„Jesus, Maria, was soll das werden!“ Kaczyńskis Rundblick nach Dudas Sieg
Wie er auf den Kandidaten Andrzej Duda kam, wie und warum dieser die Präsidentschaftswahlen gewann, und wie es weiter gehen soll.
Der unerwartete Sieg Andrzej Dudas in den Präsidentschaftswahlen am 24. Mai 2015 bewegt in Polen immer noch die Gemüter. Jetzt hat sich auch Jarosław Kaczyński, Dudas Promotor und Chef der führenden Oppositionspartei, der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) in einem umfangreichen Interview für das Wochenblatt „Gazeta Polska“ („Polnische Zeitung“) zu Wort gemeldet. RdP dokumentiert das Gespräch mit Kaczyński (erschienen am 3. Juni 2015) umfassend in seinen interessantesten Passagen.
Waren Sie überzeugt, dass es ihrem Kandidaten Andrzej Duda gelingt die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen?
Nein, das war ich beileibe nicht. Wenn man sich die Ausgangslage in Ruhe durch den Kopf gehen lieβ, dann war das nicht zu schaffen. Die Überlegenheit der regierenden Bürgerplattform und ihres Staatspräsidenten Bronisław Komorowski war überwältigend, dank der Medien, der staatlichen Institutionen, in jeder Hinsicht eben.
Es heiβt David habe Goliath bezwungen.
Ich freue mich über den Sieg, uns ist etwas Groβes gelungen. Wenn mir jemand vor der Stichwahl am 24. Mai 2015 gesagt hätte, dass die Wahlbeteiligung um acht Prozent höher sein wird als in der ersten Runde am 10. Mai, dann wäre mir sofort der Gedanke in den Kopf gekommen: wir werden verlieren. Wir gingen davon aus, dass wenn die Wahlbeteiligung in der zweiten Runde bei 55 und mehr Prozent liegen wird, wir keine Chance haben. Derweil hat sich herausgestellt, dass sich dieses Mal die Wähler beider Seiten aufgerafft haben, und dass wir, die Konservativen, über einen gröβeren als gedacht Fundus an Wählern verfügen, die unregelmäβig zur Wahl gehen.
Wie gelang es die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen?
Wir haben lange überlegt, wen wir aufstellen sollen. Vier Personen gelangten in die engere Auswahl. Die Namen möchte ich hier nicht nennen. Wir haben in einem kleinen, sehr vertraulichen Zirkel beraten, haben Untersuchungsergebnisse und Gutachten von Soziologen herangezogen. Ich habe mich zuerst zurückgehalten, war jedoch von Anfang an der Meinung, Andrzej Duda sei der beste Kandidat.
Lange Zeit habe ich ihn nicht näher gekannt. Als ich zwischen Juli 2006 und November 2007 Ministerpräsident war, wusste ich nicht viel mehr über ihn, als dass es in meiner Regierung im Justizministerium einen stellv. Minister Andrzej Duda gibt . Im Januar 2008 hat mein Bruder Lech ihn zum Unterstaatsekretär in seine Staatspräsidenten-Kanzlei berufen.
Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie Andrzej Duda persönlich kennengelernt haben?
Ehrlich gesagt, nein. Er ist mir zum ersten Mal sehr positiv aufgefallen, als er im Namen von Staatspräsident Lech Kaczyński im Sejm auftrat. Es kam zu einem Eklat, weil Duda vom Rednerpult aus darauf hingewiesen hat, dass die damalige stellv. Arbeitsministerin, zu dieser Zeit hochschwanger, stehen musste, während Donald Tusk und seine Minister es sich in den Regierungsbänken bequem gemacht hatten. Niemand hatte ihr einen Stuhl angeboten.
Das war im November 2008, während einer sehr hitzigen Debatte um die von Tusk forcierte und durchgesetzte Abschaffung der sogenannten Übergangsrenten, die etwa 750.000 Menschen betraf. Die schwangere Beamtin sollte in der Debatte die Regierung vertreten. Staatspräsident Lech Kaczyński, Ihr Bruder, wollte die Abschaffung der Übergangsrenten verhindern. Duda vertrat ihn in der Debatte und sagte: „Ich bin erstaunt, dass keiner der Herren Minister der Dame seinen Platz angeboten hat“. Es kam daraufhin zu Tumulten, Duda wurde von der Regierungsmehrheit wüst beschimpft. Die Betroffene selbst, was konnte sie anderes tun, sagte daraufhin, sie stehe, weil sie stehen wolle.
