Viel Tamtam & Adrenalin incl. die »Dame mit dem Hermelin«

Die Sammlung Czartoryski endlich in trockenen Tüchern.

Die kleine groβe Schwester der Mona Lisa aus dem Pariser Louvre heiβt Cecilia Gallerani. Von Leonardo da Vinci als die „Dame mit dem Hermelin“ verewigt, verweilt sie, mit etlichen Unterbrechungen, seit knapp einhundertvierzig Jahren in Kraków. Ende 2016 hat die polnische Regierung das Gemälde und einiges mehr für einen Schnäppchenpreis von Privatbesitzern kaufen können. Die Gegner rufen: „Skandal!“

Vertragsunterzeichnung. Von links: Czartoryskis libanesische Ehefrau Josette, Fürst Adam Czartoryski, Kulturminister Prof. Piotr Gliński.

Als am 29. Dezember 2016 Kulturminister Piotr Gliński und Graf Adam Czartoryski im Warschauer Königsschloss ihre Unterschriften unter den Kaufvertrag setzten, wurden der polnische Staat und die polnische Nation um umgerechnet einhundert Millionen Euro ärmer und gleichzeitig um eine geradezu gigantische, einmalige Kunstsammlung reicher. In dem knapp zweihundert Seiten langen Anhang zum Kaufvertrag sind nämlich nicht nur da Vincis Prachtgemälde und Rembrandts „Landschaft mit dem barmherzigen Samariter“ aufgelistet.

Rembrandt van Rijn, „Landschaft mit dem barmherzigen Samariter“.

Schätze über Schätze

Hinzu kommen etwa 86.000 andere Kunstgegenstände, so eine groβe Sammlung antiker Kunst, etwa sechshundert Gemälde, unter anderem von Pieter Breugel dem Älteren, Lucas Cranach dem Jüngeren sowie Werke etlicher holländischer und italienischer Meister.

Zudem circa 250.000 Bücher, Handschriften und Drucke. Darunter Zeichnungen, Skizzen und Kupferstiche von Rembrandt, Renoire und Albrecht Dürer. Handschriften von Nicolaus Kopernikus, Adam Mickiewicz, Ludwig van Beethoven, Byron. Briefe der ersten US-Präsidenten. Originalurkunden der polnisch-litauischen Union von Horodło (1413), der Preuβischen Huldigung des letzten Hochmeisters des Deutschen Ordens Albrecht von Hohenzollern vor dem polnischen König Zygmunt I. dem Alten auf dem Krakauer Hauptmarkt 1525. Handschriften der „Chroniken“ Polens von Jan Długosz (1415-1480), unzählige Gegenstände aus dem Besitz berühmter polnischer Schriftsteller, Künstler, Politiker, Militärs, und, und, und…

Das Czartoryski-Museum in Kraków vor der Renovierung, die seit 2011 andauert.

Ebenfalls im Preis enthalten: das Gebäude des Czartoryski-Museums mitten im historischen Stadtkern Krakaus und der Besitzanspruch auf das „Porträt eines jungen Mannes“ von Raffael. Ein Meisterwerk von unschätzbarem Wert, das die Deutschen am Ende der Besatzungszeit, im Januar 1945, aus Krakau entwendet haben. Seither ist es verschollen, zusammen mit weiteren knapp neunhundert Kunstgegenständen (darunter 156 antiken Goldgegenständen und knapp vierhundert mittelalterlichen Goldmünzen) aus dem Besitz der Czartoryskis.

Raffael, „Porträt eines jungen Mannes“.

Ist der Preis von einhundert Millionen Euro für all das zu hoch? Wohl kaum, wenn man bedenkt, dass allein die „Dame mit dem Hermelin“ bei ihren Reisen zu den Museen der Welt mit gut dreihundert Millionen Euro versichert wurde. Welchen Preis könnte das 54,7 × 40,3 cm große Bild, eines von nur fünfzehn erhaltenen Gemälde da Vincis, während einer Versteigerung bei Sotheby‘s in London erreichen? Fachleute sprechen vage von bis zu vierhundert Millionen Euro.

