Deutsche Federn schreiben für den Endsieg…

… der Demokratie in Polen.

Die Polen haben gewählt, jetzt wird seit dem 25. Oktober 2015 zurückgeschossen. Inzwischen befindet sich das Land deutscherseits unter schwerstem publizistischen Trommelfeuer. Wenn deutsche Federn für den Endsieg der Demokratie in Polen schreiben, wird der freien Entscheidung der polnischen Wähler von der ersten Minute an kein Pardon gewährt. Wie weit wird die deutsche Generaloffensive gehen? Der mediale Polen-Feldzug wirft einige Fragen auf.

Sie zu beantworten bat das Internetportal „wPolityce.pl“ („inderPolitik.pl“) Prof. Zdzisław Krasnodębski. Der renommierte Soziologe und Sozialphilosoph lehrt in Polen und in Deutschland, gehört zu den intellektuellen Vordenkern der Partei Recht und Gerechtigkeit, und vertritt diese seit 2014 als Abgeordneter im Europaparlament. RdP dokumentiert das Gespräch in wesentlichen Auszügen.

Krasnodebski foto
Prof. Zdzisław Krasnodębski

Woher kommt diese hohe Woge der Ablehnung, Frustration und Panik beim Beschreiben der Lage in Polen durch die deutschen Medien?

DER ERSTE GRUND ist Ignoranz. Viele deutsche Journalisten glaubten an das von ihnen selbst mitgestaltete Propagandabild von Polen als einem dynamischen Land der Erfolge, ohne gröβere Probleme, von der Bürgerplattform als einer hervorragenden Partei und von Donald Tusk als dem Vater der polnischen Nation. Es ist nicht das erste Mal, dass jemand der eigenen Propaganda zum Opfer fällt. Eigentlich darf man sich nicht wundern, dass Enttäuschung in Aggression umschlägt bei denen, die eine redliche Analyse der Situation in Polen niemals gewagt haben.

Oder bei denen, denen die „Gazeta Wyborcza“ als einzige Quelle für ihre Berichte diente.

Da gibt es noch den Fernsehsender TVN, die (vom Springer-Verlag herausgegebene – Anm. RdP) „Newsweek Polska“ und einige mehr. Die deutschen Berichterstatter jedenfalls, haben nie die wahren Methoden unter die Lupe genommen, mit denen die Bürgerplattform das Land regiert hat, die wahre Stimmung im Land, seine wahren Probleme. Deswegen ist der Durchschnittsdeutsche, der sein Wissen über Polen notgedrungen aus deutschen Medien schöpft, heute verwundert, ja geradezu schockiert, angesichts der Ergebnisse der Parlamentswahlen und der Maβnahmen, die die Wahlsieger ergreifen.

DER ZWEITE GRUND sind Vorurteile gegen Menschen und Parteien, die sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums befinden. Im heutigen Europa darf man höchstens „Mitte-rechts“ stehen. Die Bezeichnung „die Rechte“ hat einen eindeutig negativen Klang, und die Bezeichnung „nationalkonservativ“, mit der man die Partei Recht und Gerechtigkeit in Deutschland umschreibt, dient dazu sie als eine Übeltäterin darzustellen. Die CDU oder die CSU werden niemals so bezeichnet, obwohl dieser Begriff, neutral gesehen, zu ihnen genauso gut, wenn nicht sogar noch besser passen würde.

Manchmal hat man den Eindruck, es seien Vorurteile gegen die Polen als Nation.

Im heutigen Deutschland gibt es, und das ist DER DRITTE GRUND für die Medienkampagne von der wir reden, dauerhafte und starke Vorbehalte, nicht gegen die Polen als Nation oder Ethnie, sondern gegen die traditionelle polnische politische Identität, die klassische polnische Ich-Erzählung, die polnische Gestalt des Politischen.

Sehr bezeichnend dafür war ein Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über Jarosław Kaczyński. Dort nannte man ihn einen „Aufständischen“, einen Politiker, der in der Tradition der polnischen Nationalaufstände verwurzelt ist.

