2015 polnische Missionare

Auf allen Kontinenten.

Den im April 2015 veröffentlichten Angaben der Polnischen Bischofskonferenz zufolge, arbeiten Missionare und Missionarinnen aus Polen in 97 Ländern der Welt, darunter: 828 in Afrika, wovon die meisten in Kamerun – 125, Zambia – 77, auf Madagaskar – 58 und in Tansania – 65; 786 in Mittel- und Südamerika, wovon die meisten in Brasilien – 260, Bolivien – 119, Argentinien – 121 und Peru – 63; 314 in Asien und Vorderasien, wovon die meisten in Kasachstan – 108, Israel – 53, Japan – 29, auf den Philippinen – 29 und in Usbekistan – 17; 70 in Ozeanien, wovon die meisten in Papua-Neuguinea – 66 und 17 in Nordamerika. Unter den insgesamt 2015 polnischen Missionaren gibt es 1023 Mönche (von denen 18 Bischöfe sind), 640 Nonnen, 302 Diözesanpriester und 50 Laien. Männerorden, die die meisten Missionare entsandt haben: die Verbisten – 209, die Franziskaner-Konventualen – 90, die Franziskaner – 75, die Salesianer – 74 und die Pallottiner – 72. Die meisten Missionarinnen haben die Franziskanerinnen Missionarinnen Marias – 54, die Dienerinnen des Heiligen Geistes – 50 und die Schwestern von der Heiligen Elisabeth – 42 in die Welt geschickt. Unter den Diözesanpriestern kommen die meisten aus den Diözesen: Przemyśl- 18, Katowice – 14, Kraków – 14 und Lublin – 14. Das Durchschnittsalter aller polnischen Missionare und Missionarinnen beträgt 46 Jahre.

©RdP




Ein Priester kauft Windeln

Der Szczeciner Pfarrer Tomasz Kancelarczyk hat Hunderte von Leben gerettet.

(…) Mein erster Fall, das war eine Abiturientin aus gutem Hause, sehr in die Gemeindearbeit eingebunden. Über ihre Schwangerschaft hat sie niemandem etwas erzählt. Sie hatte auch schon einen Termin für den Eingriff. Ihre beste Freundin kam damit zu mir, und ich, naiv wie ich war, und meiner seelsorgerischen Überzeugungsfähigkeiten völlig gewiss, wurde eines Besseren belehrt.

Das Mädchen hörte sich an, was ich zu sagen hatte, und erklärte mir dann geradeheraus, dass sie das Kind niemals gebären werde. Sie war sich da hundertprozentig sicher. Meine Beteuerungen, sie werde Hilfe bekommen, das Kind sei doch kein Hindernis beim Studium und im weiteren Leben, trafen auf taube Ohren. Wir hatten einige Gespräche. Nichts half. Ich hab‘s dann aufgegeben. Was kann ein Priester da noch ausrichten? Das Kind wird er ganz bestimmt nicht austragen können.

Einige Tage später, ich stand vor dem Altar, überkam mich mit unglaublicher Wucht der Gedanke, wenn ich nicht alles tue. was in meiner Macht steht, um diese Abtreibung zu verhindern, dann bin ich ein Feigling und werde dem Mädchen das Leben ruinieren.

Dem Mädchen?

Sie müsste mit der Gewissheit leben, ihr Kind umgebracht zu haben. Das war eine kluge, empfindsame junge Frau. Es galt ihr Kind und sie selbst zu retten. Das Trauma nach einer Abtreibung ist keine Erfindung devoter Frömmlerinnen. Das ist ein schrecklicher Zustand der Depression, des Hasses, der Ängste, der Schuldgefühle, die viele Frauen überkommt und oft bis an ihr Lebensende nicht mehr loslässt.

Ich bin noch einmal zu ihr gefahren und habe alles auf eine Karte gesetzt. „Ich werde es nicht zulassen. Ich fahre jetzt zu Deinen Eltern. Du wirst es nicht tun“. Dann passierte etwas schreckliches. Ihr schönes Gesicht entstellte sich zu einer hasserfüllten Fratze. Ich bekam Angst. Wir sind mit Krach auseinandergegangen.

Ich verspürte einen tiefen Schmerz darüber, dass das Kind umgebracht wird. Ich war in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt. Verzweifelt habe ich mich ans Telefon gesetzt und alle Orden, die ich kannte angerufen, mit der Bitte um Gebete für die Rettung des Kindes. Auch ich habe innbrünstig gebetet. Eine Woche verging. Es klingelt an der Tür. Ich mache auf, vor mir steht „meine“ Abiturientin. Sie lacht, strahlt vor Glück. „Ich werde gebären“. Das Kind kam auf die Welt, sie hat sich das Leben eingerichtet. Das Kind bedeutet ihr alles, auch ihre Familie ist verrückt nach ihm.

Was muss man tun, um eine Frau und ihr Kind zu retten?

Nach so vielen Jahren weiβ ich, dass man auf drei Ebenen gleichzeitig handeln muss. Wichtig ist, ein konkretes Hilfsangebot zu machen und es umzusetzen. Genauso wichtig ist das Gebet. Zugleich muss man deutlich machen, was in Wirklichkeit eine Abtreibung ist, und welch unschätzbaren Wert das Leben hat.

Haben die „Märsche für das Leben“ einen Sinn?

Ja. Es wird öffentlich ein Zeugnis abgelegt, auf diese Weise werden die Öffentlichkeit, und vor allem die jungen Menschen, geprägt. Doch die Märsche dürfen kein Ziel an sich sein. Die Vereinigung Civitas Christiana hat mich in Szczecin 2006 zum ersten Mal zur Teilnahme eingeladen. Damals habe ich in einer Berufsschule Religion unterrichtet. Meine Schüler waren bei Leibe keine braven Kinder. Dennoch sind wir zusammen hingegangen und trafen auf ein Häuflein trauriger älterer Damen. Die Jungs fühlten sich dabei unwohl, ich übrigens auch (…)

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Zwanzigtausend Menschen nahmen im Mai 2014 am Szczeciner Marsch für das Leben teil.

Ein Jahr später haben wir die Vorbereitung des Marsches praktisch an uns gerissen, mit viel Phantasie und Energie. Die jungen Leute hatten viele gute Ideen. Es ging fröhlich und bunt zu, es herrschte eine ganz andere Atmosphäre, und es kamen zweitausend Leute! Von Jahr zu Jahr wurden es immer mehr. Im Mai 2014 marschierten schon zwanzigtausend Menschen gemeinsam mit uns. Doch der Marsch, auch wenn die Vorbereitungen wochenlang dauern, ist ein leichtes Unterfangen. Ein Kind zu retten ist viel schwieriger.

Warum?

Man muss starke Nerven haben und oft ein enormes Tempo an den Tag legen. Man wird zu so einer Art Anti-Abtreibungs-Bereitschaftsdienst. Als immer mehr Anrufe kamen, dass wieder einmal eine Frau „ein Problem“ hat und es loswerden will, wurde mir klar, dass ein jeder solcher Alarm irgendwie anders ist, eine andere Vorgehensweise und Hilfestellung verlangt. (…) Manchmal muss man wie ein Priester handeln, manchmal wie ein Psychologe, ein anderes Mal wie die Sozialhilfe, nicht selten wie ein Fuchs.

Fuchs?

Sagen wir: unkonventionell handeln. Ein Problem ist immer: wie komme ich mit dem Mädchen ins Gespräch? Wenn das gelingt, dann haben wir den ersten Anhaltspunkt, und die Chance ein Leben zu retten wächst enorm.

Welche Frauen entscheiden sich für die Abtreibung?

Vor allem fehlt ein positiv eingestellter Mann an ihrer Seite. Entweder war gelegentlicher Sex im Spiel oder ein Mann, mit dem die Frau schon länger zusammenlebt, und der dann plötzlich fragt: bist Du sicher, dass es mein Kind ist? Viele Männer überlassen „groβzügig“ und „modern“ die Entscheidung der Frau: mach was Du willst. In jedem Fall ziehen, das fehlende Sicherheitsgefühl, die Angst, die Wut auf den Mann, die unheilvolle Entscheidung abzutreiben nach sich.

Die Mädchen stammen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Manchmal sind sie ungebildet und arm. Manchmal sind es Frauen in gehobener Stellung mit einem guten Einkommen. Vor nicht langer Zeit bekam ich die Nachricht von einem Mannequin das abtreiben wollte. Klar: Angst vor einem Bruch der Karriere, einer entstellten Figur. Es gelang ihr zu helfen. Sie gebar, wurde wieder schlank. Das Kind ist ihr Ein und Alles. Sie ist wieder zurück auf dem Laufsteg.

Oft sind es Teenager. Blanke Verzweiflung! „Die Eltern werden mich umbringen!“ Gewiss, meistens sind die Eltern wütend, aber das geht schnell vorbei, und als Groβeltern schäumen sie nur so über vor Freude. Die Leute wollen oft die Schwangerschaft nicht, aber das Kind, das Ergebnis dieses Zustandes, macht sie glücklich.

Wie weit reicht Ihr Aktionsradius?

