Polen fragen, die AfD antwortet

Reden statt beschimpfen.

Es gibt aus polnischer Sicht viele wichtige Fragen, die man der AfD stellen muss. Wie sie ihre Rolle in der deutschen Politik sieht. Nach ihrer Deutung der Geschichte und ihrem Umgang mit der deutschen Traditionspflege, nach der Oder-Neiβe-Grenze, EU, Russland, nach der US-Militärpräsenz in Europa…

Die AfD ist mittlerweile ein fester und prägender Bestandteil der deutschen Politik. Man kann nicht ausschlieβen, dass sie eines nicht fernen Tages für das Erste in einigen Bundesländern mitregieren wird. In Polen hat sie keinen Ansprechpartner. Auch die polnische nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit meidet Kontakte zur AfD, obwohl es hier und da gemeinsame politische Positionen gibt.

Die AfD hat viele Gesichter, sie spricht mit vielen Zungen. Welche sind maβgebend? Wer sich mit der AfD abgibt kann zudem leicht für die bedauerlichen rhetorischen Exzesse mancher ihrer Funktionäre haftbar gemacht werden.

Journalisten des Wochenmagazins „Sieci“ („Netzwerk“) haben all die für Polen bedeutenden Fragen dem Berliner AfD-Chef Georg Pazderski gestellt. Inwieweit seine Antworten für die gesamte AfD repräsentativ sind, bleibt offen. Der polnisch-deutsche Dialog jedenfalls ist um eine neue Facette reicher geworden. Das Interview erschien in der „Sieci“-Ausgabe vom 20. Januar 2019.

Georg Pazderski.

Frage: Die deutsche Politik ist ein durch und durch festgefügtes System mit einer starken Schieflage zur linken Seite. Wie konnte sich die AfD unter solchen Umständen durchsetzen?

Pazderski: Immer wenn irgendeine Gruppierung auch nur ein wenig rechts von der CDU auftauchte, erhoben sich sofort Stimmen: passt auf, das sind Nazis, ihr wisst doch um unsere Geschichte. Das wirkte. Bei der AfD hat es zum ersten Mal nicht funktioniert.

Wir sind im Bundestag vertreten, in sechzehn Landtagen, im Europaparlament. Bei den Europawahlen im Mai 2019 können wir bis zu zwanzig Mandate holen. Wenn wir an Unterstützung und Bedeutung gewinnen, büβen andere sie ein.

Es ist eine politische Kraft entstanden, die anderen auf die Finger schaut, die den Finger in die Wunde legt. Mit so etwas hatten die etablierten Parteien seit dreiβig Jahren nicht zu tun. Auch daher rührt die Abneigung gegen uns.

AfD-Programm. Polnische Übersetzung.

Was war der wichtigste Grund des AfD-Wahlerfolgs 2015? Die Migrationskrise?

Nein, das war das seit vielen Jahren andauernde Abdriften der CDU nach links, besonders zur Zeit Angela Merkels. Die Christdemokraten haben sozialdemokratische, grüne und teilweise noch linkere Positionen bezogen. Auf der rechten Seite entstand ein Vakuum, in das die AfD vorgedrungen ist.

Interessanterweise hat unser Erfolg die CDU nicht zu einer Kurskorrektur veranlasst. Sie glauben immer noch, mehr Stimmen zu gewinnen, wenn sie nach links gehen, anstatt nach rechts. Für uns ist das eine gute Nachricht, denn so wächst unser Potenzial. Das ist eine Chance, die wir mit Ideen, Konzepten und Vorschlägen unterfüttern müssen. Wir müssen als eine Gruppierung wahrgenommen werden, die Verantwortung übernehmen und Probleme lösen kann.

Die AfD jedoch wird weiterhin bezichtigt, extrem rechts zu stehen und mit Neonazis zu sympathisieren. Auch in Polen sind solche Stimmen zu vernehmen.

Das Trommelfeuer dauert an. Die Zeitungen sind voll mit solchen Bezichtigungen, die von den Konkurrenzparteien geschürt werden. Gewiss, manchmal sagt jemand von unseren Mitgliedern etwas, weshalb man sich nur an den Kopf fassen kann. Es sind aber Einzelfälle.

Elena Roon, die AfD-Kreisvorsitzende in Nürnberg verschickte in einer internen Chat-Gruppe ein Hitler-Bild mit der Anmerkung „Vermisst seit 1945 – Adolf bitte melde Dich! -Deutschland braucht Dich!“

Zum Beispiel. Wir hatten auch Fälle von Holocaustleugnung, es wurde demonstrativ die blaue Kornblume getragen, die den illegalen österreichischen Nazis als Erkennungszeichen diente.
Wir reagieren, bemühen uns solche Leute los zu werden, was nicht immer einfach ist. Dabei steht die AfD unter einer peniblen Beobachtung der gesamten Öffentlichkeit. Ein Eintrag in den sozialen Medien reicht aus, um einen landesweiten Sturm der Entrüstung zu entfesseln.

Pro-polnische AfD-Stellungnahme.

Werden sie von den deutschen Geheimdiensten beobachtet?

Nicht als Ganzes, aber einzelne Personen können observiert werden.

Wenn sie einem Dauerbeschuss der Medien und der Politik unterliegen, wie verständigen sie sich dann mit ihren Wählern?

Wir arbeiten hart daran. Ich zum Beispiel unterhalte sehr korrekte Kontakte zu Journalisten. Es gibt natürlich auch die sozialen Medien, die immer noch verhältnismäβig frei sind.

In der Bevölkerung wächst zudem die Kritik an den traditionellen Medien. Ich kenne Leute, die auf deutsche Zeitungen verzichten und dazu übergehen die „Neue Zürcher Zeitung“ zu abonnieren. Sie finden, das schweizerische Blatt beschreibt die deutsche Wirklichkeit viel objektiver als zum Beispiel die FAZ.

Es werden Stimmen laut, wir bewegen uns in Richtung einer „DDR 2.0“. Dorthin führen die eingeengten Horizonte, die politische Korrektheit, Versuche die sozialen Medien zu überwachen.

Pro-polnische AfD-Stellungnahme.

Wie ist die soziale Zusammensetzung der AfD? Wer sind ihre Mitglieder und Sympathisanten?

Das sind ganz normale Leute, die noch vor nicht langer Zeit CDU, SPD oder die Liberalen gewählt haben. Etwa zehn Prozent der Deutschen sind unsere Stammwähler, halten uns die Treue. Eine Gruppe von sechs bis zwanzig Prozent schwankt in ihrer Zustimmung für die AfD. Wir haben eine gröβere Unterstützung in der arbeitenden Bevölkerung als die SPD. Ebenfalls eine wichtige AfD-Wählergruppe sind die klassischen Liberalkonservativen.

Haben die Arbeiter das Gefühl, die SPD habe sie verraten?

Ja. Menschen aus unteren Sozialschichten betrachten uns als ihre Stimme im Parlament. Wer trägt die Kosten der Masseneinwanderung? Nicht diejenigen, die zehntausend Euro im Monat verdienen. Den Preis bezahlen Geringverdiener, die um die raren Niedriglohnjobs, bezahlbare Wohnungen, die Ausbildung ihrer Kinder konkurrieren müssen. Sie sehen, dass es nicht gut zugeht in Deutschland und finden, dass nur die AfD das ändern kann, dass sien die Wahrheit sagt, nicht versucht Sand in die Augen zu streuen.

AfD-Positionen. Keine EU-Einmischung in Polen und kein deutsches Kindergeld in EU-Deutschland für Arbeitende aus  EU-Polen.

Wie erklären Sie, dass die AfD in der ehemaligen DDR viel mehr Unterstützung erfährt als im Westen des Landes. Ein Teil eurer Kritiker ist der Meinung, die AfD zieht Wähler an, die „autoritäre Sehnsüchte“ hegen.

Im Westen sind die Bindungen der Wähler an die traditionellen Parteien viel stärker. Dort wird oft seit Generationen dieselbe Partei gewählt. Das ist vererbte Zustimmung. Ältere Menschen bleiben der SPD oder der CDU treu.

Im Osten finden die Leute, dass wenn eine Partei versagt hat, dann sollte man etwas Neues ausprobieren. Im Osten Deutschlands ist die Demokratie wahrhaftiger, voller. Dort ist das Meinungsspektrum viel breiter und die Menschen haben weniger Angst ihre Meinung zu sagen.

