Genosse Kosmonaut

Am 12. Dezember 2022 starb Mirosław Hermaszewski.

Er war der erste und wird wahrscheinlich noch lange der einzige Pole bleiben, der ins All flog. Hermaszewski gab sich stets bescheiden, beherrscht, ein hochprofessioneller Militärpilot, der charmant sein konnte und dem das Kosmonautsein nicht zu Kopf gestiegen war. Das nahm sehr viele Polen für ihn ein.

Doch wenn man im Kommunismus ganz nach oben wollte, reichten auch die größten Fähigkeiten allein nicht aus. So gesehen waren Hermaszewskis exzellentes fliegerisches Können, seine extreme körperliche Belastbarkeit allein wertlos. Folglich gab es, neben der leuchtenden, auch die dunkle Seite seines Tuns: sein reges kommunistisches Engagement, das er im Nachhinein beharrlich ausblendete, und seine geheime Tätigkeit als Zuträger der militärischen Staatssicherheit, die wenige Jahre vor seinem Tod, anhand von Aktenfunden, aufgedeckt wurde.

Hermaszewski hatte ein Janusgesicht oder, der Vergleich ist in seinem Fall durchaus angebracht, er war wie der Mond, dem er bei seinen 126 Erdumrundungen so nah wie kein anderer Pole kam. Schließlich, so Mark Twain, ist „jeder Mensch ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt.“

Mit kommunistischen Reliquien ins All

Am 27. Juni 1978, um 17:27 Uhr Warschauer Zeit, startete das Raumschiff Sojus 30 mit Major Mirosław Hermaszewski, dem ersten „Polen im Kosmos“, und dem sowjetischen Kosmonauten Oberst Piotr Klimuk an Bord vom Weltraumbahnhof Baikonur im damals sowjetischen Kasachstan. Klimuk flog bereits zum dritten Mal ins All.

Hermaszewski an Bord der Raumstation Saljut 6.

Mit an Bord waren kommunistische Reliquien: Porträts der KP-Chefs Breschnew und Gierek, der Text des sogenannten PKWN-Manifests, des Gründungsaktes des kommunistischen Polens aus dem Jahr 1944, die Verfassung der Volksrepublik Polen, Wimpel mit Emblemen der herrschenden Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, des staatlichen Veteranenverbandes, der Gesellschaft für Polnisch-Sowjetische Freundschaft u. e. m.

Am Folgetag dockte Sojus 30 an die Raumstation Saljut 6 an, die zu diesem Zeitpunkt mit zwei sowjetischen Kosmonauten bemannt war. Hermaszewski beteiligte sich an wissenschaftlichen Experimenten, die das Verhalten des menschlichen Körpers in der Schwerelosigkeit ergründen sollten, führte Beobachtungen der Polarlichter und Fernerkundungsarbeiten durch. Nach einer Woche zu viert in der Raumstation kehrten Klimuk und Hermaszewski am 5. Juli 1978 zur Erde zurück.

Kurz nach der Landung. Der Medienrummel beginnt. L. i. B. Hermaszewski, i. d. M. Pjotr Klimuk.

Hörbar bewegt rief der Sonderberichterstatter des Polnischen Rundfunks ins Mikrofon: „Es ist 19:30 Uhr Ortszeit, 16:30 Uhr Moskauer Zeit, die Kapsel taucht als ein winziger Punkt unter den Wolken auf. Plötzlich entfaltet sich die Kappe des Fallschirms hinter ihr. Langsam, sehr langsam schweben die Kosmonauten aus dem Weltraum zurück“. Die Rückkehrkapsel setzte sicher in der kasachischen Steppe, dreihundert Kilometer entfernt von Zelinograd, der heutigen Hauptstadt Astana, auf.

„Ich bin gesund, ich fühle mich gut, nur meine Beine sind etwas wackelig und mir ist ein bisschen schwindlig“, sagte Hermaszewski kurz nach der Landung.

