1.05.2022. Es gibt ein Leben ohne russisches Gas in Polen

Das bis vor Kurzem Unvorstellbare hat sich ereignet und nichts ist passiert. Weder die polnische Industrie, noch die Haushalte merken etwas davon, dass Russland Polen am 27. April 2022 den Gashahn zugedreht hat. Das Land ist gut gewappnet. Wie war das möglich?

Lange hieß es, die russophoben Polen haben geradezu einen Narren an der Energieunabhängigkeit ihres Landes vom großen Nachbarn gefressen. Und man weiß ja nicht erst seit heute, dass jedem Narren seine Kappe gefällt. Also ernteten die Polen jahrelang das selbstgefällig-süffisante Lächeln deutscher Politiker, das man gemeinhin nur keck auftretenden Kleinkindern zuteilwerden lässt.

Das Mitleid galt ausdrücklich Polens „hinterwäldlerischen“ Nationalkonservativen, die sich der Energieunabhängigkeit von Russland restlos verschrieben haben. Der 2010 tödlich verunglückte Staatspräsident Lech Kaczyński hatte diesbezüglich bereits versucht, gemeinsame Projekte mit Litauen, Aserbaidschan, der Türkei und der Ukraine einzufädeln.

Doch Frau Merkels politischer Ziehsohn und Günstling Donald Tusk, zwischen 2007 und 2014 polnischer Ministerpräsident, und seine Mannschaft fielen dem polnischen Staatsoberhaupt immer wieder in den Arm. Sie steuerten, wie ihre geistige Heimat Deutschland, kräftig dagegen, in Richtung Abhängigkeit von Russland.

Der 2006 von der Regierung Jarosław Kaczyński begonnene Bau des Flüssiggas-Terminals in Świnoujście/Swinemünde wurde nach dem Machtwechsel 2007 zu Tusk als nicht vorrangig betrachtet und bis 2015 verschleppt. Im Jahr 2010 unterschrieb die Tusk-Regierung zudem einen preislich äußerst ungünstigen Gasvertrag mit Russland, der ursprünglich bis 2037 gelten sollte. Nach heftigen Protesten im Land und dem Einspruch der EU-Kommission wurde er vonTusk, notgedrungen, auf Ende 2022 verkürzt.

In seiner unverbrüchlichen Treue zu Frau Merkel handelte Tusk, nicht nur in diesem Fall, gegen lebenswichtige Interessen Polens. Brav sein war oberstes Gebot. Als „antirussischer Störenfried“ hätte Tusk 2014 keine Chance gehabt, von Frau Merkel für seinen langersehnten Traumjob als EU-Ratspräsident protegiert zu werden. Hätte Putin Polen damals den Gashahn zugedreht, wäre die Panik in Polen riesengroß gewesen. Das Land war auf russische Gaslieferungen angewiesen.

Das zu ändern war, wie wir heute sehen, für Polen überlebenswichtig. Deswegen drückten die regierenden Nationalkonservativen 2015, nach ihren Siegen in den Staatspräsidenten- und Parlamentswahlen, in Sachen Energieunabhängigkeit aufs Gaspedal.

Endlich wurde das Flüssiggas-Terminal in Świnoujście in Betrieb genommen. Es deckt heute, durch Tankerlieferungen aus Katar, den USA, Norwegen und Nigeria, ein Drittel des polnischen Gasbedarfs, der sich auf 20 Milliarden Kubikmeter jährlich beläuft. Die Lieferungen aus Norwegen kommen von Gasfeldern vor der Küste des Landes, die Polen gekauft hat und die der staatliche polnische Mineralölkonzern Orlen betreibt.

Das wichtigste Projekt jedoch ist die Baltic Pipe, eine Erdgasleitung, die von Norwegen über Dänemark durch die Ostsee bis nach Polen reicht. Im Oktober 2022, genau zu Beginn der Wintersaison, soll die Baltische Röhre in Betrieb genommen werden. Durch sie sollen bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Polen gepumpt werden, was der Hälfte des polnischen Bedarfs entspricht.

Zudem achten die Behörden seit einigen Jahren penibel darauf, dass die Gaslager stets gut gefüllt sind. Während die Gasspeicher in der EU im Durchschnitt nur zu 30 Prozent voll sind, beträgt der entsprechende Wert in Polen 78 Prozent – Tendenz steigend. Mit den 4 Milliarden Kubikmetern jährlicher Eigenförderung reicht das aus, um den laufenden Verbrauch zu decken.

Zudem entstehen jetzt zusätzliche Gasleitungen nach Deutschland, Litauen und in die Slowakei, um im Ernstfall auch von dort Gas zu beziehen oder umgekehrt von Polen aus in diese Länder zu liefern. Wenn demnächst ein weiteres Flüssiggas-Terminal in Danzig betriebsbereit sein wird, soll Polen zu einem der größten Erdgas-Exporteure innerhalb der EU aufsteigen.

Haben ist allemal besser als brauchen.

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RdP




28.04.2022. Macron ist nicht gut für Polen

Auch in Polen läutet das linksliberale Lager die Glocken des Triumphs. Emmanuel Macron hat Marine Le Pen besiegt und sich das Recht gesichert, das Land der Gallier weitere fünf Jahre lang zu führen.

Was ist davon zu erwarten? Der sprunghafte Chefkoch Macron wird uns weiterhin seinen politischen Lieblings-Mischsalat servieren. Ein Allerlei aus Träumen von einer europäischen Armee, mehr Distanz zu Amerika, dem anhaltenden Glauben daran, dass man sich mit Putin einig werden kann, dem Drang, die EU-Schulden zu vergemeinschaften, und weiteren Reformbemühungen, um Frankreich wettbewerbsfähiger zu machen.

Polen wird für Macron, wie gehabt, Gegenstand kaum verhohlener Abneigung bleiben. Die Liste seiner verbalen Angriffe ist lang. Schon vor fünf Jahren ließ sich Wahlkämpfer Macron immer wieder zu heftigen Drohungen gegen Polen hinreißen. Er setzte damals, 2017, die polnische Regierung mit Putins Herrschaft gleich. Er wetterte gegen angebliches polnisches Sozialdumping, weil die Firma Whirlpool ihren Betrieb aus Amiens nach Łódź/Lodsch verlegte.

Was Whirlpool angeht, wird innerhalb von drei Monaten nach meiner Wahl eine Entscheidung in Sachen Polen gefällt. Ich übernehme dafür die Verantwortung. Ich möchte, dass man sich den Fall Polen in seiner Gänze anschaut und dass (…) Sanktionen verhängt werden“.

Macron blieb dieser Linie treu, als er während seines diesjährigen Wahlkampfes den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki als einen „rechtsextremen Antisemiten, der LGBT verbietet“, diffamierte. Beweise dafür bleibt er bis heute schuldig.

Einzig zu solch einem Kommentar war Macron fähig, als der polnische Regierungschef, erschüttert von den russischen Gräueltaten in Butscha, zu mehr europäischer Einigkeit gegen Russland aufrief und den Hausherrn im Élysée-Palast beschwor: „Präsident Macron, Sie haben so oft mit Putin verhandelt. Was haben Sie erreicht? Haben Sie auch nur eine der Gräueltaten gestoppt? Mit Kriminellen darf man nicht verhandeln, Kriminelle müssen bekämpft werden. Würden Sie auch mit Hitler, mit Stalin, mit Pol Pot verhandeln?“, fragte der polnische Premierminister.

Was kann Polen von einem Macron erwarten, für den, anders als für US-Präsident Joe Biden, Putin kein „Schlächter“ ist und die russischen Gräuel in der Ukraine kein „Völkermord“ sind, dafür, so seine Meinung, handelt es sich bei den Russen und Ukrainern um zwei „Brudervölker“.

Im Hagel russischer Raketen setzt Macron weiterhin auf Diplomatie. Noch vor kurzem hat er Putin im Schloss von Versailles und im Fort de Brégançon hofiert. Heute mimt er den großen Vermittler, der Putin in langen Telefongesprächen zu zähmen vermag. Macron will es nicht wahrhaben, dass im Ukraine-Krieg das von ihm errichtete intellektuelle Gebäude eines „gemeinsamen Europas mit Russland und ohne Amerika“, unter der Last seiner eigenen, lange gepflegten Illusionen und Widersprüche, zusammengebrochen ist.

Die widerspenstigen polnischen Nationalkonservativen, die in Warschau regieren und stets vor Russland warnten, sind Macron seit eh und je ein Dorn im Auge gewesen. Ostmitteleuropa habe gefälligst den Mund zu halten, wenn Macron in seiner blinden Unterstützung für die Föderalisierung Europas immer neue Pläne schmiedet, auch um der lächerlichen Kleinstaaterei im Osten des Kontinents ein Ende zu bereiten.

Sehr zum Leidwesen Macrons sind für die meisten Menschen in diesen Ländern nicht er und seine französischen Wähler, sondern die Amerikaner, die ihre Truppen in Polen und im Baltikum massiv verstärken und Russland mit Sanktionen hart anpacken, die besseren Europäer.

Gewiss, in den letzten Jahren erlebte Polen einige wenige plötzliche und vehemente Sympathiebekundungen des nervös auftretenden, leicht reizbaren Präsidenten. Da versuchte Macron, sehr unbedarft, seine Abneigung zu kaschieren, um französische Atomkraftwerke oder U-Boote in Warschau an den Mann zu bringen. Doch sich verstellen gehört nicht zu seinen Stärken.