AfD-Positionen. Von Polen beschämt. Polen haben Sachsen eine Mercedes-Motorenfabrik nach Jawor/Jauer weggeschnappt (oben). Polen elektrifizieren die Bahnstrecke Dresden-Wrocław viel schneller auf ihrer Seite der Grenze als die DB auf der Ihrigen.

Ist Ostdeutschland weniger eingeschüchtert von der politischen Korrektheit als der Westteil des Landes?

Auf jeden Fall. Die Ostdeutschen finden, dass sie 1989 und 1990 für eine wahre Demokratie gekämpft haben, für das Recht uneingeschränkt wählen zu können. Auch deswegen verzeichnen wir in den östlichen Bundesländern eine Unterstützung zwischen zwanzig und vierundzwanzig Prozent, und ich kann ihnen versichern, es ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

Auch im westlichen Teil, vor allem im dortigen Süden haben wir viel Rückhalt. Das schwierigste Terrain für uns sind Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen. In Berlin gestaltet sich die Zustimmung für die AfD recht unterschiedlich. Die Hauptstadt ist nun mal ein gesamtdeutscher Mikrokosmos. Im Osten der Stadt bekommen wir jede vierte Wählerstimme, in manchen Stadteilen dort bis zu dreiβig Prozent.

Man kann eine hohe Unterstützung haben und dennoch nie an die Macht kommen.

Wir müssen uns in Geduld üben. Als die Grünen in die deutsche Politik vordrangen, hat man sie noch 1980 als eine „Terroristenpartei“ bezeichnet, wegen ihrer Verbindungen zur Roten Armeefraktion. Sie waren vollends isoliert. Einige Jahre später zogen sie in die Landesregierungen ein. Joschka Fischer wurde Minister in Hessen und 1998 Auβenminister.

Ähnlich hat man ziemlich lange die PDS wegen ihrer totalitären Wurzeln behandelt. Heute arbeiten die Postkommunisten vielerorts mir der SPD zusammen.

So kann es auch der AfD ergehen. Die erste Chance könnte sich im Herbst 2019 nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen ergeben. Wir können dort zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Prozent der Stimmen bekommen und die stärkste oder zweitstärkste Partei werden. Die CDU wird sich entscheiden müssen, ob sie mit uns zusammenarbeiten oder sich an einer Vierparteien-Koalition beteiligen will. So eine Koalition zu bilden kann sehr schwer sein. Wir müssen nicht gleich in die Regierung eintreten, dass kann auch eine vereinbarte Tolerierung sein.

Mit der Zeit werden uns die anderen Parteien wie Partner behandeln, aber man muss abwarten. Viele hoffen noch darauf, uns auszuschalten, zu vernichten, mit allen Mitteln.

AfD-Positionen. Wieder Kontrollen an der Grenze zu Polen einführen.

In Bremen wurde der AfD-Politiker Frank Magnitz auf offener Straβe schwer verletzt. Ein politisch motivierter Beweggrund liegt nahe. Hat dieses Ereignis ein Umdenken im leitenden politischen und medialen Lager verursacht?

In Deutschland haben fünfundsiebzig Prozent aller Journalisten eine klar definierte linke Gesinnung. Das deutsche Journalistenmilieu als Ganzes ist demnach keineswegs objektiv. Die Journalisten sind mental, weltanschaulich eng verwoben mit der Regierung und mit linken Parteien. Viele von ihnen glauben allen Ernstes daran einer guten Sache zu dienen, edelmütig zu sein. Das ist manchmal schon ein Missionieren aus der Überzeugung heraus, am modernen deutschen Wesen wird die Welt genesen. So seien angeblich die Lehren aus unserer Geschichte. Dahinter verbirgt sich ein riesiges Schuldgefühl. So gesehen, ist die Änderung der Einstellung zu einer rechten Partei, wie der AfD, nicht einfach.

Der Zwischenfall mit Frank Magnitz kann auch ein Versuch sein die AfD einzuschüchtern. Fürchten Sie nicht um ihre Gesundheit und ihr Leben?

Ich habe keine Angst, aber ich schaue mich schon genau um beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto. Ich bin einundvierzig Jahre lang Berufssoldat gewesen, bin gewohnt mit Gefahren umzugehen. Solche Vorfälle wie der in Bremen bewirken, dass wir in der AfD vorsichtiger geworden sind, möglichen Provokationen aus dem Weg gehen, denn alles ist möglich.

Vor eineinhalb Jahren wurde mein Berliner Haus mit Farbbeuteln beworfen, die Fassade und die Fenster beschädigt. Bei meinem Auto haben sie die Scheiben eingeschlagen, die Reifen zerschnitten. Der Schaden betrug zwölftausend Euro.

Nicht erst seit heute wird dem deutschen Staat vorgeworfen, er toleriere die Aktivitäten linker Rollkommandos.

Die deutsche Regierung ist blind auf dem linken Auge. Linke Gewalt, auch Kriminalität werden hingenommen. In Hamburg, beim G20-Gipfel, veranstaltete die radikale Linke einen kleinen Bürgerkrieg und nichts passierte. Die Presse, die sich pausenlos über noch so kleine Neonaziaktivitäten aufregt, reagiert nicht auf die steigende Gewaltbereitschaft der anderen Seite. Die Botschaft ist klar: solange Du gegen die Rechte kämpfst, bist du sicher.

Wie beurteilen Sie die deutsche Vergangenheit, vor allem die im 20. Jahrhundert?

Die Jahre 1933-1945 waren eine dunkle Zeit. Mir ist immer noch nicht ganz klar, wie ein Volk mit so einer Kultur so tief fallen konnte. Der einzige Trost ist, dass wir es geschafft haben uns unserer Vergangenheit zu stellen. Wir reden darüber, wir ziehen keinen Schlussstrich, und so muss es sein, damit sich das Geschehene niemals wiederholt.

Ergeben sich aus der Vergangenheit besondere Pflichten für den deutschen Staat und für das deutsche Volk?

Ja, wir haben besondere Pflichten, aber im heutigen Deutschland lebt die dritte und vierte Nachkriegsgeneration. Diese Menschen trifft keine Schuld an den Verbrechen, aber sie müssen darüber Bescheid wissen und dürfen nicht vergessen was passiert ist.

Trägt die Schuld an den Verbrechen das deutsche Volk oder tragen sie, in ihrer nationalen Zugehörigkeit nicht näher definierte, Nazis?

Wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht, trägt das deutsche Volk die Verantwortung für die Verbrechen. Natürlich gibt es auch einen historischen Hintergrund, den Ersten Weltkrieg und seine Folgen. Alle Völker haben damals Fehler begangen, nicht nur die Deutschen, auch die Amerikaner, Franzosen, Briten. Diese Ereignisse, gepaart mit der wirtschaftlichen Situation, haben die Nazis an die Macht gebracht.

In seiner bekannten Hitler-Biografie schreibt Joachim Fest, dass, wenn Hitler 1937 gestorben wäre, man ihn als einen der herausragendsten deutschen Politiker einstufen würde. Hitler aber hat überlebt und es ist Schreckliches passiert. Die Deutschen trifft die Schuld dafür.

AfD-Positionen. Polen als Vorbild in der Migrationsfrage.

In Polen erweckte groβes Aufsehen, was AfD-Chef Alexander Gauland gesagt hat: „Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill sind, haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Das klingt schon sehr revisionistisch.

Ich weiβ nicht, ob das die Absicht von Alexander Gauland war. Auf jeden Fall kann man stolz sein auf einige Leistungen deutscher Soldaten, rein militärisch betrachtet. Beispiel, die Ardennen-Offensive Ende 1944 oder das was die Gespensterdivision unter Erwin Rommel geleistet hat. Man kann die Überraschungseffekte, die sie erzielt hat, ihre Schnelligkeit und Geschicklichkeit bewundern.

Das Studieren gewesener Schlachten und Militäroperationen ist ein Bestandteil der soldatischen Ausbildung und nichts Verwerfliches. Es gibt soldatische Leistungen, die geradezu heroisch waren, wie die eines deutschen Panzerkommandeurs der einhundertvierzig russische Panzer vernichtet hat. Von ihm kann man sagen, dass er der beste Panzersoldat war.

Diese Taten sind nur ein Teil eines Ganzen, das verbrecherisch war.

