Kläranlagen schwer zu ertragen

Aus dem russischen Gebiet Kaliningrad gelangen Schlamm- und Schmutzwasser nach Polen.

Das Kaliningrader Büro von Transparency International, einer weltweit agierenden Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in Berlin, die sich zu Gunsten der nationalen und internationalen volks- und betriebswirtschaftlichen Korruptionsbekämpfung engagiert, hat zusammen mit örtlichen Öko-Aktivisten die Tauglichkeit lokaler Kläranlagen untersucht. Es stellte sich heraus, dass die modernen und teuren Anlagen, mit denen sich die Politiker vor Ort gern brüsten, nichts taugen. Der Schadstoffgehalt im Klärwasser übersteigt um ein Vielfaches die Normen.

Den durch die NGO hierzu erstellten Bericht besprach am 24. März 2015 ausführlich, als erste in Polen, die Tageszeitung „Nasz Dziennik“ („Unser Tagblatt“).

Seitdem wissen wir z. B., dass die 2012 fertiggestellte Kläranlage in Gusew/Gumbinnen ihr Klärwasser in den Fluss Pissa pumpt, in dem der Gehalt von Kohlenwasserstoffen 3.800 Mal die Norm überschreitet, der von Sulfaten siebzehn Mal, von Ammoniak zwölf Mal und der Phosphatwert schließlich um das Siebenunddreiβigfache erhöht ist. Sogar der Gehalt von unlöslichen Schwebstoffen (Steine, Schlamm, Schrott usw.) überstieg die Norm um das Zweiundzwanzigfache. Pro Liter Klärwasser wurden zudem 190 mg Öle, Fette und andere erdölhaltige Substanzen festgestellt.

An der Kläranlage wurde sechs Jahre lang gebaut, sie kostete 6,5 Mio. Euro, wovon 3,5 Mio. die EU beisteuerte.

Kläranlage in Gusew.
Kläranlage in Gusew.

Das dreiβigtausend Einwohner zählende Gusew gilt als die Vorzeigestadt der Kaliningrader Exklave. Verwaltungschef dort, war lange Zeit Nikolai Zukanow, ein Günstling des langjährigen Gouverneurs des Gebietes, Georgij Boos. Heute ist Zukanow selbst Gouverneur und Gusew wird weiterhin bei allen Investitionen bevorzugt behandelt. So entstand in der Stadt der erste und bisher einzige Technologiepark „Technopolis“, wo Satellitenschüsseln und Receiver. Fertighäuser, Kartonagen und Dosenkonserven hergestellt werden.

Polen unmittelbar betroffen

„Die Sache ist für uns von besonderer Bedeutung, weil sie uns unmittelbar betrifft. Zalew Wiślany/das Weichselhaff ist in seinem polnischen Teil ein geschlossenes Gewässer ohne eine Verbindung mit der Ostsee. Die Abwässer, die im russischen Teil ins Haff gelangen, lagern sich in unserem Teil ab. Das Haff ist dadurch schon sehr stark eutrophiert (überdüngt – RdP), d.h. die Zunahme von Nährstoffen im Wasser führt zum nutzlosen oder gar schädlichen Wachstum von Pflanzen und Algen“, sagt Prof. Jan Szyszko, ehemaliger polnischer Umweltminister (1997-1999 und 2005-2007).

Das Klärwerk in Gusew hat die slowenische Firma Smelt gebaut, die sich kurz danach gänzlich vom russischen Markt zurückgezogen hat und heute gegen russische Subunternehmer prozessiert. Die Behörden haben stillschweigend ein Nachklärbecken hinzu bauen lassen, doch es hat nichts gebracht.

Die russische Exklave Kaliningrader Gebiet mit knapp 1 Mio. Einwohnern grenzt an Polen und Litauen. Mit Polen teilt sich Russland das Weichselhaff, das mit der Ostsee nur durch die schmale Meerenge von Baltijsk/Pillau verbunden ist. Mit Litauen teilt sich Russland das Kurische Haff.