Polnischer Held der Sowjetunion

Viel Zeit, zu sich zu kommen, hatte er nicht. Nach den ersten Routineuntersuchungen wurden die beiden Rückkehrer am Morgen darauf ins Flugzeug gesetzt und nach Moskau gebracht, wo sie ein feierlicher Empfang im Kreml erwartete. Leonid Breschnew, der Generalsekretär der KPdSU, gab sich persönlich die Ehre.

„Liebe Genossen, mit freudigen Gefühlen begrüßen wir alle Pjotr Klimuk und Mirosław Hermaszewski, die gerade aus dem Weltall gekommen sind. Sie führten äußerst interessante Experimente und Forschungen durch. Der Flug war insofern bemerkenswert, als der Stab der von Juri Gagarin gestarteten Staffel mittlerweile von internationalen sozialistischen Besatzungen übernommen wird. Der Sohn der Heimat von Kopernikus war im Weltraum, das ist wunderbar, das ist etwas, worauf man stolz sein kann“, sagte Breschnew und verlieh Hermaszewski den Lenin-Orden, den Titel des Helden der Sowjetunion und den dazu gehörenden, 21,5 Gramm schweren Goldenen Stern aus echtem 950-Karat Gold.

„Polonez“-Limousine.

In Polen gab es etliche weitere Ehrungen und als Geschenk ein Auto aus der heimischen Produktion. Einen „Polonez“ in der Farbe Steppengrün, damals eine Rarität und Gipfel der Träume eines jeden Autoliebhabers.

Begrüßung in Warschau am 20. Juli 1978.

Einen solchen Autogrammwunsch kann man nicht abschlagen.

Hermaszewski absolvierte auf Anweisung eine ausgedehnte Jubel-Rundreise durch Polen: Festakte und Feierstunden, Ehrenbürgerwürden, Gedenkbäume pflanzen, Blumensträuße entgegennehmen, Autogrammwünsche erfüllen, bis der Kugelschreiber aus der schmerzenden Hand fiel, und überall Menschenmassen dicht an dicht.

Hermaszewski mit Verteidigungsminister Wojciech Jaruzelski (l. i. B.) und Parteichef Edward Gierek. R i. B. der zweite Flugkandidat Leutnant Zenon Jankowski, der letztendlich am Boden bleiben musste.

Hermaszewski-Briefmarke von 1978.

Das schwer angeschlagene Regime von Parteichef Edward Gierek wollte die vom ständigen Schlangestehen, ob nach Lebensmitteln, Waschpulver, Möbeln oder Benzin, tief frustrierten und zunehmend aufgebrachten Polen so auf andere Gedanken bringen. Zwei Jahre später, im Sommer 1980, wurden Gierek und die Seinen durch eine mächtige Streikwelle, an deren Ende Solidarność entstand, weggefegt und durch die Jaruzelski-Riege ersetzt.

Als Säugling beinahe ermordet

Der knapp vierzigjährige, zum Oberstleutnant beförderte Hermaszewski befand sich im Zenit der Popularität. Um Haaresbreite hätte sein Weg dorthin im Alter von nur knapp zwei Jahren geendet. Im September 1941 im damaligen, zuerst von den Sowjets (September 1939 bis Juni 1941) und dann von den Deutschen besetzten Ostpolen geboren, überlebte er wie durch ein Wunder die schrecklichen Massaker, die Banden ukrainischer Nationalisten, unter deutscher Schirmherrschaft, an der polnischen Bevölkerung verübten. Es war ein von langer Hand vorbereiteter Völkermord, dem etwa 100.000 Polen zum Opfer fielen.

Hermaszewskis Geburtsort Lipniki auf der Landkarte Polens von vor dem Zweiten Weltkrieg.

Die Nationalistenführer: Stepan Bandera, Roman Schuchewytsch, Dmytro Kljatschkiwskyj, Mykola Lebed und andere wollten eine Polen- und Judenfreie Ukraine. Der Hauptschauplatz der Massenmorde war Wolhynien. Dort, in der Ortschaft Lipniki, unweit der Stadt Równe/Riwne, wirtschaftete die Familie Hermaszewski, Vater Roman, Mutter Kamila und ihre sieben Kinder auf einem 25 Hektar großen Bauernhof.

