Wieviel Steuern zahlt die Kirche in Polen?
Mehr als viele denken.
Gläubige spenden für ihr Seelenheil und ihre Religionsgemeinschaften, und der Staat hält dabei die Hand auf. Polen ist das einzige Land in Europa, in dem die Kollekte besteuert wird.
Die Bestimmungen des Steuerrechts sind für alle registrierten Religionsgemeinschaften gleich, aber sie betreffen natürlich vor allem die katholische Kirche, zu der sich mit Abstand die meisten Polen (knapp 90 Prozent) mehr oder weniger bekennen.
Zusammen mit Hebammen, Übersetzern und Ostseefischern
Wie und wieviel Steuern Geistliche zu zahlen haben, das wurde 1998 zum letzten Mal im Gesetz „Über die pauschale Besteuerung von einigen Einkommen physischer Personen“ festgelegt. Darin geht es um Gewerbetreibende, die keine Arbeiter oder Angestellten beschäftigen und deren gesamtes Jahreseinkommen umgerechnet 250.000 Euro nicht übersteigt. Sie können ihr Einkommen, der Einfachheit halber, pauschal besteuern lassen. In diesem vereinfachten Verfahren besteht allerdings keine Möglichkeit irgendwelche Kosten von der Steuer abzusetzen.
Anders als sonst bei Gewerbetreibenden üblich, führen die „Pauschalisten“ kein „Einnahmen-Ausgaben-Journal für steuerliche Zwecke“, sondern lediglich ein Einnahmenbuch.
Die pauschalen Steuersätze betragen, je nach ausgeübter Tätigkeit, 20%, 17%, 10%, 8,5%, 5,5% und 3%. Den höchsten Satz von 20 Prozent zahlen u. a. Ärzte, Zahnärzte, Hebammen und Übersetzer. 3 Prozent u. a. Ostsee- und Binnengewässerfischer, auch Imbissbuden-Betreiber.
Zu diesen Berufsgruppen gesellen sich ebenfalls die Geistlichen. Deren Besteuerung wird in einem separaten Unterkapitel (Art. 42 bis 51) geregelt. Sie zahlen jedoch keine Prozentanteile, sondern feste Beträge ohne direkten Bezug zur Höhe ihrer Einnahmen. Im Unterschied zu den im selben Gesetz erfassten weltlichen Berufsgruppen können Geistliche keine andere Art der Besteuerung wählen.
Sechzehn Pauschalstufen
Für Geistliche gibt es sechzehn verschiedene Steuerpauschalen, abhängig von der Einwohnerzahl in der jeweiligen Pfarrgemeinde. Die Beträge pro Stufe werden jedes Jahr nach einem besonderen Modus geringfügig angehoben.
Am Jahresanfang fragt das Finanzamt die Einwohnerzahl in der Pfarrgemeinde per 31. Dezember des Vorjahres beim Einwohnermeldeamt ab. Ob die Einwohner Kirchgänger sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
(Den nachfolgenden Angaben in Euro wurde ein Wechselkurs von 1 Euro = 4,25 Zloty zugrunde gelegt)
Die Pauschalsteuer in den kleinsten Pfarreien, mit weniger als eintausend Einwohnern, betrug 2019 für den Gemeindepfarrer 434 Zloty (ca. 102 Euro) pro Quartal. 2018 waren es 427 Zloty, 2017 – 420 Zloty, 2007 – 341 Zloty.
Sein Stellvertreter, der Vikar und alle anderen Gemeindepriester zahlten alle drei Monate 2019 einen Beitrag von 131 Zloty (ca. 31 Euro), 2018 – 129 Zloty, 2017 – 127 Zloty und 2007 – 107 Zloty. Zumeist jedoch, gibt es in den kleinen Pfarreien keine Vikare.
In Pfarrgemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern (das entspricht der höchsten, sechzehnten Pauschalstufe) zahlte 2019 der Gemeindepfarrer pro Quartal 1.559 Zloty (knapp 370 Euro). In den Jahren 2018, 2017 und 2007 waren es entsprechend 1.533 Zloty, 1.505 Zloty, bzw. 1.217 Zloty.
Vikare und andere Gemeindepriester in den gröβten Pfarreien zahlten 2019 alle drei Monate – 475 Zloty (ca. 112 Euro), 2018 – 448 Zloty, 2017 – 440 Zloty und 2007 – 359 Zloty.