Paris und Berlin, das über den Zusammenbruch der deutschen Russlandpolitik zutiefst verwirrt ist, werden, wie üblich, versuchen, die Stärke des deutsch-französischen EU-Motors aufrechtzuerhalten. Den Polen, mit Ausnahme von Donald Tusk und den Seinen, hat eine solche Zusammenarbeit, die den Anspruch erhebt, die europäische Politik willkürlich zu bestimmen, noch nie gefallen. Und Macron wird seine Sichtweise auf Polen als ein fernes Land, das der aufgeklärten Politik des Visionärs aus Paris nur Probleme bereitet, wohl nicht ändern.

Das ist bedauerlich, aber c’est la vie.

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RdP




24.04.2022. Jetzt ist klar, warum Putin Memorial verbieten liess

Völkermord ist auch ein Problem der russischen Gegenwart.

Ende Dezember 2021 ordneten russische Behörden das Verbot von Memorial, der Gesellschaft für historische Aufklärung, an. Doch warum sollte sich das Regime an einer Organisation stören, die Verbrechen aus der fernen kommunistischen Zeit dokumentiert? Warum kann das Sammeln von Beweisen für den stalinistischen Völkermord als „staatsfeindliche“, „extremistische“ oder gar „terroristische Betätigung“ betrachtet werden?

Putin hat wiederholt erklärt, dass es so etwas wie eine eigene ukrainische Nation nicht gibt. Alles, was dagegen spricht, sollte beseitigt werden. Das ist mit der „Entnazifizierung“ der Ukraine gemeint, die, wie der Politologe des Regimes, Timofej Sergejew, wörtlich sagte, einer „Ent-Europäisierung“ und „Ent-Ukrainisierung“ gleichkommt.

Damit die Ukraine aufhört, Ukraine zu sein, und das ukrainische Volk Teil des russischen Volkes wird, ist es notwendig, deren Führung und die intellektuellen Eliten auszulöschen, d.h. diejenigen, die die Bildung des kollektiven Bewusstseins und der nationalen Identität bestimmen. Deshalb bestand der ursprüngliche Plan des Kremls darin, die politische und intellektuelle Elite des ukrainischen Staates zu liquidieren, also, nach internationalem Recht, Völkermord zu begehen.

Da nach dem russischen Angriff der Widerstand viel größer ist als erwartet, wurde beschlossen, die „Entnazifizierung“ viel breiter anzulegen. Deswegen werden in den besetzten Gebieten lokale Regierungsbeamte, Kommunalpolitiker, Nichtregierungsaktivisten, Lehrer, Trainer, Sportler usw. entführt und nicht selten ermordet. Ihre Verbundenheit mit dem ukrainischen Staat ist ihnen zum Verhängnis geworden. Nicht zufällig sprach Putin im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine von einer „Endlösung“, die mit allen verfügbaren Mitteln erreicht werden müsse.

Einige der Opfer wurden mit auf dem Rücken gefesselten Händen in Massengräbern gefunden. Nicht wenige von ihnen starben durch Genickschüsse. Nicht anders als bei den stalinistischen Massenverbrechen, die von Memorial untersucht wurden.

Als das Oberste Gericht Russlands am 28. Dezember 2021 die Auflösung der Vereinigung anordnete, hieß es, Memorial „zeichnet ein falsches Bild von der UdSSR als terroristischem Staat, spekuliert über das Thema Repressionen, verzerrt die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges und rehabilitiert Naziverbrecher“.

Jetzt werden diese Argumente vom Kreml gegen alle verwendet, die versuchen, die Wahrheit über die Massaker in der Ukraine auszusprechen. Um es heute mit den Worten des Gerichts zu sagen: Wer behauptet, dass die Morde in Butscha, Borodjanka, Irpin oder Makariw von der russischen Armee begangen wurden, „spekuliert über das Thema Repressionen und erzeugt ein falsches Bild von Russland als terroristischem Staat, verzerrt die Geschichte der »Militärischen Spezialoperation in der Ukraine« und rehabilitiert Neonazi-Verbrecher“.

Moskau verhält sich heute im Fall Butscha genauso, wie einst nach der Ermordung von etwa 25.000 polnischen Kriegsgefangenen im April und Mai 1940 in Katyn und an anderen Orten. Die Sowjets bestritten hartnäckig, irgendetwas mit diesem Verbrechen zu tun gehabt zu haben, sie schoben die Schuld auf die Deutschen. Jetzt sollen die Ukrainer die Schuldigen sein.

Erst gut fünfzig Jahre nach den Morden von Katyn hat die Sowjetunion, durch Gorbatschow, diese Taten nur widerwillig gestanden. Der Verein Memorial war anschließend an der Aufdeckung der Einzelheiten der sowjetischen Geschichtsfälschungen beteiligt. Spätestens seit Butscha sind für Moskau, selbst Untersuchungen des einst von Stalin begangenen Völkermordes sehr heikel geworden. Sie könnten unerwünschte Assoziationen hervorrufen oder gar jemanden in Russland dazu ermutigen, Putins Verbrechen zu erforschen. Und das darf nicht sein.

RdP




19.04.2022. Franziskus irrt. Die Polen verwirrt

Kriege bringen fast immer tiefgreifende Veränderungen mit sich. Das sehen wir auch in diesem Frühjahr. Die deutsche Ostpolitik stirbt unter schmerzhaften, beschämenden Zuckungen. Die russischen Illusionen über die eigene Macht ruhen bereits, zusammen mit dem Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“, auf dem Grund des Schwarzen Meeres. Auch die seltsamen gedanklichen Kapriolen zum Thema Ukraine-Krieg von Papst Franziskus werden obsolet.

Die meisten Polen sehen das so: Russland, der ewige, despotische Feind der freien Menschen, will wieder einmal einen Nachbarn versklaven. Abermals bringt er Zerstörung, mordet und raubt. Er hat sich nicht verändert, weil er sich nicht verändern wollte. Nach dem Zarentum und dem Kommunismus kommt er lediglich in einem neuen Gewand daher.

Was sieht Papst Franziskus? Er lenkt die Aufmerksamkeit von der Ukraine ab, indem er sagt: „Schauen wir uns doch die Kriege in Afrika, im Nahen Osten und in Asien an.“ Ein Krieg von vielen? Im Prinzip ja, nur dass keiner der anderen Kriege im Moment so blutig ist und dermaßen den Weltfrieden bedroht, wie jener in der Ukraine, weil er sich am leichtesten von allen in einen Atomkrieg verwandeln kann.

Schuld an ihm sind wir alle, jeder Einzelne von uns, sagt Franziskus. Er verteilt die Schuld im Wesentlichen gleichmäßig und lässt seinen Staatssekretär, Kardinal Parolin, verkünden: „Viele schicken Waffen in die Ukraine. Es ist schrecklich, denn das kann eine Eskalation auslösen, die nicht zu kontrollieren ist.“

Dabei verschlimmern Waffenlieferungen nicht, sondern verbessern die Situation der Ukrainer. Russische Truppen werden so daran gehindert, weitere Gebiete zu erobern und dort Gräueltaten zu begehen. Eigentlich ist das sehr einleuchtend.

Franziskus jedoch erblickt nur ein allgemeines Übel, eine schlimme Sünde der Menschheit und deren Verfall. Klar unterscheiden zwischen Überfall und Notwehr, zwischen Opfer und Täter will er offensichtlich nicht. Russland, den ewigen Feind der freien Menschen, scheint er nicht zu sehen. Er tariert das Gleichgewicht aus, sucht die Symmetrie.

Dabei liegt die Wahrheit niemals in der Mitte, sondern immer dort, wo sie nun einmal liegt, sie kann nicht „ausgemittelt“ werden. Ebenso sind wir nicht alle schuldig, auch kann nicht jeder mit einem Olivenzweig begrüßt werden. Selbst wenn wir manchmal die andere Wange hinhalten sollten, dürfen wir den Kopf nicht unter das Fallbeil legen. Vor allem nicht, wenn es sich dabei um den Kopf eines anderen handelt. Daher rührt das Konzept des gerechten Verteidigungskrieges, das von der Kirche seit Jahrhunderten ausdrücklich akzeptiert wird.

Doch Franziskus ging in seiner friedensbewegten Verwirrung noch weiter. Er ließ eine Ukrainerin und eine Russin beim diesjährigen Kreuzweg im römischen Kolosseum gemeinsam das Kreuz tragen. Dahinter verbergen sich gute Absichten, aber stellen wir uns vor, dass Papst Pius XII., mitten im Zweiten Weltkrieg, einer deutschen Frau und, sagen wir, einer Polin etwas Ähnliches vorschlägt (der Gedanke an eine Jüdin kommt einem erst gar nicht in den Sinn).

Inmitten eines völkermörderischen Krieges kann das nur als Gleichsetzung von Opfern und Henkern verstanden werden. Der Krieg muss beendet sein. Danach kommt die quälende Zeit der ehrlichen Reue über die Sünden, und noch später die der Vergebung. Nur die Opfer und ihre Familien können sie gewähren. Man muss kein Kirchenlehrer (Doctor ecclesiae) sein, um das zu verstehen.

