11.02.2023. Andrzej Poczobut. Weissrussland und die Macht eines ohnmächtigen Polen

Im weißrussischen Grodno wurde dieser Tage der polnische Journalist und weißrussische Staatsbürger Andrzej Poczobut zu acht Jahren verschärfter Lagerhaft verurteilt. Auf Fotos aus dem Gerichtssaal wirkte er gealtert und abgemagert. Immerhin gingen dem Spruch zwei Jahre Untersuchungshaft voraus, in denen Poczobut es ablehnte, sich gegen politische Auflagen und ein Schuldeingeständnis freizukaufen.

Allen war klar, dass das Urteil von Alexander Lukaschenkos Schreibtisch aus diktiert worden war und dass es, dank Richter Dimitrij Bubentschik, der bereits in vielen Prozessen gegen Oppositionelle den Vorsitz führte, garantiert dem Willen des Diktators entsprach. Im Gerichtssaal waren Poczobuts Ehefrau, seine Tochter und seine Eltern anwesend. Wie sein Vater Stanisław berichtete, durfte die Familie nicht mit dem Häftling sprechen. „Ich bin 80, meine Frau ist 79. Wir werden unseren Sohn wahrscheinlich nie wiedersehen.“

Seit den letzten, offensichtlich gefälschten Präsidentschaftswahlen vom August 2020 sitzen in weißrussischen Gefängnissen etwa 1.300 verurteilte politische Häftlinge ein. Einige Hundert weitere warten auf ihren Prozess. Zu beiden Gruppen gehören gut einhundert weißrussische Polen.

Die polnische Minderheit, etwa 5 Prozent der knapp 10 Millionen zählenden Bevölkerung Weißrusslands, ist schon seit Jahren Gegenstand einer entfesselten Willkür und brachialer Repressalien des Regimes. Sie steht unter dem Generalverdacht des „Landesverrats“.

Dabei gesellt sich seit einigen Monaten zur Delegalisierung des Verbandes der Polen, zu Schließungen von polnischen Schulen und der Beschlagnahmung von Kultureinrichtungen, zu Verhaftungen und massiven polizeilichen Einschüchterungen in Form von Hausdurchsuchungen, ständiger Polizeibeobachtung, Vorladungen zu Verhören, kurzfristigen Festnahmen, eine neue barbarische Maßnahme. Es ist die Zerstörung von Gräbern und Friedhofsdenkmälern polnischer Soldaten aus dem Jahr 1939, die diese damals polnischen Gebiete gegen den Einmarsch der Sowjets verteidigt haben. Dasselbe gewaltsame Vorgehen richtet sich gegen Gräber von Soldaten der Partisaneneinheiten der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa). Vierzehn solcher Orte wurden bisher, zumeist bei Nacht, mit Bulldozern plattgewalzt.

Der heute 49-jährige Poczobut erlebte seit 2011 drei Verhaftungen, einmal wurde er zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Stets wurde ihm zum Vorwurf gemacht, er unterziehe, auf weißrussischen Internetseiten und in seiner Berichterstattung für polnische Medien, das Funktionieren des weißrussischen Systems gut belegten, wohldurchdachten und zugleich schonungslosen Analysen. Seine vielgelesenen und vielzitierten Betrachtungen trafen das Regime ins Mark.

Poczobuts Haltung ruft Bewunderung und großen Respekt hervor. Die verschärften Haftbedingungen werden seinen Willen nicht brechen, aber sie können ihn, und darauf zielen sie letztendlich ab, in einen Krüppel verwandeln. Der Kampf um Poczobuts Freiheit ist vor allem ein Kampf um sein Leben.

Trotz aller Kritik und aller Proteste scheint das weißrussische Regime seit mittlerweile knapp dreißig Jahren, seit dem Amtsantritt Lukaschenkos im Juli 1994, unbezwingbar zu sein. Sein schamloses Fortbestehen und dreistes Agieren verschlagen den Menschen in Weißrussland die Sprache und rauben ihnen oft jede Hoffnung.

Auch ihnen ist Václav Havels berühmtes Essay „Die Macht der Ohnmächtigen“ gewidmet, geschrieben 1978 in der Finsternis der kommunistischen Nacht. Der spätere tschechische Staatspräsident, der damals, wie Andrzej Poczobut heute, aus der Gesellschaft ausgeschlossen war und sein Leben als Heizer fristete, vertrat die Ansicht, dass das totalitäre Regime nicht durch Gewalt, sondern durch das Gewicht der Wahrheit und der Meinungsfreiheit zu Fall kommen würde.

Fünfundvierzig Jahre später können wir sagen: Poczobut ist einer, der in dieser Hinsicht sehr viel unternommen hat und einen hohen Preis dafür zahlt. Nichts ist ewig. Regime, wie das von Lukaschenko, brechen manchmal über Nacht zusammen. Erinnern wir uns nur an Ceaușescus Rumänien. Es muss alles dafür getan werden, dass in dem Wettlauf, wer früher das Zeitliche segnet, Andrzej Poczobut nicht unterliegt.

RdP