 

Erst hui dann pfui

Die Gegner der jetzigen Warschauer Regierung konnten dem günstigen Geschäft schwerlich etwas anlasten. Noch im Dezember 2015, die Regierung war gerade mal einen Monat im Amt, schrieb die „Gazeta Wyborcza“ („Wahlzeitung“), das Sturmgeschütz der “totalen” (wie sie sich selbst nennt) polnischen Opposition wie folgt:

„Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um die Obhut über unschätzbare Kunstwerke und darum, wer das Recht hat die wertvollsten Bestandteile dieser Sammlung auszuleihen: die „Dame mit dem Hermelin“ und die „Landschaft mit dem barmherzigen Samariter“. Wird der offene Brief der Krakauer Kulturschaffenden die Entscheidung des neuen Kulturministers beschleunigen? Der Brief wird auf jeden Fall die Aufmerksamkeit der neuen Regierenden auf ein Problem lenken, das einer dringenden Lösung bedarf“, so die „Gazeta Wyborcza“.

Dame mit dem Hermelin“, Briefmarke der Polnischen Post von 1956.

„Der Staat soll endlich die Czartoryski-Sammlungen kaufen“, das war seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Forderung, die Polens führende Kunsthistoriker, Museumsfachleute, Archivare und Bibliothekare immer wieder lautstark vorbrachten. Genau ein Jahr nach dem zuvor zitierten „Gazeta Wyborcza“-Apell, im Dezember 2016, gelang es demselben Kulturminister die Forderung der Briefeschreiber geschickt und günstig zu verwirklichen. Gut ein Jahr danach, im März 2018, entfesselten dieselbe „Gazeta Wyborcza“ und andere linke Medien, einen Sturm der Entrüstung.

Ein Skandal der keiner war

Es wurde nämlich bekannt, dass die Czartoryski-Siftung die erhaltenen einhundert Millionen Euro aus Polen auf Konten ihrer vier Stiftungen in Lichtenstein überwiesen hatte. Dieses Geld hätte in Polen bleiben und der polnischen Kultur zugutekommen müssen, nun ist es verloren, so die Regierungsgegner und ihre Medien.

Nicht zu übersehen „Leonardo is here“. Banner an der Fassade des Nationalmuseums in Kraków.

Das sei ein Skandal, denn, so hieβ es plötzlich, es gab eigentlich keinen Grund die Sammlung zu kaufen. Schlieβlich hatte die Czartoryski-Familie 1991 ihre riesige Sammlung, nach der Übernahme durch den kommunistischen Staat im Jahre 1950, nur unter der Bedingung zurückbekommen, dass sie untrennbar und unverkäuflich bleibt. Das sahen auch die Stiftungsstatuten vor.

Auβerdem habe Fürst Adam Czartoryski, kurz vor dem „Deal“, zwei Mitglieder, die sich dem Verkauf widersetzten, aus dem Stiftungsvorstand abberufen und durch zwei Befürworter ersetzt. Dazu hatte Czartoryski allerdings auch das Recht. Der erneuerte Vorstand änderte die Satzung, um die laufenden Verkaufsverhandlungen mit dem polnischen Staat abschlieβen zu können. Das Verkaufsverbot wurde aufgehoben und die Möglichkeit die Stiftung aufzulösen aufgenommen.

„Dame mit dem Hermelin“-Darstellerin auf dem Hauptmarkt in Kraków.

Draufhin habe Kulturminister Gliński in einem offiziellen Schreiben, das zu den Akten genommen wurde, die Präsidentin des Registergerichts Kraków-Innenstadt „höflich“ gebeten, die von der Stiftung beantragten Statutenänderung als „äuβerst dringend“ zu behandeln. Es gehe um eine Angelegenheit von „auβerordentlicher Bedeutung für den polnischen Staat“.

Das Gericht gab der „höflichen“ Bitte statt und die Modifikationen, an denen formalrechtlich nichts auszusetzten war, wurden innerhalb von zwei Tagen akzeptiert. Normalerweise dauert dieser Vorgang bis zu sechs Wochen. Gut ein Jahr später hieβ es, Gliński habe das Gericht verbotenerweise beeinflusst, unter Druck gesetzt, gar „erpresst“.