Woher rühren solche Ideen? Am ehesten von der Massenkultur mit ihrer billigen Symbolhaftigkeit und politischen Korrektheit. Ihr Wesen ist es, Unterschiede zu verwischen. Auch die ethischen, indem sie Sprüche wie „Jeder ist ein Held“ oder „Jeder ist schuldig“ klopft. Man spricht diesbezüglich von Homogenisierung.

Franziskus jedoch, anstatt in in Polen und woanders Verwirrung zu stiften, sollte in diesem Fall dringend das Feld räumen und es Paulo Coelho, dem berühmtesten Vielschreiber der Welt, überlassen. Während Kardinal Parolin Angst hatte, Waffenlieferungen an die überfallene Ukraine würden den Krieg befeuern, war die einzige Sorge des Meisters der Trivial-Literatur, dieser Angriffskrieg könnte der Russophobie Vorschub leisten. Solche Ähnlichkeiten machen sich nicht gut.

RdP




14.04.2022. Fehl am Platze. Steinmeier in Kiew

Mit ausgesprochener Herzlichkeit begrüßte Wolodymyr Selenskyj die Staatspräsidenten Polens und der drei baltischen Staaten in Kiew. Lachende Gesichter, Umarmungen und fünf miteinander verflochtene Hände ergaben symbolträchtige Medienbilder mit einer eindeutigen Aussage. „Die Ukraine fühlt sich von euch stark und zuverlässig unterstützt. Mit Partnern wie euch werden wir siegen“, sagte Selenskyj.

Auch der deutsche Bundespräsident wollte mit von der Partie sein. Doch offensichtlich war er, nach Meinung des Gastgebers, in dieser Runde fehl am Platze und wurde ausgeladen. Dieser Affront empört viele Deutsche. Deutschland wurde brüskiert und gekränkt, heißt es in den Medien.

Bei so viel Verbitterung könnte der Versuch, sich in die Lage der Ukrainer zu versetzen, heilsam wirken. Seit Wochen bitten, betteln, schimpfen Selenskyj und sein Botschafter in Berlin, Melnyk, Deutschland möge seiner von Kanzler Scholz im Bundestag mit feierlicher Ergriffenheit verkündeten Zeitenwende endlich Taten folgen lassen: schwere Waffen liefern, Sanktionen gegen Russland verschärfen. Vergeblich.

Deswegen sollte dringend der deutsche Kanzler nach Kiew reisen, und zwar mit konkreten Zusagen. Herr Scholz telefoniert jedoch offensichtlich lieber mit Putin.

Fahren wollte Frank-Walter Steinmeier, der jedoch, erstens, nichts von dem mitbringen konnte, was die Ukraine gerade braucht, stattdessen sollte es einen warmen Händedruck geben, der vor allem ihn selbst gut aussehen ließe. Und der, zweitens, wie kaum ein anderer, als ehemaliger Chef des Bundeskanzleramtes und Außenminister, für die verfehlte deutsche Russlandpolitik der vergangenen Jahre steht.

Und hierin besteht der Affront aus ukrainischer Sicht. Nicht die Absage an Steinmeier belastet die ukrainischen Beziehungen mit Deutschland, sondern die über Jahre falsche und heute ungenügende Ukraine-Politik Deutschlands. Statt endlich seinen Solidaritätsversprechen gerecht zu werden, schickt Deutschland ausgerechnet den einstigen Lawrow-Vertrauten und Putin-Versteher Steinmeier, damit der seine symbolische Läuterung vor der Kulisse der Kiewer Kriegslandschaft und mit dem ukrainischen Präsidenten als Nebendarsteller inszenieren kann. Ein netter Händedruck der beiden hätte das falsche Signal gesendet, dass schon alles in Ordnung ist und sich gar nicht mehr so viel ändern muss. Dass Selenskyj dabei nicht mitmachen wollte, leuchtet ein. 

Noch mehr Deutsche werden jetzt der Meinung sein, dass sich die Ukrainer Deutschland gegenüber unverschämt benehmen. Dass sie allmählich auch einmal dankbar sein könnten. Dass ihr Botschafter zu heftig vom Leder zieht, ihr Präsident immer nur ermahnt und fordert. Dass das ganze Land lieber weiterkämpft und dafür Waffen haben will, statt endlich einzusehen, dass man Wladimir Putin einen gesichtswahrenden Ausweg bieten muss und es mit Waffen keinen Frieden geben kann.

Traurig stimmt die selbstgewisse Überheblichkeit, mit der nicht wenige in Deutschland, nach zwanzig Jahren verfehlter Russland- und Ukraine-Politik, den Ukrainern jetzt schon wieder erklären wollen, was für ihr Land das Beste ist. Diese verfehlte Politik beinhaltete auch die Nichtbeachtung der Sorgen und Ängste der Staaten Ostmitteleuropas, das Ignorieren der eigenen Nato-Verpflichtungen, die sträfliche Vernachlässigung der Bundeswehr.

Jetzt steht den Ukrainern das Wasser bis zum Hals. Es geht um alles, um Sein oder Nichtsein. Der Ertrinkende ruft nach Hilfe, aber er soll, bitte schön, auf die Befindlichkeiten der Deutschen Rücksicht nehmen, damit sie, wie kleine Kinder, bloß nicht bockig werden.

Steinmeier-Eklat? Entscheidend ist nicht, wer, wem, wo die Hände schüttelt, sondern ob es der Ukraine gelingt, ihre Freiheit zu bewahren. Die Zeit drängt. Praktische Solidarität mit den Opfern tut not. Sie ist tausendmal wichtiger als ein protokollarischer Affront, über den Deutschland einfach hinwegsehen sollte.

RdP




9.04.2022. Polnische Faschisten

Es gibt kaum ein abgenutzteres Wort als „Faschismus“. Zu oft wurde es als politische Keule benutzt, mit der man auf Gegner einprügelt. In der öffentlichen Debatte ist es zu einem weitgehend inhaltsleeren Schmähruf verkommen.

Die Hauptschuld daran tragen Kommunisten und andere Linksradikale. Ein jeder, der sich ihrem verbrecherischen Herrschaftsanspruch widersetzt, sich ihnen nicht unterordnen will, bekommt dieses Schandmal verpasst. Hierbei blicken sie auf eine lange Tradition zurück. Schließlich waren Sozialdemokraten für die deutschen Kommunisten in der Weimarer Zeit, auf Stalins Geheiß, „Sozialfaschisten“.

In den letzten Jahren haben auch Kreise, die sich als „liberal“ bezeichnen, einen wesentlichen Beitrag zur Aushöhlung des Begriffes „Faschismus“ geleistet. Nach politischen Niederlagen, unfähig, sich mit dem Verlust der Macht abzufinden, greifen sie auf die bewährte bolschewistische Propagandamethode zurück. Dabei gibt es die Faschisten tatsächlich. Doch das sind nicht die Figuren aus den linksliberalen Märchen für dumme Wähler. Und Beispiele hierfür gibt es zuhauf.

Erinnern wir uns nur an die vielbeachtete Aussage des ehemaligen belgischen Premierministers, Europaabgeordneten und bis 2019 Vorsitzenden der Liberalen im Europäischen Parlament, Guy Verhofstadt, der im November 2017 behauptete, dass in Warschau ein „100.000 Mann starker Marsch von Faschisten, Neonazis und weißen Rassisten“ stattfand. „Ich spreche nicht von Charlottesville in den USA, sondern von Warschau. Dieser Marsch fand 300 Kilometer vom Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau entfernt statt. Das hätte in Europa nie passieren dürfen.“

So beschrieb Verhofstadt den alljährlichen Unabhängigkeitsmarsch in Warschau, anlässlich des polnischen Nationalfeiertages am 11. November. Polen, oft ganze Familien mit Kindern, die ihre Verbundenheit mit ihrem Heimatland bekunden wollen, vermischen sich dort nicht selten mit den im Land lebenden Vietnamesen, Schwarzafrikanern, Ukrainern. Niemandem von ihnen ist jemals auch nur ein Haar gekrümmt worden.

Den polnischen Radikallinken und den Euro-Turboliberalen unter Donald Tusk, die seit 2015 sechs Wahlen (Kommunal-, Europa-, zwei Parlaments- und zwei Wahlen des Staatspräsidenten) verloren haben, ist dieser Marsch ein Dorn im Auge. Es sind ihre Beschimpfungen, die Verhofstadt in seiner Rede aufnahm.

Seit Jahren suchen europäische Postkommunisten, Liberale, Progressive und Aktivisten aller Couleur den Faschismus in Mittel- und Osteuropa. In Polen, in Ungarn, in Slowenien, überall dort, wo die Mehrheit der Bürger sie nicht an der Macht haben will.

Dabei übersahen Verhofstadt und andere geflissentlich, was sich in Russland zusammenbraute: einen verbrecherischen Rausch, den jetzt der auf Panzern groß aufgemalte Buchstabe „Z“ symbolisiert. Sie verdrängten alle Warnzeichen: Morde an führenden Oppositionellen, den Georgien-Krieg, die Krim-Annexion, die Massen-Gehirnwäsche im Geist des großrussischen Chauvinismus. Sie nahmen das hin, umwarben und mästeten das Monster mit seinen 144 Millionen Einwohnern, prall gefüllten Atomarsenalen und Rohstoffen. Sie betäubten die Öffentlichkeit, sie lenkten ab. Auf der Suche nach den „Faschisten in Polen“ landeten sie schließlich in der ukrainischen Stadt Butscha.