Er erstreckt sich auf ganz Polen. Wenn die Mädchen auβerhalb von Szczecin wohnen, dann setzten wir uns ins Auto und fahren los. Wenn es wirklich am anderen Ende des Landes ist, dann suchen wir nach Mitarbeitern der Bruderschaft der Kleinen Füβe (Bractwo Małych Stópek). Es gibt dreitausend von ihnen im ganzen Land. Das Internet ist ein groβer Segen für die Pro-Life-Bewegung. Es eint die Menschen zugunsten einer guten Sache. Ich kann auch immer auf die Leute von der Gemeinschaft Hauskirche (Wspólnota Kościół Domowy) zählen. Wenn zu einer Frau, die ihr ungeborenes Kind töten will, eine einfühlsame, wohlwollende Person kommt, mit einem konkreten Hilfsangebot, dann ist die Chance groβ, dass die Frau ihre Entscheidung ändert. Ausschlaggebend ist die psychologische Unterstützung, dabei muss es nicht unbedingt ein Diplom-Psychologe sein. Ich sage meinen Mitarbeitern: „Wir alle retten diese Kinder. Auf jede mögliche Weise“.

Was sind das für Organisationen, von denen Sie sprechen?

Ich bin kein Roboter. Es kamen immer mehr schwierige Fälle hinzu, aber ich konnte stets auf die Unterstützung der Vereinigung Civitas Cristiana in Szczecin zählen. Ohne ihre Arbeit, ihr Engagement würden sich meine Möglichkeiten schnell erschöpfen. Dabei gibt es immer mehr Bedarf. Deswegen haben wir die Bruderschaft ins Leben gerufen, die eine Stiftung betreibt. Zur Bruderschaft stoβen Menschen aus dem ganzen Land. Wir sammeln Geld, das den Frauen zu Gute kommt. Wir verteilen auch „Hänschen“ („Jaśki“) – Modelle eines zehnwöchigen Menschen, und silberfarbene kleine Füβe. Auβerdem „betreiben“ wir eine „Gebets-Babyklappe“.

Małe stópki foto

 

Ach so, Nonnen beten und Frauen treiben nicht ab?

Ja, so kann man das sagen. Es passiert, dass wir auf Frauen in der frühen Schwangerschaft treffen, ihnen Angebote unterbreiten, die ihre Probleme lösen und sie dennoch dabei bleiben abzutreiben. Mir ist dann immer schrecklich zumute. Ich weiβ, diese Frau wird gleich den gröβten Fehler ihres Lebens begehen. Sie wird Pillen schlucken und in häuslicher Abgeschiedenheit ein mehrwöchiges totes Kind gebären und seinen Leichnam „entsorgen“. In meiner ganzen Hilflosigkeit schreibe ich E-Mails an Ordensgemeinschaften. Es sind sage und schreibe 83 die uns unterstützen. Alle beten für diese Frau und für gewöhnlich mit Erfolg.

Kleben Sie Plakate mit toten Kindern, Opfern von Abtreibungen?

Nein, aber ich verurteile solche Plakate nicht, weil sie viele Menschen sehr nachdenklich stimmen. Abtreibung ist wahrlich keine „Auflösung eines Kindes im Nebel“.

Ich jedoch habe eine andere Methode gewählt. Wir haben mit der Bruderschaft eine Ausstellung für Gymnasiasten vorbereitet, die eine positive Botschaft vermittelt. Auf einem Plakat ist ein Junge mit einem Ball zu sehen, darunter die Information wann ein Kind im Mutterleib zu treten beginnt. Auf einem anderen ein Mädchen mit einem Kamm und die Mitteilung, wann im Mutterleib die Haare des Kindes zu wachsen beginnen. Die Plakate erläutern, dass ab dem 21. Tag nach der Empfängnis der Mensch bereits ein schlagendes Herz hat, dass er Schmerz empfindet usw.

Die heutige Jugend ist auf vielen Gebieten sehr bewandert, aber über die Entwicklung des Menschen weiβ sie erschreckend wenig. Man muss es ihr beibringen. Wenn man den jungen Leuten zeigt, wie ein Kind im Mutterleib aussieht, wie es wächst, dann wird ihnen niemand mehr einreden können, es handle sich um einen „nicht identifizierbaren Gewebeklumpen“.

Sie sprachen von den „Hänschen“. (…)

Die haben eine enorme Wirkung. Vor einiger Zeit wurde ich ins Fernsehen eingeladen, um über den Schutz des ungeborenen Lebens zu sprechen. Ich habe auch die „Hänschen“ mitgenommen, sie auf den Tisch im Studio gelegt, und sie dort nach dem Ende des Gespräches liegen gelassen. Nach mir sollten Befürworterinnen der Abtreibung diskutieren. Sie wurden geradezu hysterisch als sie die Modelle eines zehn Wochen alten Menschen sahen, forderten, die „Abtreibungsfigürchen“ sofort zu entfernen. Auch die kleinen Füβe verfehlen nicht ihre Wirkung. (…) Wenn wir sagen: „Töte nicht“, dann müssen wir auch vor Augen führen, wen konkret man nicht töten darf.

Pfarrer Kancelarczyk mit einem „Hänschen".
Pfarrer Kancelarczyk mit einem „Hänschen“.

Ist es nicht seltsam, dass man im 21. Jahrhundert nicht wissen kann, wie ein werdender Mensch aussieht?

Aber so ist es. Ich war einmal mit einem Vortrag in einer Schule. Ich habe die „Hänschen“ verteilt, erzählt. Beiläufig sah ich, wie eines der Mädchen das Modell mit zitternden Händen anfasste. Nach der Stunde kam sie heulend zu mir. Sie war in der zehnten Woche schwanger und hatte sich schon für die Abtreibung entschieden. Das Modell hat ihr die Augen geöffnet.

Abtreibungsbefürworter werden sagen, Sie üben Druck und psychische Gewalt aus.

Dann muss ich Ihnen folgende Geschichte erzählen. Vor einiger Zeit bekam ich eine Nachricht von einer Pro-Life-Aktivistin aus Norwegen, dass eine Frau in Szczecin Hilfe braucht. Wir haben sie gefunden. Diese Frau suchte zunächst einen Sponsor für ihre Abtreibung. Ein Herr erklärte sich bereit den Eingriff zu bezahlen, doch die Frau hat es sich anders überlegt. Sie entschied sich für das Kind. Der Sponsor hat sich von ihr abgewandt. Seine Hilfe beschränkte sich auf das Töten. So sieht das aus. Die Abtreibungsbefürworter beschäftigen sich mit den Ungeborenen auf die Weise, dass sie aus ihnen Tote machen. Wir helfen den Lebenden.

Haben Sie mit diesem Abtreibungssponsor gesprochen?

Er hat mich angerufen und sagte, er arbeite für die (rabiat antikatholische – Anm. RdP) Zeitschrift „Fakty i Mity“ („Fakten und Mythen“). Ich habe ihm geantwortet, dass ich für Jesus Christus tätig bin. So haben wir miteinander geplaudert. Es war ein wertvolles Gespräch, weil ich ihm von Fortgang des Geschehens berichten konnte: das Mädchen gebar ihr Kind, ist glücklich, der Kleine entwickelt sich prächtig.

Mir ist zu Ohren gekommen, dass finanzielle Hilfe für Frauen, die sich noch nicht entschieden haben, gleichzusetzen sei mit dem „Erkaufen“ ihrer Kinder und das sei unmoralisch.

Dann muss ich noch eine Geschichte erzählen. Wir hatten erfahren, dass eine schwangere Frau die Abtreibung vornehmen will. Wir gingen zu ihr. Eine winzige, kalte Einzimmerwohnung mit riesigen Mietrückständen. Ein Bild des Jammers. Die Frau schlief auf dem Fuβboden, ihr älteres Kind auf einem verfallenen Möbelstück. Es war zu spät für irgendwelche Diskussionen, die Suche nach dem Vater, Moralpredigten. Fast zeitgleich, so wollte es der Zufall, bekam ich einen Anruf von jemandem der Möbel loswerden wollte. Blitzschnell haben wir die Wohnung renoviert, die Möbel reingestellt. Wir haben die Frau mit der Gemeinschaft Hauskirche zusammengebracht, damit ihr, wenn nötig, immer geholfen werden konnte.

Sie stammte aus einem geradezu pathologischen Milieu. Es reichte aber aus, ihr nur die Hand hin zu strecken, um sie dort rauszuholen. Als sie Geburtswehen bekam, rief sie mich mitten in der Nacht an. Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht. Und jetzt die Frage: haben wir ihr Kind wirklich „gekauft“?

Von Zeit zu Zeit veröffentlichen Sie auf Facebook einen Appell, zehn Zloty für Windeln zu spenden.

Das reicht für zwanzig Windeln. Windeln sind mein Symbol. Wenn ein Mädchen weint, da es nicht weiter weiβ, kein Geld hat, dann sagen wir ihr: „Gut, Dein Kind bekommt von uns Windeln für ein ganzes Jahr im Voraus“. Das wirkt. Die bedürftigen Frauen bekommen von uns auch den Kinderwagen, Kleidung, Pflegeprodukte für das Kleine. Wenn sie nicht selbst stillen kann, auch Babynahrung. Doch das mit den Windeln wirkt am meisten.