Ich war schon damals der Meinung, dass das Erziehen dieser Leute keinen Sinn hat. Sie sind so wie sie sind, das sieht jeder der es sehen will. Aber die Haltung Dudas hat mich beeindruckt. Nach der Tragödie von Smolensk am 10. April 2010 (Absturz der Präsidentenmaschine mit 96 Personen an Bord – Anm. RdP) habe ich ihn kennengelernt und seit dem sehr zu schätzen gelernt. Wir sind uns regelmäβig begegnet, als ich an jedem 18. eines Monats nach Kraków zum Grab meines Bruders fuhr (am 18. April 2010 wurden Staatspräsident Lech Kaczyński und seine Frau in der Wawel-Kathedrale bestattet – Anm. RdP).
Es fiel mir auf, dass Duda ein begnadeter Redner ist. Nicht nur im Sejm, sondern auch während groβer Parteiveranstaltungen. Und wenn er redet, dann ist er immer fachlich sehr gut vorbereitet. Man spürt sofort, der Mann weiβ wovon er spricht.
Während eines Wahlparteitages stellte er vierzig Minuten lang, ohne vom Blatt abzulesen, das Wohnungsbauprogramm von Recht und Gerechtigkeit vor.
Es gab viele solche Auftritte. Ich habe mir gedacht: unsere Gegner haben eine Übermacht. Komorowski, das belegen alle Untersuchungen, ist sehr populär bei den Menschen. Deswegen müssen wir unseren Kandidaten als einen absoluten Gegensatz zu ihm aufbauen. Dort ein schon etwas betagter Staatspräsident, hier ein junger, dynamischer Herausforderer. Dort Passivität, Behäbigkeit, Selbstzufriedenheit, Überheblichkeit, eine weitgehende Abgehobenheit vom normalen Leben, hier Aktivität, Beweglichkeit, eine leicht kritische Distanz zu sich selbst, Bescheidenheit, Demut vor den Problemen der Menschen. (…)
Und so ist die Entscheidung gefallen: Duda soll es machen. Ich will nicht verheimlichen, ich habe in diesem Fall das letzte Wort gesprochen, aber nach langen Besprechungen im Kreis der engsten Vertrauten. Duda hat zugestimmt, obwohl nicht gleich, und wir haben seine Kandidatur am 11. November 2014 bekanntgegeben (polnischer Nationalfeiertag, Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1918 – Anm. RdP).
Die Öffentlichkeit hat es damals kaum bemerkt.
Das hat uns ein wenig überrascht (…), aber die Sache kam ins Rollen. Schon vorher habe ich seinen Vater und seine äuβerst sympathische Mutter kennengelernt und das hat meine Gewissheit bestätigt, dass wir eine gute Wahl getroffen haben.
Ich habe es dem Kandidaten und dem Wahlstab ans Herz gelegt sich auf eine Wahlreise durch die 360 polnischen Landkreise zu begeben.
Er hat es geschafft zwischen Mitte Januar und Anfang Mai 2015 in gut 280 davon gewesen zu sein, in vielen von ihnen hat er in zwei, drei oder sogar vier Ortschaften gesprochen.
Es war eine unglaubliche Leistung und es war dringend notwendig. Andrzej Duda war sehr wenig bekannt, hatte als Präsidentschaftskandidat von Recht und Gerechtigkeit automatisch alle groβen staatlichen (öffentliches Fernsehen, Rundfunk) und privaten Medien gegen sich. Sie haben ihn entweder schweigend übergangen oder desavouiert. Also musste er auf den direkten Kontakt setzten und auf die kleinen, lokalen Internetportale und Kabel-TV-Sender. Für die war er eine Attraktion.
Es gab Probleme, aber er fuhr hin und stieg jedes Mal in den Ring mit einer Entschlossenheit und Ausdauer, die ihresgleichen suchen. Dabei lief es anfänglich sehr zögerlich. Wahlveranstaltungen mit einem, vielleicht zwei Dutzend Leuten in irgendwelchen Hinterzimmern. Immer mal kam er auch auf einen Sprung zu mir in die Nowogrodzkastrasse (Sitz der RuG-Parteizentrale in Warschau – Anm. RdP) und erzählte mit leuchtenden Augen, dass er gerade von einer Veranstaltung mit fünfzig Leuten komme! Und ich dachte mir im Stillen: Jesus, Maria! Was soll das nur werden? Aber gut, Hauptsache Haltung bewahren: es läuft wunderbar.
Gab es keine Beanstandungen, keine Kritik?