Verhofstadt hat grausam gelogen. Mit dem Eifer eines Neubekehrten verurteilt er heute Russland und fordert Sanktionen. Gewissensbisse wegen geistiger Mitschuld an dem, was sich in Butscha und anderen ukrainischen Städten ereignet, scheint er nicht zu haben. Dabei griff er in den letzten Jahren pausenlos Polen an, schuf ein künstliches Problem und lenkte von Russland ab. „Polnische Faschisten, Neonazis und weiße Rassisten“ beherbergen inzwischen etwa zwei Millionen ukrainische Flüchtlinge. Verhofstadt sollte sich schämen.

RdP




5.04.2022. Butscha und die Nebenkostenabrechnung

Noch nie hat man so viele Sanktionen verhängt und ein angegriffenes Land so sehr unterstützt, wie jetzt die Ukraine. Aber das ist nicht genug.

Die Russen morden weiter, zerstören Städte, vertreiben Millionen von Menschen, viele wahrscheinlich für immer. Und sie geben uns unverhohlen zu verstehen, dass sie noch nukleare, chemische und biologische Waffen im Köcher haben.

Der Krieg um die Ukraine dauert bereits sechs Wochen. Für den Westen sind eineinhalb Monate der Aufopferung für ein Land, das außerhalb des Westens liegt, obwohl es unbedingt dazugehören möchte, etwas Außergewöhnliches. Wir sind besser, als man es erwarten konnte.

Aber, das reicht nicht aus. Ständig werden neue Sanktionen angekündigt, weitere Russen auf schwarze Listen gesetzt, weitere Unternehmen ziehen sich unter dem Einfluss der öffentlichen Meinung vom russischen Markt zurück.

Doch irgendetwas funktioniert trotzdem nicht. Dem Rubel geht es gut. Gestern, am 4. April 2022, musste man 83 Rubel für einen Dollar zahlen. In der zweiten Märzwoche, als er am schwächsten war, lag der Kurs bei mehr als 150 Rubel. Die Moskauer Börse funktioniert wieder und ist im Wachstum begriffen. Die russische Zentralbank lockert die Beschränkungen für Finanztransfers ins Ausland. Gazprom verzeichnet Rekordgewinne aus dem Verkauf von Rohstoffen und nimmt täglich mehr als 900 Millionen Euro ein.

Der Handel zwischen Russland und dem Westen wurde bisher lediglich eingeschränkt. Russische Handelsschiffe werden in allen Häfen der Welt gelöscht und beladen. Tausende russischer und weißrussischer LKWs rollen durch Polen bis nach Lettland und Estland, wo sie ihre Ladungen über die Grenze nach Russland bringen. Die EU-Kommission, die als einzige in Sachen Handelspolitik das Sagen hat, lässt es geschehen.

Haben die bisherigen Sanktionen, noch, nicht gewirkt? Das ist die optimistische Auslegung. Oder, so die pessimistische Version, es existieren so viele Ausnahmen, dass die Russen mit ihnen leben können und sich in aller Ruhe auf die Siegesparade am 9. Mai auf dem Roten Platz vorbereiten?

Vor allem einige tonangebende Staaten Westeuropas, wie Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich, aber auch Ungarn sollten sich einer Gewissensprüfung unterziehen. Dort wehrt man sich dagegen, der russischen Wirtschaft mit einem Handelsboykott und dem Erdöl- und Erdgasembargo den K.o.-Schlag zu versetzen. Man ist empört, entsetzt und voller Mitgefühl ob des russischen Vorgehens, beschützt aber unnachgiebig eigene Unternehmen, Arbeitsmärkte und die künftigen Beziehungen zum Kreml, ohne sich groß darum zu scheren, wie die Zukunft der Ukraine und der ihr am nächsten liegenden Länder aussehen wird. Die Sorge um die nächste Tankfüllung und Nebenkostenabrechnung überwiegt.

Die neueste makabre Pointe in diesem Katz-und-Maus-Spiel lautet: Die Russen morden in Butscha, Deutschland „bestraft“ daraufhin Russland, indem es 40 russische Diplomaten des Landes verweist, pumpt aber weiterhin Milliarden in Putins Kassen und verweigert den Ukrainern die Lieferung von einhundert Marder-Schützenpanzern.

Je länger das Stopfen von Löchern bei den Sanktionen und das Sich-Durchringen zu etwas größeren Opfern dauert, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnt und Russland, mit seinem Köcher voller Massenvernichtungswaffen, sich in eine noch größere Bedrohung verwandelt.

RdP




1.04.2022. Ukraine-Krieg. Ungarische Freunde auf Abwegen

„Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine steht Ungarn auf der Seite Ungarns“, so die unmissverständliche Botschaft von Ministerpräsident Viktor Orban in diesen Tagen. Sie erfüllt sehr viele Menschen in Polen mit Traurigkeit und Sorge.

Es gibt nämlich eine tiefe Verbundenheit zwischen unseren beiden Nationen, die seit dem späten Mittelalter viele Male unter Beweis gestellt wurde. So auch 1848-1849, als polnische Freiwillige unter General Józef Bem bis zum Letzten mit um die Freiheit Ungarns kämpften.

Und während Deutschland, wie auch die Tschechoslowakei, ihre Grenzen 1920 schlossen, schickte das nach dem Ersten Weltkrieg selbst schwer geprüfte Ungarn, im letzten Augenblick, tonnenweise Munition und trug so entscheidend zur Rettung des gerade unabhängig gewordenen Polens bei. Die Sowjets konnten vor Warschau abgewehrt werden.

Im Herbst 1939, nach dem deutsch-sowjetischen Überfall, nahm Ungarn Zehntausende polnischer Flüchtlige auf, mit einer Herzlichkeit und Großzügigkeit, die ihresgleichen sucht. Es widerstand monatelang dem Druck Hitlerdeutschlands und ließ Tausende polnischer Armeeangehöriger, als Zivilisten getarnt, auf Umwegen nach Frankreich ziehen, damit diese sich dort, bei den neu aufgestellten polnischen Einheiten, melden konnten.

Eine gigantische Woge der Hilfsbereitschaft erfasste Polen während des Ungarnaufstands gegen die Sowjets 1956. Die Hälfte aller Hilfslieferungen (Blutkonserven, Verbandsmaterial, Medikamente, Milchpulver) kam damals aus Polen.

Nur Ungarn stand und steht Polen in Brüssel bei, angesichts der maßlos überzogenen Vorwürfe zur Rechtstaatlichkeit und der Sanktionsdrohungen.

Heute jedoch fehlt es in Ungarn an Verständnis dafür, wie sehr Polen in diesem Krieg mit der Ukraine mitfühlt, und wie sehr es sich bewusst ist, dass es das nächste Angriffsziel Russlands sein kann. Ungarn weigert sich, in der bewährt freundschaftlichen Weise auf unserer Seite zu stehen. Und das tut weh.

Sehr vieles, was Polen und Ungarn verbindet, wird bestehen bleiben. Genauso wie die Loyalität und Solidarität in vielen schwierigen Situationen der letzten Jahre sowie die vielen Momente echter Freundschaft nicht einfach getilgt werden können. Vielleicht lässt sich die jetzige Krise in unseren Beziehungen nach den Wahlen am 3. April 2022, die Orban mit großer Wahrscheinlichkeit wieder gewinnen wird, beheben. Eine Korrektur der ungarischen Politik ist dann nicht ausgeschlossen.

Wir sind mit der jetzigen Politik Ungarns gegenüber der russischen Aggression nicht einverstanden, aber das setzt das Gebot der Redlichkeit nicht außer Kraft. Wer Viktor Orban als einen Mittäter und Verbündeten Putins darstellt, sagt nicht die Wahrheit.

Ungarn nimmt ukrainische Flüchtlinge auf, leistet großzügig humanitäre Hilfe, und zwar in nicht geringerem Umfang als Polen und mit nicht weniger Engagement. Budapest verurteilt eindeutig die russische Aggression, trägt alle bisherigen EU-Sanktionen uneingeschränkt mit, unterstützt die Ukraine in internationalen Foren und befürwortet den ukrainischen EU-Beitritt. Orban sagte auch, dass nach der Aggression gegen die Ukraine die ungarisch-russischen Beziehungen nicht mehr so sein könnten wie zuvor.

Aber Ungarn lehnt ein völliges Verbot russischer Energieimporte ab, geauso wie eine Handelsblockade. Es weigert sich zudem, selbst Waffen an die Ukraine zu liefern,ebenso lässt es keine Waffen im Transit passieren.

Ja, die Ungarn sollten unbedingt mehr tun. Unter solchen Umständen, wie wir sie jetzt haben, muss man sich bedingungslos auf die Seite der Opfer von Mariupol und Donezk und auf die Seite der Wahrheit stellen. Diese fehlende Uneingeschränktheit ist ein für Polen schmerzhafter Makel des Budapester Tuns. Dass Deutschland und Frankreich ähnlich verfahren, macht die Sache nicht besser. Von einem guten Freund verlangt man mehr.

RdP

29.03.2022. Putins Krieg und die Schuld der Russen

Wer eigentlich führt den Krieg gegen die Ukraine? Die Russen oder nur Wladimir Putin?

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wird nicht müde zu betonen, dass nicht das Volk, sondern den Präsidenten die Schuld trifft. „Dieser Krieg ist Putins Krieg“ legte sich Scholz bereits in seiner TV-Ansprache am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Einmarsches fest, und bleibt seither dabei. Er ist nicht der Einzige.