Kaliningrad mapa

Nach dem Zerfall der Sowjetunion, in der man das Thema Umweltbelastung aufgrund mangelhafter Abwasserentsorgung völlig ignoriert hatte, wuchs der Druck der beiden Nachbarn auf Russland, das Problem endlich in Angriff zu nehmen. Auch Schweden wurde auf diesem Gebiet aktiv.

„Die Angelegenheit wird seit langem hin und her gewälzt. Bereits in meiner Zeit als Umweltminister gab es Vorschläge den Russen beim Kläranlagenbau mit EU-Geldern unter die Arme zu greifen. Es ist schon ein Skandal, dass die EU Geld für gemeinsame Vorhaben mit Russland ausgibt und dann keinen Einfluss auf die Umsetzung hat“, kommentiert Szyszko.

Das Problem stand auf der Tagesordnung bei den Beratungen des Ostseerates. Auch in Mamonowo/Heiligenbeil, nahe der Grenze zu Polen, gab die EU Geld für den Bau einer Kläranlage. Sie befindet sich noch im Bau.

Korruption und Diebereien

Schwer zu glauben, aber die Stadt Kaliningrad/Königsberg mit gut 500.000 Einwohnern, an der Mündung des Flusses Pregola/Pregel ins Weichselhaff, verfügt über keine Kläranlage. Seit 2009 wird an einer Anlage gebaut, aber ein Ende ist nicht abzusehen. Schweden gab das Geld für die technische Ausstattung. Jetzt macht sich in Stockholm Unruhe breit. Die Schweden fordern Rechenschaft von Russland, stoβen aber auf taube Ohren.

Im Jahre 2006 wurde der Bau von sechzehn Kläranlagen im Kaliningrader Gebiet in Aussicht gestellt. Heute gibt es fünf. Das russische Investitions- und Ausschreibungssystem taugt nichts. Es blühen Korruption und Diebereien. Wie anders lässt es sich erklären, dass man in Gusew auf eine Betriebskontrolle der Abwasserreinigungsanlage vor ihrer Fertigstellung einfach verzichtet hat. Die Behörden haben das Objekt abgenommen und bezahlt, noch bevor die Anlage auch nur ein Tropfen Abwasser gereinigt hat.

Ilja Schumanow, Leiter von Transparency International in Kaliningrad.
Ilja Schumanow, Leiter von Transparency International in Kaliningrad.

Ein wahres Hindernis ist das russische Recht. Allein die Überweisung von Geldern aus dem föderalen Zentralhaushalt in Moskau in die Exklave dauert bis zu einem Jahr, und gleichzeitig sollen die Kaliningrader Behörden bereits am Ende desselben Jahres die Ausgaben abrechnen. Genauso sieht es anschlieβend aus mit den Überweisungen aus dem Gebietshaushalt an die einzelnen Bezirke. „In Kaliningrad nutzen wir ein spezielles Föderales Entwicklungsprogramm. In Moskau wird dafür nicht wenig Geld ausgegeben, das später auf diese Art und Weise zerrinnt“, so die Einschätzung Ilja Schumanows, des Leiters von Transparency International in Kaliningrad.

Woher kam die Idee zur Überprüfung der Anlagen? „Bewohner, örtliche Stadtverordnete, Angestellte des Klärwerkes wandten sich an uns. Sie waren über die Qualität des Wassers beunruhigt“, berichtet Schumanow.

Bei der Untersuchung wurde das Klärwasser aus allen fünf im Kaliningrader Gebiet arbeitenden Anlagen auf die Nachweisbarkeit von sechs unerwünschten Stoffen hin untersucht: Kohlenwasserstoffen, Sulfaten, Ammoniak, Phosphaten und Phosphor, Stickstoff sowie unlöslichen Schwebestoffen. Auβerdem wurden zwei allgemeingültige Parameter ermittelt: BSB5 für biologische und CSB für chemische Verunreinigungen. Der Vergleich mit den geltenden Normen und den vorgegebenen Parametern für neugebaute Klärwerke fiel verheerend aus.

Der Ende März 2015 vorgestellte Bericht hat in Kaliningrad, aber auch in Polen und Litauen, groβes Aufsehen erregt. Welche Folgen er für die Umwelt in Kaliningrad und für die Verfasser haben wird ist im Augenblick noch unklar.

RdP