Verfechter des Nachgebens

Deutsche „Russlandversteher“ mit polnischen Augen gesehen.

Unter der Überschrift „Verfechter des Nachgebens“ kommentiert der angesehene sicherheitspolitische Analytiker Przemysław Żurawski vel Grajewski den Aufruf von 65 deutschen Intellektuellen (u.a. Mario Adorf, Luitpold Prinz von Bayern, Roman Herzog, Otto Schily, Gerhard Schröder, Horst Teltschik) vom 4. Dezember 2014 zum Dialog mit Russland. „Dieser Aufruf“, schreibt Grajewski in der Tageszeitung „Gazeta Polska Codziennie“ („Die Polnische Zeitung Täglich“) vom 9. Dezember 2014, „strotz nur so von Entstellungen und falschen Behauptungen“.

Der Text, mit dem er scharf ins Gericht geht, hat folgenden Wortlaut

Eine prägnante Einschätzung der „Gattung“ deutscher „Russlandversteher“ gab aus diesem Anlass der ZEIT-Herausgeber Josef Joffe

Die polnische Einschätzung liest sich, nach dem Grajewski die wichtigsten Thesen des Aufrufs wiedergegeben hat, so:

Przemysław Zurawski vel Grajewski
Przemysław Zurawski vel Grajewski

„(…) Der Aufruf der 65 legt kein gutes Zeugnis über die intellektuelle Verfassung der deutschen Elite ab. Die Vielzahl der Verzerrungen, in einem von solch namhaften Leuten signierten Text, spottet jeder Beschreibung. Jedenfalls entsprechen die Behauptungen der Unterzeichner nicht der Wahrheit in Bezug auf Ereignisse und Entscheidungen, die vor noch gar nicht langer Zeit stattgefunden haben oder stattgefunden haben sollen. (…)

Eine falsche Auslegung der Wirklichkeit

Zwischen 1989 und 2004 haben die einst von den Sowjets in den Jahren 1939 – 1945 unterjochten Völker Mitteleuropas ihre Freiheit wiedergewonnen“, schreibt Grajewski und bemerkt, dass durch die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs Hitler Stalin und die Sowjets nach Mittteleuropa geholt hat. Deswegen seien die Deutschen „das letzte Volk, das ein moralisches Recht habe zu bedauern, dass diese Völker die Ergebnisse der einstigen deutschen Politik rückgängig gemacht haben. (…)

Die Triebfeder für die Nato- und die EU-Osterweiterung lag in Mitteleuropa, nicht in Brüssel, Berlin oder Washington. Wir haben die Nato und die EU zu überzeugen versucht, dass sie uns aufnehmen sollen, und nicht umgekehrt. Es war unser politischer Wille, der sich letztendlich durchgesetzt hat. (…) Immer noch fällt es aber manchen an deutschen Universitäten ausgebildeten Intellektuellen und Politikern schwer zu verstehen, dass es zwischen Deutschland und Russland jemanden gibt, der seine eigenen Interessen, seinen politischen Willen und ein eigenes Handlungspotential hat.

Sie sind offensichtlich nicht fähig eine Wechselbeziehung zu verstehen und aus ihr Schlüsse zu ziehen“, schreibt Grajewski und erläutert, dass die Vormachtstellung Russlands in Europa als Folge des endgültigen Untergangs der polnischen Adelsrepublik nach der dritten Teilung Polens 1795 entstand. Es ist also nur allzu verständlich, dass, so lange es unabhängige Staaten auf dem Gebiet des ehemaligen Russisch-Polens gibt, eine solche Position russischer Vormacht nicht haltbar sei. „Wer diese Position anerkennt und unterstützt, arbeitet gegen die Interessen der Völker dieser Staaten (…) Wenn die Ukraine die russische Einflusszone verlässt, dann untergräbt das die Position Moskaus in Europa. Diese beiden Angelegenheiten sind miteinander nicht vereinbar: die Unabhängigkeit der Ukraine (Polens, der baltischen Staaten und Weiβrusslands) mit der Vormachtstellung Russlands auf unserem Kontinent.

Ein Deutschland, so Grajewski weiter, das die russischen Ambitionen unterstützt, würde sich in einen offenen Gegner unserer Freiheit verwandeln, und so sollte es behandelt werden. Die Deutschen Intellektuellen sollten ihre Regierung davor warnen, und nicht dazu ermuntern.