Geerbt aus der kommunistischen Zeit
Vor dem Zweiten Weltkrieg waren in Polen Kollekten und Sammlungen, wenn sie religiösen Zwecken dienten und innerhalb der Gotteshäuser stattfanden, von jeglicher staatlicher Kontrolle ausgeschlossen. Das war ein wesentlicher Bestandteil der Autonomie der Kirche und der einvernehmlichen Trennung von Kirche und Staat.
Nach dem Zweiten Weltkrieg legten die Kommunisten diese Trennung anders aus. Sie verbannten die Kirche aus dem öffentlichen Raum. Die Caritas wurde verstaatlicht, der Religionsunterricht in den Schulen untersagt, die katholische Presse zumeist verboten, die wenigen übriggebliebenen Blätter einer strengen Zensur unterworfen, ihre Auflagen durch gedrosselte Papierzuteilungen auf ein Minimum beschränkt. Viele religiöse Feiertage verschwanden, die meisten Prozessionen wurden untersagt, karitative Einrichtungen wie Altersheime und Krankenhäuser, aber auch alle katholischen Schulen und Kindergärten wurden der Kirche weggenommen und gingen in Staatsbesitz über.
Die Trennung erfolgte jedoch nur einseitig, denn gleichzeitig wollte sich der kommunistische Staat auf keinen Fall von der Kirche lösen. Seine Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten durch Bespitzelung, Repressalien und Gängelungen wurde immer gröβer.
Dazu gehörte die Einführung der Besteuerung. Ab 1949 mussten alle Pfarreien das für sie eigens ausgedachte Muster Nr. 11 des allgemeinen „Einnahmen-Ausgaben-Journals für steuerliche Zwecke“ führen. Alle Kollekten und Sammlungen wurden dort aufgeführt. Jede noch so kleine Schenkung musste samt Spendernamen eingetragen werden. Nach den Sonntagsmessen stürmten immer wieder Kontrolleure die Sakristeien, um nachzuprüfen, ob der Inhalt des Klingelbeutels umgehend nachgezählt und registriert wurde.
Nach dem Ende des Stalinismus 1956 lieβ der brutale Druck auf die Kirche ein wenig nach, die meisten Verbote und Gängelungen jedoch blieben. Eine Erleichterung war damals der Übergang zur pauschalen Besteuerung der Pfarrer, auch wenn die Pauschalen ziemlich hoch angesetzt waren. Nach dem Ende des Kommunismus 1989 blieb dieses Besteuerungssystem bestehen, wurde jedoch abgemildert.
Trotzdem lieferte 2019 der Pfarrer einer Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern, von denen bei weitem nicht alle am Sonntag in der Kirche erschienen, insgesamt immerhin umgerechnet knapp 1.500 Euro beim Finanzamt ab. Sein Amtsbruder von der Kleinstgemeinde mit weniger als eintausend Einwohnern zahlte 2019 insgesamt etwa 410 Euro ein.
2018 beliefen sich die Staatseinnahmen aus der Besteuerung der Pfarrer aller Glaubensgemeinschaften alles in allem auf 14,3 Millionen Zloty (ca. 3,4 Mio. Euro).
Keine Kirchensteuer, nur die Kollekte
In Polen gibt es keine Kirchensteuer, wie man sie aus Deutschland kennt. Polnische Gemeinden aller Glaubensgemeinschaften finanzieren sich fast ausschlieβlich durch die Kollekte. In Deutschland oder Österreich wird, anders als in Polen, die Kollekte nicht besteuert und stopft die Finanzlöcher vor Ort, die von der Kirchensteuer nicht abgedeckt werden.
Die Einkommenssituation der polnischen Pfarrgemeinden und ihrer Priester ist sehr unterschiedlich. Generell kann man sagen, dass nur wenige Gemeindepfarrer ein gutes Auskommen haben. Die meisten leben bescheiden. Die Pfarrer in den kleinen Gemeinden haben nicht selten Mühe, über die Runden zu kommen.
Im Jahr 2012 veröffentlichte die polnische Katholische Nachrichtenagentur (KAI) einen ersten ausführlichen Bericht zur finanziellen Lage der katholischen Kirche in Polen. Obwohl sich seit damals die aufgeführten Einnahmen um schätzungsweise 10 bis 15 Prozent erhöht haben, ebenso wie die Ausgaben, so gelten die zu jener Zeit in dem Bericht aufgezeigten Gesetzmäβigkeiten und Tendenzen auch acht Jahre später weiterhin uneingeschränkt.