Woiwodschaft Wolhynien im Vorkriegspolen.

Wolhynien im heutigen polnisch-ukrainischen Grenzbereich.

„Wir lebten ein friedliches, harmonisches und wohlhabendes Leben“, schreibt Hermaszewski in seinen Erinnerungen „Ciężar nieważkości“ (fonetisch: Tsenschar njewaschkostsi -„Die Last der Schwerelosigkeit“).

„Die Idylle wurde in der Nacht vom 25. auf den 26. März 1943 zerstört. Eine wilde Horde ukrainischer Raubmörder, darunter auch einige Freunde und Nachbarn der polnischen Einwohner von Lipniki, bewaffnet mit Knüppeln, Äxten, Heugabeln, Sensen, Ketten, Schusswaffen und allem anderen, was nicht nur töten, sondern auch möglichst viel Leid zufügen konnte, umstellte und überfiel das friedlich schlafende Dorf. Sie zündeten die Gebäude an und begannen mit dem Gemetzel. Menschen jeden Alters und Geschlechts wurden auf grausame Weise ermordet und deren Besitz geplündert. In dieser denkwürdigen und schrecklichen Nacht starben 182 Einwohner meines Dorfes Lipniki. Der jüngste war weniger als ein Jahr, der älteste war 90 Jahre alt. Mein Großvater Sylwester starb, mehrfach durchbohrt von einem Bajonett.

Mein Vater, der am Dorfrand mit einigen anderen Männern Wache hielt, stürmte mit dem Jagdgewehr in der Hand ins Haus und rief meiner Mutter zu: „Lauft weg“, dann verschwand er in der Dunkelheit“, so Hermaszewski.

Nach dem ukrainischen Massaker von Lipniki.

Draußen spielten sich schreckliche Szenen ab. Das Stöhnen und die Todesschreie der Überfallenen vermischten sich mit dem lauten Knistern und Krachen der Feuersbrunst, dem herzzerreißenden Muhen und Quieken des versengten Viehs, dem Gebrüll der Mörder. Sechs Kinder der Hermaszewskis zerstreuten sich in dem Chaos und konnten sich retten. Die Mutter rannte mit dem Jüngsten, Mirosław, auf dem Arm los. Einer der Angreifer holte sie ein und hielt ihr das Gewehr an den Kopf. Der Schuss durchschlug ihr Ohr und streifte die Schläfe. Betäubt und blutüberströmt stürzte sie zu Boden, verlor das Bewusstsein und blieb regungslos liegen. Überzeugt, sie tödlich getroffen zu haben, kehrte der Verfolger um. Später, aus der Bewusstlosigkeit erwacht, rannte sie im Schockzustand ins sechs Kilometer entfernte Nachbardorf.

„Als die Morgendämmerung einsetzte“, berichtet Hermaszewski, „eilten einige mutige Männer nach Lipniki. Schon von Weitem war das Ausmaß der Tragödie zu erkennen: Häuser, von denen noch der Rauch aufstieg, Vieh, verstümmelt oder versengt, irrte umher. Je näher man kam, desto größer wurden Chaos, Zerstörung und das schwer zu beschreibende Grauen. Nur wenige Dorfbewohner waren durch Kugeln gefallen, einige waren enthauptet, ohne Gliedmaßen, mit Heugabeln erstochen, mit Stangen erschlagen. Kinder wurden in Brunnen gefunden oder bei lebendigem Leib auf Zaunpfählen aufgespießt und zerrissen.

Unter den Suchenden waren auch mein Vater und mein Bruder Władysław. Unser Haus war nur noch eine qualmende Ruine. Nicht weit entfernt, auf einem gefrorenen Feld, entdeckte mein Vater unerwartet die markante karierte Decke, auf der ich blutbeschmiert und regungslos lag. Papa war sich sicher, dass ich tot war, aber als er mich schüttelte, öffnete ich die Augen.“

Ein halbes Jahr später, im August 1943, war auch Mirosławs Vater tot. Um die weit weg von Lipniki in einem Stall kampierende, hungernde Flüchtlingsfamilie zu ernähren, wagte er es, auf seine Felder zurückzukehren, um wenigstens etwas zu ernten. Er wurde von einem ukrainischen Trupp entdeckt. Ein Schuss ins Herz beendete sein Leben.