Frage an den Bundeskanzler: Wurde Polen 1939 von Deutschland und den Deutschen oder von Hitler überfallen? Natürlich gab der „Führer“ den Befehl dazu. Es gibt jedoch Menschen, die darauf hinweisen, dass Hitler dreimal hintereinander (Juli und November 1932, März 1933) Wahlen gewann, und legal an die Macht kam. Erst danach konnte er, das schon Anfang 1933 begonnene Werk der „Gleichschaltung“ Deutschlands in seiner Gänze anpacken und vollenden.

Die allermeisten Deutschen bejubelten ihn und folgten ihm auf seinen Eroberungszügen bis zum Nordkap, nach Nordafrika, bis vor die Tore Moskaus, hissten die Hakenkreuzfahne auf dem Elbrus, billigten oder nahmen seine verbrecherische Besatzungspolitik hin. Also sagen wir, dass es die Deutschen waren, die Polen überfallen haben, obwohl sich niemand empört, wenn gesagt wird, dass es Hitler war. Wer jedoch behauptet, es war nur Hitlers Krieg, dem wird heute heftig widersprochen.

Ist das bei Putin anders? Im Jahr 2004 erhielt er 53 Prozent der Stimmen (die Wahlergebnisse wurden im Allgemeinen nicht in Frage gestellt). Danach schaffte er schrittweise demokratische Strukturen und Verfahren ab, zerstörte die Opposition, befriedete auf bestialische Weise Tschetschenien, nahm sich Teile von Georgien, die Krim, den Donbass, bombte Syrien fast in die Steinzeit zurück. Und die Russen? Sie bejubelten ihn. Bis zu 80 Prozent von ihnen unterstützen heute Putins Ukraine-Krieg beziehungsweise nehmen ihn billigend oder resignierend in Kauf.

So gesehen sind Sanktionen, die in erster Linie die Gesellschaft treffen, gerechtfertigt. Auch die Auflösung von Verträgen mit putinfreundlichen russischen Künstlern, die Verbannung des russischen Sports, einer der tragenden Säulen in Putins Propaganda, von internationalen Wettkämpfen, und die Weigerung westlicher Verleiher ihre Filme in russischen Kinos zeigen zu lassen. Millionen russischer Befürworter des Krieges bekommen all das schmerzhaft zu spüren.

Das Ziel ist, das russische Volk gegen den Krieg aufzubringen. Den Menschen das Leben dermaßen schwer zu machen, sie so tief zu frustrieren und zu ermüden, bis es sich für ihren Präsidenten nicht mehr lohnt, die Ukraine zu vernichten.

Um die Deutschen gegen Hitler aufzubringen, legten die Allierten mit ihren Flächenbombardements eine deutsche Stadt nach der anderen in Schutt und Asche. Da kommt das russische Volk dieses Mal eher glimpflich davon.

RdP

27.03.2022. Biden in Polen

Das Meiste hat Joe Biden mit seiner Anwesenheit in Polen am 25. um 26. März 2022 gesagt. Er befand sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, an dem der Führer der freien Welt sein sollte.

Biden hielt eine wichtige, bedeutende und symbolträchtige Rede, die den historischen Moment gut wiedergab. Sie enthielt alles, was der mächtigste Politiker des Westens verkünden sollte, angesichts des Ukraine-Krieges, in einem Land an der Ostflanke der NATO, im Hof des Warschauer Königsschlosses, das als Symbol der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten und später wiederaufgebauten polnischen Hauptstadt gilt.

Man fühlte sich an John F. Kennedy 1961 („Ich bin ein Berliner“) und an Ronald Reagan 1987 („Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor. Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“) in West-Berlin erinnert. Damals herrschte der Kalte Krieg. Jetzt, nur wenige Stunden vor Joe Bidens Rede am 26. März 2022, fielen russische Raketen auf Lviv, weniger als 400 Kilometer von Warschau entfernt, 60 Kilometer von der polnischen Grenze.

Es war eine russische Machtdemonstration und ein deutliches Zeichen dafür, dass Putin nicht viel von Amerika hält. Die Antwort der USA fiel eindeutig aus. „Nach Artikel 5 des Nato-Vertrages haben wir die heilige Pflicht, jedes Mitglied und jeden Zentimeter des Nato-Gebiets mit der Kraft unserer kollektiven Verteidigung zu beschützen.“ Für den Frontstaat Polen und seine Menschen war das die wichtigste Aussage in dieser Rede.

Im Kampf gegen Putins Regime will Amerika jedoch bestimmte rote Linien nicht überschreiten, angefangen bei einer direkten militärischen Beteiligung auf ukrainischem Gebiet. Es sind die Ukrainer, so der Präsident, die „an vorderster Front stehen müssen“. Er versicherte, dass Amerika „auf ihrer Seite sei“, allerdings in der derzeitigen Form: durch Waffenlieferungen, verschärfte Sanktionen und die Isolierung Russlands. Ob das ausreichen wird, um Russlands Niederlage herbeizuführen?

Der seinerzeit als vergreist und schwerhörig belächelte „Sleepy Joe“ hat sein erstes Amtsjahr, 2021, mit naiv wirkenden Versuchen zugerbracht, Russland zu besänftigen. Er hat sich in Genf von Putin abspeisen lassen und obendrein drei wirkungslose telefonische „Gipfeltreffen“ mit ihm abgehalten, was den Kreml in seinen Plänen nur bestärkt hat. Glücklicherweise konnten die US-Geheimdienste und das Pentagon Biden schließlich davon überzeugen, dass Russland zuschlagen würde. Jetzt haben wir in Polen einen führungsstarken, kompromisslosen US-Präsidenten erlebt, der zu Höchstform aufgelaufen ist.

Es ist zu hoffen, dass das so bleibt. Biden verwies wiederholt auf die Worte Johannes Paul II. aus dem Jahr 1979 in Warschau: „Habt keine Angst“. „Die Macht einer geeinten freien Welt ist unschlagbar.“ Doch wenn überhaupt, dann treibt uns in Polen und die Ukrainer nur eine Angst um. Sie resultiert aus vielen bitteren historischen Erfahrungen: Es ist die Angst vor starken Worten auf die faule Kompromisse folgen.

RdP

25.03.2022. Frontstaat Polen

Ein Blick auf die Karte genügt, um das bestätigt zu bekommen. An Polens knapp 1300 km langer Ostgrenze entfallen gerademel einhundert Kilometer auf den EU-Staat Litauen. Ansonsten grenzt Polen an die beiden Kriegsparteien Russland (Gebiet Kaliningrad ca. 230 km) und die Ukraine (ca.530 km).

Hinzu kommen gut 400 km Grenze zu Weißrussland, wo die russische Armee inzwischen schaltet und waltet wie sie will. Sie schießt von dort Raketen ab und schickt Kampfflugzeuge gegen die Ukraine, versorgt in Krankenhãusern ihre Verwundeten und lagert in weißrussischen Leichenhallen ihre Gefallenen. Zudem ist jeden Augenblick mit dem Kriegseintritt des Lukaschenka-Regiems gegen die Ukraine zu rechnen.

Polens Verankerung in der Nato und die bilateral mit Washington ausgehandelte Anwesenheit von US-Truppen, die inzwischen auf 10.000 GI’s aufgestockt wurden, bewkirkt, dass, laut Umfragen, die Mehrheit der Polen nicht an eine Ausweitung des Ukraine-Krieges auf das eigene Territorium glaubt.

Dendennoch ist das Frontstaat-Sein eine ernste Angelegenheit. Frontstaat war Pakistan in den zehn Jahren des sowjetischen Afghanistan-Krieges. Es beherbergte Hunderttausende von Kriegsflüchtlingen, war Waffenschmiede, Rückzugs- und Ausfallgebiet für antisowjetische Partisanen. Zwar liegt Polen nicht am Hindukusch, aber eine ähnliche Situation ist denkbar. Polen ein zweites Pakistan, das wäre kein gutes Szenario.

Andererseits zeigt die Geschichte, dass es Frontstaaten gab und gibt, die enorme wirtschaftliche und technologische Entwicklungssprünge vollbracht haben: Frontstaat war bis 1989 Westdeutschland. Bis heute sind es Israel, die „asiatischen Tieger“ Taiwan und Südkorea.

Fundamentale Voraussetzungen für ein gesichertes Dasein am Abgrund all dieser Länder waren und sind: die amerikanische militärische Anwesenheit, amerikanische Sicherheitsgarantien, enorme eigene Verteidigungsanstrengungen und der Wille Widerstand zu leisten.

Polen kann das alles vorweisen. Die Weichen für ein sicheres Fronststaat-Sein sind gut gestellt. Den Rest muss jetzt die hohe Kunst der Außen- und Innenpolitik bewerkstelligen. und eine gehörige Portion Glück gehört auch dazu.

RdP

21.03.2022. Den inkorrekten Ukrainern ins Stammbuch geschrieben

Der Krieg in der Ukraine stellt die politische Korrektheit auf eine harte Probe.

Seitdem er ausgebrochen ist, gibt es, anstatt der oft zitierten Vielfalt, nur noch zwei Geschlechter. Männer kämpfen für ihr Land, Frauen bringen Kinder und Großeltern in Sicherheit. Eine augenfälligere Prachtentfaltung des längst vergessen geglaubten patriarchalischen Rollenmodells kann es wahrlich nicht geben. Wo bleiben die Quoten in diesem Bereich, die gewährleisten, dass die Hälfte der Väter sich um Küche und Kinder kümmert, während die Mütter mit Panzerfäusten im Marschgepäck an die Front ziehen?