Zu den Einnahmen einer Pfarrgemeinde gehören: die Kollekte während der Sonntagsmessen und der Messen an kirchlichen Feiertagen, wie Weihnachten, Aschermittwoch, Ostern usw., Spenden für bestellte Messen, für Taufen, Trauungen und Beerdigungen, und die Kollekte während der alljährlichen Hausbesuche des Gemeindepfarrers oder des Vikars.
Wenn der Pfarrer nach Hause kommt
Sie werden „kolęda“ (fonetisch kolenda) genannt, sind eine in Polen tief verwurzelte Tradition und finden zwischen Anfang Januar und Mariä Lichtmess am 2. Februar statt. Der Besuch wird ein paar Tage vorher zumeist mit einem Anschlag im Treppenhaus angekündigt. Oft geht dem Pfarrer ein Messdiener voraus und fragt, ob das Kommen erwünscht ist.
Wenn ja, dann stehen schon, auf dem Tisch vorbereitet, ein Kruzifix, zwei Kerzen, ein Gefäβ mit Weihwasser und ein Weihwedel. Zunächst unterhält man sich, bietet dem Pfarrer etwas zu essen und zu trinken an, was der zumeist höflich ablehnt, denn er hat an dem Nachmittag bereits etliche Besuche absolviert und weitere stehen ihm bevor. Gemeinsam wird anschließend ein Gebet gesprochen und der Pfarrer segnet das Haus. Am Ende bekommt er einen Umschlag überreicht. Darin sind meistens zwanzig oder fünfzig, manchmal auch einhundert Zloty, also etwa vier oder zwölf, beziehungsweise knapp fünfundzwanzig Euro.
„Co łaska“ – „Was beliebt“
In einer polnischen Pfarrkanzlei sucht man vergebens nach einer Preisliste. Bestellt jemand, zum Beispiel, eine Messe für das Seelenheil der verstorbenen Mutter und fragt, was es denn kosten solle, bekommt er unweigerlich die Antwort: „Co łaska (fonetisch uaska) – „Was beliebt“. Nichtsdestotrotz haben sich bestimmte Beträge eingebürgert, die sich herumsprechen und die man bei Bedarf im Bekanntenkreis erfragen kann und nicht unterbieten sollte.
So liegt die Spende für eine Messe mit einem Fürbittenwunsch für einen Verstorbenen (Seelenamt, Jahrgedächtnis) oder für ein anderes Anliegen bei 30 bis 100 Zloty. Wobei kein Priester eine Bitte zur Lesung einer Messe ablehnen darf, wenn aus finanziellen Gründen keine Bezahlung erfolgen kann. Trauung: 500 bis 700 Zloty. Beerdigung: 300 bis 600 Zloty. Die Spannweite der Beträge zeigt die Unterschiede zwischen den ärmeren und den vermögenderen Pfarrgemeinden.
Deutlich höher fallen Spenden aus, wenn Firmen ihre neuen Produktionshallen, Büros oder die freiwillige Feuerwehr das neue Spritzenhaus, Vereine ihre Fahnen segnen lassen wollen. Das ist in Polen zwar ein weitverbreiteter Brauch, kommt aber im Gemeindeleben verständlicherweise nicht oft vor, und darf deswegen getrost in der Einnahmenrubrik „besondere Ereignisse“ verbucht werden .
Kirchenkommerz ist steuerpflichtig
Dieses, etwas verwirrende, aber in der polnischen Tradition tief verankerte Kollekten- und Spenden-System vor Augen, versteht man besser, warum der polnische Staat es mit Pauschalbeträgen besteuert und auf eine Buchführung verzichtet.
Davon abgesehen, ist die Seelsorge keine kommerzielle Dienstleistung. Wäre sie das, müsste der Pfarrer für einen Messeobolus von 100 Zloty insgesamt 105 Zloty oder 108 Zloty, beziehungsweise sogar 123 Zloty berechnen. Je nachdem, ob der Gesetzgeber den verminderten (5 beziehungsweise 8 Prozent) oder den regulären (23 Prozent) Mehrwertsteuersatz anwenden würde.