Ja, das geschah im Namen einer verbrecherischen Regierung. Wir wissen, dass die Deutschen beinahe die gesamte polnische Intelligenz ermordet haben. Doch die einfachen Soldaten im Feld wussten das nicht. Es kam vor, dass sie ritterlich gekämpft und gelungene Militäroperationen durchgeführt haben.

Das was Sie sagen nährt jedoch die Befürchtung, dass es nicht dabei bleibt. Sie beschränken sich auf die Bewunderung für einige Einheiten. Andere, auch die nächsten Generationen, können da weitergehen, sich für das perfekte In-Szene-Setzten der Nürnberger Parteitage begeistern, den Schwung mit dem Leni Riefenstahl ihre Filme gedreht hat oder noch Schlimmeres.

Nein, das kann man nicht vergleichen. Glauben Sie nicht, dass, vergleichbar, polnische Soldaten die Geschichte der militärischen Leistungen der polnischen Armee kennen sollten? Handwerklich betrachtet, sollte man gewesene Militäroperationen erforschen. Historisch gesehen, befehligte sie eine verbrecherische Regierung. Das unterliegt keinem Zweifel.

Will die AfD die deutsche historische Identität verändern, die in der Nachkriegszeit entstanden ist, die viele Tabus und Schuldgefühle enthält?

Die deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945 brachte Europa und der Welt Tod und Unglück. Das muss auf uns lasten. Andererseits gehören zur deutschen Geschichte auch Karl der Groβe, Martin Luther, die Aufklärung, Bach. Wir können nicht sagen Deutschland das ist nur der Nationalsozialismus oder das sind nur die schönen Seiten. Die Geschichte ist ein Ganzes und so muss man sie sehen.

Unmittelbar nach dem Krieg hat man über die Jahre 1939-1945 nicht gesprochen. In meiner Schule begann der Geschichtsunterricht mit dem antiken Griechenland, endete 1933 und wir sprangen über zum Jahr 1946. Dazwischen klaffte ein schwarzes Loch.

Zudem war meine Situation besonders. Für die Gleichaltrigen war ich der „Polacke“. Die erste Nachkriegszeit war sehr spezifisch.

Wie ist die Haltung Ihrer Partei zu den deutschen Nachkriegsgrenzen?

Die Grenzen sind so wie sie sein sollen. Ich bewundere bis heute Willy Brandt dafür, dass er sich dazu durchgerungen hat die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen. Ich habe übrigens für ihn gestimmt, weil ich der Meinung war, dass wir uns mit unseren östlichen Nachbarn verständigen müssen. Es gibt heute keine Grenzfrage.

Die AfD hat viel Zulauf bekommen infolge der Migrationskrise von 2015. Warum hat sich Angela Merkel damals für die Grenzöffnung entschieden?

Das wissen wir nicht. Wir haben die Einberufung eines Untersuchungsausschusses beantragt, der diese Angelegenheit ausleuchten sollte. Merkels Entscheidung nämlich war ein Bruch des deutschen- und des Völkerrechts.

Zudem hat niemand die Deutschen nach ihrer Meinung gefragt. Eine ganze Menge Probleme sind deswegen bei uns in Deutschland und in Europa entstanden. Heute haben wir zwei Millionen Migranten mehr im Land. Nach Informationen der „Welt“ kostet jeder Migrant den deutschen Staat 3.500 Euro monatlich, also 42.000 Euro pro Jahr. Das ergibt 84 Milliarden Euro jährlich!

Dafür haben sie Tausende gut ausgebildete Ärzte und Ingenieure.
[lacht] Ein wichtiger Bestandteil dieser Unternehmung war das Betrügen der Öffentlichkeit. Es geht nicht nur um die Kosten.
Heute sehen wir, dass sich die Migranten nicht integrieren wollen. Wenn sie so viele sind, brauchen sie nicht Deutsch zu sprechen. Arabisch genügt. Das wiederum bedeutet, dass sie dauerhaft von unserem Sozialsystem leben werden.

Hinzu kommt ein Zuwachs an Kriminalität, vor allem an Vergewaltigungen und Messerstechereien. Laut Statistik wird einer von neun Migranten kriminell. In der übrigen Bevölkerung beträgt das Verhältnis eins zu fünfundsechzig.

Die Befürworter der Migration werden sagen, dass man sich mehr Mühe geben, mehr Geld investieren, noch offener sein muss.

Mehr geht kaum mehr. Eins aber möchte ich klarstellen. Man muss Kriegsflüchtlingen helfen, aber möglichst heimatnah, in den Nachbarländern. Für das Geld, das wir für einen Migranten in Deutschland ausgeben, können wir vor Ort wirksam einhundertdreiβig Menschen helfen.

Asylanten, die wirklich vor Verfolgung fliehen, sollen bleiben dürfen. Doch 95 Prozent der Migranten kommen aus wirtschaftlichen Gründen. Sie sollten wir nicht reinlassen. Sicher, sie suchen ein besseres Leben und handeln sehr rational. Wir in ihrer Lage würden wahrscheinlich dasselbe tun. Die Migrationskrise ist nicht ihre Schuld. Schuld sind Politiker.

Wie lautet die politische Antwort der AfD auf die Migrationskrise? Es geht ja auch um den dramatischen Geburtenrückgang in Europa, das Altern der Gesellschaft, den Arbeitskräftemangel.

Wer hat gesagt, dass wir in Deutschland unbedingt 82 Millionen Einwohner haben müssen? Vielleicht reichen 75 oder 70 Millionen aus? Die nächste technologische Revolution ist im Anmarsch, viele Arbeitsplätze werden entfallen.

Heute geht es vor allem darum, dass wir keine offenen Grenzen mehr haben, dass Deutschland die Kontrolle über sie wiedergewinnt. Jeder der kein Bleiberecht hat bei uns sollte abgeschoben werden. Heute werden selbst illegale Migranten nicht belangt. In Berlin erlauben die Behörden jedem zu bleiben, der hierher kommt.

Sind sie für die Abschaffung der Schengen-Zone?

Ja, weil die EU nicht fähig ist die Auβengrenzen zu kontrollieren.

Und wie halten sie es mit der EU?

Wir wollen sie reformieren in Richtung mehr Subsidiarität. Die Nationalstaaten sollen mehr zu sagen haben. Die EU soll sich nur damit beschäftigen, was sie besser als die Nationalstaaten lösen kann, zum Beispiel den gemeinsamen Markt hüten.
Heute reiβt die EU immer mehr Zuständigkeiten an sich. Wozu eigentlich? Sollte eine Reform nicht möglich sein, dann muss Deutschland aus der EU austreten.

Der Dexit wäre das Ende der EU.

Zuerst müssen wir versuchen zu reformieren, und es ist uns klar, dass das mindestens einige Jahre lang dauern wird. Auf keinen Fall jedoch, werden wir einen europäischen Überstaat hinnehmen. Das Europäische Parlament wird niemals eine volldemokratische Legitimation haben.

Aus polnischer Sicht wird die EU vollends von Deutschland bestimmt und arbeitet für Deutschland.

Die Deutschen wiederum sind überzeugt, dass vor allem sie die EU finanzieren. Nicht einmal unsere EU-Exporte werden fair abgewickelt. In Wirklichkeit verkaufen wir auf Kredit, weil wir den Staaten des Südens Geld leihen. Zudem haben wir im Rahmen der Euro-Zone keinen Einfluss mehr darauf.

Bei dieser Gelegenheit kann ich euch raten, lasst die Finger von der gemeinsamen Währung. Der Euro hat Griechenland, Spanien, Portugal, Italien schreckliche Schäden zugefügt.

Was halten Sie von der Einmischung der EU in die polnische Justizreform?

Das ist eine innerpolnische Angelegenheit. Das Bild Polens und Ungarns in den deutschen Medien ist sehr negativ. Deutsche Politiker und Medien können nicht ertragen, dass es in einem benachbarten Land eine konservative Regierung gibt, die vieles anders sieht als sie.

Dasselbe gilt für Donald Trump. Ich habe einige Jahre lang in den Vereinigten Staaten gelebt, habe dort viele Freunde und ich weiβ, wie sehr sie mit dem jetzigen Präsidenten zufrieden sind. Sie sagen, er sei der erste Politiker seit Jahren, der seine Wahlversprechen einhält.

Ist die AfD eine prorussische Partei?