Auch überprüft niemand in der ukrainischen Armee den Anteil der Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Veranlagungen. Dieser Überprüfung müssten selbstverständlich auch die russischen Streitkräfte unterzogen werden. Da wir Russland jedoch ohnehin verurteilen, mit der Ukraine sympathisieren, sie unterstützen, sollten wir vor allem diejenigen genauer betrachten, denen unsere Gunst zuteil wird.

Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, wie bei den Ukrainern überkommene Männlichkeitsbilder hochgespült werden. Plötzlich steht die „toxische Männlichkeit“ hoch im Kurs: Männer die keine Schwäche zeigen, ihre Gefühle unterdrücken und, man glaubt es nicht, dem Konflikt mit dem Aggressor Putin durch Gewalt beikommen wollen.

Für diesen Männertypus steht exemplarisch der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj, der ungerührt im russischen Raketenhagel ausharrt, statt sich in Sicherheit zu bringen. Selenskyjs Spruch: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit“, als die Amerikaner anboten ihn gemeinsam mit dem US-Botschaftspersonal aus Kiew herauszubringen, hätte auch von John Wayne oder Clint Eastwood stammen können. Diese erschreckende Diskursverschiebung zu mehr Männlichkeit widerspricht der „feministischen Außenpolitik“ und hat schwerwiegende „psychopolitische“ Folgen.

Selenskyj, einem offensichtlich aus der Rolle gefallenen drolligen Komiker, dem bei seinem Amtsantritt niemand so viel Medienwirksamkeit bei der Darstellung maskuliner Charakterstärke zugetraut hätte, steht, mit seinem ärgerlichen Machogehabe, der einstige Boxer, jetzt Kiews Bürgermeister, Vitali Klitschko zur Seite. Zwischen Wohnhäuserruinen verkündete er: „Wenn ich sterben muss, dann sterbe ich. Es ist eine Ehre, für sein Land zu sterben.“

Wäre es nicht an der Zeit den Ukrainern deutlich zu sagen, wie irrational sie sich verhalten, wenn sie ausgerechnet den aus der reaktionären Mottenkiste herausgeholten Begriff des „Vaterlandes“ in den Vordergrund ihrer „toxischen Männlichkeit“ rücken? Wie dumm verhalten sie sich zudem, wenn sie darauf bestehen, dass ihr Land das Recht habe in den, seinerzeit von allen Seiten anerkannten, rechtmäßigen Grenzen zu existieren, wo doch jeder weiß, dass Grenzen eigentlich längst abgeschafft gehören. Wird da nicht im Grunde viel Lärm um nichts gemacht?

Und die „Nation“, von der Selenskyj, Klitschko & Co. unentwegt schwadronieren? Sie ist doch nur eine erfundene, abgenutzte und zudem brandgefährliche Zwangsgemeinschaft. Es mutet geradezu absurd an, für sie sterben zu wollen.

Und warum bringt niemand die Ukrainer davon ab, sich ständig auf ihre Tradition und Geschichte zu berufen, was sie nur mit ihrer Vergangenheit verstrickt und ihre Entscheidungsfreiheit einschränkt? Ist es nicht an der Zeit zu verurteilen, dass den in der Ukraine lebenden Menschen eine kollektive nationale Identität übergestülpt wird, die ihre Selbstverwirklichung verhindert? Dabei weiss doch jeder, dass die Loyalität eines Menschen einzig und allein ihm selbst und niemals irgendeinem abstrakten Ganzen gehört.

Wen kümmert es, dass diese Art von Emanzipation Menschen wehrlos macht gegenüber skrupellosen Gangstern wie Putin? Wichtig ist, statt Waffen zu liefern, den Ukrainern bei der Dekonstruktion und Entmystifizierung solch muffiger Begriffe wie Heimat, Volk und Heldentum beizustehen, was einer Anleitung zum selbstbestimmten, politisch korrekten Sterben gleichkommt.

RdP

18.03.2022. Russen-Boykott, Vernunft tut Not!

Auch in Polen nehmen Kultureinrichtungen und Veranstalter russische Musik und Theaterstücke aus ihren Programmen, und sagen Auftritte russischer Künstler ab. Die antirussische Aufregung sorgt für Diskussionsstoff.

Drei Argumente sprechen für den Boykott.

Erstens. Der von Putin ausgelöste blutige Krieg ist ein unpassender Zeitpunkt, um Russlands Größe zu bewundern, auch wenn diese Größe im kulturellen Bereich unbestreitbar ist.

Zweittens. Auch Kultureinrichtungen wollen ihre Haltung zum Ausdruck bringen, und es ist ganz natürlich, dass sie auf diese Weise protestieren.

Drittens. Wir mögen Schostakowitsch weiterhin und halten Tschaikowsky keineswegs für Putin-freundlich, aber dass, was Putin tut, schließt Russland und die Russen aus der internationaloen kulturellen Gemeinschaft aus.

So weit, so gut.

Man kann verstehen, dass Filmfestspiele keine von der russischen Regierung finanzierten Produktionen wollen, aber was soll man mit Kirill Serebrennikows Film machen? Ein herausragender, vom Putin-Regime verfolgter Regisseur, dessen „Fieber“ vorerst nicht in die Kinos kommt. Was tun mit Produktionen, deren Urheber gegen die Behörden und das System vorgehen? Einige polnische Festivalveranstalter (New Horizons und Millennium Docs Against Gravity) behielten ihren gesunden Menschenverstand, andere (z. B. das Warschauer Filmfestival oder Cinema on the Border) fackelten nicht lange und bedankten sich bei den Russen.

Man kann verstehen, dass das Alte Theater in Kraków die Zusammenarbeit mit Konstantin Bogomolow, der mehr oder weniger offen Putin unterstützt, aufgegeben hat, aber warum wurde das mit seiner Nationalität begründet? Und woher die Idee, die Premiere von „Boris Godunow“ in der Warschauer Oper abzusagen? Und welchen Sinn macht es, die Werke aller russischen Komponisten im Kulturprogramm des Polnischen Rundfunks zu streichen?

Sollten nicht, wenn schon, denn schon, Buchhädler alle russischen Schriftsteller aus den Regalen nehmen und Bibliotheken ebendiese mit einer Ausleihsperre belegen? Die Romane von Dostojewski und Bulgakow oder die Theaterstücke von Gogol und Tschechow stehen Russland und den Russen kritisch gegenüber, wie der Regisseur Iwan Wyrypajew kürzlich bei einer Aufführung von „Onkel Wanja“ im Warschauer Teatr Polski zu Recht betonte. Der Theaterdirektor sah sich jedoch gezwungen, seine Entscheidung, Tschechow zu spielen, nach der Aufführung zu erklären.

Dabei würde es wahrlich genügen den Saal der Warschauer Oper bei der „Boris Godunow“-Premiere dezent mit einigen ukrainischen Akzenten zu schmücken, anstatt sie abzusagen.

Und noch eins. Wer einen Boykott beginnt, muss auch eine Vorstellung davon haben, wann er ihn beenden will. Wenn der letzte russische Soldat die Ukraine verlassen hat? Mit oder ohne Krim? Mit oder ohne Donbass? Und wenn das noch in ein paar Jahrzehnten nicht passiert ist? Sollen wir uns, um Putin zu ärgern, so lange die Ohren zuhalten, Rachmaninoff und Rimski-Korsakow verschmähen, die an diesem Krieg ebenso wenig schuld sind wie Dschingis Khan?

RdP

16.03.2022. Mut muss sein

Noch wissen wir nicht, was der Aufbruch nach Kiew bringen wird. Aber eines wissen wir bereits: Polen, Tschechien und Slowenien werden heute von mutigen Männern regiert. Mut ist der Schlüssel zu allem.


Die Kiew-Expedition des Premierministers Mateusz Morawiecki, seines Stellvertreters in der Regierung Jarosław Kaczyński, der Regierungschefs Tschechiens Peter Fiala und Sloweniens Janez Janša ist kein beispielloses Ereignis. Es gab einen Präzedenzfall: die Georgienexpedition des polnsichen Staatspräsidenten Lech Kaczyński, der später, in der Flugzeugkatastrophe von Smolensk im April 2010, tödlich verunglückte.

Lech Kaczyński bat im August 2008 die Staatschefs der drei baltischen Staaten und der Ukraine mit ihm nach Tiflis zu fliegen, in die georgische Hauptstadt, auf die russische Panzerkolonnen vorrückten. Er hielt dort, vor zehntausenden von Menschen, eine denkwürdige Rede über den Willen Russlands zu imperialer Ausdehnung. „Heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen die baltischen Staaten, und dann ist vielleicht auch mein Land, Polen an der Reihe.“ Das mutet 14 Jahre später fast prophetisch an.

Damals kehrten die russischen Panzer um. Heute stärken die mutigen Vier der Ukraine den Rücken, indem sie vor Ort der Welt mitteilen, dass dort ein Krieg für die europäischen Werte geführt wird. Werte mit denen sich der Westen jeden Tag so gerne brüstet. Aber wenn Bomben fallen, würden viele dort am liebsten abwarten, bis der Starke den Schwachen befriedet hat, und man getrost zum business as usual zurückkehren kann.