Begabter Flieger, aufrichtiger Stasi-Zuträger

Unter unsäglichen Mühen gelang es der Witwe, sich und die sieben Kinder mit Putzen, Nähen und Feldarbeit bis Kriegsende durchzubringen. 1945 sollte Ostpolen endgültig an die Sowjetunion fallen. Jetzt, nach knapp sechs Jahren Krieg und Vernichtung, zwangen die Sowjets mit Drohungen und Repressalien die übriggebliebenen Polen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Nach einer wochenlangen Fahrt mit unzähligen Unterbrechungen gelangte der Güterwagen-Evakuierungszug mit den Hermaszewskis ins polnisch gewordene Niederschlesien, nach Wołów/Wohlau, einer Kleinstadt die damals weitgehend in Ruinen lag.

Mirosław und Władysław (r. i. B.). Fachsimpeln zweier Kampfflieger-Brüder.

Als der ältere Bruder Władysław 1948 seine Ausbildung als Militärflieger begann, war für den gerade siebenjährigen Mirosław klar, dass auch er diesen Weg beschreiten will. Glaubt man seinen Erinnerungen, wurde das Fliegen zu seiner Leidenschaft, lange bevor er das erste Mal ein Cockpit bestieg. In der Stadtbibliothek verschlang er alles, was mit dem Fliegen zu tun hatte: Romane, Jugendhefte mit Flugzeugbeschreibungen und die Zeitschrift „Skrzydlata Polska“ („Geflügeltes Polen“). Keiner in der Schule konnte mit ihm im Modellbau und beim Drachensteigenlassen mithalten.

Segelflieger Mirosław Hermaszewski (im Cockpit).

Im Jahr 1960 begann sein Segelfliegen, knapp zwei Jahre später startete der gerade 21-Jährige zum ersten Mal ein Sportflugzeug. Kurz darauf begann seine Ausbildung zum Militärpiloten. Das war der Start einer Militärkarriere, die Hermaszewski, bevor er Kosmonaut wurde, über viele Zwischenetappen, bis auf den hohen Posten des Kommandeurs des 11. Jagdfliegerregiments in Wrocław/Breslau führte.

Kommandeur des 11. Jagdfliegerregiments.

Begabung und Können waren beim kommunistischen Militär wichtig, aber sie mussten gepaart sein mit ideologischer Unbedenklichkeit. Um diese vorzuweisen, trat Hermaszewski schon im Gymnasium in Wołów, als einer von wenigen in seiner Klasse, in den kommunistischen Jugendverband ein und gleich im ersten Semester in der Militärfliegerschule in Dęblin (120 Kilometer südöstlich von Warschau) stellte er den Antrag zur Aufnahme in die kommunistische Partei, dem 1964 stattgegeben wurde.

Hermaszewskis Militär-Stasiakte.

Sein Fleiß, sein fliegerisches Talent und sein ideologisches Engagement wurden durch die geheime Zusammenarbeit mit der militärischen Staatssicherheit „abgerundet“. Jetzt konnte es an seiner Verlässlichkeit keinen Zweifel mehr geben. Die Anwerbung von Hermaszewski erfolgte am 9. Februar 1962. Der neue IM „Długi“ („Der Lange“) verfasste eine handschriftliche Erklärung, in der er sich bereit erklärte, die Behörde „im Kampf gegen feindliche Aktivitäten“ zu unterstützen. Konkret ging es darum, regelmäßig Bericht darüber zu erstatten, was sich unter den Kadetten außerhalb des Dienstes abspielte.

Hermaszewskis Führungsoffizier, Hauptmann Janusz Wijak.