Ganz sicher hat Ostdeutschland starke mentale und wirtschaftliche Bindungen zu Russland. Viele deutsche Unternehmen leiden unter den Sanktionen gegen Russland. Wir brauchen Frieden in Europa. Es muss eine europäische Ordnung entstehen, die die Interessen Russlands, der USA und der ostmitteleuropäischen Staaten berücksichtigt, die den Osten mit anderen Augen sieht als Deutschland.

Was soll man aber mit einem Russland anfangen, das reihum seine Nachbarn angreift? Georgien, die Krim, Ostukraine. Jetzt will es Weiβrussland schlucken. Wie oft und wie lange kann man das mit Appellen abtun, die zum Dialog aufrufen?

Die territoriale Ganzheit aller europäischen Staaten unterliegt keiner Diskussion. Man darf Russland nicht erlauben, seine Grenzen Richtung Westen zu verschieben. Die Nato sagt das eindeutig und zeigt wo die rote Linie verläuft. Mit Russland kann man nur von Gleich zu Gleich reden. Das ist die Sprache die sie verstehen und respektieren. Eine Politik der Zugeständnisse, der Besänftigung und Beschwichtigung ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

Sind sie für die Anwesenheit amerikanischer Truppen in Europa?

Selbstverständlich. Die USA sind das Schlüsselelement der Nato, eines Bündnisses, das uns seit so vielen Jahrzehnten den Frieden garantiert. Wer das infrage stellt versteht die Amerikaner nicht. Natürlich wollen sie Geschäfte machen, Geld verdienen. Es ist aber auch ein Volk, das sich in Selbstlosigkeit übt und für die Verteidigung der Freiheit sehr viel übrig hat.

Welche Politik wird die Regierungspartei AfD gegenüber Polen und den anderen Staaten der Region verfolgen?

Ich und die anderen Führungspersonen der AfD hoffen, dass es gelingt nähere Kontakte zwischen den konservativen Parteien Europas aufzubauen. Wir wollen uns austauschen und zusammenarbeiten mit Recht und Gerechtigkeit. In vielen Bereichen haben wir fast gleichlautende Meinungen. Da muss man ansetzen.

Wie wichtig ist für die AfD die Auβeinandersetzung mit der Ideologie der sogenannten offenen Gesellschaft?

Sehr wichtig. Wir sind die einzige Partei in Deutschland, die sich dieser Herausforderung stellt. Die Gender-Ideologie, die sehr frühe Sexualisierung der Kinder, die politische Korrektheit, das alles lotst Europa in die falsche Richtung. Oft handelt es sich dabei auch um puren Unsinn. Wie kann man behaupten, dass man das Geschlecht beliebig wechseln kann? Ist doch absurd.

Angela Merkel sagt, der Islam sei ein Teil Deutschlands geworden.

Nein. Europa ist auf drei Hügeln gebaut. Auf Golgota, das ist das Christentum. Auf der Akropolis, das ist das antike Griechenland und auf dem Kapitol, das ist das antike Rom. Europa das ist die jüdisch-christliche Zivilisation. Was hat der Islam damit zu tun? Bis ins 17. Jahrhundert unternahm der Islam alles um Europa zu erobern. Das hätte ihm sogar gelingen können, wäre da nicht der polnische König Johannes III. Sobieski gewesen.

Sie sind polnischer Abstammung. Ihr Vater war Pole, wurde während des Krieges als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt und blieb dort nach dem Krieg. Ist das wichtig für sie?

Die Hälfte meines Blutes ist polnisch und deswegen weckt Polen in mir warme Gefühle. Meine Groβeltern waren Polen und ich weiβ, dass sie mich sehr geliebt haben. Sie schickten mir Pakete mit Konserven, Halva und Kinderbüchern, die mir mein Vater übersetzte. Das war nicht einfach, weil es nicht leicht ist das Kindergedicht „Die Lokomotive“ von Julian Tuwim ins Deutsche zu übertragen.

Sie waren ein ranghoher Berufssoldat. Warum sind sie in die Politik gegangen?

Nach der Rückkehr von Auslandseinsätzen, bei denen ich viele Jahre verbracht habe, musste ich feststellen, dass mein Land in die falsche Richtung abdriftet. Später ist mir klar geworden, dass man das nicht ändern kann, indem man nur wählen geht. Man muss etwas tun.

Deutschland hat mir die Chance geboten viele meiner Träume zu verwirklichen. Jetzt, wo ich vier Enkelkinder habe, befürchte ich, dass sie nicht die Möglichkeiten haben werden, die ich hatte. Deswegen habe ich mich der entstehenden AfD angeschlossen. Wir haben viel erreicht. Auch in der Opposition beeinflussen wir die Wirklichkeit.

RdP




AfD? Für Polen passé

Nach der Bundestagwahl. Chancen, Risiken, Nebenwirkungen für Polen. Aus Warschau betrachtet.

Der Soziologieprofessor und Europa-Abgeordnete Zdzisław Krasnodębski ist einer der wichtigsten intellektuellen Vordenker der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit. Das Gespräch mit ihm, das wir in leicht überarbeiteter Form wiedergeben, erschien im Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“) vom 8. Oktober 2017.

Prof. Zdzisław Krasnodębski.

Vor kurzem haben Sie öffentlich gesagt, Angela Merkel sei politisch geschwächt aus den letzten Bundestagswahlen hervorgegangen und aus diesem Grund werde sie nun eher bereit sein, ein Einvernehmen mit der jetzigen Warschauer Regierung zu suchen.

Ich bin der Meinung, dass eine deutsche Regierung, die aus drei sehr unterschiedlichen Parteien besteht, ein für uns zugänglicherer Partner sein wird als die groβe Koalition der CDU mit den Sozialdemokraten. Die SPD hat seinerzeit viel für die Verständigung mit Polen und die Anerkennung der Oder-Neiβe-Grenze getan, heute jedoch ist sie vor allem eine Partei mit sehr starken Bindungen an Russland. Gerhard Schröder gehört weiterhin zu ihrem nahen Umfeld, einstige enge Mitarbeiter Schröders, wie z.B. Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel verfügen in der SPD über groβen Einfluss.

Ohne die SPD in der deutschen Regierung wird es leichter fallen an den Sanktionen gegen Russland festzuhalten. Es kann auch gelingen den Bau der Nord Stream 2–Gasleitung von Russland nach Deutschland unter der Ostsee aufzuhalten. Angela Merkel hat immer wieder beteuert diese Gasleitung sei ein rein wirtschaftliches Vorhaben. Damit hat sie zu verstehen gegeben, dass die Verbindungen zu Russland für sie kein Dogma seien, sondern eine Frage der Interessenlage. Die Grünen sind in Bezug auf Russland noch viel kritischer.

Die Grünen und die Liberalen sind also paradoxerweise unsere Verbündeten?

Wir, die polnischen Nationalkonservativen, haben in Deutschland keine dauerhaften Verbündeten, mit denen wir auf breiter Front zusammenarbeiten könnten. Möglich jedoch sind umstandsbedingte, taktische Zweckbündnisse. Mit den Grünen in der Russlandpolitik, mit den Liberalen in der Europapolitik, weil sie, wie wir, die Pläne zur Schaffung einer Kern-EU aus Ländern die den Euro haben ablehnen usw.

Die herben Stimmeneinbuβen der CDU von knapp neun Prozent hängen eindeutig zusammen mit der „Willkommenspolitik“ von Frau Merkel.

Wenn sie nach ihrer Entscheidung im Jahr 2015, die Grenze für die Immigrantenflut zu öffnen gefragt wird, verteidigt sie ihren damaligen Entschluss und weigert sich ihren Fehler einzugestehen, aber das sind nur Worte. In Wirklichkeit hat sie ihre Herangehensweise grundlegend geändert. Sie spricht jetzt von Sicherheit, von Bedrohungen, von Ausweisungen derer, denen kein Asyl gewährt wurde. Im Wahlkampf war keine Rede mehr von der „Willkommenskultur“, das Wort des Jahres 2017 in Deutschland lautet „Gefährder.

Sicherlich waren die Wahlergebnisse, obwohl eigentlich vorhersehbar, ein Schock für das deutsche politische Establishment. Die Deutschen haben eindeutig zu verstehen gegeben was sie von der Immigrationspolitik der offenen Tür halten. Verloren hat die bisherige Regierungskoalition, verloren haben die Sozialdemokraten, einen gewaltigen Erfolg verzeichneten dafür die bisherigen nicht im Parlament vertretenen Parteien, die AfD und die FDP. Das kann man nicht mehr einfach so übergehen.