Eine falsche Auslegung der Tatsachen

Die Unterzeichner irren hinsichtlich der Tatsachen. (…) Es stimmt nämlich nicht, dass der Westen nicht für eine „Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau“ gesorgt hätte. Schon im November 1993 haben Staatspräsident Boris Jelzin, der Europäische Rat und die Europäische Kommission angekündigt ein System regelmäβiger Konsultationen zwischen Russland und der EU zu schaffen. 1994 wurde ein »Partnerschafts- und Kooperationsabkommen« (PKA) unterzeichnet. Das war der Beginn des Aufbaus eines strukturellen Dialoges zwischen Moskau und Brüssel. Die damals geschaffene Struktur umfasste:

● die Russland-EU-Gipfeltreffen, die seit 1998 jedes halbe Jahr einberufen wurden;
● einen Partnerschaftsrat, der einmal im Jahr unter Teilnahme des russischen und aller EU-Auβenminister tagte. 2003, auf dem EU-Russland-Gipfel in Rom, wurde er in einen Ständigen Partnerschaftsrat umgewandelt. Seine erste Tagung fand im April 2004 statt;
● einen EU-Russland Kooperationsausschuss, der nach Bedarf (seit April 1998 praktisch einmal im Jahr) auf der Ebene höherer Beamter tagt und die Treffen des Ständigen Partnerschaftsrates vorbereitet, in dem er u. a. Unterausschüsse und Arbeitsgruppen zur Lösung konkreter Fragen einsetzt;
● einen parlamentarischen Kooperationsausschuss EU-Russland, bestehend aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments und der Duma. Seine erste Sitzung fand vom 1. bis 3. Dezember 1997 statt.

Eine solch ausgebaute Dialogstruktur hat die EU mit keinem anderen Land der Welt. Unter den einstigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion bekam Russland zudem die gröβte EU-Finanzhilfe in den 90er Jahren“, stellt Grajewski fest, und schreibt weiter:

„Ähnlich verhielt sich die Nato. 1994 rief die Allianz die »Partnerschaft für den Frieden« ins Leben, an der auch Russland teilnahm.1997 wurde ein ständiger Nato-Russland-Rat ins Leben gerufen. 2002 verlieh man ihm eine neue, für Russland bequemere Struktur: anstatt »19+1« (also die 19 Nato-Staaten plus Russland) waren es nun »20«, d. h. Moskau beteiligte sich ab jetzt an der Diskussion, noch bevor die Nato-Staaten eine gemeinsame Position in einer Angelegenheit ausgearbeitet haben“.

Die Unterzeichner des Aufrufs der 65, so Grajewski, entstellen die Tatsachen auch, wenn sie schreiben: „Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit NATO-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden“. In Wirklichkeit, erinnert Grajewski, „wurde der Heranführungsplan (Membership-Action-Plan, MAP) für die Ukraine und Georgien auf dem Nato-Gipfeltreffen in Bukarest im April 2008 zwar diskutiert, aber wegen des Widerstandes Deutschlands und Frankreichs den beiden Staaten nie unterbreitet, was Russland zum Angriff auf Georgien im August 2008 ermunterte. (…)

Im Jahr 1996 wurde Russland in den Europarat aufgenommen, trotz massenhafter Verletzungen der Menschenrechte in Tschetschenien. 1997 wurde Russland Mitglied der G7, die somit zur G8 erweitert wurde. 2012 wurde Russland Mitglied in der Welthandelsorganisation (WTO). Es ist Mitglied vieler kleinerer Organisationen, wie z. B. des Rates der Ostseestaaten.

Russland will keine Zusammenarbeit

(…) Die Moskau zur Verfügung gestellten Foren der Zusammenarbeit dienten jedoch ausschlieβlich der Förderung russischer Interessen. Wenn man Russland aufforderte, es solle die Regeln der mitunterzeichneten Verträge befolgen, bezichtigte Russland den Westen der Einmischung in innere Angelegenheiten oder der Verletzung russischer Einflusszonen“, fasst Grajewski zusammen und gelangt zu dem Fazit:

„Die Deutschen sind nicht fähig zu einer politischen Konfrontation mit Russland wenn es um die Interessen Mitteleuropas geht. Umgekehrt, sie würden gerne mit unseren Interessen bezahlen um ihre Ruhe zu haben. Die von Berlin dominierte EU „präzisierte“ gerade (wie das polnische Auβenministerium es formulierte) Sanktionen, mit denen die russische Ölbranche und die russischen Banken belegt wurden. Russland darf wieder lang- und mittelfristige Kredite in der EU aufnehmen. Es darf auch wieder neue Fördertechnologien kaufen. Zum Glück sind es nicht die EU-Sanktionen, die Russland in die Knie zwingen, sondern es ist der Druck der USA, Kanadas, Australiens, Groβbritanniens und der reichen arabischen Staaten. Putin hat Barack Obama in Syrien der Lächerlichkeit preisgegeben und beendete den von Obama verkündeten »Reset« in den Beziehungen zu Russland. Er hat viele Australier in dem über der Ukraine abgeschossenen malaysischen Verkehrsflugzeug ermordet. Er hat die in Kanada sehr einflussreiche ukrainische Diaspora gegen sich aufgebracht. Er hat sich die Saudis zu Feinden gemacht, in dem er sich auf die Seite des syrischen Diktators Baschar al-Assad stellte. Jetzt zahlt er dafür und er wird verlieren, egal was die deutschen »Intellektuellen« denken.“

RdP




MiLo über alles

Deutschland diktiert, Polen pariert.

Die Mindestlohnregelung für LKW-Fahrer ist vorläufig nur im Transit durch Deutschland ausgesetzt worden. Von und nach Deutschland gilt sie weiterhin und hält so die Konkurrenz aus dem Osten fern.

Treffen in Warschau. Ministerpräsidentin Kopacz fragt in die Runde: „Was gibt’s neues in Berlin?“ Der Wirtschaftsminister: „Die Deutschen fordern, wir sollen den polnischen LKW-Fahrern, die durch ihr Land fahren, die Löhne erhöhen…“ „Noch etwas?“, fragt die Regierungschefin. „Aber sie weigern sich die Löhne der Angestellten ihrer Discounter-Ketten in Polen zu erhöhen“, antwortet die polnische EU-Kommissarin Bieńkowska.
Der Foto-Scherz aus der Tageszeitung „Nasz Dziennik“ („Unser Tagblatt“) vom 28. Januar 2015 gibt die Befindlichkeit eines nicht kleinen Teils der polnischen Öffentlichkeit wieder, der Deutschland ohnehin nicht über den Weg traut.

Płaca minimalna fot.Die Bombe platzte am 7. Januar 2015. Während einer Pressekonferenz in Berlin verkündeten die Vertreter der deutschen Ministerien für Finanzen und Arbeit, dass der gerade in Deutschland eingeführte flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde auch für Ausländer gelte, und zwar für jede Stunde, die sie in Deutschland arbeiten, z. B. auch für polnische LKW-Chauffeure, wenn sie aus Polen durch Süddeutschland nach Italien fahren.

Am 30. Januar 2015 hat die deutsche Regierung die Anwendung des Gesetzes auf ausländische Lkw-Fahrer im reinen Transitverkehr vorerst (bis zur Klärung in Brüssel) ausgesetzt. Zu monströs war der Unsinn dieses Vorhabens, wären doch von der Maβnahme jährlich rund 1,8 Millionen Transitfahrten, allein polnischer Speditionen, durch Deutschland betroffen. Doch

die Kuh ist noch längst nicht vom Eis.

Lkw-Chauffeure, deren Anhänger in Deutschland be- und entladen werden, müssen nämlich weiterhin mindestens 8,50 Euro in der Stunde verdienen.
Um das zu gewährleisten, wurde eine beachtliche bürokratische Prozedur in Gang gesetzt. Die Spediteure müssen den Einsatzplan des Fahrers der von oder nach Deutschland fährt, vorab, mittels eines umfangreichen Formulars bei der deutschen Zollverwaltung anmelden und anschließend die Daten, welcher Fahrer wie lange durch Deutschland gefahren ist, für Kontrollzwecke aufbewahren. Zudem muss der Fahrer folgende Dokumente dabei haben: den Arbeitsvertag, sein ausgefülltes Arbeitszeitformular, seine Lohnabrechnung und den Vorab-Überweisungsbeleg der beweist, dass sein auf Deutschland entfallender Stundenlohn bereits auf sein Konto überwiesen wurde. Alles natürlich auf Deutsch. Auf Anfrage aus Warschau haben deutsche Behörden mitgeteilt, dass sie auch auf Englisch und Französisch ausgefüllte Unterlagen zu akzeptieren gedenken.

Die Vorschriften seien unpräzise, klagen polnische Spediteure. Harte Strafen, die in die Hunderttausende von Euro gehen können, drohen sowohl ihnen, wie auch ihren deutschen Auftraggebern.