Es war schon komisch, als ich das erste Mal Windeln für ein ganzes Jahr im Voraus einkaufen gegangen bin. Eine Familie aus dem Bekanntenkreis hat mir aufgeschrieben wieviel Windeln das sein müssen. Beim Discounter habe ich den gröβten Wagen vollgebackt. Den Priesterkragen habe ich anbehalten. An der Kasse habe ich natürlich ein Ehepaar aus unserer Gemeinde getroffen. „Herr Pfarrer, gibt es in Ihrem Leben etwas wovon wir nichts wissen?“, haben sie höflich gefragt. Anschließend haben sie noch ein Paar Packungen Windeln auf den Wagen gelegt.

Sie haben den Fuchs erwähnt.

Sie meinen die unkonventionellen Hilfsmethoden. Es gibt sie. Manche Frauen sind buchstäblich von der Angst gelähmt, für rationale Argumente völlig unzugänglich. Einmal habe ich ein Komplott mit einem Mädchen geschmiedet, dessen Freundin unbedingt abtreiben wollte. Sie hatte schon die nötigen Pillen dazu.

Wir haben uns angeblich zufällig in einer Ladengalerie getroffen: ich, das Mädchen und ihre schwangere Freundin. Wir unterhielten uns über das Wetter und andere harmlose Dinge. Beim Abschiednehmen „habe ich mich erinnert“, etwas ganz besonderes auf meinem Handy zu haben. „Da sich gerade die Gelegenheit bietet, das ist meine Patentochter“, und ich zeige einen kleinen Film von der Ultraschalluntersuchung. „Anna strampelt, ihr Herz schlägt schon. Ist das nicht wunderbar?“ Drei Tage später ruft meine Mitverschwörerin an: „Die Freundin hat die Pillen weggeworfen“ (…) Ein anderes Mal, als ein weiteres Mädchen schrecklich weinte und klagte, dass das Kind keinen Vater haben wird, und deswegen will sie es weg machen lassen, habe ich, ganz spontan gesagt: „Dann werde ich das Kind als meins eintragen lassen.“

Ganz schön mutig.

Ja, obwohl die Vaterschaft eines Priesters nur eine geistige sein sollte, bin ich aufs Ganze gegangen. Es hat auch geholfen. Das Mädchen kam zur Besinnung, vielleicht bekam sie es auch mit der Angst zu tun, wegen dieser Vaterschaft. Sie hat das Kind auf die Welt gebracht. Es hat keinen Vater, aber es existiert.

Dürfen Sie sich so sehr engagieren?

Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf. Die Pro-Life-Arbeit kann kein Ersatz für die biologische Vaterschaft sein. Da muss ein Priester sehr aufpassen und Distanz wahren. Doch ist es so verwunderlich, wenn ein Mann mit Priesterkragen gerührt ist, wenn er vor der Abtreibung gerettete Zwillinge sieht? Winzig, jeder etwa zwei Kilo schwer, rosig, strampelnd. Übrigens musste man für sie zweimal so viel Windeln anschleppen.

Ist es so verwunderlich, wenn ein Mann mit Priesterkragen gerührt ist, wenn er vor der Abtreibung gerettet Zwillinge sieht?
Ist es so verwunderlich, wenn ein Mann mit Priesterkragen gerührt ist, wenn er vor der Abtreibung gerettete Zwillinge sieht?

Haben Sie mit den biologischen Vätern der Kinder zu tun?

Manchmal. Das bedarf meistens einer sehr groβen Beherrschung, um so einem Kerl nicht einfach eine herunterzuhauen, damit er zur Besinnung kommt und Verantwortung übernimmt. Einem von ihnen habe ich sein ungeborenes Kind gezeigt. Er fing an zu schluchzen. Er wollte diese Schwangerschaft nicht. Später konnte er vor lauter Stolz auf den Sohn kaum laufen. (…)

Das Gespräch, das wir, mit freundlicher Genehmigung, leicht gekürzt wiedergeben, erschien in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) vom 6. Dezember 2014.

RdP




Kirche stellt sich der Pädophilie

Die Medien nehmen es kaum zur Kenntnis

Am 20. Juni 2014 fand in Kraków die internationale Konferenz „Wie soll man den Missbrauch von Kindern verstehen und auf ihn in der Kirche reagieren“. Veranstalter war das Kinderschutz-Zentrum (KSZ) an der Akademie Ignatianum. Das Ignatianum in Kraków, eine kirchliche Hochschule in der Trägerschaft des Jesuitenordens, gibt es seit 1999. Das KSZ entstand im März 2014. Es soll durch Forschung und praktische Schulungen den Kindesmissbrauch durch Geistliche zu unterbinden helfen. Bereits im März 2012 verabschiedete die Polnische Bischofskonferenz sehr strenge Umgangsregeln mit Priestern, die sich der Pädophilie schuldig gemacht haben.

Akademie Ignatianum in Kraków
Akademie Ignatianum in Kraków

Geleitet wurde die Tagung in Kraków durch Pater Adam Żak, den Chef des KSZ und seit Juni 2013 zugleich der Beauftragte der Polnischen Bischofskonferenz für den Kinder- und Jugendschutz.

Pater Adam Żak
Pater Adam Żak

Teilnehmer waren, neben polnischen Fachleuten, ausländische Gäste, u.a. Pfarrer Robert Oliver von der Vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre, der in seinem Referat die vom Vatikan zusammengetragenen Informationen und Erfahrungen auf diesem Gebiet vorstellte. Ein weiterer Referent war Prof. Jörg M. Fegert aus Deutschland, u. a. ärztlicher Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Universität Ulm und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Es wurde mitgeteilt, dass zwischen 2003 und 2013 im ganzen Land 27 Priester wegen Kindesmissbrauchs rechtskräftig verurteilt wurden. Zwar mache das nicht einmal ein Hundertstel der knapp sechstausend wegen Pädophilie im selben Zeitraum Verurteilten in Polen aus, dennoch nehme die Kirche das Problem inzwischen sehr ernst.

Einladung zum Reue-Gottesdienst
Einladung zum Reue-Gottesdienst

Wie ernst, das wurde während des sich an die Konferenz anschlieβenden Reue-Gottesdienstes sichtbar, zu dem der Primas von Polen, Erzbischof Wojciech Polak und der Apostolische Nuntius in Warschau, Erzbischof Celestino Migilore angereist waren.

Nachstehend dokumentieren wir die Predigt mit dem Titel

„Beschämt und reuevoll bitten wir um Vergebung“

 

des Bischofs von Płock, Piotr Libera, während des Reue-Gottesdienstes für die Sünden des sexuellen Miβbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche, abgehalten am 20. Juni 2014 in der Basilika des Allerheiligsten Herzen Jesu in Kraków

Wortlaut:

Ein Reue-Gottesdienst… Die Kirche im Halbdunkel versunken… Bedeutende Gesten… Die Tiefgründigkeit der katholischen Liturgie… Das alles fiel mir ein, als ich im Programm des heutigen Gottesdienstes, noch zu Hause in Płock, geblättert habe, im Schatten des mittelalterlichen Turms aus der Zeit Bolesław des Schiefmunds*, der Reue zeigen musste für die Sünde, seinen Bruder Zbigniew blind gemacht zu haben. Im Schatten eines Turms, dessen Steine sich noch an Konrad von Masowien** erinnern, der büβen musste für seine schweren Sünden gegen Staat und Kirche.

Dort, in Płock, wo ich mich seit dem Beginn meines seelsorgerischen Dienstes mit Sünden herumschlagen musste, für die wir heute den Guten Herren und die Menschen um Vergebung bitten, dort, habe ich mich gefragt, was meine Rolle sein soll, hier, in der ehrwürdigen jesuitischen Herz-Jesu-Basilika, inmitten all dieser Gesten und Symbole.

Die Antwort lautete: Schönheit und Tiefgründigkeit dürfen das Konkrete, den konkreten Schmerz, das konkrete Leiden nicht verschleiern! Deine Aufgabe ist es, deutlich und verbindlich über das Konkrete zu sprechen! Genauso wie es Papst Franziskus tut, wenn er ohne Umschweife feststellt: „Wenn ein Geistlicher ein Kind miβbraucht, dann stöβt er Gott weg, dann begeht er Verrat an Gott. Die Aufgabe des Priesters ist es das Kind zur Heiligkeit zu führen, und das Kind vertraut ihm. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, wenn ein Priester, statt dessen, das Kind miβbraucht. Es ist als würde er an einer Teufelsmesse teilnehmen (…) Das dem Kinde angetane Leid, so Franziskus, bleibe in ihm sein ganzes Leben lang bestehen“.

Es ist offensichtlich, dass es für viele Menschen und in vielen Milieus bequem ist nur die Priester, und am besten gleich alle Priester, auf die Anklagebank zu setzten. Wir wissen auch, dass sich viele Sozial- und Berufsgruppen in unserem Lande kaum, und wenn überhaupt, dann auf einem armselig niedrigen Niveau, dem Nachdenken über dieses Problem gewidmet haben.

