Araber für Millionen

Bieten und bewundern. Janów Podlaskis Pferdezauber.

Was für ein Anblick, wenn sie sich in der Arena hoch aufbäumen, erhaben schnauben und dann mit donnernden Hufen dahinpreschen! „Pride of Poland“, der Stolz Polens, nennt sich die Araber-Pferdeschau in Janów Podlaski, im Osten des Landes, nur einen Kilometer von der weiβrussischen Grenze entfernt. Dorthin zieht es jedes Jahr im August Schaulustige aus ganz Polen und  betuchte Pferdezüchter aus aller Welt. Höhepunkt ist stets die Auktion, bei der in diesem Jahr ein neuer Rekord aufgestellt wurde: die 10jährige Schimmelstute „Pepita“ ging für 1,4 Mio. Euro in die Schweiz.

Wie „Pepita“ bei „Pride of Poland“ 2015 versteigert wurde, zeigen diese stimmungsvollen Filmaufnahmen.

Polen, seit jeher ein wichtiges Pferdeland, hat sich in den letzten Jahren endgültig zu einer europäischen Groβmacht auf dem Gebiet der Araberzucht hochgearbeitet. Es kann sich heute, als eine von nur wenigen Nationen, dem Wettbewerb mit den weltbesten Haltern in Nahost auf Augenhöhe stellen.

„In Belgien, Deutschland, Italien, in den skandinavischen Ländern, die einst durchaus führend waren, schwächelt die Araberzucht seit einiger Zeit. Sie ist kurzatmig geworden. Die besten Pferde von dort gelangen umgehend nach Nahost. Zu sehr setzt man auf den schnellen Gewinn, aber die Zucht des reinsten Geblütes, mit den wertvollsten Arabern erfordert viel Zeit, Geduld und Anstrengung“, sagt Leszek Świętochowski, der Chef aller staatlichen Gestüte Polens, und erläutert die Vorgehensweise der staatlichen Züchter so: „Wir setzen auf Beständigkeit und nicht auf das schnelle Geld. Die besten Pferde werden nicht veräuβert. In diesem Jahr haben wir zwar einige Prachtstuten zur Auktion freigegeben, aber erst nachdem sie bei uns eine Reihe an Nachwuchs zurückgelassen haben.“

Janów mapa rys.

Die diesjährige Auktion bestätigte wieder einmal, dass sich Ausdauer auszahlt. Für die zweitteuerste Stute „Pistroria“ zahlte ein Käufer aus den Emiraten 665.000 Euro. Von den 28 Stuten, die angeboten wurden, wurden 22 verkauft. Der Gesamterlös betrug 3,95 Mio. Euro.

Kunstwerke die sich vermehren

Bevor die eigentliche Versteigerung die Emotionen zum Sieden bringt, findet die „Nationale Vorführung der Araberpferde“ statt. Staatliche und private Züchter präsentieren ihre besten Hengste und Stuten. Stand, Schritt, Trab, Freilauf, die Vorführer geben ihr Bestes. Eine dreiköpfige Jury bewertet die Pferde in der Arena, vergibt wie am Flieβband maximal zwanzig Punkte jeweils für Typ, Kopf und Hals, Gebäude (Rumpf), Fundament (Beine) und Bewegung. Die abschließende Bewertung ergibt sich aus der Summe der fünf Teilnoten.

Immer neue Pferde erscheinen auf dem Rasen, für einen Laien, eines so schön wie das andere. In den Logen, die Elite der polnischen Entscheidungsträger, Fachleute, Züchter. Monika Luft ist Herausgeberin des Internet-Fachportals „polskiearaby.com“. Für sie sind Araberpferde Kunstwerke: „Es gibt viele Sammler, die solche lebendigen Kunstwerke in ihren Ställen unbedingt haben wollen. Bilder oder Skulpturen können sich nicht vermehren. Araberpferde dagegen sind Meisterstücke die sich reproduzieren. Auch das ist so faszinierend an ihnen.“

Anna Stojanowska, seit Jahren schon im polnischen Landwirtschaftsministerium zuständig für die Pferdezucht, ist eine der Schlüsselfiguren im polnischen Arabergeschäft. Sie genieβt es sichtlich, die Schauen und die groβe Versteigerung als polnische Co-Ansagerin und Co-Auktionatorin, zusammen mit einem eigens angereisten amerikanischen Profi, zu leiten.