Dies fordert seit geraumer Zeit die polnische Linke. Pfarrer sollen Fiskalkassen führen, Quittungen und Rechnungen ausstellen, und die Pfarreien sollen, den Firmen gleich, auf die Kollekte Steuern zahlen. Es ist eine der wichtigsten Forderungen Robert Biedrońs, des Homosexuellen-Aktivisten und Kandidaten der polnischen Linken bei den Präsidentschaftswahlen am 10. Mai 2020.
In dem linken Block, der ihn aufgestellt hat, spielen die Postkommunisten die wichtigste Rolle. Sie haben Polen seit 1989 insgesamt acht Jahre lang (1993-1997 und 2001-2005) regiert, es aber nicht gewagt, ihre damals schon in den Wahlkämpfen gestellte Forderung nach der Kommerzialisierung der Seelsorge umzusetzen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Pfarrer, die zusätzlich oder hauptamtlich außerhalb der Gemeinde arbeiten, einen Arbeits-, Zeit- oder Werkvertrag haben, werden genauso besteuert wie alle anderen Bürger. Das gilt für Pfarrer, die Religionsunterricht an Schulen geben, für Geistliche als Hochschullehrer, für festangestellte Seelsorger bei Militär, Polizei, Feuerwehr, im Gesundheitswesen usw., für Pfarrer, die in der Kurie (Bischofsamt) angestellt sind und alle anderen. Die Pauschalbesteuerung gilt nur für die Kollekte und die Spenden der Gläubigen.
Auch die Diözesanbischöfe, die in ihren Kurien ein Gehalt bekommen, zahlen die normale Einkommenssteuer. Die Höhe schwankt zwischen vier- und sechstausend Zloty (ca. 950 bis 1.400 Euro), wobei sie kostenfrei wohnen und ihnen ein Dienstwagen zur Verfügung steht.
Zudem unterliegen das Vermögen und die Einkommen kirchlicher juristischer Personen den allgemeinen Steuerbestimmungen. Darunter fallen die Caritas Polska (die mit Abstand größte Wohltätigkeitsorganisation des Landes), die diözesanen Caritasverbände, Priesterseminare, Klöster, Pfarreien, Diözesen usw. Sie alle zahlen Grundsteuer. Das Verpachten von Liegenschaften bzw. Vermieten von Räumlichkeiten, kirchliche Apotheken, Verlage, Kräuter- und Buchhandlungen, Andenken- und Devotionalienläden, Übernachtungshäuser, sie alle sind genauso einkommens- und gewerbesteuerpflichtig wie die weltliche Konkurrenz.
Dafür sind Schenkungen und Erbschaften, die der Kirche zugutekommen, soweit sie nicht kommerziellen Zwecken dienen, steuerfrei.
Die Gemeinde, die Pfarrer und ihre Finanzen
Hat der Pfarrer die Pauschalsteuer an das Finanzamt entrichtet, muss er zusehen, dass er seinen innerkirchlichen finanziellen Verpflichtungen gerecht wird. So gilt es den Beitrag zur Finanzierung der bischöflichen Diözesanverwaltung zu zahlen. Überwiesen werden muss zudem das Geld in die Diözesanfonds zugunsten pensionierter und arbeitsunfähiger Amtsbrüder, des diözesanen Priesterseminars, der Diözesanpriester auf Mission in der Dritten Welt, der Klausurklöster u. e. m.
Für den innerkirchlichen Gebrauch ist der Pfarrer verpflichtet ein Einnahmen-Ausgaben-Journal zu führen. Nach Jahresende schickt er es an die Diözesankurie.
Dann sind die Rücklagen für die regelmäßig anfallenden Kosten zu berücksichtigen. Die Bezahlung des Organisten, der Putzfrau, Versicherungsbeiträge, das teure Beheizen der Kirche, laufende Reparaturen, die Kosten für verschiedene niedrigschwellige soziale Angebote, die praktisch jede polnische Pfarrei betreibt. Das kann ein Nachmittagshort mit Hausaufgabenhilfe für besonders förderbedürftige Kinder sein. Oder eine Beratungsstelle für Frauen in schweren Notlagen. Oder eine Essensausgabe für Arme. Und von irgendetwas müssen die Pfarrer, die ja kein festes Gehalt bekommen, auch leben.
