschon nur einige Monate am Markt, waren diese Billigfluglinien zu einem ernsten Konkurrenten der größten polnischen Fluggesellschaft LOT geworden, und hatten sie zu deutlichen Preissenkungen auf parallel betriebenen Strecken gezwungen.

Regisseur Wajda, Oberbürgermeister Adamowicz, Tusk-Junior

Amber Gold und seine Fluglinien machten durch eine auffällige Werbekampagne, sowie das Sponsern des von Andrzej Wajda gedrehten Spielfilms über Lech Wałęsa und des Zoos von Gdańsk, von sich reden. Nach dem Konkurs von Amber Gold gab Wajda das erhaltene Geld zurück.

Bis heute bleibt die Frage offen, wieso man diese Schattenbank so lange gewähren lieβ. Die Firma betrieb Bankgeschäfte ohne eine Banklizenz zu besitzen. Die von ihr versprochenen Riesengewinne legten einen Betrug nahe. Obwohl schon im Jahr 2010 die polnische Finanzmarktaufsicht KNF (Komisja Nadzoru Finansowego) auf ihrer Webseite vor Amber Gold warnte, genoss das Unternehmen die oft zur Schau getragene Gunst, vor allem, der Danziger Regionalpolitiker der regierenden Bürgerplattform (PO) mit Oberbürgermeister Paweł Adamowicz an der Spitze.

Der Sohn von Ministerpräsident Donald Tusk, Michał (Jahrgang 1982), war PR-Berater der Fluggesellschaft OLT Express. Diese Tätigkeit wurde als möglicher Interessenskonflikt in Bezug auf seine Beschäftigung beim Flughafen Gdańsk ausgelegt, mit dem OLT die Landegebühren aushandelte. Hat Tusk Junior die als streng gehütetes Handelsgeheimnis geltende Höhe der Landegebühren anderer Fluggesellschaften auf dem Flughafen Gdańsk an OLT weitergegeben? Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen ihn vor einem Jahr ein.

Kriminelle Vergangenheit? Macht nichts

Auch Hinweise auf die zwielichtige Vergangenheit des Amber Gold Gründers und Geschäftsführers Marcin P. (Jahrgang 1984) blieben knapp vier Jahre lang unbeachtet. Bereits im Jahr 2008 war er (unter dem Namen Marcin Stefanski) wegen Veruntreuung mit seinem damaligen Finanzdienstleistungsunternehmen Multikasa zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Daraufhin nahm er den Namen seiner Frau an. Im Juni 2010 wurde P.  dann wegen Krediterschleichung bei der GE Bank in 57 Fällen verurteilt, die Strafe wurde wiederum zur Bewährung ausgesetzt.

Trotz aller Indizien und Hinweise blieben die Finanzmarktaufsicht, die Polizei, die Staatsanwaltschaft und alle anderen Behörden zwischen 2009 und 2012 untätig, lieβen Anleger in die Falle laufen.

Wie man heute weiβ, haben Marcin P. und seine Frau Katarzyna, die sich ebenfalls seit August 2012 in Untersuchungshaft befindet, etwa 300 Mio. Zloty (gut 75 Mio. Euro) der Anlagegelder für die Finanzierung der Fluglinien verbraucht. Etwa 214 Mio. (gut 53 Mio. Euro) verschlang die Firma (Gehälter, Werbung, Kauf von Liegenschaften). Das Ehepaar zahlte sich selbst Gehälter in Höhe von knapp 19 Mio. Zloty (nicht ganz 5 Mio. Euro) aus.

Ende März 2015 wurde gemeldet, dass Katarzyna P., die sich im Frauen-Untersuchungsgefängnis in Łódź befindet, eine Liaison mit einem der Gefängniswärter eingegangen ist und von ihm geschwängert wurde. Dennoch will die Staatsanwaltschaft beim bevorstehenden Haftprüfungstermin für sie, wie für ihren Mann, um die Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere drei Monate nachsuchen.

Da es sich bei Amber Gold um keine Bank handelte, unterlagen die Einlagen somit auch keinen staatlichen Sicherheitsgarantien. Die Veräuβerung der durch den Konkursverwalter sichergestellten Werte (eine umfangreiche Autoflotte, Edelmetalle im Wert von knapp 5 Mio. Euro, zwei Liegenschaften des Ehepaares P.) werden den Anlegern die entstandenen Verluste lediglich zu einem kleinen Bruchteil ersetzen können.

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Der Leichtsinn der Opfer

Schattenbanken und Finanzpyramiden.

Die Vermutung, die Amber-Gold-Affäre, die das Land im Sommer 2012 erschütterte, würde die Polen von riskanten Geldanlagen bei Schattenbanken und in Finanzpyramiden abhalten, hat sich als falsch erwiesen.

Zur Amber-Gold-Affäre empfehlen wir Ihnen die folgende Sendung

Die Staatsanwaltschaft wird mit Strafanzeigen gegen solche Firmen geradezu überhäuft. 2013 wurden 92 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bis Mitte 2014 sind weitere 20 hinzugekommen.