Wird aufgrund dessen die EU aufhören Polen wegen seiner Weigerung Immigranten aufzunehmen anzugreifen?

Ja. Das Programm der zwangsweisen Umverteilung der Immigranten ist gescheitert. Selbst die Deutschen haben ihre Verpflichtungen diesbezüglich nur zu siebenundzwanzig Prozent erfüllt. Frau Merkel hat einst die Richtung der Immigrationspolitik in der EU vorgegeben, und sie wird jetzt die neue, entgegengesetzte Richtung vorschreiben.

Welche Richtung wird die EU unter der Führung von Frau Merkel jetzt einschlagen?

Ganz bestimmt werden die radikalen Ideen des französischen Staatspräsidenten Macron nicht verwirklicht. Es werden wahrscheinlich einige neue Gremien zur besseren Koordinierung der EU-Politik entstehen, aber das wird nur zu einer weiteren Streuung der Kompetenzen führen und nicht zu einer Bündelung oder Zentralisierung.

Es ist nicht vorstellbar, dass die Deutschen ihren Finanzminister einem EU-Finanzminister unterordnen. Es wird auch keine Zustimmung aus Berlin für einen separaten Haushalt der Euro-Zone geben. Die Deutschen haben nicht die geringste Absicht für die Kosten der Sanierung der südlichen EU-Staaten, zu denen sie auch Frankreich zählen, aufzukommen. Darauf beruht meine Zuversicht was die polnisch-deutschen Beziehungen in der nächsten Zeit angeht.

Was wird sich in der deutschen Politik mit dem Einzug der AfD in den Bundestag ändern?

Nachdem Frauke Petry, die Mitvorsitzende der AfD, die Partei verlassen hat, ist es ungewiss wie lange diese Gruppierung überdauern wird und ob es nicht zu weiteren Abspaltungen kommt. Das deutsche politische und mediale Establishment wird jedenfalls alles nur Erdenkliche unternehmen, um die AfD zu marginalisieren.
Wie auch immer, klar ist, dass diese Partei Meinungen eines bedeutenden Teils der deutschen Öffentlichkeit wiedergibt, die bis jetzt im Bundestag nicht zu hören waren.

Paradoxerweise wird die AfD zu einer Demokratisierung des politischen Lebens in Deutschland beitragen. Sie hat eine Bresche geschlagen in der deutschen Konsensdemokratie, in der alle mit allen weitestgehend einer Meinung sind. Das wird die politische Debatte beleben. Die AfD wird in den schläfrigen Bundestag Unruhe, Streit und Unverfälschtheit bringen.

Ein Teil der polnischen Konservativen begrüβt den Einzug der AfD in den Bundestag, weil sie sich der Einwanderung von Immigranten widersetzt, weil sie die konservativen Werte hochhält. Gleichzeitig lobt der AfD-Chef Alexander Gauland die Wehrmacht. Wenn Donald Trump verspricht sein Land groβ zu machen, dann bewundern ihn die Polen dafür. Wenn ein Deutscher dasselbe über sein Land sagt, dann wird vielen Menschen in Polen unwohl.

Die meisten Leute, die heute die AfD prägen sind seit Jahren in der deutschen Politik. Nicht wenige von ihnen waren einst in der CDU, wie die den Polen zur Genüge bekannte Erika Steinbach. Auch der Wehrmacht-Bewunderer Gauland war dreiβig Jahre lang aktiv in der CDU.

Diejenigen bei uns, von denen sie eingangs sprachen, übertragen, weil ihnen das Wissen fehlt, polnische Sichtweisen und Einschätzungen auf Deutschland, ein Land mit einer völlig anderen politischen Kultur wie die unsere. Sie sympathisieren mit der AfD weil sie gegen den Zuzug von islamischen Immigranten ist und ein eindeutig nationales Profil an den Tag legt.

Man darf aber nicht vergessen, dass unsere Nationalkonservativen vor allem an die Tradition der freiheitlichen polnischen Adelsrepublik anknüpfen, die, nach Jahrhunderten, bei der dritten polnischen Teilung 1795 untergegangen ist sowie an die Tradition des langen polnischen Freiheitskampfes danach, bis 1989.

Die AfD dagegen schöpft ihre politische Kraft zu einem erheblichen Teil aus dem zumeist polenfeindlich eingestellten ostdeutschen Wählerpotential. Betrachtet man die Lebensführung nicht weniger AfD-SpitzenpolitikerInnen, dann sieht man wie weit die AfD von den christlichen Werten, zu denen sich die polnischen Nationalkonservativen eindeutig bekennen, entfernt ist. Der polnische Katholizismus steht bei der AfD genauso wenig im Kurs wie bei den übrigen deutschen Parteien.

AfD-Parteiprogramm auf Polnisch.

Die AfD ist äuβerst prorussisch und sehr antiamerikanisch, umgekehrt sieht es bei den polnischen  Nationalkonservativen aus. Die AfD will den Austritt Deutschlands aus der Nato, während Polens Nationalkonservative geradezu Nato-süchtig sind. Können sie sich vorstellen, dass die AfD, mit Alexander Gauland an der Spitze, mit uns gemeinsam den Jahrestag des Ausbruchs des Warschauer Aufstandes vom August 1944 begeht? Oder Verständnis für die polnischen Reparationsforderungen aufbringt?

Alice Weidel schrieb, die Mitglieder der deutschen Bundesregierung von Angela Merkel seien „nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und hätten die Aufgabe das deutsche Volk klein zu halten.“ Das erinnert stark an die revisionistischen deutschen Klagen über den Versailler Vertrag zu Zeiten der Weimarer Republik.

Die AfD weiβ, immer noch, lediglich dreizehn Prozent der Deutschen hinter sich, und bei Weitem nicht alle von ihnen teilen diese Meinung. Wenn jemand sich als deutscher Patriot bezeichnet, dann muss man ihn unbedingt fragen, auf welche Periode, welche Ereignisse, welche Persönlichkeiten der deutschen Geschichte er seinen Patriotismus bezieht? Auf die deutschen Befreiungskriege? Auf den hehren ideellen Widerstand gegen Hitler von Dietrich Bonhoeffer, der Geschwister Scholl und der Weiβen Rose etwa? Auf Bismarck, welcher in Polen umgehend sehr ungute Erinnerungen weckt? Oder auf etwas anderes? Die AfD beantwortet diese Frage nicht eindeutig. Wer sich mit ihr politisch einlässt tappt daher unweigerlich in eine Falle.

Ich bin der Meinung, die AfD knüpft an die Wilhelminische Zeit an und träumt von der Wiederherstellung der damaligen Groβmacht Deutschland inmitten Europas, herausgelöst aus der EU und aus der Nato, und wenn es sich eines Tages ergeben sollte, dann gerne „Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“. Die Oder-Neiβe-Grenze wäre da nur hinderlich.

Trotz einiger Sympathiebekundungen meiden die regierenden polnischen Nationalkonservativen Kontakte und Begegnungen mit der AfD. Zu groβ sind die Unterschiede.

Die Hitlerzeit ist in Deutschland immer noch ein Tabu, sogar die AfD hat nicht den Mut den Nationalsozialismus zu rehabilitieren. Aber viele ihrer Funktionäre und Sympathisanten, vor allem diejenigen, die aus dem Dunstkreis der NPD kommen, tun es scheibchenweise indem sie z. B. fordern, die Deutschen sollen endlich aufhören sich Asche aufs Haupt zu streuen für die Verbrechen der Nazis.

Wenn Gauland der Wehrmacht Anerkennung zollt, dann hat er ihr zweifelsohne hervorragendes, hocheffizientes soldatisches Handwerk vor Augen. Wir dagegen haben vor Augen was die unbenommen glanzvollen militärischen Siege der Wehrmacht an Völkermord, Zerstörung und unsäglichem Leid mit sich gebracht haben. Deswegen gibt es aus polnischer Sicht mit der AfD, obwohl es zu einigen Themen ähnliche Vorstellungen geben mag, obwohl es ihrerseits einige Sympathiebekundungen für die polnischen Nationalkonservativen gab, nichts zu bereden.

Auch wenn einige in Polen, sei es aus Unwissenheit oder aus Trotz, gewisse Sympathien für die AfD zum Ausdruck bringen, so gilt für die heutige offizielle polnische Politik: Keine Illusionen und keine Kontakte mit der AfD.