Wieviel eine Pfarrei an Kollekte einnimmt, hängt ab von der Zahl der Kirchgänger, davon wie vermögend und spendenfreudig sie sind, von der Zahl der Messegaben, Taufen, Trauungen, Beerdigungen, der Kommunionkinder und der Firmlinge. Zudem schwanken all diese Faktoren von Jahr zu Jahr. Was bleibt sind grobe Schätzungen.
Erstes Beispiel. Eine mittelgroße Pfarrgemeinde in Łódź mit zehntausend Einwohnern, von denen etwa viertausend regelmäßig eine der fünf Sonntagsmessen besuchen. Im Kollektenkörbchen, mit dem einer der Pfarrer den Kirchenraum durchschreitet, landen meistens Zwei- oder Fünf-Zloty-Münzen, ab und zu ein Zehn-Zloty-Schein. Die Leute in Łódź, der einstigen Textilstadt, haben nicht viel Geld.
Die Sonntagskollekte bringt meistens insgesamt um die fünftausend Zloty ein. Die Kollekten an kirchlichen Feiertagen fallen zumeist etwas üppiger aus. Das ergibt im Jahr in etwa 300.000 Zloty. Hinzu kommen um die vierzig Trauungen je 500 Zloty, das macht zusammen 20.000 Zloty. Etwa einhundert Taufen mal 100 Zloty, sind 10.000 Zloty. Um die einhundertfünfzig Bestattungen, rechnet man im Schnitt mit 400 Zloty, ergeben 60.000 Zloty. Zirka fünfhundert Messegaben mal durchschnittlich 40 Zloty, das macht 20.000 Zloty im Jahr. Von den jährlichen Hausbesuchen (kolęda) bringen die drei Gemeindepfarrer 25.000 Zloty mit ins Pfarrhaus.
Insgesamt kommt man somit auf 435.000 Zloty (ca. 102.000 Euro) im Jahr. Davon wird mindestens die Hälfte an die Diözese weitergeleitet. Bleiben etwa 217.000 Zloty übrig, also um die 18.000 Zloty (ca. 4.200 Euro) pro Monat. Davon sollen alle Kosten vor Ort plus die Lebenshaltung des Gemeindepfarrers, des Vikars und, in Polen in einer Pfarrei dieser Größe durchaus noch üblich, eines weiteren Pfarrers bezahlt werden. Das ist nicht viel.
Zum Glück unterrichten alle drei Religion an umliegenden Schulen. Einer mit einer vollen Stelle (macht ca. 2.900 Zloty netto), die beiden anderen haben halbe Stellen (ca. 1.500 Zloty netto).
Wenn größere Renovierungen anfallen, wie zum Beispiel vor zwei Jahren, als ein Sturm das Dach beschädigte und zwei Mosaikfenster hinter dem Altar eingedrückt wurden, dann wird zu zusätzlichen Spenden aufgerufen und befreundete Firmen reparieren zum Selbstkostenpreis. Nur so geht es.
Zweites Beispiel. Eine kleine Gemeinde mit 1.200 Einwohnern auf dem Lande. Ein Pfarrer. Sonntags- und Feiertagskollekte, um die 2.000 Zloty. Im Jahr: ca. 120.000 Zloty. Fünf Trauungen je 500 Zloty: 2.500 Zloty. Zehn Taufen mal 100 Zloty: 1.000 Zloty. Zehn Bestattungen je 400 Zloty: macht 4.000 Zloty. Einhundert Messegaben je 40 Zloty: 4.000 Zloty. Die Hausbesuche (kolęda): 3.000 Zloty. Insgesamt ergibt das 130.000 Zloty im Jahr (ca. 30.500 Euro). Davon geht die Hälfte für die Diözese. Bleiben rund 65.000 Zloty für die kirchengemeinde. Das ergibt knapp 5.500 Zloty (ca 1.300 Euro) pro Monat.
Zum Glück ist das Kirchengebäude nicht groß und nicht denkmalgeschützt. Der Pfarrer hat zwar keine Nebeneinkünfte, aber die Dorffrauen helfen gerne ehrenamtlich beim Schmücken und Putzen der Kirche. Die Männer gehen bei größeren Arbeiten zur Hand. Essbares gibt es immer wieder mal, auch umsonst, und der zwölf Jahre alte VW schafft noch munter den Weg zu den Hausbesuchen und in die Kreisstadt. Der Pfarrer kommt auf diese Weise ganz gut zurecht.