Zwei Wochen lang hielt die, was Berlin angeht, stets konfliktscheue Regierung in Warschau still, bis sie von den zornerfüllten Transportunternehmer-Verbänden u. a. mit ganzseitigen Zeitungsannoncen zum Handeln gezwungen wurde. Es gab am 21. Januar 2015 ein Telefongespräch der polnischen Regierungschefin mit Frau Merkel und einige eher theatralisch wirkende Gemütsäuβerungen, die die Medien Wirtschaftsminister Piechociński („Skandalös, was die Deutschen da Europa vorschlagen“) und Auβenminister Schetyna („Kuriose Vorschriften“) entlocken konnten. Dass der „wichtige Freund Deutschland“, wie es die Ministerpräsidentin formulierte, dermaβen brachial vorgehen konnte, und man sich plötzlich gezwungen sah Widerspruch zu äuβern, war für die Regierungskreise ungewohnt und unangenehm.
Polen ist nun Mal mit einem Anteil von 25% das Land mit dem höchsten Lkw-Frachtaufkommen in der EU.

Ein lästiger Konkurrent,

dessen man sich in Berlin mit einem Schlag auf diese Weise zu entledigen hoffte? Jan Rokita, (einst führender Politiker der regierenden Bürgerplattform, von Tusk als politischer Rivale ausgebootet, heute Publizist) hegte diesbezüglich keine Zweifel, als er im Nachrichtenmagazin „W Sieci“ („Im Netztwerk“) vom 27. Januar 2015 schrieb:
„Offensichtlich ist man irgendwo in den Berliner Ministerien auf die Idee gekommen, das MiLo-Gestetz dazu zu benutzen polnische (und nicht nur polnische) Transportunternehmer von den deutschen Straβen zu verbannen, und auf dem Verwaltungswege den deutschen Straβengütertransport nur den Deutschen zu überlassen. Der deutsche Staat mache sich in diesem Fall zu einem Werkzeug der Wirtschafslobbyisten.“

Tomasz Budnikowski, Ökonomieprofessor am Westinstitut in Poznań, bemerkte in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) vom 28. Januar 2015:

„Den Mindestlohn gibt es in den meisten europäischen Ländern. In keinem von ihnen jedoch hat man sich entschieden dermaβen brutal in die Lohnmechanismen ausländischer Transportunternehmen einzugreifen. Na ja, nicht seit heute wissen wir, dass wenn man in Deutschland etwas in Angriff nimmt, dann gründlich, und nicht selten gibt man sich dabei der Lächerlichkeit preis.“
Um einiges schwerere Geschütze fuhr der konservative Kommentator Jacek Karnowski im viel gelesenen Internet-Portal „W.Polityce.pl“ (In.derPolitik.pl“) am 25 Januar 2015 auf:

„Es zeigt sich, dass die Vorherrschaft auf dem polnischen Markt Berlin nicht mehr genügt: das diskrete Erzwingen der Stilllegung beachtlicher Teile der Industrie, einschlieβlich der Werften, die schnelle Übernahme des Einzelhandels. Jetzt zielen sie auf Branchen ab, die sie bisher als eine Art Gnadenbrot den armen „Freunden“ aus dem Osten überlassen haben: Z. B. auf die Transportdienstleistungen. (…) Das ist eindeutig eine neue Phase. Der deutsche Staat führt Regulierungen ein, die in innere Wirtschaftsbelange der Nachbarn eingreifen.“

Karnowski sieht bereits eine weitere Forderung Berlins kommen: “Wenn die neuen Vorschriften wirklich wirksam vollstreckt werden sollen, dann müssen deutsche Kontrollen direkt in den polnischen Firmen stattfinden, anders lässt es sich nicht effektiv nachvollziehen, ob der polnische Fahrer den deutschen Mindestlohn bekommen hat.“, und fährt fort: „Das wäre eine beispiellose Einmischung. Das ist schon etwas mehr als die herkömmliche »soft power«“, mit der man die Eliten und die Jugend des Landes für sich gewinnt: Stipendien, Honorare, Forschungsgelder, Auszeichnungen, üppig finanzierte Projekte, Austausche, „das Korrumpieren polnischer Minister oder gar des Ministerpräsidenten mit Posten in Brüssel. Das hier aber ist eine offensichtliche Nötigung, ausgerichtet darauf, die Einnahmen des deutschen Staates zu erhöhen.“

Prof. Budnikowski weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Den Standpunkt der deutschen Fahrer und Spediteure kann man soweit verstehen. Sie sehen in der Maβnahme eine erhebliche Schwächung der ausländischen Konkurrenz zu ihren Gunsten. Was erstaunt, ist die Position einiger polnischen Gewerkschaftler, die verkünden, dass es keinen Grund dafür gebe, dass polnische Fahrer nicht genauso viel wie ihre deutschen Kollegen verdienen. Was aber sollen dazu die polnischen Krankenschwestern, Eisenbahner, Universitätsprofessoren sagen?“

Wie geht es weiter?