Die groβe Eile war jedoch geboten. Der siebenundsiebzigjährige Fürst Czartoryski wollte endlich verkaufen. Böse Zungen behaupteten, sein aufwendiger Lebensstil, der ihn ständig zwischen dem Libanon, von wo seine Ehefrau Josette stammt, Madrid, Peru und Monaco pendelnd ließ, habe ihn in arge Finanzschwierigkeiten gebracht. Einnahmen aus dem Krakauer „Hotel Polski“, das ihm gehört, und dem Ausleihen von Kunstgegenständen aus seiner Sammlung, reichten dafür offensichtlich nicht aus. Der Fürst benötige Geld.

Der Preis war günstig, jedoch stand das nötige Geld im Staatshaushalt nur bis zum 31. Dezember 2016 zur Verfügung. Bis der neue Staatshaushalt 2017 unter Dach und Fach sei, würden Wochen vergehen. Bis dahin könnte es sich der als kapriziös geltende Aristokrat wieder anders überlegen oder gar seine Preisforderung erhöhen. Deswegen bewilligte der Sejm im Dezember 2016, auch mit vielen Stimmen der Opposition, die jetzt den Kauf in Bausch und Bogen verdammt, die umgerechnet Einhundert-Millionen-Euro-Ausgabe aus der Haushaltsreserve.

Die Klarstellung

Am 12. April 2018 antwortete Kulturminister Prof. Piotr Gliński auf all die Vorwürfe in einer Fragestunde vor dem Parlament:
„Seit römischen Zeiten gibt es eine zivilisierte Staatsordnung, zu der der Schutz des Privatbesitzes gehört. Darauf hat sogar der angeblich so schreckliche Staat, wie der „PiS-Staat“, wie die Herrschaften von der „totalen“ Opposition unseren polnischen Staat zu nennen pflegen, keinen Einfluss. Die Aufsicht über Stiftungen ist im polnischen Recht klar umschrieben. Als Minister hatte und habe ich in diesem konkreten Fall kein Recht dem Stifter oder dem Stiftungsvorstand etwas vorzuschreiben oder zu verbieten.“ (…)

„Wir sind auf jahrelang geäuβerte Forderungen polnischer Fachleute eingegangen“, so Gliński weiter, „und haben endlich einen Bereich in Ordnung gebracht, der leider ungeordnet war. (…) Die „Dame mit dem Hermelin“ wurde immer wieder auβer Landes gebracht. Der Stifter konnte jederzeit die Statuten ändern und hat es auch getan. Es gab keine Garantie, denn die Statuten einer privaten Stiftung geben dem polnischen Volk keine Garantie, dass der Sammlung nicht etwas zustöβt. Fachleute schätzen deren Wert auf umgerechnet etwa zweieinhalb Milliarden Euro. (…)

Wir haben richtig gehandelt. Wenn jemand meint, es sei etwas Unangemessenes dabei, dass die polnischen Regierung auf eine durch und durch transparente Art und Weise, für einen verhältnismäβig niedrigen Preis diese Schätze für alle Zeiten für die polnische Nation sichergestellt hat, dann bin ich mit meinen Argumenten am Ende“, sagte der Kulturminister.

Des Meisterwerks gefährliche Reisen

Während die „Mona Lisa“ den Louvre seit vielen Jahrzehnten nicht mehr verlassen darf, schickten die Czartoryskis die “Dame mit dem Hermelin“ nach 1991 immer wieder auf Reisen. Nach Washington (1991), nach Malmö und Stockholm (1993), Rom, Florenz und Mailand (1999), Kyoto, Nagoya und Yokohama (2001), nach Milwaukee, Huston und San Francisco (2001), Budapest (2009), nach Madrid, Berlin und London (2011).

Seitdem im Januar 2011 mit der Renovierung des Czartoryski-Museums begonnen wurde, hing das Bild mal in den Krakauer Tuchhallen, mal im Warschauer

Die „Dame mit dem Hermelin“ ging oft auf Reisen. Zu oft, meinten viele Fachleute.

Königsschloss, mal im Krakauer Nationalmuseum, wo man es heute bewundern kann.

Nur einmal, bei der Ausstellung in Schweden 1993, sickerte durch, dass die Czartoryski-

Stiftung für die Ausleihung 350.000 US-Dollar erhalten habe. Andere Summen sind nicht bekannt geworden, aber das Ausleihen des da Vinci-Gemäldes war für die Stiftung und den Stifter eine wichtige Einnahmequelle. Er behauptete, die Stiftung könne ohne das Geld die enormen laufenden Kosten ihrer Tätigkeit nicht bestreiten, auch wenn der polnische Staat mit Zuschüssen nicht gerade geizte.