Die Militär-Stasi entfernte 1989 oder 1990 aus Hermaszewskis IM-Akte, die erst 2018 gefunden wurde, seine Spitzelberichte. Wir wissen nicht, wem er wie geschadet hat. Im März 1964 wurde die Zusammenarbeit mit IM „Długi“ beendet, weil er in die kommunistische Partei aufgenommen wurde. Bis zur Selbstauflösung 1990 blieb er in deren Reihen. KP-Mitglieder wurden grundsätzlich nicht als Spitzel engagiert. Hermaszewskis 1964 erstellte Schlussbeurteilung endet jedenfalls mit der vielsagenden Feststellung: „IM „Długi“ erwies sich als ein aufrichtiger und wahrheitsgetreuer Mitarbeiter“.

Auf dem Weg ins All

Im Juli 1976 wurde in Moskau ein Protokoll unterzeichnet, das die Beteiligung von Kosmonauten aus Satellitenländern an sowjetischen Raumflügen im Rahmen des Interkosmos-Programms vorsah. Auf diese Weise gelangten, außer Hermaszewski, jeweils ein Tscheche, ein Ungar, ein Rumäne, ein DDR-Bürger, ein Bulgare, ein Mongole, ein Kubaner und als Letzter, im August 1988, ein Afghane auf die Erdumlaufbahn.

Emblem des Interkosmos-Programms.

Der damalige Verteidigungsminister Wojciech Jaruzelski überredete Parteichef Edward Gierek, den Sowjets einen Vorschlag für die Ausbildung künftiger polnischer Kosmonauten in der UdSSR zu unterbreiten. Aus einer Gruppe von 71 Luftwaffenoffizieren wählte das Verteidigungsministerium gemeinsam mit den Sowjets zwei Kandidaten aus: Major Hermaszewski und Leutnant Zenon Jankowski. Die Sowjets genehmigten beide Anwärter, brachten sie in ihre geheimen Ausbildungszentren und teilten im Mai 1978 Warschau mit, dass sie sich für Hermaszewski entschieden hatten, weil er bessere Ausbildungsergebnisse erzielt hatte.

Bei der Absprache in Moskau 1976 wurde nicht festgelegt, in welcher Reihenfolge die einzelnen Kosmonauten mitfliegen sollten. Die natürlichen Kandidaten für den ersten und zweiten Flug waren die Tschechoslowakei und die DDR, die technologisch am weitesten fortgeschritten waren und den größten Beitrag zum Interkosmos-Programm leisteten. Der Staatschef der DDR, Erich Honecker, drängte darauf, seinem Land den Vorrang zu geben, denn auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs war damals der westdeutsche Physiker Ulf Merbold als erster nicht-amerikanischer Astronautenkandidat vorgesehen, und Honecker wollte, dass ein Ostdeutscher als erster Deutscher auf die Erdumlaufbahn gelangte. Hinter den Kulissen spielte sich monatelang ein regelrechter Wettbewerb um die Gunst der Sowjets ab. Am Ende entschied Moskau, dass als erster ein Tschechoslowake und als zweiter ein Pole fliegen sollten.

Jaruzelski interessierte sich persönlich für den Fortschritt der Ausbildung der ausgewählten Piloten, widmete ihnen sogar während seines Urlaubs seine Zeit, ermutigte, dekorierte, belohnte sie und protegierte sie bei den Sowjets. Das ganze Vorhaben war „sein Baby“ und „sein Erfolg“, daraus hat der General mit der dunklen Brille, so Zeitzeugen, machtintern nie ein Hehl gemacht.

Erretter der Nation

Vom kommunistischen Propaganda- und Parteiapparat ohne Unterlass herumgereicht und präsentiert, bat der erschöpfte Hermaszewski 1979 darum, ihn zum Studium an die Akademie des Generalstabes der Sowjetischen Streitkräfte in Moskau zu schicken. Jaruzelski gab die Erlaubnis.