Im Transportverkehr von und nach Deutschland haben die deutschen Behörden den ausländischen Spediteuren einen Mühlstein um den Hals gehängt: Voranmeldung beim deutschen Zoll, eine monströse Dokumentationspflicht, Vorkasse für den Fahrer, wage Formulierungen, Androhung enormer Strafen für Transportunternehmen und Auftraggeber. Da nimmt man ab jetzt lieber gleich eine deutsche Firma.

Obschon vor Berlins einstweiligem Transit-Rückzieher am 30. Januar 2015 geschrieben, bleibt Jan Rokitas Einschätzung ganz und gar aktuell: „Es sieht danach aus, dass (…) die Regierung in Berlin Höflichkeit und den Willen alles zu erklären und zu besprechen an den Tag legen, aber im Kern hart bleiben wird. (…) In dieser Situation muss sich die Regierung Kopacz bewusst werden, dass in diesem Konflikt ohne Gegenmaβnahmen seitens der EU sowie Polens und seiner Verbündeten, die Bereitschaft Berlins Zugeständnisse zu machen, sehr beschränkt sein dürfte.“

Jacek Karnowski ist dahingehend jedoch sehr pessimistisch: „Beachten wir: dem polnischen Staat kommt es nicht einmal in den Sinn eine der Lage angemessene Gegenmaβnahme zu erwägen, die die deutschen Spediteure treffen würde: eine zusätzliche Versicherung oder Gebühr. Das würde gegen EU-Regeln verstoßen? Die deutschen Regulierungen verstoβen allem Anschein nach gegen das Prinzip staatlicher Souveränität, und sollen dennoch in Kraft treten.“

© RdP




„Willkommen in Warschau, Herr Sikorski“

Der deutschlandpolitische Schmusekurs der Regierung Tusk stößt nicht bei allen Beobachtern in Warschau auf Verständnis.

Der Publizist Marek Magierowski gab diese Befindlichkeit wieder, indem er im Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“) vom 28. Juli 2014 seine Glosse, siehe oben, auf Deutsch betitelte.

Seiner Zeit, so Magierowski, „lud Auβenminister Radosław Sikorski den deutschen Auβenminister Frank-Walter Steinmeier auf seinen Landsitz in Chobielin bei Bydgoszcz ein. Steinmeier revanchierte sich am letzten Mittwoch (23. Juli 2014 – Anm. RdP), indem er ihn aus Brüssel nach Warschau mitnahm.
Auf dem offiziellen Twitter-Konto des Auswärtigen Amtes tauchte eine Serie von Fotos aus dem Inneren der Maschine und von der Ankunft auf dem Warschauer Okęcie-Flughafen auf, wo der Botschafter Deutschlands Rolf Nikel die beiden Gentlemen in Empfang nahm“.

Soweit so gut, meint der Autor, denn: „Eigentlich verlief alles gemäß dem diplomatischen Protokoll. Eigentlich sind unsere Staaten Verbündete und arbeiten auf vielen Feldern zusammen. Eigentlich sind Sikorski und Steinmeier befreundet. Dementsprechend dürfte es keinen Anlass zur Verwunderung, geschweige denn zur Empörung geben“, gibt Magierowski zu bedenken.

Dennoch habe er die Fotos mit wachsendem Staunen betrachtet und schreibt:

„Da kommt der Auβenminister der Republik, der sich auf einer Dienstreise befindet, nach Warschau zurückgeflogen, an Bord einer Luftwaffen-Maschine, als Gast seines Kollegen aus Deutschland. Auf dem Rollfeld begrüβt ihn der Vertreter der Regierung in Berlin. Ein durchschnittlich aufgeweckter Student der Internationalen Beziehungen hätte wahrscheinlich ein besseres Gefühl dafür gehabt, was sich in der Diplomatie gehört und was man lieber lassen sollte. Besonders im Falle der Beziehungen zu Deutschland, das von vielen Europäern als ein Land angesehen wird, das den ganzen Kontinent herumkommandiert und diesem mit Vehemenz seinen Willen aufzwingt“, stellt Magierowski fest, und fährt fort:
„Könnt ihr euch den Auβenminister Griechenlands vorstellen, der mit einer deutschen Regierungsmaschine nach Athen kommt und vom dortigen deutschen Botschafter begrüβt wird? Noch am selben Tag würden ihn die Medien in Stücke reissen.

