Das Wichtigste aus Polen 13. März bis 16. April 2022

Aleksandra Rybińska und Janusz Tycner diskutieren die wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in Polen ♦ Polens politische Aktivitäten im Ukrainekrieg. Vorläufige Bilanz ♦ Ukrainische Flüchtlinge. Aufnahme konfliktlos aber nicht problemlos ♦ Viktor Orbans Haltung zum Ukrainekrieg beschädigt die polnisch-ungarischen Beziehungen ♦ Deutsche Zeitenwende aus polnischer Perspektive ♦ Angela Merkel. Ein Denkmal bröckelt.




29.03.2022. Putins Krieg und die Schuld der Russen

Wer eigentlich führt den Krieg gegen die Ukraine? Die Russen oder nur Wladimir Putin?

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wird nicht müde zu betonen, dass nicht das Volk, sondern den Präsidenten die Schuld trifft. „Dieser Krieg ist Putins Krieg“ legte sich Scholz bereits in seiner TV-Ansprache am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Einmarsches fest, und bleibt seither dabei. Er ist nicht der Einzige.

Frage an den Bundeskanzler: Wurde Polen 1939 von Deutschland und den Deutschen oder von Hitler überfallen? Natürlich gab der „Führer“ den Befehl dazu. Es gibt jedoch Menschen, die darauf hinweisen, dass Hitler dreimal hintereinander (Juli und November 1932, März 1933) Wahlen gewann, und legal an die Macht kam. Erst danach konnte er, das schon Anfang 1933 begonnene Werk der „Gleichschaltung“ Deutschlands in seiner Gänze anpacken und vollenden.

Die allermeisten Deutschen bejubelten ihn und folgten ihm auf seinen Eroberungszügen bis zum Nordkap, nach Nordafrika, bis vor die Tore Moskaus, hissten die Hakenkreuzfahne auf dem Elbrus, billigten oder nahmen seine verbrecherische Besatzungspolitik hin. Also sagen wir, dass es die Deutschen waren, die Polen überfallen haben, obwohl sich niemand empört, wenn gesagt wird, dass es Hitler war. Wer jedoch behauptet, es war nur Hitlers Krieg, dem wird heute heftig widersprochen.

Ist das bei Putin anders? Im Jahr 2004 erhielt er 53 Prozent der Stimmen (die Wahlergebnisse wurden im Allgemeinen nicht in Frage gestellt). Danach schaffte er schrittweise demokratische Strukturen und Verfahren ab, zerstörte die Opposition, befriedete auf bestialische Weise Tschetschenien, nahm sich Teile von Georgien, die Krim, den Donbass, bombte Syrien fast in die Steinzeit zurück. Und die meisten Russen? Sie bejubelten ihn. Bis zu 80 Prozent von ihnen unterstützen heute Putins Ukraine-Krieg beziehungsweise nehmen ihn billigend oder resignierend in Kauf.

So gesehen sind Sanktionen, die in erster Linie die Gesellschaft treffen, gerechtfertigt. Auch die Auflösung von Verträgen mit putinfreundlichen russischen Künstlern, die Verbannung des russischen Sports, einer der tragenden Säulen in Putins Propaganda, von internationalen Wettkämpfen, und die Weigerung westlicher Verleiher ihre Filme in russischen Kinos zeigen zu lassen. Millionen russischer Befürworter des Krieges bekommen all das schmerzhaft zu spüren.

Das Ziel ist, das russische Volk gegen den Krieg aufzubringen. Den Menschen das Leben dermaßen schwer zu machen, sie so tief zu frustrieren und zu ermüden, bis es sich für ihren Präsidenten nicht mehr lohnt, die Ukraine zu vernichten.

Um die Deutschen gegen Hitler aufzubringen, legten die Alliierten mit ihren Flächenbombardements eine deutsche Stadt nach der anderen in Schutt und Asche. Da kommt das russische Volk dieses Mal eher glimpflich davon.

RdP




Mit Putin telefonieren

Machen wir uns keine Illusionen: Viele in Europa wären über eine rasche Niederlage der Ukraine erleichtert. Anstatt zu helfen, telefonieren sie mit dem Aggressor

Der Elysée-Palast teilte am Samstag, dem 12. März mit, dass der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz erneut mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sachen Krieg in der Ukraine telefoniert haben. „Die drei Staatschefs haben ein Telefongespräch geführt, in dem Frankreich und Deutschland von Russland die sofortige Einstellung des Krieges forderten“, so das Kommuniqué.

Nach Angaben des Elysée-Palastes hat Macron seit seinem letzten Treffen im Kreml am 7. Februar 2022 bereits neun Telefongespräche mit Putin geführt, darunter am Donnerstag, dem 3. März. Damals hieß es, dass „Macron und Scholz darauf bestanden, dass jede Lösung der Krise durch Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland erfolgen solle“. Macron, Scholz und Putin vereinbarten auch, in den kommenden Tagen weiterhin engen Kontakt zu halten.

Auf der einen Seite haben wir das Ausbremsen wirklich harter Sanktionen (Energieträgerembargo), die Russland in kürzester Zeit in die Knie zwingen könnten (auch wenn sie mit wirtschaftlichen Kosten für Europa verbunden sind), auf der anderen Seite den zwanghaften Hang zum Telefonieren mit dem Aggressor. Alle zwei oder drei Tage ein Anruf – immer mit dem gleichen Ergebnis. Der Nutzen dieser Telefonate für das Opfer, die Ukraine ist gleich Null, während gleichzeitig der Eindruck entsteht, dass Berlin und Paris psychologisch gar nicht in der Lage sind, einen harten, lang anhaltenden Konflikt mit Russland zu ertragen.

Man fragt sich wo wäre Polen, wenn es die Vereinigten Staaten nicht gäbe? Inwieweit könnte die Europäische Union, die ja von den beiden Telefon-Gesprächspartnern Putins dominiert wird, den Staaten im Osten, einschließlich Polen, eine robuste Sicherheit garantieren? Man wird den Eindruck nicht los, dass sehr viele in Westeuropa nach einer raschen Niederlage der Ukraine und dem Triumph Moskaus erleichtert aufatmen würden. Liebend gern würden sie danach erneut so etwas wie die Minsker Gespräche organisieren, bei denen die russischen Eroberungen besiegelt und die Ukraine politisch und militärisch mundtot gemacht würde, um sich reinen Gewissens wieder auf Putin einzulassen.

Aber man muss sich auch fragen: Wo stünden wir, wenn Macron und Scholz zumindest einen Teil der Energie, die sie für das antichambrieren im Kreml aufwenden, darauf verwendet hätten, wirksame Wege zur Bestrafung Russlands zu finden? Oder die Ukraine mit der den Waffen zu versorgen, die es ihr ermöglichen würden, der russischen Armee noch größere Verluste zuzufügen?

Sanktionen, Waffen, Hilfe für Flüchtlinge, Unterstützung für Staaten, die Ukrainer aufnehmen. So sollte die solidarische Antwort der freien Welt auf die russische Aggression aussehen. Alles andere ist in diesem Stadium des Krieges ein beschämendes Ausweichen.

RdP