„Das Araberpferd ist ein ausgesprochen schönes Tier. Es hat einen kleinen, formvollendeten Kopf, funkelnde Augen, eine graziöse Art sich zu bewegen, typisch ist auch die hohe Schweifhaltung. Die einen suchen Zuchtaraber, die ihnen den besten Nachwuchs garantieren, andere wiederum wollen mit ihnen vor allem bei Schauen reüssieren. Wieder andere wünschen sich in erster Linie ein schönes Reitpferd, und es gibt auch diejenigen, die das alles in einem Pferd vereinigen möchten“, sagt Stojanowska und beeilt sich, der gerade vorbeieilenden Shirley Watts die Hand zu schütteln.

Rolling-Stones-Schlagzeuger Charly Watts mit Ehefrau Shirley bei "Pride of Poland" 2014.
Rolling-Stones-Schlagzeuger Charly Watts mit Ehefrau Shirley bei „Pride of Poland“ 2014.

Die Ehefrau des Rolling-Stones-Schlagzeugers Charly Watts, der 2015 ausnahmsweise nicht mit dabei ist, gehört in Janów Podlaski seit gut drei Jahrzehnten zur Stammkundschaft. Die Ställe und weitläufigen Weiden der führenden britischen Züchterin, gelten geradezu als ein Pferdeparadies. Stets anwesend sind Amerikaner, ebenso wie die zahlreichen Mitglieder und Vertreter arabischer Herrscherfamilien aus den Golfstaaten. Kein Wunder, dass bei der Festlegung des Termins von „Pride of Poland“ stets die Faustregel gilt: nicht früher als zwei Wochen nach dem Ende des Ramadan. Hingegen zum ersten Mal, besuchte 2015 eine chinesische Beobachter-Gruppe die Auktion. Die Veranstalter versprechen sich viel von dieser Erkundungsreise.

Privatisierung wäre das Ende

Die legere Kleidung, die auch von den Besuchern im VIP-Bereich ausnahmslos getragen wird, macht eine Zuordnung, Groβ-VIP, Klein-VIP oder nur VIP-Personal, für einen Nicht-Kenner der Szene fast unmöglich. Doch, will man diese Leute zufriedenstellen, müssen sie Araber präsentiert bekommen, die mit der Zeit galoppieren. Marek Trela, Direktor des Janower Gestüts, fasst das so zusammen: „Pferde, die noch vor 30 oder 25 Jahren die höchsten Preise bei den wichtigsten Championaten errangen, sind inzwischen ganz und gar out. Heute gefallen den Käufern zartere, raffiniertere Erscheinungen mit sehr markant geformten Köpfen am besten.“

Wie es bei den Auktionen in Janów Podlaski zugeht und wie schön die Pferde sind, die in diesem Jahr angeboten wurden zeigt dieser Film.

Jerzy Białobok, Direktor des zweitgröβten, staatlichen Araber-Gestüts in Michałowice, unweit von Kielce in Mittelpolen, der die Stute „Pistoria“ (665.000 Euro) nach Janów Podlaski mitbrachte, schildert die heutige Situation der polnischen Araberzucht: „Dank Janów und Michałowice ist das polnische Zuchtprogramm nach dem Krieg wie Phönix aus der Asche entstiegen. Auf dieser Grundlage entwickeln sich inzwischen viele private Aktivitäten. Es gibt in Polen etwa 1.200 Araber-Stuten, davon befinden sich 350 in staatlichem Besitz. Die gröβten privaten Halter haben bis zu dreiβig Tiere. Doch darauf kann man nicht bauen. Viele Züchter geben nach einiger Zeit auf, weil ihnen der Aufwand zu groβ ist, beziehungsweise weil das Geschäft, aus dem sie ihre Leidenschaft finanziert haben, gelitten hat oder gar zusammengebrochen ist. In den 90er Jahren gab es Pläne, wie vieles andere, auch die polnische Araberzucht zu privatisieren. Das wäre das Ende gewesen. Zum Glück spricht heute niemand mehr davon.“

Sieben Generationen Araberliebe

Das Gestüt Michałowice existiert seit 1953. Janów Podlaski feiert bald sein zweihundertjähriges Bestehen. Doch wie kamen die Araberpferde eigentlich nach Polen?

Fürst Hieronim Janusz Sanguszko (1743-1812) gilt als Bergründer derArabe-Pferderzucht in Polen.
Fürst Hieronim Janusz Sanguszko (1743-1812) gilt als Bergründer derAraber-Pferderzucht in Polen.

Zunächst mit den Türken und Tataren, gegen die das Land seit dem 14. Jh. bis ins späte 17. Jh. fast ständig Krieg führte. Die reguläre Zucht begann jedoch erst nach 1803, als Polen schon dreigeteilt war. Fürst Hieronim Sanguszko, dessen Reichtum als „fast unermäβlich“ beschrieben wurde, schickte seinen Stallmeister Kajetan Burski in die Wüsten Arabiens, mit dem Auftrag bei den Beduinen Araber zu kaufen. Die fünf Pferde, die Burski nach vielen Abenteuern mitbrachte, erweckten viel Bewunderung und Neid.