Alle diese Reisen bargen enorme Risiken. Polnische Fachleute schlugen jedes Mal Alarm, bangten um das auf einer dünnen Nussbaumplatte gemalte Meisterwerk. Es gab deswegen viel Zwist mit den Czartoryskis, die Geld sehen wollten.

Verkaufen durften sie nicht. Nicht auszuräumen war jedoch die Gefahr, dass sie, wenn es hart auf hart käme, zum Beispiel, die „Dame mit dem Hermelin“ über Jahre gegen eine hohe Summe an einen Ölscheich ausleihen könnten. Umso mehr, als die Bindung der Familie Czartoryski an Polen sehr, sehr locker ist. Die Mitglieder leben verstreut über die ganze Welt.

Die Vorfahren des Grafen waren anders

Das war nicht immer so. Die Czartoryskis zählen zu den bedeutendsten und reichsten Hochadelsgeschlechtern Polens. Ihre Verdienste um das Land und seine Unabhängigkeit sind groβ. Nachdem Polen Ende des 18. Jahrhunderts endgültig dreigeteilt wurde, hatten Fürst Adam Kazimierz Czartoryski und seine Frau Izabela die Idee das zu tun, was in Spanien, Frankreich, England, Russland oder Preuβen die jeweiligen Herrscher taten: Sammlungen zu gründen, die die Geschichte und die Gröβe ihrer Staaten dokumentierten. Später wurden diese in Nationalmuseen und Nationalgalerien umgewandelt. Das, wie sich später herausstellen sollte, bis 1918 von der Europakarte getilgte Polen sollte ebenfalls solch eine Sammlung haben.

„Dame mit dem Hermelin“, Briefmarke der Polnischen Post von 1967.

Der Sohn der Begründer der Sammlung, Fürst Adam Jerzy, erwarb das Leonardo-Gemälde 1800 und schenkte es seiner Mutter Izabela für deren schnell wachsende Kunstsammlung in Puławy, einem klassizistischen Schloss mit Landschaftspark, südlich von Warschau an der Weichsel gelegen. Ostpolen war damals russisch und die Czartoryskis leiteten von Puławy aus 1830 den Novemberaufstand gegen die verhassten Besatzer.

Nach der blutigen Niederschlagung flohen die Fürsten 1831 mit ihrer Sammlung nach Paris. 1876 brachte Prinz Władysław den Leonardo und die anderen Werke zurück nach Polen, nach Krakau im österreichischen Teilungsgebiet, wo er bald darauf eines der ersten Privatmuseen der Welt eröffnete.

Begegnungen der „Dame“ mit Deutschland

Mehrere Male verweilte die „Dame mit dem Hermelin“ in Deutschland. Nicht immer freiwillig. Während des Ersten Weltkrieges wurde das Bild aus dem immer noch österreichischen Krakau nach Dresden evakuiert und in der dortigen Gemäldegalerie gezeigt. Ihrer Leitung fiel es, wie es heiβt, sehr schwer sich von der „Dame“ zu trennen. Erst 1920 gelang es, alle Hindernisse, die man in Dresden der Rückführung in den Weg legte, zu beseitigen. Das Gemälde kam wieder nach Kraków in das inzwischen unabhängige Polen.

Neunzehn Jahre später ging es wieder nach Deutschland. Nach dem Überfall auf Polen 1939 plünderten die Deutschen die Kunstschätze des Landes. Besonders hemmungslos war Hans Frank, der von Krakau aus das sogenannte „Generalgouvernement“ leitete und den Besatzungsterror beaufsichtigte.

Generalgouverneur, Kunstliebhaber und Kunsträuber Hans Frank (rechts i. B.) in Berlin am Sarkophag des polnischen Königs Kazimierz Jagiellończyk aus der Wawel-Kathedrale in Kraków .