Sławomir W. von der Orcan Software Investment AG in Gdańsk versprach seinen Kunden eine monatliche Verzinsung von 1,5 bis 2,5%. Bei einer Inflationsrate, die sich in Polen zu jener Zeit auf dem Niveau von 0,3 bis 0,2% eingependelt hat, ein verlockendes Angebot. Und Willige gab es genug. Sie zahlten ein, W. wollte das Geld auf dem Devisenmarkt vermehren. Doch anstatt satte Gewinne einzustreichen, verloren 47 Personen insgesamt 7,7 Mio. Zloty (ca. 1,9 Mio. Euro). Mitte 2014 wurde gegen W. Anklage wegen schweren Betruges erhoben.

Firmen, wie Orcan gibt es Hunderte. Zehntausende von Menschen sind ihre Kunden. Genaue Zahlen kennt niemand. – Die Anreize sind immer noch dieselben. Vor allem lockt das Versprechen, garantiert und regelmäβig hohe Gewinne ausgeschüttet zu bekommen – erläutert Maciej Krzysztoszek von der Finanzaufsichtskommission (KNF), der obersten polnischen Finanzaufsichtsbehörde und somit die polnische Entsprechung der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Die KNF hat im Augenblick 56 Firmen auf ihrer schwarzen Liste, die Bankdienstleistungen ohne entsprechende Genehmigung anbieten. Die Kunden wurden um beachtliche Summen geprellt. In den 32 Fällen, in denen 2013 Anklage erhoben wurde, haben, nach amtlichen Berechnungen, 1.400 Personen, 21 Mio. Zloty (ca. 5,2 Mio. Euro) verloren. Jeder dieser Pechvögel musste im Durchschnitt den Verlust von umgerechnet knapp 4.000 Euro verschmerzen. Die Betroffenen selbst geben in ihren Anzeigen wesentlich höhere Verluste an. Während 2007 noch Verluste in Höhe von 168 Mio. Zloty (etwa 41 Mio. Euro) angezeigt wurden, waren es 2012 bereits 2,1 Mrd. Zloty, also gut 500 Mio. Euro.

Einziger Trost: immer öfter landen die Betrüger vor Gericht. Gut dreiviertel der Anzeigen führen zu einer Anklage, noch vor drei Jahren waren es nur ein Drittel der Anzeigen. Die Untersuchungsverfahren verlaufen effizienter, vor allem, weil sie inzwischen durchweg bei den Bezirksstaatsanwaltschaften (zweite Stufe der dreistufigen polnischen staatsanwaltschaftlichen Hierarchie) angesiedelt sind, und weil Verfahren, die sich mit Vergehen einer Firma an mehreren Orten landesweit befassen, inzwischen bei einer Bezirksstaatsanwaltschaft zusammengefasst werden. Immer seltener werden Verfahren eingestellt. 2013 waren es nur 11, während es 2011 immerhin noch 30 Verfahren waren. – Jetzt handelt es sich durchweg um Anklagen wegen Betrugs, früher hingegen überwogen viel mildere Anklagen, wie z.B. wegen berufsmäβiger Finanztätigkeit ohne Lizenz – so Staatsanwalt Zdzisłąw Brodzisz von der Generalstaatsanwaltschaft in Warschau, der die neuesten Angaben in Sachen betrügerische Finanztätigkeit in Polen zu einem amtlichen Bericht zusammengefasst hat.

Auch die KNF deckt viel zielstrebiger die betrügerischen Unternehmen auf. Jede vierte Anzeige kommt inzwischen von der Behörde.

Von den 92 im Jahre 2013 eingeleiteten Untersuchungsverfahren, betrafen 76 unlautere, bankenähnliche Delikte, und 16 Finanzpyramiden. Die meisten Fälle haben die Staatsanwaltschaften in Warschau, Wrocław, Gdańsk und Katowice zu bearbeiten.

Die Betreiber von Finanzpyramiden preisen künftige hohe Gewinne an und treiben so viele Gelder wie möglich ein. Mit den Geldern nachfolgender Anleger kommen sie am Anfang oft ihren Verpflichtungen gegenüber den Einlegern der ersten Stunde nach, um so Glaubwürdigkeit vorzutäuschen, und anschließend irgendwann mit dem Geld zu verschwinden. Schattenbanken hingegen versprechen Kredite, die sie von der Zahlung hoher Abschlussgebühren abhängig machen. Nach deren Zahlung verweigern sie jedoch, unter Berufung auf fadenscheinige Gründe, anschlieβend die Kreditgewährung , die Gebühren behalten sie jedoch ein.

In Poznań stehen neun Mitarbeiter der miteinander verwobenen Firmen „Prominent CF“, „Multikredyt“ und Centrum Finansowe „Progresja“ vor Gericht, die etwa 600 Personen auf diese Art um 1,8 Mio. Zloty (ca. 450.000 Euro) geprellt haben sollen. Das gröβte Verfahren jedoch läuft im Augenblick in Gdańsk gegen die Polska Korporacja Finansowa „Skarbiec“ („Schatzkammer“), die durch Nichtgewährung von Krediten etwa 60 Tausend ihrer Kunden um 150 Mio. Zloty (ca. 37 Mio. Euro) betrogen hat. Um noch erfolgreicher zu agieren, taufte sich die Korporacja gegen Ende ihrer Tätigkeit in „Pomocna pożyczka“ – „Helfendes Darlehen“ um.

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