Uns ist ebenso bewusst, dass es eine enge Verbindung gibt zwischen der Pädophilie und der Gegenkultur der Vernichtung des Familienlebens, der sich die Kirche entschieden widersetzt. Zu dieser Gegenkultur gehört das ideologisch bedingte In-Abrede-Stellen der Unterteilung in ein männliches und ein weibliches Geschlecht als wichtigen Umstandzur Formung der Identität und Reife des Menschen. Zu ihr gehört die Abtreibung, durch die dem Kind das Recht auf Leben entzogen wird, in dem man es nach der Zeugung mit Gewalt beseitigt. Ihr Bestandteil ist auch die Pädophilie, der Gebrauch von Gewalt gegenüber einem Kind und das Ausnutzen seines Vertrauens, als Folge eines gestörten geschlechtlichen Lebens. Alle diese Erscheinungen eint die falsche Wahrnehmung der Sexualität, eint das In-Abrede-Stellen der Bedeutung der Vaterschaft, das Gespött dem die Mutterschaft preisgegeben wird, das Bemühen die Bindungen zwischen Kindern und Eltern zu schwächen.

Das alles ist bekannt und offensichtlich. Doch das ist keine Entschuldigung! Das befreit uns nicht von der Pflicht das Problem der Pädophilie in unseren Reihen zu erkennen, um seine Bedeutung zu wissen, die Stimme der Opfer zu hören und ihnen allseits Hilfe angedeihen zu lassen.

Hören wir eines der Zeugnisse: „Ich habe ihn aufgefordert damit aufzuhören. Er hörte nicht auf. Während er mich belästigte, entgegnete er auf meinen Einwand hin, er sei Priester, also kann er mir kein Lied antun. Er fotografierte meine intimsten Körperteile und sagte ich sei dumm, wenn ich denke, es sei etwas Schlechtes (…). Mir war schrecklich zumute. Ich fühlte, dass alles was er tat schlecht ist, aber ich konnte es nicht unterbinden. Ich habe nicht geschrien, ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Ich wusste nicht was ich tun soll. Ich habe einfach gebetet, dass er endlich damit aufhört… Doch er hörte nicht auf.

Die Tatsache, dass mich ein Priester miβbrauchte, verstärkte das Durcheinander in meinem Kopf. Dieselben Finger, die die Unantastbarkeit meines Körpers verletzt haben, reichten mir am nächsten Tag die allerheiligste Hostie. Dieselben Hände, die den Apparat hielten, um meinen entblöβten Körper zu fotografieren, hielten am Tage das Gebetbuch, als er kam, um mir die Beichte abzunehmen. Die Behauptung, als Priester könne er mir nichts Schlechtes antun, hielt ich für die Wahrheit. Man hatte mir doch beigebracht, dass ein Priester mehr ist als ein einfacher Mensch. Das steigerte nur noch meine Schuldgefühle und festigte meine Überzeugung, dass ich, und nicht er, an allem schuld sei. Als es vorbei war, war ich ein ganz anderes Mädchen, als ich es gewesen bin, bevor ich dorthin kam. Ich verlor meine Selbstsicherheit, meine Sorglosigkeit und mein Glücksgefühl. Ich war überzeugt, dass ich schlecht sei und dass ich das vor der ganzen Welt verbergen muss. Ich habe mich nicht gegen die Religion, ich habe mich gegen mich selbst gewandt“.

Kann es ein schrecklicheres Bekenntnis geben? Und ist die Anhörung der Opfer und redliches Benennen der diesbezüglichen Verbrechen, die sich innerhalb der Kirche abgespielt haben, nicht eine grundlegende, elementare Pflicht? Leider ist ein Teil unserer Kirche immer noch nicht in der Lage, weder das anzuerkennen, noch es über sich zu bringen.
Als Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in katholischen Einrichtungen im Westen publik wurden, meinte die Mehrheit der Bischöfe und anderer Verantwortlicher zu wissen, es handle sich um vereinzelte Zwischenfälle. „In der Tat, räumten die Bischöfe ein, es sei betrüblich, dass es so weit gekommen ist, aber es sind Ausnahmen“. Später sagte man: „Das ist ein Problem Amerikas“ Danach: „Das ist ein Problem der angelsächsischen Länder“. Die Grenze wurde immer weiter und weiter verlegt, nur um sagen zu können: „Das betrifft uns nicht“.

Nein, der Missbrauch und die Vernachlässigung von Kindern betreffen uns! Und wir räumen das ein, nicht nur um die mythische Glaubwürdigkeit der Kirche wiederzuerlangen. Auch nicht deswegen, um einem weiteren Schlag auszuweichen! Wir tun es, weil sich das so gehört! Wir tun es aus Solidarität mit einem verletzten Menschen, um ihm unser tiefes Beileid auszusprechen, um in ihm zu retten, was sich noch retten lässt, um sein Leid zu erfahren, mit dem er oft nicht umzugehen weiβ, weil sein Glaube und sein Vertrauen in die Kirche hintergangen worden sind.

Bischofs von Płock, Piotr Libera hält die Predigt während des Reue-Gottesdienstes für die Sünden des sexuellen Miβbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche
Bischof von Płock, Piotr Libera hält die Predigt während des Reue-Gottesdienstes für die Sünden des sexuellen Miβbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche

In diesem Geiste schrieb Papst Benedikt XVI. in seinem Hirtenbrief an die Katholiken in Irland: „Ihr habt schrecklich gelitten und ich bedaure das sehr. Ich weiβ, dass nichts das Böse auslöschen kann, das Ihr erfahren musstet. Euer Vertrauen wurde enttäuscht, eure Würde wurde mit Füβen getreten“. Wir schlieβen uns dieser Stimme an, wir machen sie uns zu eigen, in Kraków, hier, in Polen! Beschämt und reuevoll bitten wir um Vergebung. Wir bitten Gott darum, und wir bitten darum die Menschen, denen Priester Leid angetan haben!

Wir, die Bischöfe, bekennen zudem, dass wir allzu oft, anstatt das Wohl der Kinder an die erste Stelle zu setzen, uns von Betrug, von Heuchelei und von den „Verneinungsmechanismen“ der Pädophilie-Täter haben irreleiten lassen. Zu oft haben wir dem von ihnen angewendeten Abwehrmechanismen nachgegeben: dem Einreden, es sei „nur ein Einzelfall gewesen“; das Kind habe den Täter „bedrängt“ und „zu verführen“ versucht; es sei passiert, weil er „zu viel getrunken“ habe; dass sich das „nicht mehr wiederholen“ werde; dass er „gebeichtet und mit dem Vorgehen längst gebrochen“ habe. Heute wissen wir, dass ein Priester, der Kinder sexuell belästigt, auf diese Weise versucht seinen Vorgesetzten dazu zu bewegen, die Sache als abgeschlossen zu betrachten… Dabei ist sie meistens weder abgeschlossen, noch dermaβen begrenzt wie es dargestellt wird.

Wir bekennen zudem, dass, auch wenn die Zahl von Priester- und Mönchsanwärtern sinkt, die Vorgesetzten nicht nachsichtig sein dürfen angesichts der menschlichen Unzulänglichkeiten bei Kandidaten für den Priesterstand. Wir wissen ja, dass, wenn es, wie in einigen Ländern geschehen, zu wenige Bewerber zu den Priesterseminaren gab, unreife Männer mit Problemen sexueller Natur aufgenommen wurden. George Weigel*** hat zu recht darauf hingewiesen, dass das nebeneinander Bestehen von abartiger Sexualität und permissivem Umfeld zu katastrophalen Folgen geführt hat.

Einen solchen Fehler dürfen wir nicht begehen! Mehr noch, das Grundmerkmal der geistigen Einstellung von Priesteranwärtern darf nicht der Drang zu Selbstverwirklichung als ein Ziel an sich sein. Allzu oft nämlich, führt das zu einer Selbstbezogenheit, die eine Empfänglichkeit für Liebe und das Weitergeben von Liebe verhindert. Ein solcher sich ständig „selbstverwirklichender“ junger Mensch ist nicht fähig eine Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen, die nicht zum Ziel hat diesen anderen Menschen auszunutzen um sich selbst zu verwirklichen.

Wir erkennen auch an, dass es notwendig ist, in solch wichtigen Angelegenheiten wie Familie, Kinder, Erziehung, den Rat der Laien einzuholen, vor allem der Eltern, ferner der Psychologen, Therapeuten, Juristen… Es ist notwendig von ihnen zu lernen, mit ihnen zusammenzuarbeiten auf der Suche nach Lösungen des Problems des sexuellen Miβbrauchs, mit ihnen das Wissen zu teilen, was man für den Schutz der Schwächsten tun kann. Wir müssen genug Demut und Mut haben, um Arbeitsgruppen zu bilden, bestehend aus Ärzten, Psychosexuologen, Juristen, Fachleuten auf dem Gebiet des Straf- und Kirchenrechts, Psychiatern.