Es gab nur das. Von überallher prasselten Warnungen und gute Ratschläge auf mich nieder. Das wird nichts! Ich war anderer Meinung. Nichtsdestotrotz hatten wir Probleme die Menschen zu erreichen. Deswegen veranstalteten wir eine groβe Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in Warschau (am 7. Februar 2015 – Anm. RdP). Es war eine der besten die Polen jemals gesehen hat. Das war der Beginn des Durchbruchs.
Damals entstand auch der griffige, gereimte Wahlkampfslogan „Andrzej Duda – to się uda!“ („Andrzej Duda – das wird gelingen!“ – Anm. RdP).
Slogan ja, aber vor allem der ganze Auftritt und die mitreiβende Rede Dudas haben hohe Wellen geschlagen.
Umso mehr, als der amtierende Staatspräsident Komorowski bei seiner Auftaktveranstaltung am 7. März 2015 seine langatmige Ansprache, einschlieβlich der Grüβe an seine Frau, vom Blatt abgelesen hat.
Duda jedenfalls war jetzt in aller Munde. Man begann zu spekulieren, er könne mich als Parteichef beerben. Duda werde zwar die Wahl nicht gewinnen, hieβ es, aber nach einem guten Abschneiden vielleicht unser Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten bei den Parlamentswahlen im Herbst 2015 sein. Das Interesse für ihn wurde immer gröβer.
Duda fuhr derweil durchs Land, und es kamen Hunderte, schlieβlich Tausende zu seinen Veranstaltungen.
Vorher ist noch eine wichtige Entscheidung gefallen. Meine Stellvertreterin auf dem Posten des Parteivorsitzenden und unsere Schatzmeisterin Beata Szydło übernahm die Wahlkampfleitung. Bei nicht allen, aber doch bei einigen vorhergehenden Wahlkämpfen war unser Wahlstab eine Hölle: Chaos, nicht genau festgelegte Zuständigkeiten, Animositäten, Konflikte… Damit musste Schluss sein. Die Ruhe, die Beata Szydło ausstrahlt, ihr Organisationstalent und ihr Durchsetzungsvermögen, gepaart mit der Gewandtheit, Anpassungsfähigkeit, Offenheit und der eisernen Kondition unseres Kandidaten, haben den Erfolg möglich gemacht. Alles lief wie am Schnürchen, keine Reibereien, keine undichte Stelle, unsere Gegner wussten nichts von unseren Plänen.
Es gab viele gute Ideen. Da die groβen Medien uns bekämpften, sind wir ins Internet gegangen. Diese Kampagne, von vielen jungen Leuten spontan unterstützt und einfallsreich weiterentwickelt, stellte den direkten Kontakt zu Hundertausenden Wählern her. Komorowskis Patzer und Fehlschläge, die ihm ständig unterlaufen sind, in den Medien verschwiegen, wurden im Internet umfangreich dargestellt und verspottet.
Eigentlich, so hieβ es, war diese Wahl völlig überflüssig, denn Komorowski hätte, so hieβ es, den Sieg im ersten Wahlgang in der Tasche.
Komorowski hat eine ganze Amtsperiode lang, auβer Repräsentieren, sich dem angenehmen Leben widmen und einen guten Eindruck zu erwecken, nichts gemacht. Er stand im Schatten, denn alles drehte sich lange Zeit um Donald Tusk, bis der, wohl wissend um den wahren Zustand des Staates und die schwindenden Chancen seiner Partei die diesjährigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu gewinnen, sich rechtzeitig nach Brüssel absetzte. Als Komorowski im Kampf um seine Wiederwahl, die Glasglocke, unter der er die letzten fünf Jahre lang gelebt hat, verlassen und ins Rampenlicht treten musste, wurden seine ganze Tollpatschigkeit, Unbedarftheit, Einfallslosigkeit, vor allem im Internet, sichtbar.
Spätestens im März 2015 wurde klar, dass es eine Stichwahl geben wird.
Ja, Komorowski in die zweite Runde zu zwingen, das war unser Minimalziel. Am Sonnabend vor der ersten Runde bekam ich die letzten Meinungsumfragen auf den Tisch: Komorowski 39%, Duda 26%. Die übrigen Kandidaten zwischen 12 und 1%. Ich dachte: sieht nicht gut aus, aber wenigstens ist die zweite Runde garantiert.
Doch dann kam die Hiobsbotschaft: Pawel Kukiz (ein Rockmusiker der eine Protestbewegung gegen die etablierten Parteien um sich scharen konnte – Anm. RdP) hat in den letzten Tagen gewaltig aufgeholt, hat schon mehr als 20%. Jesus, Maria, dachte ich, am Ende wird es eine Stichwahl zwischen Komorowski und Kukiz geben! Eine solche Blamage käme einem politischen Knock-Out-Schlag für uns gleich.