Frank inszenierte sich wie ein Renaissancefürst. Seinen Amtssitz auf dem Wawel, dem Krönungsort und der Grablage polnischer Könige, stattete er pompös mit geraubten Kunstwerken und Antiquitäten aus. Auch die drei wertvollsten Bilder aus dem Czartoryski-Museum reklamierte der Generalgouverneur für sich: da Vincis „Dame mit dem Hermelin“, das „Porträt eines jungen Mannes“ von Raffael und Rembrandts „Landschaft mit dem barmherzigen Samariter“.

Genau diese drei Werke hatten aber auch die Begehrlichkeit des maßlosen Sammlers und Kunsträubers Hermann Göring geweckt. So kamen sie schon im Herbst 1939 nach Berlin und wurden im Kaiser-Friedrich-Museum (dem heutigen Bode Museum, wo die „Dame“ 2011 erneut zu sehen war) untergebracht.

Als Hans Posse, Direktor der Dresdner Sempergalerie und Hitlers Kommissar für das geplante Führermuseum in Linz, im Dezember 1939 nach Polen reiste hielt er nur die drei Czartoryski-Bilder für wert in das monströse Supermuseum aufgenommen zu werden. Warum Hitler sie nicht für sich forderte ist unbekannt. So stritten sich Frank und Göring um Leonardo, Raffael und Rembrandt.

Der österreichische Kunsthistoriker und SS-Brigadeführer Kai Mühlmann, ein im ganzen besetzten Europa marodierender Nazi-Kunsträuber im staatlichen Auftrag, musste zweimal mit den empfindlichen Werken zwischen Krakau und Berlin hin und her fahren. Am Ende setzte sich Frank durch und hängte Cecilia Gallerani in sein Musikzimmer auf dem Wawel, wo der selbsternannte Feingeist schwelgerisch Chopin spielte.

Am 17. Januar 1945 floh Hans Frank in einer Wagenkolonne nach Oberbayern, im Gepäck die drei Hauptwerke aus dem Czartoryski-Museum. Als ihn die Amerikaner am 4. Mai im „Haus Bergfrieden“ am Schliersee fassten, hingen dort die „Dame mit dem Hermelin“ und der Rembrandt an der Wand.

Insgesamt siebenmal fuhr der polnische Kunsthistoriker Prof. Karol Estreicher zwischen 1945 und 1948 kreuz und quer durch das besetzte Deutschland. In polnischer Uniform, ausgestattet mit Vollmachten der Warschauer Regierung, fahndete er an der Spitze eines Suchtrupps nach geraubten polnischen Kunstschätzen. In Nürnberg und auf Schloss Wiesenthau fand er den geraubten, von Feuchtigkeit und Holzwürmern befallenen Veit-Stoβ-Altar. Bald darauf entdeckte er die Gobelins und die Porzellan-Sammlung aus dem Krakauer Wawel-Schloss, Canalettos Veduten (wirklichkeitsgereue Darstellungen) des Warschauer Stadtbildes im 18. Jahrhundert und weitere gut 35.000 von den Nazis geraubte polnische Kunstgegenstände.

Historischer Augenblick. Am 30. April 1946 präsentiert Karol Estreicher die zurückgebrachte „Dame mit dem Hermelin“.

Der erste Zug mit siebenundzwanzig Güterwaggons traf am 30. April 1946 in Kraków ein. Von amerikanischen Soldaten bewacht, brachte er auch die „Dame mit dem Hermelin“ nach Polen zurück. Stolz zeigte sie Estreicher auf dem Bahnsteig den Pressefotografen.

Ein halbes Jahr später, am 1. Oktober 1946, wurde Hans Frank in Nürnberg gehängt. Das Jünglingsporträt Raffaels, das der „Frau mit dem Hermelin“ Leonardo da Vincis an Ausstrahlung in Nichts nachsteht, bleibt bis heute verschollen. Hat es Franks Ehefrau womöglich bei einem bayerischen Bauern gegen Lebensmittel eingetauscht und es harrt unerkannt auf irgendeinem Hof seiner Entdeckung?

Die Sammlung wird derweil neu katalogisiert und sortiert. Es gilt vor allem die vollgestopften Magazine zu durchforsten und so manche verstaubten Schätze ans Tageslicht zu fördern. Fachleute des Krakauer Nationalmuseums versprechen, dass, wenn spätestens 2020 das renovierte Czartoryski-Museum seine Pforten öffnet, die Öffentlichkeit lange nicht aus dem Staunen herauskommen wird.

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