Und am Ende noch eins: wir sind dem Heiligen Stuhl und den Kirchenvertretern aus anderen Ländern dankbar dafür, dass sie mit uns ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Ausrottung des sexuellen Missbrauchs von Kindern geteilt haben, für die Ausarbeitung von Handlungsstrategien und Vorgehensweisen, die sich als wertvoll erwiesen haben, und die wir in der Kirche in Polen bereits anwenden und weiterhin anwenden werden. Vergelt‘s Gott!

Anmerkungen RdP

* Bolesław III. Schiefmund (poln. Bolesław III Krzywousty, 1085-1138) war ab 1102 Herzog von Polen, ab 1107 Alleinherrscher. Er entstammte der Piasten-Dynastie.
** Konrad von Masowien (poln. Konrad I Mazowiecki, 1187-1247) war ab 1199, als Konrad I., Herzog in Masowien, ab 1202 Herzog in Kujawien, Sieradz und Łęczyca, sowie 1229–1232 und 1241–1243 Seniorherzog von Polen. Er entstammte der Piasten-Dynastie.

*** George Weigel (1951), amerikanischer katholischer Schriftsteller und Theologe, Autor des Bestsellers „Zeuge der Hoffnung“ (dt. 2011), der bestverkauften Biographie Papst Johannes Paul II.

RdP

Wenn Kirche Busse tut, schweigen die Medien

Knapp drei Wochen nach der kirchlichen Pädophilie-Konferenz und dem Reue-Gottesdienst in Kraków am 20. Juni 2014, stellte der kirchenpolitische Kommentator der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) Tomasz Krzyżak am 7. Juli 2014 die Frage nach den Reaktionen auf die Selbstkritik der Kirche. Seine Beobachtungen in Bezug auf die Medien in Polen sind alles andere als zuversichtlich gewesen. Nachfolgend die wichtigsten Thesen seines Artikels.

Zum ersten Mal während seines Pontifikates, schreibt Krzyżak, wird sich Papst Franziskus (die Begegnung fand am 7. Juli 2014 statt – Anm. RdP) mit Menschen treffen, die als Kinder Opfer des Missbrauchs durch Geistliche geworden sind. Darunter werden Iren, Engländer, Amerikaner und Polen sein. Sie sollen heute an einer Papstmesse im Haus der heiligen Martha (das dem Papst als Wohnquartier dient – Anm. RdP) teilnehmen.

In diesen Tagen berät auch im Vatikan der von Franziskus einberufene Jugendschutzausschuss. Vatikankenner erwarten, dass aus dem Munde des Papstes Worte der Verurteilung der Pädophilie und Ankündigungen einer scharfen Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche fallen werden. (…)
Auch aus dem Munde der polnischen Bischöfe fielen letztens starke und sehr notwendige Worte. Ende Juni, während des historischen Reue-Gottesdienstes, entschuldigten sich die Hierarchen für alle Fälle sexueller Belästigung von Minderjährigen durch Geistliche. Bischof Piotr Libera, der den Gottesdienst leitete, hatte offen zugegeben, dass ein Teil der Kirchenvertreter immer noch auβer Stande sei, das Verbrechen der sexuellen Belästigung offen zu benennen, die Opfer anzuhören und entsprechende Maβnahmen zu ergreifen,

(Der Wortlaut der Predigt Bischof Liberas siehe oben – Anm. RdP)
(…) Sollen die Bischöfe um Entschuldigung bitten? Sind sie nicht zu weit gegangen? Oder haben sie etwa zu wenig getan? Sollen sie vielleicht den Beschluss fassen, die Kirche werde den Opfern Entschädigungen zahlen? Es sind offene Fragen, die ein Beitrag zu einer ruhigen und ernsthaften Debatte sein könnten. Ist solch eine Debatte möglich? Betrachte ich die Reaktion der Medien auf die Konferenz von Kraków über sexuelle Belästigungen in der Kirche und auf den Reue-Gottesdienst, wage ich das leider zu bezweifeln. (…)

Nur wenige Medien haben über die Konferenz berichtet. (…) Ähnlich war es mit anderen, kleineren vorbeugenden Schulungen, die Pater Adam Żak, der Beauftragte der Polnischen Bischofskonferenz für den Kinder- und Jugendschutz seit einigen Monaten durchführt. Genauso war es im Falle der Antimissbrauchskonferenz, die unter der Schirmherrschaft von Erzbischof Leszek Głódź und mit Beteiligung (der ehemaligen Polnischen Ministerpräsidentin und langjährigen Botschafterin beim Vatikan – Anm. RdP) Hanna Suchocka vom päpstlichen Jugendschutzausschuss vor kurzem in Gdańsk stattgefunden hat. Zu dem Reue-Gottesdienst in Bielsko-Biała unter der Leitung des dortigen Bischofs Roman Pindel haben die Medien keinen Piep von sich gegeben. (…)

Ein Reue-Gottesdienst oder eine Konferenz zur Prävention liefern keine Kontroversen und Skandale. Solche Ereignisse sind aus der Sicht der Journalisten schlicht und einfach nicht aufregend genug. Viel unterhaltsamer ist da der Entschädigungsprozess eines Missbrauchsopfers gegen die Kurie in Kołobrzeg oder die Enttarnung eines weiteren pädophilen Priesters, der sich angeblich während eines Schülerausflugs nach Zakopane hat etwas zuschulden kommen lassen.

Man kann ratlos mit den Achseln zucken und feststellen, das sei eben die Eigenart moderner Medien. Sie haben keine kulturbildende, keine erzieherische Funktion mehr. Sie gleichen einer Fabrik, nur dass von den Flieβbändern News, anstatt Autos oder Fernseher rollen.

Im Falle des sexuellen Missbrauchs in der Kirche sind das Nachrichten, wie z. B. die Absetzung Erzbischof Wesołowskis oder neue Beweise für die Schuld des Pfarrers G., der auch in der Dominikanischen Republik tätig war, oder die neusten vatikanischen Angaben über Missbrauchsfälle, an denen der dortige Anwalt der Gerechtigkeit arbeitet. In Bezug auf Polen wird die sensationelle Nachricht sein, der Heilige Stuhl habe zum zweiten Mal den Bischöfen ihre Unterlagen zur Pädophilie zur Nachbesserung zurückgeschickt. (…)

In Sachen sexueller Miβbrauch in der Kirche fällt den Medien eine wichtige Rolle zu. Das unterstreichen beinahe auf Schritt und Tritt der Primas von Polen, Bischof Wojciech Polak und der Bevollmächtigte des Episkopats Pater Adam Żak. Oft haben die beiden den Journalisten für die Aufdeckung von Missbrauchsfällen gedankt, was u.a. dazu geführt hat, dass die Kirche einen mutigen Schritt gewagt und vorbeugende sowie selbstreinigende Maβnahmen durchgeführt hat.

Ein Jahr nach der Berufung eines Missbrauchs-Beauftragten, einige Monate nachdem die Bischöfe die Pädophilie-Richtlinien verabschiedet haben, gab es inzwischen in den meisten der 44 polnischen Diözesen Schulungen für Priester. Der von einem Teil der Medien bezichtigte Erzbischof Józef Michalik, pädophile Priester zu decken, hat inzwischen fünfzehn Priesterjahrgänge, insgesamt dreihundert Geistliche, zu Präventionskursen geschickt. Weitere Kurse sind für September und November 2014 vorgesehen. (…).Auch Orden führen Vorbeugeprogramme ein, die Pallottiner, die Franziskaner, die Kapuziner. (…).

Was, auβer Pädophilie-Skandale-Aufdecken, können wir Journalisten noch tun? (…) Unsere Aufgaben dürfen sich nicht nur darauf beschränken. Die Menschen wollen von uns vor allem die Wahrheit erfahren, die Wahrheit vom Anfang bis zum Ende. Derweil bekommen sie oft nur die halbe Wahrheit serviert. So ist es auch mit der Pädophilie in der Kirche. (…).

RdP




Was darf die Kirche kosten. Zwei Meinungen

In der heftigen Debatte um eine weitest gehende Einschränkung der Anwesenheit der katholischen Kirche im öffentlichen Raum, die  die polnische Linke ständig anmahnt, steht die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ („Wahlzeitung“) an vorderster Front. Am 7. August 2014 hat sie wieder einmal das Thema aufgegriffen. Hier die wichtigsten Thesen des Artikels mit dem Titel:

                                         Teure Soutane

Wieviel kosten die Stellen und die Pensionen von Priestern und Nonnen.

Halina Bortnowska, bekannte katholische Publizistin: „In der Kirche gibt es seit Jahrhunderten den Begriff „Diakonie“ für selbstlosen Dienst, kostenlose Seelsorge. Ich befürchte, dass die Vergabe von bezahlten Stellen die Diakonie verdrängen wird.“

Professor Janusz Czapiński, Sozialpsychologe: „Die Laisierung schreitet in Polen voran. Es wird immer mehr Menschen geben, die dem Staat vorwerfen werden, dass er ihr Geld für den Religionsunterricht in den Schulen oder für den Seelsorger im Nachrichtendienst ausgibt.“

Das meiste,  ca. 1,5 Mrd. Zloty (ca. 365 Mio. Euro – RdP) im Jahr, zahlt der Staats für die Gehälter der Religionslehrer. Es gibt keine genauen Angaben aus den letzten Jahren, wie viele von ihnen Geistliche und wie viele Nichtgeistliche sind. 2009 jedenfalls waren von den 18.348 Religionslehrern 15.144 Priester oder Nonnen. Nicht alle hatten eine volle Stelle.

