19.11.2022. KoKoPol. Die Vernunft bezwingt Deutschland

Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Dennoch sollte man einen Lichtblick in dem seit einigen Jahren ansonsten ausgesprochen getrübten deutsch-polnischen Verhältnis nicht unerwähnt erlöschen lassen. Wie aus Berlin zu erfahren ist, soll es zum ersten Mal staatliches Geld für die Errichtung und den Betrieb eines Kompetenz- und Koordinierungszentrums für die Polnische Sprache (KoKoPol) auf Bundesebene in Deutschland geben. Das jedenfalls sieht der Entwurf des Bundeshaushalts vor, über den der Bundestag Ende November 2022 abstimmen soll.

Damit dürfte ein Konflikt beigelegt werden, der über dreißig Jahre hinweg anschwoll und sich vor knapp einem Jahr deutlich verschärfte. Damals hat die nationalkonservative Regierungsmehrheit die jährliche staatliche Subvention für den muttersprachlichen Unterricht an den Schulen der deutschen Minderheit in Polen, in den Woiwodschaften Opole/Oppeln und Śląsk/(Ober)Schlesien, um umgerechnet knapp 9 Millionen Euro gekürzt. Die Summe verringerte sich dementsprechend auf umgerechnet ca. 42,5 Millionen Euro und die etwa 50.000 Schüler erhalten nun, statt bisher drei, nur noch eine Stunde Deutschunterricht pro Woche.

Die erste Reaktion Berlins war helle Empörung. Der Bund der Vertriebenen protestierte, einige deutsche Politiker meldeten sich in dramatischem Ton zu Wort und schließlich verurteilte sogar der Europarat die Entscheidung der polnischen Behörden. Doch nach einiger Zeit hat diese Entscheidung endlich den von Polen erhofften Wandel in der Berliner Politik ausgelöst.

In dem 1991 unterzeichneten polnisch-deutschen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit verpflichteten sich beide Staaten u. a. dazu, „sich zu bemühen, die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität der Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen (…) und der Personen in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind (…), auf ihrem Hoheitsgebiet zu schützen und (…) entsprechende Möglichkeiten für den Unterricht ihrer Muttersprache oder in ihrer Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen (…) zu gewährleisten.“

Seither wurden in Warschau Jahr für Jahr wachsende Summen für den muttersprachlichen Deutschunterricht in den Minderheitenschulen automatisch im Staatshaushalt bewilligt. Auf der deutschen Seite gab es jedoch von Anfang an Probleme.

Zwar unterzeichnete Polen den Vertrag von 1991 gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung, die aber erklärte sich jahrzehntelang für nicht zuständig und verwies auf die Bildungshoheit der Bundesländer.

Bildlich gesprochen wäre es Berlin am liebsten gewesen, wenn der polnische Botschafter die sechzehn Bundesländer abgeklappert hätte, um dort immer wieder von Neuem wegen einer Verpflichtung, die die deutsche Zentralregierung eingegangen ist, zu   antichambrieren. In jedem Bundesland sollten zudem die dort lebenden Polen zusehen, wie sie die Behörden dazu bringen können, Polnisch als Muttersprache unterrichten zu lassen. Überall wurde natürlich Wohlwollen bekundet, doch bekanntlich gilt: „Herrengunst und Lerchensang klinget wohl und währt nicht lang“.

In manchen Bundesländern, wie in Brandenburg, war die „Herrengunst“ von Dauer und der Polnischunterricht an den dortigen Schulen kann sich sehen lassen. In vielen anderen nicht. Vor Ort wurde blockiert und wer in Berlin intervenierte, wurde wegen „Nichtzuständigkeit“ abgewiesen. Die deutschen Behörden haben dieses Katz-und-Maus-Spiel perfekt einstudiert und es funktionierte auch jahrzehntelang bestens. Deutschlandhörige Regierungen in Warschau, wie die des Postkommunisten Leszek Miller oder des Angela-Merkel-Zöglings Donald Tusk, und die von ihnen nach Berlin entsandten Botschafter haben das brav hingenommen. Auch die Nationalkonservativen warteten sechs Jahre lang, bis, wie man in Polen sagt, „die Sense den Stein traf“ und Warschau endlich die Reißleine zog.

Druck, wie man sieht, macht Sinn. Nicht polnische Minister und Botschafter, sondern der Bund soll die von ihm im Namen Deutschlands eingegangenen Verpflichtungen im eigenen Land durchsetzen, und der Vertragspartner Polen soll eine zentrale Kontaktbehörde bekommen, bei der er vorsprechen kann. Die gestrichenen neun Millionen Euro werden in diesem Fall, so das Versprechen Warschaus, wieder bewilligt.

Eine solche Entwicklung bahnt sich an und es ist zu hoffen, dass sie so umgesetzt wird. Wenn ja, dann hat nicht Polen, sondern die Vernunft den Sieg davongetragen.

RdP