Sozialversicherungsbeiträge zahlt der Staat
Katholische Pfarrer gehen mit 75 Jahren endgültig in Rente. Ab 65 Jahren können sie das tun, wenn die Gesundheit nicht mitspielt. Dann helfen sie, wenn sie noch können, in den Pfarreien aus, wo sie als sogenannte Residenten leben. Es gibt in Polen auch einige Einrichtungen für schwerkranke oder altersschwache Pfarrer. Generell sind Priester diejenigen, die ihre Renten am kürzesten beziehen.
Geistlichen werden Sozialversicherungsbeiträge nur von ihren Einkommen aus festen Arbeitsverhältnissen (Schule, Universität usw.) einbehalten. Zudem zahlt der Staat für alle Geistlichen achtzig Prozent der niedrigsten, gesetzlich vorgeschriebenen, Renten, – Unfall,- und Gesundheitsbeiträge. Die fehlenden zwanzig Prozent zahlen die Geistlichen selbst oder deren Diözese, beziehungsweise der Orden.
Zu hundert Prozent vom Staat getragen, werden lediglich die Sozialversicherungsbeiträge polnischer Missionare, so lange sie auf Mission im Ausland sind, sowie für Nonnen und Mönche kontemplativer Orden, die in strenger Klausur, ohne Kontakt zur Außenwelt leben.
Das Geld hierfür kommt aus dem sogenannten Staatlichen Kirchenfonds. Gegründet haben ihn 1950 die Kommunisten, nachdem sie der Kirche fast ihr gesamtes Eigentum weggenommen hatten. Der Fonds sollte sich ursprünglich aus den Einkommen, die das verstaatlichte Kircheneigentum erbrachte speisen, und daraus Gesundheitskosten sowie Renten der Geistlichen finanzieren.
Die Kommunisten haben seinerzeit allein von der katholischen Kirche 145.000 Hektar Land und knapp 4.000 Gebäude konfisziert. Es handelte sich dabei meistens um sogenannte „Güter der toten Hand“, also Land, das Gläubige nach ihrem Tod der Kirche über Jahrhunderte vermacht hatten.
Nicht wenige der enteigneten Gebäude beherbergten gut ausgestattete Schulen, Krankenhäuser, Altersheime, Kindergärten. Mit der Caritas Polska zum Beispiel, gingen ein beachtlicher, moderner Lkw-Fuhrpark aus US-amerikanischen Spenden, sowie ebenfalls große Vorräte an Hilfsgütern und etliche Spendenkonten unwiederbringlich verloren.
Der Kirchenfonds jedoch, hat nie so funktioniert wie angedacht. Die Kommunisten haben das gesamte Kircheneigentum mit dem übrigen Staatseigentum vermischt, es nie separat verwaltet. Der Fonds wurde also von vornehein aus dem Staatshaushalt finanziert.
Untersuchungen nach 1990 ergaben, dass nur etwa 40 Prozent der Fonds-Gelder den ursprünglichen Aufgaben zugutekamen. Der Rest wurde für atheitstische Propaganda, antikirchliche Maßnahmen, die Förderung regimehöriger Kirchenleute ausgegeben. Er war ein weiteres, wirksames Werkzeug der Glaubenspolitik eines totalitären Staates.
Bis heute hat die Kirche gut 30 Prozent ihres Eigentums nicht zurückerhalten. Die polnische Linke fordert die Abschaffung des Kirchenfonds. Soll doch der Klerus seine Sozialversicherungsbeiträge alleine zahlen. Hinzu kommen Forderungen nach der Verbannung des Religionsunterrichts aus den staatlichen Schulen, nach der Besteuerung der seelsorgerischen Leistungen, Entfernung von Kruzifixen aus dem öffentlichen Raum, Abschaffung der Gewissensklausel u. v. m. Sie wird damit eher keinen Erfolg haben.
Nichts deutet heute darauf hin, dass sich an der Finanzierung der Kirche in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Die Art, wie die Kirche an ihr Geld kommt, ist ein wichtiger Bestandteil ihrer traditionellen Nähe zur Nation. Die Gläubigen greifen für sie jedes Mal direkt und freiwillig in die Tasche. Das verbindet.
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