Die Geistlichen machen kein Geheimnis daraus, dass für viele von ihnen die Arbeit in der Schule eine wichtige Einkommensquelle ist. „Wäre nicht der Religionsunterricht, dann müssten wir wohl von der Sozialhilfe leben. Die Bischofskonferenz weiβ das sehr gut“, so ein Kaplan aus der Diözese Kraków.

Auch die Priester vom Militärordinariat der Polnischen Armee haben staatliche Stellen inne. Das sind lukrative Militärposten. Es gibt 200 davon, von denen 113 katholische Geistliche bekleiden. Ein einfacher Priester in Uniform verdient zwischen 3.000 und 5.000 Zloty (ca. 730 bis 1.200 Euro – RdP), ein Propst zwischen 5.000 und 7.000 Zloty (ca. 1.200 bis 1.700 Euro – RdP). Auβerdem zahlen die Steuerzahler  den Strom und die Beheizung von Militärkapellen, und sogar  die Organisten-Stelle.

Sie bezahlen auch die hohen Renten der uniformierten Geistlichen. So bezieht der Generalbischof Sławoj Leszek Głódź 10.000 Zloty (ca. 2.500 Euro – RdP) Rente im Monat, und als er aus dem  Dienst ausschied, bekam er 250.000 Zloty (ca. 61.000 Euro – RdP) Abfindung.  Das sind nun mal die Sätze für Generäle.

Staatliche Stellen bekleiden auch die 16  Seelsorger bei der Staatlichen Feuerwehr. Nach dem Charakter seiner Arbeit fragten wir den Brigadierpfarrer Henryk Betlej von der Woiwodschafts-Feuerwehrkommandantur in Łódź.  „Es kommen Beamte, die mit mir sprechen wollen. Vor nicht langer Zeit kam ein Feuerwehrmann, der sich bei der Räumung von medizinischen Abfällen mit einer Nadel gestochen hat. Er hatte Sorge, ob er sich nicht infiziert hat.“

Seelsorger gibt es auch bei der Polizei, doch im Gegensatz zur Feuerwehr, sind sie Zivilangestellte, haben also  nicht die Privilegien der Uniformträger. Von ihnen gibt es neunzehn. Pfarrer Bogusław Głodowski begleitet Polizisten immer wieder bei Einsätzen, oft in Wohnungen.

Einen Seelsorger für 5.671 Zloty hat auch die Personenschutzabteilung der Regierung. Im Finanzministerium stehen Schreibtisch und Schrank des Seelsorgers der Zöllner, der zugleich auch die Beamten des Finanzamts  betreut. Die Sprecherin des Ministeriums sagte, dass zu seinen Aufgaben auch die Segnung neuer Dienststellen von Zoll- und Finanzamt- gehören.

Mindestens eintausend Priester beschäftigt das staatliche Gesundheitswesen. Im Woiwodschafts-Krankenhaus von Bielsko-Biała gibt es zwei festangestellte Geistliche, und das, obwohl der Direktor die Zulagen der Krankenschwestern beschnitten hat . „Es ist besser mit ihnen einen günstigen Arbeitsvertrag abzuschlieβen, als  sie für jedes Kommen  zu bezahlen, auch nachts“, so Krankenhausdirektor Ryszard Batycki über die Beschäftigung von Geistlichen.

Keine der erwähnten Formen der Unterstützung der katholischen Kirche mit staatlichen Geldern ist in der Verfassung oder im seit 1998 geltenden Konkordat vorgesehen. Sie wurden  aufgrund separater Vorschriften eingeführt. Die staatliche Finanzierung erwähnt das Konkordat nur in drei Fällen.

Bei der Bezuschussung von kirchlichen, der Allgemeinheit dienenden Schulen und Erziehungseinrichtungen.

Weiterhin ist  die Rede davon, dass der Staat es „erwägen“ werde die Päpstliche Theologische Akademie in Kraków und die Katholische Universität Lublin finanziell zu unterstützen.

Auβerdem werde der Staat sich „nach Möglichkeit“ an der Renovierung von sakralen Kulturdenkmälern beteiligen.

Im Zusammenhang mit dem  Religionsunterricht und der Gefangenenseelsorge ist lediglich von der „Organisation“ und „Schaffung von Möglichkeiten“ die Rede. Im Falle der Armeeseelsorge wird die staatliche Beteiligung überhaupt nicht erwähnt. Auch die Verfassung  schweigt über die Finanzierung.

Da sie aber stattfindet, bedarf jede Veränderung in dieser Hinsicht, nach Meinung der Bischofskonferenz, der Zustimmung der Kirche, so z. B. wenn man die staatliche Finanzierung der Seelsorge im Zollwesen einstellen wollte.  Die Auslegung des Art. 27 des Konkordats durch die Bischofskonferenz lautet wie folgt: „Angelegenheiten die neuer oder zusätzlicher Regelungen bedürfen, werden auf dem Wege neuer Abkommen zwischen den vertragschlieβenden Parteien oder in Absprachen zwischen der Regierung der Republik Polen und der Polnischen Bischofskonferenz geregelt“.

Mit dem Artikel in der „Gazeta Wyborcza“ polemisierte Polens auflagenstärkstes Nachrichtenmagazin, das katholische „Gość Niedzielny“ („Der Sonntagsgast“) vom 24. August 2014 unter der Überschrift

                  Die Geizhälse von der „Gazeta Wyborcza“

Die  „Gazeta Wyborcza“ kämpft mit groβem Engagement um einen weltlichen Staat, zu verstehen  als die Verbannung jeglicher Erscheinungsformen des Katholizismus aus dem öffentlichen Leben. Diesmal widmeten sich die weltlichen Fundamentalisten den finanziellen Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Auf der Titelseite der Zeitung vom 7. August 2014 erschien der Artikel „Teure Soutane“ und in der illustrierten Beilage die Reportage „Göttliche Stellen“. Beide Texte beschreiben ausführlich (…) wieviel Geld aus dem Staatshaushalt die bei staatlichen Stellen arbeitenden Geistlichen bekommen. Es ist ein Thema, das oft von anti-kirchlichen Kreisen angesprochen wird und als Beweis dienen soll für die angebliche Habgier der Kirche und die These, dass Polen ein Glaubensstaat sei. Es lohnt sich, diese beiden Artikel unter die Lupe zu nehmen, denn sie entblöβen das Denken der Linken.

Die Journalisten der „Gazeta Wyborcza“ zählen minuziös die Summen auf, mit denen aus dem Staatshaushalt Seelsorger, Religionslehrer usw. entlohnt werden. Diese Angaben erwecken den Anschein, als würde die Zeitung sorgfältig gehütete Geheimnisse aufdecken, derweil handelt es sich um seit Jahren bekannte Tatsachen. Es genügt  in den Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur (KAI) aus dem Jahr 2012 mit dem Titel „Die Finanzen der katholischen Kirche in Polen“ reinzuschauen,  in dem noch viel mehr Details zu finden sind, auch über die Unterstützung des Staates durch die Kirche, die  ihn bei der Bewältigung verschiedener Aufgaben im Bereich der sozialen Fürsorge, der Bildung und der Kultur ersetzt. Dieser Gesichtspunkt wird in der „Gazeta Wyborcza“ selbstverständlich nicht erwähnt. (…)

In einem Kommentar zu den beiden Artikeln heiβt es, dass die Kirche „finanziell vom Staat abhängig“ sei, während in Wirklichkeit die Transfers aus dem Staatshaushalt nur wenige Prozent der Einnahmen der Kirche ausmachen.

(In Polen gibt es keine Kirchensteuer, die Kirche finanziert sich hauptsächlich von der Kollekte – Anm. RdP)

Gleichzeitig wird in dem Kommentar suggeriert, die staatliche Bezahlung, die eine Gruppe von Geistlichen bekommt, sei das Ergebnis einer seit Jahren andauernden Expansion der Kirche. Als weitere Belege für diese Ausweitung der Kirche gelten z. B. der Brauch Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden anzubringen, oder, dass Ärzte sich auf die Gewissensklausel berufen können. Des Weiteren wird behauptet, dass die Kirche sich nicht an das  Gebot halte, sich nicht in Bereiche einzumischen, die ausschlieβlich dem Staat vorbehalten seien. Ein riesiger Skandal sei zudem, so die Zeitung, dass die Regierung der Bischofskonferenz Gesetzesentwürfe zur Konsultation schickt, die mit der Tätigkeit der Kirche nichts zu tun haben, was ein weiterer Beleg für das „Nachgeben gegenüber den Forderungen der Bischöfe“ sein soll.