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RdP




Das Wichtigste aus Polen 20. August – 16. September 2017

Kommentatorin Olga Doleśniak-Harczuk und Janusz Tycner diskutieren die  wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit in Polen. ♦ Polen wartet gespannt auf zwei Gesetzentwürfe des Staatspräsidenten zur Justizreform. Wie weit hat sich Andrzej Duda politisch von den Nationalkonservativen entfernt? ♦ Jean Claude Junckers neueste Europa-Visionen  stoβen auf wenig Gegenliebe in Polen. ♦ Kriegsreparationen von Deutschland sind ein  heiβes Eisen.

Lesen Sie das polnische Rechtsgutachten – deutscher Text.

♦ Der deutsche Bundestagswahlkampf mit polnischen Augen gesehen.




AfD? Gute Nacht Polen!

Warum Polens Nationalkonservative die AfD meiden.

Die gerade einmal drei Jahre lang bestehende Alternative für Deutschland (AfD) hat bereits den neunten von sechzehn Landtagen erobert, und wenn es so weiter geht, werden ihre Vertreter ab dem nächsten Jahr auch im Bundestag sitzen. Ist das gut oder schlecht für Polen?

Diese Frage stellte am 7. September 2016, kurz nach dem AfD-Triumph in Mecklenburg-Vorpommern, Piotr Cywiński, einer der kompetentesten polnischen Deutschland-Beobachter im konservativen politischen Lager. Nachfolgend seine Analyse, erschienen im Internetportal „wPolityce.pl“ („inder.Politik.pl“). Zwischentitel von RdP.

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Autor Piotr Cywiński.

Die AfD hat bereits ihre Abgeordneten in den Landtagen von Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt, Baden-Würtemberg, Rheinland-Pfalz sitzen und, seit Sonntag, dem 4. September, nun auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie sogar die Partei von Angela Merkel besiegte. Wie man sieht, ist die AfD vor allem auf dem Gebiet der dünn besiedelten ehemaligen DDR erfolgreich, besitzt aber auch Brückenköpfe in den alten Bundesländern. In einigen Tagen wird in Niedersachsen auf kommunaler Ebene gewählt, bald darauf zum Abgeordnetenhaus in Berlin. Nächstes Jahr sind Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Rotes Signal in polnischen Köpfen

Gelingt es der Partei von Frauke Petry und Jörg Meuthen ihre Position auf der deutschen politischen Bühne zu stärken? Was hat sie anzubieten, und wie verhält sich das zu den Interessen Polens?
Um es vorweg zu nehmen: es wundert und beunruhigt mich zu hören und zu lesen, wie die AfD in manchen Kommentaren bemitleidet und mit der, bei uns früher von den Regierenden zurück gedrängten Partei, Recht und Gerechtigkeit verglichen wird. Manche sehen in der AfD bereits eine Partnerin für die Partei von Jarosław Kaczyński.

Da stehen einem buchstäblich die Haare zu Berge. Die polnischen AfD-Sympathisanten begreifen immer noch nicht, wie das politische Erdbeben jenseits der Oder für uns alle enden kann.

Sind die Deutschen dermaβen dumm, dass sie die „Mutter der Nation“, wie Angela Merkel noch bis vor kurzem genannt wurde, und eine Regierung, die die Interessen ihrer Bürger gut vertritt, zukünftig an der Machtausübung hindern wollen? Der Haushalt ist ausgeglichen, der Staat wird entschuldet, die Wirtschaft wächst, beim Exportüberschuss wird Deutschland in diesem Jahr China überholen und Export-Weltmeister werden, die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste seit dem Krieg. Wer würde eine solche Kanzlerin zum Teufel jagen?

Zweifelsohne gründen die Erfolge der AfD auf der Angst der Müllers und Schmidts vor den Folgen der arroganten Immigrationspolitik der CDU/CSU-SPD-Regierung. Eine nicht geringe Rolle spielt auch das „Nein“ der AfD zum Brüsseler Zentralismus und der Wandlung der Vielvölker-EU in einen Multikulti-„Superstaat“. Obwohl man annehmen kann, dass der Widerstand der Müllers und Schmidts schwächer wäre, wenn die Deutschen im Made-in-Germany-Europa auch das letzte Wort haben könnten.

Doch auch wenn einige Forderungen der AfD mit der polnischen Sichtweise übereinstimmen, so bedeutet das nicht, dass in Deutschland mit der AfD ein neuer Alliierter für irgendeine bedeutende politische Partei in unserem Land heranwächst.

Ein rotes Signal müsste in den polnischen Köpfen bereits vor einem Jahr aufgeleuchtet sein. Damals warf Bernd Lucke, einer der AfD-Begründer, auf dem Essener Parteitag, der AfD das Schüren von Fremdenfeindlichkeit und eine prorussische Orientierung vor, und verlieβ demonstrativ deren Reihen. Gleichzeitig mit ihm gingen mehr als zweitausend Mitglieder, unter ihnen das Vorstandsmitglied und MdEP Hans-Olaf Henkel, ehem. Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und IBM-Manager.

Henkel hatte seinerzeit die deutschen Christdemokraten scharf kritisiert wegen ihrer Einmischung in innerpolnische Angelegenheiten, der „Treibjagd gegen Recht und Gerechtigkeit“ und „des Unterstützens der Bürgerplattform“. Mit ihm gingen u. a. der bekannte Volkswirt Joachim Starbatty und die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius.

AfD und Polen. Gespräch mit Hans-Olaf Henkel – hier nachzulesen.

Die AfD verlor in dieser Zeit ihre aus bekannten und hochgeschätzten Leuten bestehende Führungsspitze. Diese riefen eine neue Gruppierung ins Leben, die Allianz für Fortschritt und Aufbruch. Die Zahl der AfD-Mitglieder verkleinerte sich fast um ein Viertel.

AfD, NPD und die „Polen-Invasion“

Die Vorwürfe der AfD-Mitbegründer waren nicht unbegründet. In ihrem ersten siegreichen Landtagswahlkampf, in dem an Polen grenzenden Sachsen, trat die AfD unter der Losung auf „Sichere Grenzen, statt grenzenloser Kriminalität“. Dies Parole stimmte andeutungsweise mit den Losungen der NPD-Neonazis von der „Polen-Invasion“ überein, und Plakaten auf denen „polnische Krähen“ den Deutschen Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegpicken.

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AfD (oben) und NPD-Wahlplakate in dem an Polen angrenzenden Sachsen.

afd-bis-npd-plakat-fotEs gibt unzählige Beispiele von informellen Kontakten, gegenseitigen Besuchen auf Parteitagen, Bindungen und der Unterstützung der AfD für Forderungen der NPD. Ähnlich verhält es sich mit AfD-Mitgliedern, ehemaligen Zöglingen der verbotenen Wiking-Jugend (die an die Hitler-Jugend anknüpfte), mit Aktivisten der ebenfalls verbotenen neonazistischen Organisation Blut und Ehre usw. Die AfD-Vorsitzende Petry hat sich entschieden verwehrt dagegen, dass ihre Partei zu den braunen Strömungen gezählt wird. Als jedoch bei einem MDR-Interview die Journalisten konkrete Beispiele anführten, sagte sie, sie werde „etwas damit machen müssen“.

Eine der wichtigsten AfD-Forderungen ist die Gestaltung der nationalen Identität und Formung patriotischer Einstellungen, was an sich nicht schlecht ist, doch in polnischen Ohren einen besonderen Beiklang hat.

Alexander Gauland, stellv. Vorsitzender der AfD und ihr Fraktionschef im Brandenburgischen Landtag ist der Meinung, dass die Deutschen endlich ihre Minderwertigkeitsgefühle, die aus der Nazi-Zeit resultieren, aufgeben und entschiedener für ihre eigenen Interessen eintreten sollten. Die Schuljugend sollte das „Deutschlandlied“ singen, der Geschichtsunterricht sollte in höherem Maβe „die deutschen Befreiungskriege des 19. Jh. berücksichtigen“ und im Radio sollte man das Abspielen ausländischer Musik einschränken. Auβerdem sollte die doppelte Staatsbürgerschaft (von der auch Polen in Deutschland Gebrauch machen) abgeschafft und den Gastarbeitern das Kindergeld gestrichen werden.