Nur, der griechische Minister kämpft nicht um einen Posten in Brüssel.“

Anmerkung RdP

Auβenminister Sikorski machte sich im Sommer 2014 groβe Hoffnungen auf den Posten des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (umgangssprachlich EU-Auβenminister genannt). Sikorski wurde letztendlich von seinem Chef, Ministerpräsident Donald Tusk, der lange stillhielt und so tat, als sei er an EU-Posten nicht interessiert, ausgetrickst. Frau Merkels Favorit Tusk bekam den Posten des EU-Ratspräsidenten, was Sikorskis Vorhaben automatisch zunichte machte.Tusks Nachfolgerin, Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, entließ Sikorski aus dem Kabinett und schob ihn auf den Posten des Sejm-Präsidenten ab.

RdP




Das heutige Deutschland und der Erste Weltkrieg

Polnische Beobachtungen und Meinungen.

Rechtzeitig zum einhundertsten Jahrestag des Attentates in Sarajevo am 28. Juni 1914, widmeten sich Polens führende Deutschland-Kommentatoren dem Verhältnis des heutigen Deutschlands zum Ersten Wettkrieg.

Piotr Semka, ein stets aufmerksamer Beobachter des Nachbarlandes auf dem konservativen Flügel der polnischen Publizistik, veröffentlichte seine Einschätzungen im Wochenmagazin „Do Rzeczy“ („Zur Sache“) vom 7. Juli 2014 unter dem Titel:

Keine Asche aufs Haupt

(…) Dieses Foto haben die meisten jungen Franzosen und Deutschen in ihren Schulbüchern gesehen. Aufgenommen wurde es am 22. September 1984 vor der Gedenkstätte in Verdun. Zum ersten Mal wurde damals, an diesem Ort, neben der „Marseillaise“, die westdeutsche Nationalhymne mit der Melodie „Deutschland, Deutschland über alles“ gespielt. Vor dem westdeutschen Bundeskanzler und dem französischen Präsidenten stand ein in die deutsche und die französische Fahne gehüllter Sarg. Helmut Kohl und Francois Mitterrand fassten sich minutenlag an den Händen, als Zeichen der Freundschaft beider Nationen. Damals verstand man diese Zeremonie als eine Weiterführung des von General Charles de Gaulle und Konrad Adenauer 1959 angestoβenen Versöhnungsprozesses zwischen den beiden Staaten, die im 20. Jahrhundert gleich zweimal. einen Kampf auf Leben und Tod ausgetragen haben.

Dreißig Jahre später trat die deutsche Botschafterin in Paris, Dr. Susanne Wasum-Rainer als Schirmherrin bei der Vorstellung des Buches von Christopher Clark „Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ in Frankreich auf. Clark ist ein australischer Historiker, der sich von der deutschen Geschichte begeistern lieβ, und 2006 auf dem deutschen Buchmarkt seinen Bestseller „Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600 – 1947“ platzierte. Das Buch, das viele Deutsche mit Begeisterung aufnahmen, sollte nachweisen, dass Preuβen keineswegs die Verkörperung des Bösen gewesen ist, und vieles, was dem preuβischen Staat an Schuld zugeschrieben wird, als bedingt anzusehen ist.

Zum einhundertsten Jahrestag des Groβen Krieges hat Clark nun ein Buch mit der These geschrieben, das Kaiserreich trage nicht die Hauptschuld am Kriegsausbruch und man solle die Verantwortung dafür auf alle europäischen Mächte verteilen. Zum wiederholten Male bestätigte sich damit die Regel, dass die Deutschen es lieben, gefällige Ausländer zu benutzen, um zu verkünden, was sie selbst insgeheim denken.

Kein Wunder also, dass es ein Australier war, der den Franzosen verkünden sollte, auch ihre Republik sei für den Ersten Weltkrieg mitverantwortlich. In Frankreich jedoch stieβ Clark auf streitbaren Widerstand. Der ehemalige Ministerpräsident Jan-Pierre Chevènement schleuderte den von Deutschland aus geworfenen Ball zurück und wiederholte: „Der Krieg von 1914 ist das Ergebnis des Wettlaufs zwischen London und Berlin um die Vorherrschaft auf den Meeren gewesen“. Etwas also hat sich doch verändert seit dem Händehalten Kohls und Mitterands. Die Versöhnung mit Deutschland ist das eine, etwas anderes ist es, wenn zur Kenntnis genommen werden soll, Frankreich sei genauso wie der Kaiserstaat vom nationalistischen Taumel erfasst gewesen.