Es wird behauptet, dass „der Staat“ Stellen von Geistlichen bezahlt. Das ist nicht wahr. Der Staatshaushalt besteht aus Steuern, die die Bürger zahlen, und wir haben das Recht zu bestimmen wofür sie verwendet werden sollen. In der Demokratie sind wir der Staat, anders als im Kommunismus als der Staat über den Menschen stand. Die Behauptung „der Staat bezahle die Kirche“ verdeutlicht das kommunistische Erbe unserer Linken.

In Polen sind die Katholiken eindeutig in der Mehrheit. In Meinungsumfragen sprechen sich rund 70% der Polen für die Anwesenheit der Religion in der Schule aus, und dafür, dass Religionslehrer an Schulen arbeiten. Die Linke schockiert damit, dass deren Gehälter angeblich pro Jahr 1,5 Mio. Zloty (ca. 365 Mio. Euro – RdP) verschlingen. In Wirklichkeit sind es 1,1 Mio. Zloty (ca. 270 Mio. Euro – RdP). Zudem sollte man wissen, dass unter den  35.500 Religionslehrern mehr als 18.000 keine Geistlichen sind.

Doch etwas anderes ist noch wichtiger. Es stimmt nicht, dass der Staat, in dem er die Gehälter der Religionslehrer zahlt, die katholische Kirche bezuschusst. Der Staat erfüllt den Willen der Bürger, die den Wunsch äuβern, dass der Religionsunterricht in der Schule anwesend sein soll , weil er der Bildung und Erziehung der Jugend dient. Wie alle anderen Lehrer verrichten die Religionslehrer, ob Geistliche oder nicht, eine Arbeit für die sie entlohnt werden.

Die wütenden Attacken gegen den Religionsunterricht an den Schulen werden nicht aus finanziellen sondern aus ideologischen Gründen geritten. Die Linke weiβ, dass im Religionsunterricht das christliche Wertesystem vermittelt wird.

Die „Gazeta Wyborcza“ widmet ihre Aufmerksamkeit auch der Arbeit der Seelsorger. Sie ist empört darüber, dass sie für den Dienst, den sie in der Armee oder in Krankenhäusern verrichten, Gehälter bekommen. In Wirklichkeit geht es um ihre Anwesenheit in verschiedenen öffentlichen Einrichtungen. Doch, ähnlich wie in den Schulen, ist diese Anwesenheit erwünscht.

In Krankenhäusern und Pflegeheimen arbeiten etwa 1.500 Seelsorger und es sind die Kranken, die einen Kaplan im Krankenhaus haben wollen. Er begleitet Leidende, Sterbende, spendet ihnen die Sakramente, hilft Angst und Schmerz zu ertragen, bereitet sie auf dem Tod vor. Es fällt schwer, sich einen Katholiken vorzustellen, der in einem Hospiz ohne die Begleitung eines Geistlichen aus dem Leben scheidet.

Die weltlichen Fundamentalisten können es nicht ertragen, dass die Armee 200 Seelsorger einstellt, wovon 113 katholische Seelsorger sind. Soldaten in Afghanistan, oder früher im Irak, unterstreichen dagegen immer wieder, wie wichtig ihnen die Anwesenheit eines Priesters sei. Er zelebriert die heilige Messe, nimmt Beichten von Soldaten ab, die jeden Augenblick fallen können. Gefängniskaplane wiederum verrichten mit der Seelsorge eine riesige Resozialisierungsarbeit, dank der die Gefangenen oft dem Verbrechen abschwören.

Es ist wichtig festzustellen, dass der Staat pro Jahr 20 Mio. Zloty (ca. 4,8 Mio. Euro – RdP) für die Bezahlung der Seelsorger in Armee, Gefängnissen und Krankenhäusern ausgibt. Gut 26 Mio. Zloty (ca. 6,3 Mio. Euro – RdP) kostete das Aussetzten der Maut an vier August-Wochenenden 2014 auf der Autobahn A1 von Warschau nach Gdańsk, weil die Mautstellen den Andrang nicht bewältigen konnten.

Wer den Katholiken die Seelsorge im Krankenhaus oder in der Armee verweigert, der verletzt das in der Verfassung verankerte Prinzip der freien Religionsausübung. (…).

Die Kirche gibt viel mehr als sie bekommt. Der finanzielle Einsatz der Kirche zugunsten des Staates und der Allgemeinheit beläuft sich, rund gerechnet, auf mehrere Milliarden Zloty.

Allein die Caritas Polska unterstützt Arme, Arbeitslose, Kranke und kinderreiche Familien mit Leistungen in Höhe von 480 Mio. Zloty (ca. 117 Mio. Euro – RdP) pro Jahr. Das ist so viel, wie die Kirche vom Staat für alle durch sie übernommenen (seelsorgerischen bzw. den Religionsunterricht an Schulen betreffenden – Anm. RdP) Aufgaben erhält . Doch dabei handelt es sich  nur um einen Teil  ihrer sozialen Aktivitäten. Neben der Caritas Polska gibt es ja noch weitere 44  Caritas-Verbände in den Diözesen, und darüber hinaus hat fast jede Pfarrei  eine Caritas-Station. Allein die Caritas der Diözese Tarnów leistete im Jahr 2010 Hilfe für Bedürftige im Wert vom 30 Mio. Zloty (ca. 7,5 Mio. Euro – RdP). Und Diözesen gibt es, wie gesagt, 44 in Polen. (…)

In den mehr als 500 von katholischen Einrichtungen getragenen Schulen lernen einige Zehntausend Kinder und Jugendliche. Frauen- und Männerorden betreiben in Polen knapp zweitausend verschiedene  soziale Einrichtungen, die Kranken, Alten, Sterbenden und unter Sucht leidenden Menschen helfen. Entsprechend der Gesetzgebung bekommen viele von ihnen staatliche oder kommunale Gelder, aber niemals decken diese Zuwendungen alle Kosten. Niemand fragt dort die Bedürftigen nach ihrem Taufschein. Kirchliche Hochschulen, die vom Staat, wie alle anderen Hochschulen, mitfinanziert werden, dienen der ganzen Gesellschaft. Ihre Absolventen, vor allem die der Katholischen Universitär Lublin, stellten in der Legislaturperiode 2007-2011 beinahe 10% der Sejm-Abgeordneten.

Die Kirche gibt auch riesige Summen  für den Erhalt von fast elftausend sakralen Architekturdenkmälern aus. Landesweit sind  das etwa 1 Mrd. Zloty (ca.245 Mio. Euro – RdP) pro Jahr. Derweil bezuschusste der Staat diese Arbeiten, z.B. im Jahr 2010, mit sage und schreibe 26,6 Mio. Zloty (ca. 6,5 Mio. Euro – RdP).  Auβerdem sollte mit aller Deutlichkeit unterstrichen werden, dass alle kirchlichen Einrichtungen jeden vom Staat erhaltenen Zloty abrechnen müssen.

Die Linke behauptet allen Ernstes, dass die Zuwendungen für die Kirche aus dem Staatshaushalt ein Beweis dafür seien, dass sich Polen in einen Glaubensstaat verwandle. Gemessen an dem, wie das Problem anderswo gehandhabt wird, liegen diese Vorwürfe völlig daneben. In Polen nämlich zählen die öffentlichen Zuwendungen für die Kirche zu den niedrigsten In Europa.

Hier einige ausgewählte Beispiele. In Belgien und in dem völlig verweltlichten Tschechien werden die Gehälter und die Renten der geistlichen vom Staat bezahlt. In Dänemark sind Geistliche Staatsbeamte und werden dementsprechend entlohnt. Die orthodoxe Kirche in Griechenland hat den Status einer „herrschenden Religion“ und ihre Tätigkeit wird weitgehend vom Staat finanziert. Das gilt für die Bischofsgehälter, für die Bezahlung der Priester in den Pfarreien -, für die Diakone und für alle weltlichen Personen, die die Kirche beschäftigt. Von alldem kann die Kirche in Polen nur träumen.

In allen EU-Ländern wird die Seelsorge in der Armee, im Strafvollzug und im Gesundheitswesen vom Staat finanziert. Weitverbreitet sind Steuerermäβigungen für kirchliche Einrichtungen, in sechs Staaten gilt das auch für die kirchliche Gewerbetätigkeit. In Österreich sind alle Schenkungen zugunsten der Kirchen steuerfrei. In allen EU-Staaten werden konfessionsgebundene Schulen gänzlich oder fast  ganz vom Staat finanziert. In England ist die Religion an staatlichen Schulen ein Pflichtfach. In der Slowakei finanziert der Staat teilweise die katholische Caritas und die evangelische Diakonie. Gelder aus kirchlichen Sammlungen und Gewinne aus kirchlicher Gewerbetätigkeit sind steuerfrei. Befreit von Steuern und Abgaben sind alle kirchlichen Gebäude und Friedhöfe. In Ungarn werden kirchliche Krankenhäuser genauso finanziert wie staatliche. Sogar im laizistischen Frankreich unterhält der Staat, und bezahlt die Renovierung, aller Kirchengebäude, die vor 1905 errichtet wurden.

