Erikas siegreicher Abgang

Ein polnischer Nachruf auf Frau Steinbachs Wirken.

Die Ankündigung Erika Steinbachs, sie stehe nicht mehr als Kandidatin für den Posten der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen zur Verfügung, wurde in Polen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Davon zeugt der „Abschiedskommentar“ vom 8. Juli 2014 von Jerzy Haszczyński, Deutschland-Fachmann und Chef des Auslandsressorts der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“), in dem er alle Vorwürfe und Bedenken gegen Steinbach noch einmal aufgelistet hat.

Jerzy Haszczyński
Jerzy Haszczyński

Erika Steinbach, schreibt Haszczyński, „beendet ihre lange Karriere als Führungsperson der deutschen Ausgesiedelten. Sie kann zufrieden sein. Sie hinterlässt eine geschminkte Version der umformulierten Geschichte des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen. Es gelang ihr einen bedeutenden Teil ihrer Landsleute davon zu überzeugen, sie seien Opfer des Nationalsozialismus und Hitlers, das heiβt: die Deutschen sind, genauso wie die anderen Völker, Opfer deutscher Verbrechen.“
„Jahrelang, erinnert der Autor, stand Erika Steinbach auf der kurzen Liste der bekanntesten deutschen Politiker in Polen. Sie spielte eine besondere Rolle in dem von Erfolg gekrönten Vorhaben, das Kriegs- und Nachkriegsbild Deutschlands auf Kosten Polens zu verändern.“

Dieses Vorhaben, meint Haszczyński, „besteht zum einen darin, Debatten über die deutsche Verantwortung auszulöschen und die Abrechnung mit der Vergangenheit zu beenden (was umso leichter fällt, weil die letzten Verbrecher entweder in Ruhe gestorben sind oder sie stehen mit einem Bein im Grab). Zum anderen geht es darum, das deutsche Leid und die deutsche Widerstandsbewegung gegen Adolf Hitler hervorzuheben. Steinbach gelang es die These salonfähig zu machen, dass alle Aussiedlungen in der Geschichte des 20. Jh. unterschiedslos zu verurteilen sind, egal aus welchen Gründen sie stattgefunden haben. Auf diese Weise wird die Aussiedlung der Deutschen aus Polen nach sechs Jahren der Besatzung genauso behandelt, wie die völkermordartigen Umsiedlungen der Armenier während der Ersten Weltkrieges in der osmanischen Türkei.“

Entstanden daraus ist eine „Gemeinschaft des Leids“, die Steinbach zur „wichtigsten Botschaft des Zentrums gegen Vertreibungen“ gemacht hat. Es genügt ja nur, schreibt Haszczyński, „die Internetseite des Zentrums zu öffnen, und uns begrüβt der Satz, dass etwa 80 bis 100 Mio. Menschen im 20 Jh. Opfer von Aussiedlungen, Säuberungen und Vertreibungen geworden sind. Niemand mehr lässt sich davon beindrucken, dass die Einmaligkeit der deutschen Verbrechen hinter einem Vorhang verschwindet, der sich „die Gemeinschaft des Leids der Deutschen und anderer ausgesiedelter Nationen“ nennt.“

Symbolträchtig ist auch, so Haszczyński, „dass so etwas einer Person gelang, die ihre politische Karriere auf einer Lüge aufgebaut hat. Entgegen ihren Behauptungen hat Erika Steinbach keinesfalls ihre Heimat in einem Gebiet verloren, das erst seit 1945 zu Polen gehört, was, wenn ich so unbescheiden sein darf, im Jahr 2000 meine journalistische Entdeckung gewesen ist.“

Steinbach ist 1943 als Tochter eines deutschen Besatzungssoldaten in Rumia bei Gdynia auf die Welt gekommen, „in einer Gegend, die vor dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehörte. Es war ein zufälliger Geburtsort, keine Heimat. Zudem waren die Polen aus Rumia vertrieben worden, um für ihre Eltern Platz zu schaffen.“

In dieser auf einer Lüge aufgebauten Karriere, erinnert der Autor, „spielt auch die deutsche Gesetzgebung keine geringe Rolle. Obwohl Steinbach nicht die Heimat an Polen verloren hat, darf sie sich als Vertriebene betrachten. Die deutsche Gesetzgebung schafft eine solche Möglichkeit einem jeden, der in einem Gebiet auf die Welt kam, aus dem später ausgesiedelt wurde. Hätte Hitler ein Kind und wäre es im besetzen Warschau auf die Welt, es hätte nach dem Krieg den Vertriebenenstatus zuerkannt bekommen.

Sogar in Polen bringt kaum jemand mehr die Kraft auf, sich der neuen deutschen historischen Politik zu widersetzen. Ihre Ergebnisse sieht man in dem auf der ganzen Welt vertriebenen Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“, in dem deutsche Soldaten als empfindsame, nette Leute agieren, während die Soldaten der polnischen Heimatarmee die eigentlichen Antisemiten sind. Am allertraurigsten in alledem ist jedoch unsere eigene Erschöpfung in diesem Kampf um die historische Wahrheit.“, so das Fazit des Autors.

RdP