Nach 1815 holte Graf Wacław Rzewuski, ein Abenteurer und ausgewiesener Kenner orientalischer Kultur, der viel Zeit bei den Beduinen verbracht hatte, nach und nach 137 reinrassige Araber nach Europa und gründete 1817, mit Genehmigung des russischen Zaren, das Gestüt in Janów Podlaski. Die bis heute erhaltenen klassizistischen Gebäude schuf damals der Italiener Enrico Morini.

Graf Wacław Seweryn Rzewuski (1784-1831), in Arabien wie in Polen zu Hause, gründete 1817 das Gestüt in Janów Podlaski.
Graf Wacław Seweryn Rzewuski (1784-1831), in Arabien wie in Polen zu Hause, gründete 1817 das Gestüt in Janów Podlaski.

Der Zweite Weltkrieg vernichtete dann geradezu barbarisch mehr als einhundert Jahre harter Arbeit. Am 7. September 1939 begann die chaotische Evakuierung des Gestüts vor den herannahenden deutschen Truppen gen Osten. Zehn Tage später überfiel die Sowjetunion Polen. Auf überfüllten Straßen, unter dem Beschuss der Tiefflieger, ging es zurück nach Janów, um den Sowjets zu entkommen. Viele Pferde verendeten, rissen aus, wurden gestohlen, doch ein Teil des Bestandes konnte gerettet werden.

Die Deutschen, die sich inzwischen in Janów einquartiert hatten, räumten den Ort im Oktober 1939. Hitler und Stalin teilen sich das besiegte Polen, Janów wurde der Sowjetunion zugeschlagen. Die Sowjets brachten die prächtigen Araber, die sich gerade mal ein wenig erholen konnten, bis ans Kaspische Meer, wo die edlen Tiere, in primitivsten Verhältnissen untergebracht, elend verendeten.

Im Sommer 1940 kam Janów, aufgrund einer Korrektur der sowjetisch-deutschen Demarkationslinie, abermals unter deutsche Besatzung. In den groβen Ställen standen nur noch einige wenige, alte, kranke, fast wertlose Araber. Kommandant in Janów wurde Oberst Hans Fellgiebel, ein Pferdekenner- und Liebhaber, zudem der jüngere Bruder von General Erich Fellgiebel, dem späteren Verschwörer des 20. Juli.

Polen anständig behandelt. Der deutsche Kriegskommendant des Gestütes Janów Podlaski, Oberrst Hans Fellgiebel.
Polen anständig behandelt. Der deutsche Kriegskommendant des Gestütes Janów Podlaski, Oberrst Hans Fellgiebel.

Zusammen mit dem polnischen Gestütsleiter Stanisław Pohoski und seinem Stellvertreter Andrzej Krzyształowicz begannen sie im Auftrag der Wehrmacht die Zucht wiederaufzubauen. Nach dem Krieg gelang es dann Krzyształowicz, als langjährigem Direktor, Janów wieder seine alte Gröβe zu verlehien. Seine Büste ist heute in dem schönen Park, der das Gestüt umgibt nicht zu übersehen.

Direktor Andrzej Krzyształowicz (1915-1999) hat dem Janower Gestüt zu seine heutige Bedeutung verliehen.
Direktor Andrzej Krzyształowicz (1915-1999) hat dem Janower Gestüt seine heutige Bedeutung verliehen.

Oberst Fellgiebels Bemühungen um die Zucht und sein anständiges Verhalten gegenüber der polnischen Belegschaft wurden nach dem Krieg honoriert. Zweimal, 1957 und 1969, hat man ihn in Janów Podlaski überaus freundlich empfangen.

Die befohlene Evakuierung der Pferde vor den heranziehenden Russen konnte aber auch er nicht verhindern. Es begann eine gefährliche und abenteuerliche Odyssee durch Niederschlesien, Sachsen, Böhmen. In einem Auβenbezirk Dresdens überlebte der Transport die verherenden Luftangriffe zwischen dem 13. und 15. Februar 1945. Später beschlagnahmten die Sowjets zwei der besten Pferde, um sie dem amerikanischen General George Patton als Beweis ihrer Freundschaft zu schenken. Erst 1946 gelang es den polnischen Stallmeistern den kläglichen Rest ihrer Schützlinge nach Janów zurückzubringen, zu den schneeweiβen Stallungen mit dem markanten Uhrenturm am Ende einer langen Ulmenallee.

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