Idol Bismarck: „Polen ausrotten“

Gauland wurde auch mit der Erarbeitung des AfD-Konzeptes zur deutschen Auβenpolitik betraut. Sein Vorbild ist Otto von Bismarck, der „eiserne Kanzler“, der sich von dem Prinzip leiten lieβ: „Um Gottes Willen, nur keine sentimentalen Bündnisse, bei denen das Bewusstsein der guten Tat der Lohn edler Aufopferung zu bilden hat“.

Bei uns in Polen wurde das politische Idol des AfD-Vizechefs u. a. durch Zitate, wie dieses berühmt:

„Haut doch die Polen, daß sie am Leben verzagen; ich habe alles Mitgefühl für ihre Lage, aber wir können, wenn wir bestehen wollen, nichts andres tun, als sie ausrotten.“

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Alexander Gauland und sein Idol Bismarck.

 

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Ginge es nach Gauland, so müssten in der bundesdeutschen Politik grundlegende Änderungen eintreten. Deutschland sollte „mehr Verständnis für Russland“ an den Tag legen, darunter auch für sein Vorgehen gegenüber den ehemaligen Sowjetrepubliken. Der AfD-Vize verglich den Verlust von Russlands „Keimzelle – dem Heiligen Kiew“ mit der   Abspaltung von Aachen oder Köln von Deutschland.

Gauland erinnert auch daran, dass Russland „Preuβen vor dem Niedergang bewahrte (…), Bismarcks Reichsvereinigung und die deutsche Vereinigung 1990/91 unterstützte.“

Man müsse also an die traditionellen deutsch-russischen Verbindungen anknüpfen. Käme es zu bewaffneten Konflikten mit Drittstaaten dann sollte Deutschland zu dem Rückversicherungsvertrag, dem geheimen Neutralitätsabkommen mit Russland von 1887, zurückkehren. Gauland wünscht sich geradezu eine bismarckische Zusammenarbeit mit Präsident Wladimir Putin. Seiner Meinung nach sei der Westen für die Verschlechterung der Beziehungen mit Russland verantwortlich, weil er Russland provoziere, weil er sein Versprechen gebrochen habe, dass „die Nato nicht bis hinter die Oder erweitert wird, und doch habe man Polen aufgenommen.“

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Treue zu Russland als Alternative für Deutschland .

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Was sei also zu tun? Vor allem muss man Sanktionen gegen Russland aufheben, die nach der Krim-Annexion verhängt wurden, und man sollte sich nicht in seine inneren Angelegenheiten einmischen.

„Lasst uns einen Nationalstaat aufbauen!“, rief Gauland während des Wahlkampes in Rheinland-Pfalz, wo die AfD heute die dritte Kraft ist (nach den Christdemokraten und den Sozialdemokraten und vor der FDP und den Grünen). Für den Anfang wäre es gut, wenn das Schengen-Abkommen entfiele. Man sollte auch den Schusswaffengebrauch gegen illegale Emigranten erwägen, so seine Chefin Petry. Ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch, erweiterte den Vorschlag ausdrücklich auf Frauen mit Kindern.

Sollten die deutschen Wähler so verrückt sein, dass die AfD mittels einer sonderbaren Koalition an die Macht gelangen sollte und Gauland Auβenminister werden könnte, dann „gute Nacht Polen!“, wie es Erika Steinbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und ehem. Chefin des Bundes der Vertriebenen zu sagen pflegt, als inoffizielle Sprecherin der AfD unter den Christdemokraten.

Derweil fassen die AfD-Leute die Gelegenheit beim Schopf und bauen ihre Kontakte aus. AfD-Vorstandsmitglied Georg Pazderski gab auf dem Internetportal der Partei bekannt, dass es ein „wie immer sehr konstruktives Gespräch“ in der russischen Botschaft in Berlin gab. Der AfD-Vorstand bestätigte, dass es Treffen seiner Mitglieder in der russischen Vertretung seit Langem gebe. In den deutschen Medien wurde darüber spekuliert, ob diese Kontakte vielleicht mit einer finanziellen Unterstützung Moskaus für die AfD zusammenhängen.

Po-Vielfalt

Zum Schluss gilt es noch den Mythos vom angeblichen Anti-Genderismus der AfD zu zerstreuen. Der gröβte Kritiker dieser Strömung, Bernd Lucke hat die Partei bereits verlassen. Derweil wirkt in ihrem Rahmen ein Homosexuellenkreis, der um die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Hetero-Ehen kämpft, samt Kinder-Adoptionsrecht für Homosexuelle. Der Jugendverband der AfD hat nichts an der „sexuellen Vielfalt“ auszusetzten und tritt unter der Losung „P(r)o Vielfalt“ auf. „Po“ ist auf Deutsch ein anderes Wort für „Hintern“.

Wer nach der Frömmigkeit und der Familienverantwortung der AfD-Führung fragt, der erfährt, dass die Vorsitzende Petry ihren Mann, einen Pastor, für einen Parteifunktionär aus dem Rheinland verließ und damit eine Familie mit vier Kindern zerrüttete. Ähnlich hält es der Mit-Vorsitzende Jörg Meuthen, Vater von fünf Kindern aus zwei Ehen. Das aber sind ja private Angelegenheiten.

Die Liebe zur AfD verlangt also Opfer. Vor allem, wenn sie blind ist.

RdP




Das Wichtigste aus Polen 29.Mai – 4.Juni 2016

Kommentatorin Katarzyna Malecka und Janusz Tycner gehen auf die wichtigsten Ereignisse der Woche in Polen ein. Im Konflikt um das Verfassungsgericht stellt sich die EU-Kommission auf die Seite der Opposition. Brüssel setzt auf die Opposition, die Opposition setzt auf Brüssel, aber in Polen selbst zeigt das wenig Wirkung. Warum ist die Opposition so schwach? Nato-Gipfel in Warschau: schon jetzt ein Erfolg der polnischen Aussenpolitik. Bombenanschläge in Wrocław und Warschau vereitelt: hat auch Polen ein Problem mit dem Terrorismus? Alternative für Deutschland und Recht und Gerechtigkeit: mehr Unterschiede als Ähnlichkeiten.




AfD und Polen

Hans-Olaf Henkel: „Deutsche stecken ihre Nase in fremde Angelegenheiten“.

Unter diesem Titel veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „W Sieci“ („Im Netzwerk“) in der Ausgabe vom 6. Juli 2014 ein Interview mit Hans-Olaf Henkel, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), in dem der Politiker u. a. sein eigenes und das Verhältnis seiner Partei zu Polen erläutert.

Im Vorspann zu dem Gespräch, heiβt es u.a.:

Die AfD ist die jüngste deutsche politische Partei. Sie ist gerade eben ins Europäische Parlament gelangt, gut ein Jahr nach ihrer Entstehung. Es ist umso mehr ein Erfolg, als es der AfD im Herbst 2013 nicht gelang die Fünfprozenthürde bei den Bundestagswahlen zu nehmen.

Die AfD wird von der deutschen politischen Klasse und den Medien hart kritisiert. Ihr Chef, Bernd Lucke, wurde sogar auf einer Parteikundgebung in Hamburg tätlich angegriffen.

In ihrem Programm fordert die Partei die Rückkehr zur D-Mark mittels Beseitigung des Euro oder des Austritts aus der Euro-Zone. Sie spricht sich für ein Europa der Nationalstaaten aus und ist entschieden gegen eine föderative EU. Sie bekennt sich zu den traditionellen Werten, womit sie sich Angriffen seitens der Linken aussetzt. Sie wird gar des „Rechtsextremismus“ bezichtigt.

Ein unangenehmes Signal war aus polnischer Sicht die Aussage des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland vom September 2013, der in den Beziehungen zu Russland eine Rückkehr zu den Bismarckschen Ideen einforderte. Andere AfD-Führungsmitglieder distanzierten sich entschieden von dieser Aussage. Auch Gauland selbst nahm sie zurück. Ein übler Nachgeschmack jedoch ist geblieben.

Die AfD strebt seit ihrem Entstehen eine Zusammenarbeit mit der konservativen polnischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an. Diese Kooperation ist mit der gerade begonnen neuen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments Wirklichkeit geworden. Die AfD befindet sich gemeinsam mit der PiS, den britischen Konservativen und einiger weiterer Gruppierungen, in der Fraktion Europäische Konservative und Reformer.