Unterstellungen, dass der Staat die Kirche finanziere, sind Bestandteil einer von der Linken geführten Kampagne. Die Finanzen dienen hier nur als Vorwand. In der Tat geht es um die Vertreibung der Kirche aus dem öffentlichen Raum, weil sie einer weltanschaulich-sittlichen Revolution im Wege steht, die die Linke in Polen umzusetzen versucht.

RdP

 

 




Polnische Bischöfe. Zahlen und Fakten

Ende 2014 gab es in Polen 144 Bischöfe, davon 141 des lateinischen und 3 des unierten Ritus. Unter ihnen sind 4 Kardinäle (die alle zugleich Erzbischöfe sind), 27 Erzbischöfe und 113 Bischöfe. Fünfzehn von ihnen sind Metropoliten (Vorsteher einer Kirchenprovinz, eines Verbandes von Diözesen), 29 Diözesanbischöfe und 48 Weihbischöfe (in Polen Hilfsbischöfe genannt).

Die Polnische Bischofskonferenz zählt 92 aktive Bischöfe. Ihr gehören nicht an: 50 emeritierte Bischöfe (älter als 75 Jahre, darunter 2 Kardinäle und 13 Erzbischöfe), 2 Titularbischöfe (die keine eigene Diözese leiten, sondern andere Aufgaben oder Funktionen haben) sowie 14 polnische Erzbischöfe und Bischöfe (darunter 2 Kardinäle), die im Vatikan und in der vatikanischen Diplomatie arbeiten.

Die meisten polnischen Bischöfe hat Papst Johannes Paul II. ernannt – 119, von denen inzwischen 20 verstorben sind und einer (Kardinal Marian Jaworski) zur Ukrainischen Bischofskonferenz gewechselt hat.

Benedikt XVI. ernannte 24 polnische Bischöfe, Papst Franziskus – 10. Sie alle sind noch aktiv. Sämtlich emeritiert dagegen sind die noch lebenden Bischöfe die Papst Paul VI.(11) und Johannes Paul I. (1) ernannt haben.

Der Dienstälteste, heute emeritierte, Bischof ist Erzbischof Bolesław Pylak (Lublin), der seine Ernennung am 14. März 1966 empfing. Nach ihm kommen Erzbischof Szczepan Wesoły (ehem. oberster Seelsorger der polnischen Emigranten; ernannt am 11. Dezember 1968) und Bischof Julian Wojtkowski (Ermland; 17. August 1969).

Dienstjüngste sind die Bischöfe: Wiesław Szlachetka (Weihbischof in Gdańsk; Ernennung am 21. Dezember 2013), Jan Piotrowski und Stanisław Salaterski (Weihbischöfe in Tarnów; beide ernannt am 14. Dezember 2013).

Die ältesten Bischöfe sind: Bolesław Pylak (1921.), Kardinal Henryk Gulbinowicz (Wrocław, 1923.) und Stanisław Szymecki (Białystok,1924). Die jüngsten: Wiesław Śmigiel (Weihbischof in Pelplin, 1969), Damian Bryl (Weihbischof in Poznań, 1969) und Damian Muskus (Weihbischof in Kraków, 1967).

Elf Bischöfe gehören 9 Orden an. Die Hierarchen tragen insgesamt 53 Vornamen. Am öftesten treten auf Jan und Stanisław (jeweils 12) sowie Jozef (10).

(RdP)




Ein Katholik schändet nicht

„Ich verteidige die Moscheen“, schreibt Polens führender katholischer Publizist.

„Die Schändung der Moschee in Kruszyniany muss eindeutig verurteilt werden, und das vor allem durch die rechte Seite der intellektuellen Szene“, unter dieser Überschrift und mit dieser Unterzeile, veröffentlichte Tomasz P. Terlikowski, einer der führenden und streitbarsten katholischen Publizisten Polens, seine wöchentliche Glosse im Wochenblatt „Gazeta Polska“ („Polnische Zeitung“) vom 2. Juli 2014.

Tomasz Terlikowski
Tomasz Terlikowski

Die Glosse bezieht sich darauf, dass in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 2014 unbekannte Täter die Holzmoschee und einige Gräber auf dem Tatarenfriedhof im Dorf Kruszyniany, unweit der polnisch-weiβrussischen Grenze, mit Schmierereien verunstaltet haben.In der Gegend wohnen seit dem 16 Jh. polnische Tataren. Zu ihrer Geschichte, Kultur und ihrem heutigen Leben empfehlen wir Ihnen die folgende Sendung.

Der Zwischenfall hat landesweite Empörung hervorgerufen. Die Schmierereien, die keine Parolen enthalten, deuten eher auf Rowdytum hin. Die Polizei ermittelt.

Tomasz P. Terlikowski schreibt u. a.:

Ich weiβ nicht, wer die Moschee in Kruszyniany geschändet hat. Ich schlieβe eine Provokation nicht aus, auch wenn ich diese Vermutung für sehr unwahrscheinlich halte. Gleichzeitig jedoch hege ich die absolute Gewissheit, dass unabhängig davon, wer es getan hat, jeder polnische Patriot und jeder Gläubige sich in dieser Zeit mit den Moslems und den Tataren solidarisch zeigen, und das, was sich ereignet hat, aufs schärfste verurteilen muss.

Der Grund ist sehr einfach. Unabhängig davon, was wir vom Islam halten (über seinen Wert oder seine Wertlosigkeit aus katholischer und christlicher Sicht wird seit Jahren eine sehr interessante Diskussion geführt, die keine eindeutigen Antworten liefert); unabhängig davon, wie wir zur islamistischen Gefahr stehen, ist die Mosche ein Ort des religiösen Kultes, und solche Orte verlangen einem Christen Respekt ab.

Wenn schon nicht aus dem Grund, weil wir den Wert einer Religion (in diesem Fall des Islam) anerkennen, dann wenigstens deswegen, weil wir den Wert der menschlichen Suche nach Gott, der menschlichen Religiosität, auch wenn sie falsch ausgerichtet ist, zu schätzen wissen. Eine Moschee verdient es, genauso wie eine Pagode, geachtet zu werden und darf nicht geschändet werden. Der Kampf gegen den Islam oder gegen den Islamismus, auch wenn er rein politisch verstanden wird, darf uns unseres rein menschlichen Einfühlungsvermögens und unserer Achtung für menschlichen Gefühle nicht berauben.

Kruszyniany 1

Schmierereien an der Moschee von Kruszyniany
Schmierereien an der Moschee von Kruszyniany

Die Schändung der Moschee in Kruszyniany ist auch aus einem anderen Grund absurd. Dieser Ort nämlich ist ein Beispiel der perfekten Anpassung und Integration der Moslems in einem christlichen Staat. Die Tataren, denen dieses ansprechende Gebäude gehört, zeigten, dass wenn der Staat sie achtet und ihnen alle Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs offen hält (und dazu zählte die Bestimmung, dass sie in den polnischen Adel aufgenommen werden können), dann können Moslems zu loyalen Bürgern und eifrigen Verteidigern der Rzeczpospolita werden. Ihr Beitrag zum Aufbau der Rzeczpospolita vieler Kulturen und vieler Völker, an die der hl. Johannes Paul II. so oft erinnert hat, ist nicht zu überschätzen.

Und deswegen schäme ich mich schlicht und einfach für diejenigen, die diesen empörenden Angriff vorgenommen haben. Das verschmieren mit Farbe eines Ortes des Kultes, dazu eines wichtigen Denkmals polnischer Geschichte, seine offensichtliche Schändung, das alles kann nichts zu tun haben mit dem Christentum, mit dem Polnisch-Sein, mit dem politisch Rechts-Stehen. Daran können auch das Symbol des polnischen Widerstandes aus dem Zweiten Weltkrieg nichts ändern, das die Schänder hinterlassen haben. Ein Katholik schändet keine Orte des Kultes anderer Religionen (auch wenn er sie als falsch betrachtet), weil er das menschliche religiöse Engagement respektiert. Das gilt für jeden Glauben, auch für den Islam.

Ein polnischer Patriot weiβ zudem, dass die Moschee in Kruszyniany ein schönes Beispiel nicht nur für die polnische religiöse Toleranz liefert, sondern auch dafür, dass die Anwesenheit der Tataren in diesem Gebiet ein Teil unserer Geschichte ist. Nur ein Dummkopf weiβ das nicht. Das zeigt, dass die Schänder nicht die geringste Ahnung haben von der Geschichte Polens und den religiösen Verhältnissen in unserem Land, was übrigens nicht wundert angesichts des Niveaus, auf das man den Geschichtsunterricht in polnischen Schulen herabgesenkt hat.

Und deswegen muβ man es direkt sagen. Ein Katholik (oder mehr noch: ein Christ) kann diesen empörenden Akt des Wandalismus nur aufs schärfste verurteilen, und er kann an einem solchen Tag nur auf der Seite der Tataren stehen. Ich weiβ nicht wer es getan hat. Ich kann aber mein tiefstes Mitgefühl und meine Scham zum Ausdruck bringen, und versichern, dass wenn Geld für die Renovierung notwendig sein sollte, ich gerne etwas zu einer solchen Sammlung beisteuern werde. Als Pole und als Katholik!

RdP