Als Hermaszewski Ende des Sommers samt Ehefrau und den beiden Kindern in Moskau eintraf, begannen in Polen die bewegten sechzehn Solidarność-Monate. Die erste freie Gewerkschaft im Ostblock stellte die kommunistische Partei, der die Mitglieder massenweise davonliefen, und den kommunistischen Staatsapparat in den Schatten. Die Versorgungslage war desaströs, das kommunistische Meinungsmonopol wich der Meinungsfreiheit, die alte Ordnung geriet aus den Fugen. Allein die seit Jahrzehnten ideologisch an der kurzen Leine gehaltene Armee blieb übrig, um dem „Spuk“ ein Ende zu bereiten.

Militärrat der Nationalen Errettung. L. i. B. Oberstleutnant Hermaszewski .

General Jaruzelski, der neue starke Mann Polens, der inzwischen die Ämter des Verteidigungsministers, des Ministerpräsidenten und des Parteichefs auf sich vereinigen konnte, verhängte am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht und stellte sich an die Spitze einer Junta, die sich den Namen Militärrat der Nationalen Errettung gab. Unter lauter Generälen fand sich auch Oberstleutnant Hermaszewski hier wieder. Eine weitere peinliche Episode, die er in seinen Erinnerungen einfach weglässt.

Keine Entschuldigung, kein Wort des Bedauerns

Hermaszewski behauptete stets, es sei ohne sein Zutun geschehen. Er wurde aus Moskau nach Warschau befohlen und fand sich in dem obersten Kriegsrechtsgremium wieder. „Der erste Pole im Kosmos“ war zweifellos als ein Sympathie erzeugendes Dekorationselement gedacht, das die ansonsten aus griesgrämigen kommunistischen Militärapparatschiks bestehende Junta etwas freundlicher erscheinen lassen sollte.

Sie existierte vom 13. Dezember 1981 bis 21. Juli 1983, als das Kriegsrecht formell aufgehoben wurde, was am Zustand der kommunistischen Unfreiheit rein gar nichts änderte. Hermaszewski, auch wenn er bald wieder nach Moskau zum Studieren zurückkehren durfte, stand während der ganzen Zeit auf der Liste der 22 Juntamitglieder. Auf deren Konto gingen tausendfache Internierungen, Verhaftungen und drakonische Gefängnisstrafen, die Prügelorgien der Bereitschaftspolizei ZOMO, erschossene Bergleute in der Grube „Wujek“, sowie Demonstranten in Lubin und in Nowa Huta, Berufsverbote, erzwungene Emigrationen.

Hermaszewski fand nicht den Mut, aus der Junta auszutreten, also zeichnete auch er wissentlich mit seinem Namen für all diese Repressalien verantwortlich. Zudem galt sein Mitgefühl bis zuletzt nicht den Opfern, sondern sich selbst, dem angeblich hinters Licht geführten, zu Propagandazwecken missbrauchten, ahnungslosen und aufrechten Soldaten.

Aushängeschild des Kommunismus.

Brav ließ er sich bis zum letzten Atemzug des Kommunismus 1989 als dessen Aushängeschild benutzen. Genosse Hermaszewski war Delegierter des 8. (1980) und 10. (1986) Parteitages der herrschenden Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, Ehrengast des 9. Außerordentlichen Parteitages (1981), stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Polnisch-Sowjetische Freundschaft, wurde 1982 zum Oberst und 1988 zum Brigadegeneral befördert. Vom Kommunisten wurde er zum Postkommunisten und trat 2005, als Pensionär, der Allianz der Demokratischen Linken bei, einer Partei der roten Nostalgiker und grauhaarigen Waisenkinder des Sozialismus.

Auf dem anderen Blatt standen, neben dem Flug ins All, gut zweitausend Stunden im Cockpit, 3.473 Starts und Landungen eines zweifelsohne begabten Piloten, der es bis zum Generalinspekteur der polnischen Luftwaffe gebracht hat, bevor er im Jahr 2001 pensioniert wurde.

Er war ein mutiger Eroberer der Lüfte und ein Hasenfuß am Boden, der sich einst zum Weichspülen des Kommunismus benutzen ließ und danach so tat, als wäre nichts gewesen.

@ RdP