Am Sonntag, es war der 10. Mai, war ich, wie an jeden 10. eines Monats, beim Gedenkgottesdienst und dem anschlieβenden Gedenkmarsch für die Opfer der Smolensk-Katastrophe. Die Warschauer Johannis-Kathedrale war voller Menschen. Noch vor dem Gottesdienst, sickerten die ersten Nachrichten durch. Am Wahlabend dann die Bestätigung: Duda hat im ersten Wahlgang den ersten Platz belegt!
Erst in den zwei Wochen zwischen der ersten Runde und der Stichwahl lieβ sich Staatspräsident Komorowski dazu bewegen, an zwei Fernsehdebatten mit seinem Konkurrenten teilzunehmen.
Ich war der Meinung, jetzt müssen wir die Wahlkampftouren Andrzej Dudas einschränken und uns auf die TV-Debatten konzentrieren. Man sagte mir aber, unser Kandidat muss weiter unterwegs sein, denn wenn er sich ausruht, dann ist der Dampf raus. Gut, sagte ich mir, das wird wohl so sein.
Leider haben sich dann aber meine Befürchtungen doch bestätigt. Duda kam direkt aus dem Wahlkampf in Szczecin ins Warschauer TV-Studio. Die Erschöpfung war zu groβ, die erste Debatte brachte keine eindeutige Entscheidung für uns. Der erholte und wohlpräparierte Komorowski schlug sich überraschend gut. Es kam zu einem Unentschieden. Zum Glück war Duda bei der zweiten TV-Debatte, drei Tage später, in Höchstform und hat diese ganz klar gewonnen.
Duda hat bis zur letzten Minute gekämpft, bis Mitternacht des 23. Mai, als die vom Gesetzgeber verordnete Wahlruhe begann.
Wie der britische Ministerpräsident David Cameron, begab sich Andrzej Duda auf eine 24-Stunden-Abschluβtour durch Polen. Die Brötchen, die er in einer Nachtbäckerei geschenkt bekam, verteilte er um fünf Uhr früh vor einer Kohlegrube in Oberschlesien usw. bis er abends zur Abschluβkundgebung auf dem Markt in seiner Heimatstadt Kraków eintraf, wo ihn Tausende von Menschen erwarteten.
Am frühen Nachmittag des 24. Mai sickerte durch, dass Duda gewonnen hat.
Und ich habe daraufhin beschlossen nach Częstochowa, zum Gnadenbild der Schwarzen Madonna auf dem Hellen Berg zu fahren. Bei der ersten Runde war ich in der Kirche und Andrzej Duda hat gewonnen. Jetzt sollte es auch so sein.
Den triumphalen Wahlabend ihrer Partei haben Sie verschmäht.
Nicht verschmäht, aber was sollte ich dort. Nicht ich war der Held des Abends, sondern der neue Staatspräsident. Und wem kann man in einem solchen Augenblick die polnischen Anliegen am besten anvertrauen? Wem soll man für den schwer erarbeiteten Erfolg danken? Natürlich der Muttergottes von Częstochowa. (…).
Wie geht es nun weiter?
Andrzej Duda ist die zentrale Figur der polnischen Politik geworden. Jetzt geht es darum, die entfesselte politische Dynamik zu nutzen und in diesem Herbst die Machverhältnisse im Sejm zu ändern. Das wird nicht einfach sein, aber es ist machbar.
Korruptionsskandale, nicht eingehaltene Versprechungen, drastisch erhöhte Steuern, die Abhöraffäre, in der schon seit Monaten immer neue kompromittierende Aufnahmen aus Privatgesprächen führender Regierungspolitiker ans Tageslicht gelangen… Die Bürgerplattform, jetzt bereits ohne Tusk, gerät politisch ins Taumeln.
Ja, gewiss, aber das bedeutet lange noch nicht, dass wir den Sieg im Herbst schon in der Tasche haben.
Auch wenn die Menschen in den Abhöraufnahmen zu hören bekommen, wie die damalige Infrastrukturministerin und heutige polnische EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska bei einem vorzüglichen Essen, natürlich auf Kosten des Steuerzahlers, ihrem Gesprächspartner, dem Chef des polnischen BKA, verkündet, für sechstausend Zloty (ca. 1.500 Euro – Anm. RdP) im Monat können „nur Diebe oder Idioten arbeiten“. Der polnische Durchschnittslohn brutto liegt bei gerademal knapp 3.000 Zloty (ca. 750 Euro – Anm. RdP) und der gesetzliche Mindestlohn bei 1.200 Zloty brutto (ca. 300,- Euro – Anm. RdP).