„AFD? Gute Nacht Polen!“ – ein weiterer Bericht zum Thema hier nachzulesen.

Frage: Erika Steinbach von der CDU sprach vor kurzem im „Spiegel“ von ihren Hoffnungen „auf eine Öffnung der Union, hin zur AfD“. Die AfD sei ihrer Meinung nach eine rechtsstaatliche und demokratische Gruppierung, was aus ihr „sowohl unseren Konkurrenten, als auch einen möglichen Partner macht“. Sehen Sie in der CDU einen Koalitionspartner der AfD?

Henkel: Nein. Die CDU-CSU engagiert sich, im Gegensatz zu dem was die AfD verkündet, in der Aufrechterhaltung des Euro und der gemeinsamen europäischen Politik. Wir indes befürworten die Existenz souveräner Staaten in Europa. Um den Euro zu retten, marschiert die CDU-CSU schnurgerade auf den europäischen Superstaat zu. Wir sprechen uns für die Subsidiarität aus. Die CDU-CSU steht für Zentralismus, wir wollen die europäische Vielfalt erhalten. Die CDU-CSU will Europa harmonisieren, wir wollen die Verantwortung des eigenen Landes für die finanzielle Stabilität und das Bankwesen beibehalten. Die CDU-CSU will etwas völlig anderes. Sie will die Schulden mit Hilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Europäischen Bankenunion vergemeinschaften.

Frage: Können Sie sich Erika Steinbach als ihre mögliche Parteikollegin vorstellen? Wollte Frau Steinbach der AfD beitreten, wären Sie dafür oder dagegen?

Henkel: Nein! Frau Steinbach repräsentiert die CDU-CSU. Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei bedeutet doch das Umsetzten einer konkreten Philosophie, und nur jemand, der ihre Prinzipien anerkennt, kann Mitglied der jeweiligen Partei sein. Die AfD-Führung bekundet bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Sympathie für Polen. Wir Betrachten Polen als einen Freund und einen vertrauenswürdigen Nachbarn. Aus unserer Sicht sollte die deutsche Regierung die Interessen Polens mit gröβerer Sorgfalt berücksichtigen. In der Auβenpolitik lehnen wir eine Verständigung mit Russland oder einem anderen Staat auf Kosten polnischer Interessen kategorisch ab.

Frage: Die Deutschen in Polen verfügen über alle Rechte, die einer nationalen Minderheit zustehen, während die Polen in der Bundesrepublik lediglich eine „ethnische Gruppe“ sind. Glauben Sie, dass die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschland an die der deutschen Minderheit in Polen angeglichen werden sollten?

Henkel: Ich gestehe ein, dass ich nie darüber nachgedacht habe. Mein Eindruck ist, dass Personen polnischer Herkunft sich nicht als eine nationale Minderheit betrachten und keinerlei Rechte einfordern. Wurden sie nicht durch die vielen Jahre, die vielen Jahrhunderte, assimiliert? Ich höre auch nicht, dass man bei uns viel polnisch spricht. Doch steht meiner Meinung nach ihrem Wunsch,, den hier lebenden Menschen Minderheitenrechte einzuräumen, wie sie die Dänen in Schleswig-Holstein haben, nichts im Wege. Die Polen sollen zeigen, dass sie in einer ähnlichen rechtlichen Konstellation leben wollen wie die deutschen Dänen.

Frage: Alexander Gauland, der stellvertretende AfD-Vorsitzende sagte vor nicht langer Zeit, man solle erwägen, dass in Zukunft „Elemente der Bismarckschen Rückversicherungspolitik gegenüber Russland *) gepflegt werden“ sollten. Wie sollen wir in Polen die Worte einer der wichtigsten Persönlichkeiten der AfD verstehen? Ein wichtiger Bestandteil der damals so guten deutsch-russischen Beziehungen waren das gemeinsame Entgegenwirken der Wiederentstehung einiger Staaten in Europa und die Aufteilung des Kontinents in Einfluβzonen.

Henkel: Ich bin überzeugt, es waren rein private Überlegungen des Herrn Gauland. Ich kann in der Tat verstehen, dass im Zusammenhang mit den Ereignissen auf der Krim in Deutschland politische Befürchtungen mit dem Blick auf Russland wach geworden sind. Ich gehe davon aus, dass es in Polen und in den baltischen Staaten ähnlich gewesen ist. Wir sind der Meinung, dass das Streben nach Sicherheit nicht auf Kosten eines dritten Staates stattfinden darf, und schon gar nicht auf Kosten Polens. Der Hitler-Stalin-Pakt sitzt nicht nur die Polen in den Knochen. Ich spüre ihn auch. Ich habe den Vater im Krieg verloren, zweimal wurden wir aufgrund von Bombardierungen obdachlos. Die AfD verurteilt Putins Methoden aufs schärfste. Im Gegensatz zur Verteidigungsministerin von der Leyen aus der CDU sind wir nicht für die Schaffung einer europäischen Armee. Wir sind für eine starke Nato und die Stationierung ihrer Truppen in den zentralen und östlichen Randlagen des Verteidigungsbündnisses. Wenn ich noch hinzufügen darf, ich war stets gegen den Bau der Gasleitung unter der Ostsee, und ich betrachte die Vorgehensweise Gerhard Schröders als einen groβen Skandal, der in dieser Angelegenheit einen Vertrag mit Putin geschlossen hat und sich anschlieβend von ihm einstellen lieβ.

Frage: Die AfD wird in Deutschland als der „öffentliche Feind Nummer eins“ angesehen. Wieso hat Ihre Partei solche Probleme mit den Medien und mit der Mehrheit der Öffentlichkeit?

Henkel: Wir stellen den Sinn der Euro-Währung in Frage und beweisen allseits, dass sie dem südlichen Europa schadet, weil sie die hohe Arbeitslosigkeit mitverursacht, vor allem unter jungen Menschen. Der Euro schadet auch dem Norden Europas, weil die milliardenschweren Hilfspakete von den deutschen Steuerzahlern finanziert werden. Der Euro ist zu teuer für Frankreich und zu schwach für die deutsche Industrie. Wir zeigen, dass der Euro am Ende Streit und Konflikte verursachen muss, weil deutsche Politiker, wie nie zuvor, ihre Nasen in Angelegenheiten anderer Staaten stecken. Da man unseren Argumenten nichts Gescheites entgegensetzen kann, werden andere Methoden angewandt. Will man einen Menschen oder eine Organisation vernichten, stellt man sie in die national-populistische Ecke. Wir bedauern das. Doch sind, Gott sei Dank, die ausländischen Berichte über unser Programm und die Betrachtungsweise einzelner Personen aus der AfD viel positiver. (…)

Frage: Der AfD sind die konservativen und traditionellen Werte sehr nah. Man sieht jedoch deutlich, dass extrem linke Werte in Europa den Sieg davontragen. Wie können sich die Konservativen dagegen wehren, etwa gegen die Gender-Propaganda?

Henkel: Gute Frage. Gemeinsame Werte muss man gemeinsam vertreten. Bei allen groβen Unterschieden zwischen der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), den britischen Konservativen und der AfD, gibt es doch mehr was uns verbindet, als was uns teilt. Deswegen sollten wir im Europäischen Parlament gemeinsam auftreten. Es kann sein, dass unsere „Fraktion“ sich als die dritte Kraft im Europäischen Parlament, nach den Sozialisten und der Volkspartei, entpuppt. Das ist die Gelegenheit, gemeinsame Werte gemeinsam zu verteidigen.

Frage: Wie sehen Sie die Rolle der christlichen Kirchen in Europa?

Henkel: Christen dürfen nirgendwo in Europa diskriminiert werden. Christliche Werte gehören zu Europa. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass andere Religionen toleriert werden müssen, so lange wie sie die Regeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte befolgen.

Anmerkung RdP:

*  Am 18. Juni 1887 schloss der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck mit Russland ein geheimes Neutralitätsabkommen . Deutschland versprach stillzuhalten, sollte Österreich-Ungarn einen Krieg gegen Russland beginnen, und gewährte Russland freie Hand in seinem Streben Bulgarien und die Meerenge im Bosporus unter seine Kontrolle zu bringen. Im Gegenzug verpflichtete sich Russland militärisch nicht an die Seite Frankreichs zu treten, sollte Frankreich Deutschland überfallen. Der Vertrag lief 1890 aus und wurde nicht verlängert.

RdP