In unseren polnischen Ohren klingt eine solche Beschreibung sehr anerkennend. In deutschen Ohren klingt das nur abwertend. Für die Deutschen, genauso wie für die radikale Linke in Polen, ist die traditionelle polnische Ich-Erzählung, ist die Art wie wir uns selbst sehen, unseren Platz in der Welt wahrnehmen, überholt, nationalistisch, feindlich. Die Modernisierung sollte das endlich beseitigen. Doch, siehe da, es verschwindet nicht.

Der ganze Prozess der sogenannten polnisch-deutschen Versöhnung kränkelt und lahmt daran. Wenn sich jemand mit einem anderen versöhnen will, dann akzeptiert er seine Eigenschaften, achtet seine Identität. Diese Akzeptanz von deutscher Seite ist nicht gegeben. Dafür gibt es das Bestreben uns zu „erziehen“, aus den Polen ein anderes Volk zu machen, damit sich alle diese „Kaczyńskis“, die sich in der polnischen nationalen Tradition wiederfinden, in moderne „Tusks“ verwandeln, die das traditionelle Polnisch-Sein, wie die Deutschen, als etwas unnormales empfinden.

Ich hatte die Hoffnung, dass deutsche Journalisten und deutsche Wissenschaftler, die in verschiedenen Denkfabriken und an Universitäten polnische Angelegenheiten analysieren, in den letzten acht bis zehn Jahren etwas dazugelernt und aus ihren Analyse-Irrtümern der Jahre 2005-2007 (erste Regierungszeit von Recht und Gerechtigkeit – Anm. RdP) Lehren gezogen haben. Es war naiv von mir.

DER VIERTE GRUND sind starke eigene nationale Interessen. Sie bewirken, dass die deutschen Medien meistens nicht in der Lage sind wahrzunehmen, dass z. B. wir in Polen durchaus rational handeln.

Vor kurzem erschien in der „Welt“ ein sehr treffender Kommentar, der die Deutschen davor warnte den Fehler zu machen und automatisch deutsche Interessen, deutsche Politik mit den Interessen ganz Europas gleichzusetzten. Sehr viele von ihnen glauben tatsächlich daran, dass sie immer recht haben und dass sie immer im Namen ganz Europas sprechen. Leider ist groβen Teilen der deutschen Gesellschaft und ihren, vor allem elektronischen Medien, die Fähigkeit abhandengekommen sich mal in die Lage der anderen zu versetzen, mal auf Distanz zu sich selbst zu gehen, eigene Vorstellungen und Interessen in einem übergeordneten Zusammenhang zu sehen. (…)

In wieweit spiegelt diese auf Polen bezogene, heftige deutsche Medien-Schelte die Meinung der Politiker in Berlin wieder? Kann man diese Standpauken auch als verdeckte politische Signale deuten?

Zweifellos üben Medienberichte einen gewissen Einfluss auf die Meinungsbildung der Politiker aus. Zum Glück sind Politiker realitätsbezogener, deswegen würde ich die inzwischen rein negative Meinung der deutschen Medien zu Polen nicht mit der Meinung der deutschen Politiker gleichsetzten. Die deutschen Medien schaffen jedoch eine ungute Atmosphäre in den polnisch-deutschen Beziehungen. Umso mehr, als dort z.B. neulich zu lesen war, dass man sich im Falle Ungarns noch eine gewisse Tolerierung leisten konnte, aber im Falle unsres Landes sei das nicht denkbar.

Ich würde mir sehr wünschen, dass die Achtung für unsere polnischen Entscheidungen, für unsere Politik, eines der Fundamente der polnisch-deutschen Beziehungen darstellt. Diesen Beziehungen sollte das Prinzip zu Grunde liegen, dass die Frage wie wir unsere internen Probleme regeln wollen vor allem unsere Angelegenheit ist.

So wie wir das Geschehen in Deutschland beobachten, analysieren, uns zu vielem Gedanken machen, aber uns nicht das Recht anmaβen den Deutschen unsere Sichtweisen mit medialer Brachialgewalt geradezu aufzuzwingen, geschweige denn sich in ihre Angelegenheiten einzumischen.
Darum würde ich unsere deutschen Partner schon bitten. (…).
RdP