Das ist die Mentalität von Leuten, denen die Macht zu Kopf gestiegen ist.
Oder wenn Bieńkowska in demselben Gespräch sagt, dass „der Kohlebergbau dieser Regierung scheiβegal“ war.
Sie sind so wie sie sich geben, wenn sie meinen, dass keiner es mitbekommt. Gleichzeitig beherrschen sie die Techniken der Macht perfekt, wissen sich die weitverbreitete Passivität in unserem Lande, die Resignation und politische Gleichgültigkeit der Bevölkerung, aber auch die Unterstützung der heimischen Medien, die am Tropf ihrer Staats- und Kommunalanzeigen hängen, geschickt zunutze zu machen.
Und jetzt sind sie dabei ein Rettungsboot für sich zu bauen, eine Partei mit dem Namen NowoczesnaPL (ModernePL – Anm. RdP).
Das ist eine Partei von Bankern und Managern mit Spitzengehältern, die vorgeben darüber „empört“ zu sein, dass die regierende Bürgerplattform nichts aber auch gar nichts von ihren Versprechungen in puncto Gewerbefreiheit, Steuersenkungen, Entbürokratisierung usw. getan hat. Dass sie sich erst nach acht Jahren empören ist sehr bezeichnend. Alle diese Leute waren treue Parteigänger der Bürgerplattform, jetzt versuchen sie ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.
Das Ziel ist, wie bisher, den Banken, Konzernen, Groβfirmen ein sorgenloses, vor allem möglichst steuerfreies Dasein zu ermöglichen. Sie bauen auf die Generation der 35- bis 45-jährigen, die am Anfang der Transformation auf die erste Welle des Aufschwungs aufgesprungen sind und oft der Idee des zügellosen Wirtschaftsliberalismus, ohne jegliche soziale Verpflichtungen, selbstsüchtig nacheifern. Alle haben ja dieselben Chancen, und wer in einer Gesellschaft unter die Räder gerät, ist selbst schuld.
Donald Tusk war ihr Idol, jetzt wenden sie sich dem Altmeister dieser Ideologie bei uns, und einem der Mitbegründer der neuen Partei, Leszek Balcerowicz zu. Sie hoffen auf etwa zehn Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen, werden, sollten sie ihr Ziel erreichen, sofort eine Regierungskoalition mit der schwer angeschlagenen Bürgerplattform bilden, damit es so weiter geht wie bisher, d.h. seit 2007. Ich hoffe, die Wähler fallen nicht noch einmal auf so etwas herein.
Vieles spricht dafür, dass ihre Partei nicht die absolute Mehrheit der Stimmen bekommt, und sie eine Koalition werden eingehen müssen, um zu regieren. Der einzige mögliche Koalitionspartner wäre die, wie Phönix aus der Asche entstandene, Pawel-Kukiz-Bewegung, die zwar die richtigen Diagnosen stellt, aber auβer der Forderung das Mehrheitswahlrecht bei uns einzuführen, kein positives Programm, und zwar zu keinem Thema, parat hat.
Auch ich weiβ nicht, wie sich diese Initiative entwickeln wird. Eins ist klar, die zwanzig Prozent Stimmen, die Kukiz in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen bekam, zeigen wie groβ bei uns das Streben nach Veränderung ist. Wenn Kukiz und seine Leute ein schlüssiges, konstruktives Programm ausarbeiten, das sich mit unseren Zielen vereinbaren lässt, dann werden wir sie als Verbündete betrachten, mit allem Ernst behandeln und versuchen Kompromisse, die gut für Polen sind, zu schlieβen.
Wollen Sie nach der eventuell gewonnen Wahl Regierungschef werden?
Es ist der Staatspräsident, in diesem Fall Andrzej Duda der, laut Verfassung, einem Politiker nach den Wahlen den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt.
Inzwischen ist auch Frau Beata Szydło im Gespräch.
Ich bin überzeugt, sie hat das Zeug dazu. Es wird so geschehen, wie es am besten für unser Land ist. Nicht persönliche Ambitionen und Hoffnungen sind hier ausschlaggebend, auch nicht meine.
Aber man kann doch nicht in eine Wahl gehen ohne vorher zu sagen, wer der Regierungschef sein wird.
Das werden wir auch vorher sagen, aber haben sie bitte noch etwas Geduld.
RdP