Der deutsche und der österreichische Bundeskanzler, der französische Staatspräsident oder der Ministerpräsident Italiens stiegen in den Zug nach Kiew nicht ein. Es sind Chefpolitiker von Ländern, die durch ihr Vorgehen Russlands Energiemacht vergrößert und es letztendlich zu Eroberungen ermutigt haben. Mit dem Bau der beiden Unterwasserpipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 hat sich Deutschland völlig unnötig von Moskau energiepolitisch abhängig gemacht, und gleichzeitig die Ukraine, durch die bisher Erdgas aus Russland nach Westeuropa floss, bewußt einer wichtigen Geldquelle und ihrer geopolitischen Bedeutung beraubt.


Von den vier Mutigen, die nach Kiew aufgebrochen sind, kommen zwei ais Polen. Ohne Mut hat ein mittelgroßes Land, das zwischen zwei Großmächten liegt, keine Chance. Wenn der Mut fehlt, wird Ostmitteleuropa, wieder einmal, zwischen den Mühlsteinen mächtiger Fremdinteressen zerrieben. Ohne Mut kann die Politik auf Dauer nicht erfolgreich sein. Mut allein garantiert natürlich noch nichts, aber wenn er fehlt, ist die Katastrophe vorprogrammiert.

Kaczyński, Morawiecki, Fiala und Janša zeigen der Ukraine in ihren schwersten Stunden, dass sie nicht allein ist. Sie zeigen Haltung und sie machen vor, wie man europäische Werte in die Realität umsetzt.

RdP

15.03.2022. Mit Putin telefonieren

Machen wir uns keine Illusionen: Viele in Europa wären über eine rasche Niederlage der Ukraine erleichtert. Anstatt zu helfen, telefonieren sie mit dem Aggressor

Der Elysée-Palast teilte am Samstag, dem 12. März mit, dass der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz erneut mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sachen Krieg in der Ukraine telefoniert haben. „Die drei Staatschefs haben ein Telefongespräch geführt, in dem Frankreich und Deutschland von Russland die sofortige Einstellung des Krieges forderten“, so das Kommuniqué.


Nach Angaben des Elysée-Palastes hat Macron seit seinem letzten Treffen im Kreml am 7. Februar 2022 bereits neun Telefongespräche mit Putin geführt, darunter am Donnerstag, dem 3. März. Damals hieß es, dass „Macron und Scholz darauf bestanden, dass jede Lösung der Krise durch Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland erfolgen solle“. Macron, Scholz und Putin vereinbarten auch, in den kommenden Tagen weiterhin engen Kontakt zu halten.


Auf der einen Seite haben wir das Ausbremsen wirklich harter Sanktionen (Energieträgerembargo), die Russland in kürzester Zeit in die Knie zwingen könnten (auch wenn sie mit wirtschaftlichen Kosten für Europa verbunden sind), auf der anderen Seite den zwanghaften Hang zum Telefonieren mit dem Aggressor. Alle zwei oder drei Tage ein Anruf – immer mit dem gleichen Ergebnis. Der Nutzen dieser Telefonate für das Opfer, die Ukraine ist gleich Null, während gleichzeitig der Eindruck entsteht, dass Berlin und Paris psychologisch gar nicht in der Lage sind, einen harten, lang anhaltenden Konflikt mit Russland zu ertragen.

Man fragt sich wo wäre Polen, wenn es die Vereinigten Staaten nicht gäbe? Inwieweit könnte die Europäische Union, die ja von den beiden Telefon-Gesprächspartnern Putins dominiert wird, den Staaten im Osten, einschließlich Polen, eine robuste Sicherheit garantieren? Man wird den Eindruck nicht los, dass sehr viele in Westeuropa nach einer raschen Niederlage der Ukraine und dem Triumph Moskaus erleichtert aufatmen würden. Liebend gern würden sie danach erneut so etwas wie die Minsker Gespräche organisieren, bei denen die russischen Eroberungen besiegelt und die Ukraine politisch und militärisch mundtot gemacht würde, um sich reinen Gewissens wieder auf Putin einzulassen.


Aber man muss sich auch fragen: Wo stünden wir, wenn Macron und Scholz zumindest einen Teil der Energie, die sie für das antichambrieren im Kreml aufwenden, darauf verwendet hätten, wirksame Wege zur Bestrafung Russlands zu finden? Oder die Ukraine mit der den Waffen zu versorgen, die es ihr ermöglichen würden, der russischen Armee noch größere Verluste zuzufügen?

Sanktionen, Waffen, Hilfe für Flüchtlinge, Unterstützung für Staaten, die Ukrainer aufnehmen. So sollte die solidarische Antwort der freien Welt auf die russische Aggression aussehen. Alles andere ist in diesem Stadium des Krieges ein beschämendes Ausweichen.

RdP




29.03.2022. Putins Krieg und die Schuld der Russen

Wer eigentlich führt den Krieg gegen die Ukraine? Die Russen oder nur Wladimir Putin?

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wird nicht müde zu betonen, dass nicht das Volk, sondern den Präsidenten die Schuld trifft. „Dieser Krieg ist Putins Krieg“ legte sich Scholz bereits in seiner TV-Ansprache am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Einmarsches fest, und bleibt seither dabei. Er ist nicht der Einzige.

Frage an den Bundeskanzler: Wurde Polen 1939 von Deutschland und den Deutschen oder von Hitler überfallen? Natürlich gab der „Führer“ den Befehl dazu. Es gibt jedoch Menschen, die darauf hinweisen, dass Hitler dreimal hintereinander (Juli und November 1932, März 1933) Wahlen gewann, und legal an die Macht kam. Erst danach konnte er, das schon Anfang 1933 begonnene Werk der „Gleichschaltung“ Deutschlands in seiner Gänze anpacken und vollenden.

Die allermeisten Deutschen bejubelten ihn und folgten ihm auf seinen Eroberungszügen bis zum Nordkap, nach Nordafrika, bis vor die Tore Moskaus, hissten die Hakenkreuzfahne auf dem Elbrus, billigten oder nahmen seine verbrecherische Besatzungspolitik hin. Also sagen wir, dass es die Deutschen waren, die Polen überfallen haben, obwohl sich niemand empört, wenn gesagt wird, dass es Hitler war. Wer jedoch behauptet, es war nur Hitlers Krieg, dem wird heute heftig widersprochen.

Ist das bei Putin anders? Im Jahr 2004 erhielt er 53 Prozent der Stimmen (die Wahlergebnisse wurden im Allgemeinen nicht in Frage gestellt). Danach schaffte er schrittweise demokratische Strukturen und Verfahren ab, zerstörte die Opposition, befriedete auf bestialische Weise Tschetschenien, nahm sich Teile von Georgien, die Krim, den Donbass, bombte Syrien fast in die Steinzeit zurück. Und die meisten Russen? Sie bejubelten ihn. Bis zu 80 Prozent von ihnen unterstützen heute Putins Ukraine-Krieg beziehungsweise nehmen ihn billigend oder resignierend in Kauf.

So gesehen sind Sanktionen, die in erster Linie die Gesellschaft treffen, gerechtfertigt. Auch die Auflösung von Verträgen mit putinfreundlichen russischen Künstlern, die Verbannung des russischen Sports, einer der tragenden Säulen in Putins Propaganda, von internationalen Wettkämpfen, und die Weigerung westlicher Verleiher ihre Filme in russischen Kinos zeigen zu lassen. Millionen russischer Befürworter des Krieges bekommen all das schmerzhaft zu spüren.

Das Ziel ist, das russische Volk gegen den Krieg aufzubringen. Den Menschen das Leben dermaßen schwer zu machen, sie so tief zu frustrieren und zu ermüden, bis es sich für ihren Präsidenten nicht mehr lohnt, die Ukraine zu vernichten.

Um die Deutschen gegen Hitler aufzubringen, legten die Alliierten mit ihren Flächenbombardements eine deutsche Stadt nach der anderen in Schutt und Asche. Da kommt das russische Volk dieses Mal eher glimpflich davon.

RdP




27.03.2022. Biden in Polen

Das meiste hat Joe Biden allein durch seine Anwesenheit in Polen am 25. um 26. März 2022 gesagt. Als Führer der freien Welt befand er sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Biden hielt zudem eine wichtige, bedeutende und symbolträchtige Rede, die den historischen Moment gut wiedergab. Sie enthielt alles, was der mächtigste Politiker des Westens in einem Land an der Ostflanke der Nato angesichts des Ukraine-Krieges verkünden sollte. Biden tat es im Hof des Warschauer Königsschlosses, das als Symbol der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten und später wiederaufgebauten polnischen Hauptstadt gilt.

Man fühlte sich an John F. Kennedy 1961 („Ich bin ein Berliner“) und an Ronald Reagan 1987 („Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor. Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“) in West-Berlin erinnert. Damals herrschte der Kalte Krieg. Jetzt, nur wenige Stunden vor Joe Bidens Rede am 26. März 2022, fielen russische Raketen auf Lwiw, weniger als 400 Kilometer von Warschau und 60 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt,

Es war eine russische Machtdemonstration und ein deutliches Zeichen dafür, dass Putin nicht viel von Amerika hält. Die Antwort der USA fiel eindeutig aus. „Nach Artikel 5 des Nato-Vertrages haben wir die heilige Pflicht, jedes Mitglied und jeden Zentimeter des Nato-Gebietes mit der Kraft unserer kollektiven Verteidigung zu beschützen.“ Für den Frontstaat Polen und seine Menschen war das die wichtigste Aussage in dieser Rede.