Blicken wir aber zurück auf einen weiteren runden Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, auf das Jahr 1974. Damals erschien das Buch von Stefan Lorant „Eine deutsche Bildgeschichte von Bismarck zu Hitler“. Auf dem Umschlag wurde Hitler beileibe nicht im braunen SA-Hemd dargestellt, sondern in der kaiserlichen Uniform Wilhelm II. Das ganze Album ist eine einzige Verbildlichung der Behauptung, und damals wurde sie noch als selbstverständlich angesehen, dass es zwischen dem preuβischen Militarismus und dem Nationalsozialismus eine direkte Verbindung gibt, und dass der Zweite Weltkrieg eine natürliche Fortsetzung des Strebens nach Zielen gewesen sei, die die Deutschen im Ersten Weltkrieg nicht zu erreichen vermocht hatten. Mehr noch, wir haben inzwischen auch schon polnische Historiker, die die neuen Prinzipien der politischen Korrektheit bei der Darstellung der deutschen Geschichte gut heiβen und sich über angebliche „Vereinfachungen“, wie sie z. B. Lorant veröffentlichte, entrüsten.

Das soll nicht heiβen, in Deutschland gäbe es keine Historiker, die daran erinnern, wie eroberungslustig und hemmungslos die Pläne für Besitzergreifungen gewesen sind, die die Fachleute vom kaiserlichen Auswärtigen Amt oder vom Generalstab schufen. Stark ist weiterhin auch die allgemeinpazifistische Strömung, die der Kriegsschulddiskussion ausweicht und an dieser Stelle nur verkündet, dass alle im damaligen Europa „versagt“ haben.

Man kommt nicht um die Feststellung herum, dass die Beliebtheit des Buches von Christopher Clark ein Ergebnis wesentlicher Veränderungen in der deutschen historischen Politik ist. Ähnlich wie die von der deutschen Linken gebilligten und geteilten Behauptungen, dass es der Versailler Vertrag und seine strengen Bestimmungen gewesen sind, die Deutschland in den Zweiten Weltkrieg getrieben haben sollen. Zwar hat die Bonner Republik von 1949 bis 1989 schweigend die Schuld der Deutschen am Krieg von 1914 hingenommen, doch junge bundesdeutsche Historiker verspüren immer weniger Lust sich Asche aufs Haupt zu streuen.

Wie immer, wenn es um die deutsche soft power, die weiche Macht geht (politische Machtausübung, Einflussnahme und Erlangung der Deutungshoheit auf der Grundlage kultureller und wissenschaftlicher Aktivitäten – Anm. RdP), wird auch in diesem Fall nicht allzu eindringlich und herausfordernd gehandelt. Es wird stets darauf hingewiesen, dass es sich um einen wissenschaftlichen Gedankenaustausch handelt, dass alle das Recht auf ihre Meinung haben, und es wird höflich angemerkt, dass es in der Bundesrepublik selbst unterschiedliche Ansichten darüber gibt.

Es fällt jedoch nicht schwer zu erkennen, dass die deutsche Diplomatie auch auf dem Feld der Geschichte aktiv zu sein pflegt. Im August 2013 lieβ ein Teil der britischen Presse durchsickern, deutsche Diplomaten versuchten es den Briten ans Herz zu legen, sie mögen die Feierlichkeiten zum hundertsten Jahrestag des Groβen Krieges in deren Wichtigkeit nicht zu hoch ansiedeln. Das deutsche Auswärtige Amt stellte schnell in Abrede, dass es solche Andeutungen gegeben habe, doch vermuteten viele britische Publizisten damals, das Foreign Office wollte mittels einer solchen Indiskretion den allzu selbstbewussten deutschen Diplomaten einen Nasenstüber versetzen.

Irgendetwas jedenfalls muss dran gewesen sein. Einem Land, das Europa führt, ihm Fiskalpakte aufzwingt und bestimmt, wer der nächste Vorsitzende der Europäischen Kommission sein soll, fällt es immer schwerer, die Rolle des auβergewöhnlichen Bösewichts des 20. Jh. zu ertragen. Das gilt ganz besonders für die Auseinandersetzung um die Schuld am Kriegsausbruch 1914.