Im Kampf gegen Putins Regime will Amerika jedoch bestimmte rote Linien nicht überschreiten, angefangen bei einer direkten militärischen Beteiligung auf ukrainischem Gebiet. Es sind die Ukrainer, so der Präsident, die „an vorderster Front stehen müssen“. Er versicherte, dass Amerika „auf ihrer Seite sei“, allerdings in der derzeitigen Form: durch Waffenlieferungen, verschärfte Sanktionen und die Isolierung Russlands. Ob das ausreichen wird, um Russlands Niederlage herbeizuführen?

Der seinerzeit als vergreist und schwerhörig belächelte „Sleepy Joe“ hat sein erstes Amtsjahr, 2021, mit naiv wirkenden Versuchen zugebracht, Russland zu besänftigen. Er hat sich in Genf von Putin abspeisen lassen und obendrein drei wirkungslose telefonische „Gipfeltreffen“ mit ihm abgehalten, was den Kreml in seinen Plänen nur bestärkt hat. Glücklicherweise konnten die US-Geheimdienste und das Pentagon Biden schließlich davon überzeugen, dass Russland zuschlagen würde. Jetzt haben wir in Polen einen führungsstarken, kompromisslosen US-Präsidenten erlebt, der zu Höchstform aufgelaufen ist.

Es ist zu hoffen, dass das so bleibt. Biden verwies wiederholt auf die Worte Johannes Paul II. aus dem Jahr 1979 in Warschau: „Habt keine Angst“. „Die Macht einer geeinten freien Welt ist unschlagbar.“ Doch wenn überhaupt, dann treibt uns in Polen und die Ukrainer nur eine Angst um. Sie resultiert aus vielen bitteren historischen Erfahrungen: Es ist die Angst vor starken Worten auf die faule Kompromisse folgen.

RdP




25.03.2022. Frontstaat Polen

Ein Blick auf die Karte genügt, um das bestätigt zu bekommen. Von Polens knapp 1300 Kilometer langer Ostgrenze entfallen gerade einmal einhundert Kilometer auf den EU-Staat Litauen. Ansonsten grenzt Polen an die beiden Kriegsparteien Russland (Kaliningrader Gebiet ca. 230 Kilometer) und die Ukraine (ca.530 Kilometer).

Hinzu kommt eine gut 400 Kilometer lange Grenze zu Weißrussland, wo die russische Armee inzwischen schaltet und waltet, wie sie will. Sie schießt von dort Raketen ab und schickt ihre Kampfflugzeuge in Richtung Ukraine, versorgt in dortigen Krankenhäusern ihre Verwundeten und lagert in weißrussischen Leichenhallen ihre Gefallenen. Zudem ist jeden Augenblick mit dem Kriegseintritt des Lukaschenka-Regimes gegen die Ukraine zu rechnen.

Polens Verankerung in der Nato und die bilateral mit Washington ausgehandelte Anwesenheit von US-Truppen, die inzwischen auf 10.000 GI’s aufgestockt wurden, bewirken, dass, laut Umfragen, die Mehrheit der Polen nicht an eine Ausweitung des Ukraine-Krieges auf das eigene Territorium glaubt.

Dennoch ist das Frontstaat-Sein eine ernste Angelegenheit. Frontstaat war Pakistan in den zehn Jahren des sowjetischen Afghanistan-Krieges. Es beherbergte Hunderttausende von Kriegsflüchtlingen, war Waffenschmiede, Rückzugs- und Ausfallgebiet für antisowjetische Partisanen. Zwar liegt Polen nicht am Hindukusch, aber eine ähnliche Situation ist denkbar. Polen, ein zweites Pakistan? Das wäre kein gutes Szenario.

Andererseits zeigt die Geschichte, dass es Frontstaaten gab und gibt, die enorme wirtschaftliche und technologische Entwicklungssprünge vollbracht haben: Bis 1989 war Westdeutschland Frontstaat. Bis heute sind es Israel, die „asiatischen Tiger“ Taiwan und Südkorea.

Fundamentale Voraussetzungen für ein gesichertes Dasein am Abgrund all dieser Länder waren und sind: die militärische Anwesenheit der USA, amerikanische Sicherheitsgarantien, enorme eigene Verteidigungsanstrengungen und der Wille, Widerstand zu leisten.

Polen kann das alles vorweisen. Die Weichen für ein sicheres Fronststaat-Dasein sind gut gestellt. Den Rest muss jetzt die hohe Kunst der Außen- und Innenpolitik bewerkstelligen. Und eine gehörige Portion Glück gehört auch dazu.

RdP




21.03.2022. Den politisch inkorrekten Ukrainern ins Stammbuch geschrieben

Der Krieg in der Ukraine stellt die politische Korrektheit auf eine harte Probe.

Seitdem er ausgebrochen ist, gibt es, anstatt der oft zitierten Vielfalt, nur noch zwei Geschlechter. Männer kämpfen für ihr Land, Frauen bringen Kinder und Großeltern in Sicherheit. Eine augenfälligere Prachtentfaltung des längst vergessen geglaubten patriarchalischen Rollenmodells kann es wahrlich nicht geben. Wo bleiben die Quoten in diesem Bereich, die gewährleisten, dass die Hälfte der Väter sich um Küche und Kinder kümmert, während die Mütter mit Panzerfäusten im Marschgepäck an die Front ziehen?

Auch überprüft niemand in der ukrainischen Armee den Anteil der Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Veranlagungen. Dieser Überprüfung müssten selbstverständlich auch die russischen Streitkräfte unterzogen werden. Da wir Russland jedoch ohnehin verurteilen, mit der Ukraine sympathisieren, sie unterstützen, sollten wir vor allem diejenigen genauer betrachten, denen unsere Gunst zuteil wird.

Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, wie bei den Ukrainern überkommene Männlichkeitsbilder hochgespült werden. Plötzlich steht die „toxische Männlichkeit“ hoch im Kurs: Männer die keine Schwäche zeigen, ihre Gefühle unterdrücken und, man glaubt es nicht, dem Konflikt mit dem Aggressor Putin durch Gewalt beikommen wollen.

Für diesen Männertypus steht exemplarisch der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj, der ungerührt im russischen Raketenhagel ausharrt, statt sich in Sicherheit zu bringen. Selenskyjs Spruch: „Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit“, als die Amerikaner anboten ihn gemeinsam mit dem US-Botschaftspersonal aus Kiew herauszubringen, hätte auch von John Wayne oder Clint Eastwood stammen können. Diese erschreckende Diskursverschiebung zu mehr Männlichkeit widerspricht der „feministischen Außenpolitik“ und hat schwerwiegende „psychopolitische“ Folgen.

Selenskyj, einem offensichtlich aus der Rolle gefallenen drolligen Komiker, dem bei seinem Amtsantritt niemand so viel Medienwirksamkeit bei der Darstellung maskuliner Charakterstärke zugetraut hätte, steht, mit seinem ärgerlichen Machogehabe, der einstige Boxer, jetzt Kiews Bürgermeister, Vitali Klitschko zur Seite. Zwischen Wohnhäuserruinen verkündete er: „Wenn ich sterben muss, dann sterbe ich. Es ist eine Ehre, für sein Land zu sterben.“

Wäre es nicht an der Zeit den Ukrainern deutlich zu sagen, wie irrational sie sich verhalten, wenn sie ausgerechnet den aus der reaktionären Mottenkiste herausgeholten Begriff des „Vaterlandes“ in den Vordergrund ihrer „toxischen Männlichkeit“ rücken? Wie dumm verhalten sie sich zudem, wenn sie darauf bestehen, dass ihr Land das Recht habe in den, seinerzeit von allen Seiten anerkannten, rechtmäßigen Grenzen zu existieren, wo doch jeder weiß, dass Grenzen eigentlich längst abgeschafft gehören. Wird da nicht im Grunde viel Lärm um nichts gemacht?

Und die „Nation“, von der Selenskyj, Klitschko & Co. unentwegt schwadronieren? Sie ist doch nur eine erfundene, abgenutzte und zudem brandgefährliche Zwangsgemeinschaft. Es mutet geradezu absurd an, für sie sterben zu wollen.

Und warum bringt niemand die Ukrainer davon ab, sich ständig auf ihre Tradition und Geschichte zu berufen, was sie nur mit ihrer Vergangenheit verstrickt und ihre Entscheidungsfreiheit einschränkt? Ist es nicht an der Zeit zu verurteilen, dass den in der Ukraine lebenden Menschen eine kollektive nationale Identität übergestülpt wird, die ihre Selbstverwirklichung verhindert? Dabei weiß doch jeder, dass die Loyalität eines Menschen einzig und allein ihm selbst und niemals irgendeinem abstrakten Ganzen gehört.

Wen kümmert es, dass diese Art von Emanzipation Menschen wehrlos macht gegenüber skrupellosen Gangstern wie Putin? Wichtig ist, statt Waffen zu liefern, den Ukrainern bei der Dekonstruktion und Entmystifizierung solch muffiger Begriffe wie Heimat, Volk und Heldentum beizustehen, was einer Anleitung zum selbstbestimmten, politisch korrekten Sterben gleichkommt.

RdP