Das alles bewirkte, dass Groβbritannien und Frankreich ihre Feierlichkeiten deutlich „nationaler“ gestaltet haben. Gewiss, britische und französische Historiker werden weiterhin Einladungen zu Tagungen an deutschen Universitäten annehmen, doch die wichtigsten Feierlichkeiten werden im Kreise der alten Entente stattfinden.

Auch die betagtesten Veteranen des Ersten Weltkrieges leben inzwischen nicht mehr. 2008 verstarb im Alter von 107 Jahren Erich Kästner, der älteste deutsche Kriegsteilnehmer. Ein Jahr später starb, mit 111 Jahren, der britische Soldat Harry Patch. Bezeichnend, dass die „Spiegel“-Journalistin Frederike Heine, die im August 2013 über die Einstellung beider Nationen zum Ersten Weltkrieg schrieb, nicht umhinkam zu beanstanden, dass Kästners Tod in Deutschland unbemerkt blieb, während Harry Patch mit einem feierlichen Gottesdienst in der Kathedrale von Wells verbschiedet wurde, und die Berichte von seiner Beerdigung die Fernsehnachrichten an der Themse eröffneten. Heine jedoch stellte sich nicht die Frage, welche Rolle der Militarismus in der deutschen und welche in der britischen Geschichte gespielt hat. Es ist sehr bezeichnend, dass die Deutschen, ins Pazifistenkostüm gekleidet, beginnen andere zur Rede zu stellen, weil diese in ihre Kriegstradition allzu sehr verliebt seien. (…)

Dasselbe Thema beschäftigte auch Piotr Jendroszczyk, den deutschlandpolitischen Kommentator der Tagezeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“) am 5. Juli 2014.

Die These des Artikels lautet: „Berlin vom Gedächtnisschwund befallen. Die Regierung tut so, als wäre vor einhundert Jahren nichts Bemerkenswertes passiert.“

Der Autor schreibt unter der Überschrift:

Kein Platz mehr für Reue

u. a.: (…) Tausende von themenbezogenen Treffen, öffentliche Diskussionen, fünfzig neue Bücher, Dutzende von Dokumentarfilmen… Das alles steht in einem krassen Gegensatz zu dem fehlenden Interesse der offiziellen Vertreter des Staates an einem Ereignis, ohne das es wahrscheinlich weder Stalin noch Hitler gegeben hätte. Die britische Presse schlägt Alarm: „Deutschland will sich nicht mehr an die Geschichte erinnern“ und gibt zu bedenken, dass die Regierung von Angela Merkel nur 4,7 Mio. Euro für staatliche Feierlichkeiten aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums zum Ausbruch der groβen Katastrophe veranschlagt hat, etwa genauso viel, wie für Festveranstaltungen zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls vor fünf Jahren.

– Eigentlich gibt es da nichts zu gedenken. Für Deutschland war es eine Zeit der Wirren, des Todes und der Nachkriegsarmut. Eine Zeit der Erniedrigung durch den Versailler Vertrag, in dem eindeutig festgehalten wurde, dass Deutschland allein am Kriegsausbruch schuld sei. Es waren die strengen Bestimmungen, die dem Verlierer aufgezwungen worden waren, vor allem durch Frankreich. Daher die Zurückhaltung der Offiziellen gegenüber diesem Jahrestag – sagt Christian Hartmann vom Institut für Zeitgeschichte in München. – Auβerdem gibt es in Deutschland keine groβen Schlachtfelder und Ehrenfriedhöfe aus dieser Zeit, wie in Frankreich oder Belgien.

Das gröβte Hindernis für das Gedenken in Deutschland ist der Zweite Weltkrieg. – Auch in meiner Familie war der Zweite Weltkrieg allgegenwärtig – sagte Kanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung der Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Sie will des Jahrestages gedenken indem sie nach Ypern fährt. Das ist bis jetzt die einzige internationale Verpflichtung der Kanzlerin aus diesem Anlass.

Bundespräsident Joachim Gauck wird am 3. August im Elsass, auf einer Anhöhe, bei der 25 Tausend Franzosen und Deutsche fielen, Francois Hollande begegnen, und er will nach Brüssel fahren, zum feierlichen Treffen der Vertreter der Kriegsteilnehmerländer. Das ist alles. Derweil geht aus einer Befragung der Illustrierten „Stern“ hervor, dass zwei Drittel der Deutschen sich für die Kriegskatastrophe von vor einem Jahrhundert interessieren.

Die niederschmetternde Niederlage und der demütigende Artikel 231 des Versailler Vertrages, der von der Alleinschuld Deutschlands an der Entfesselung des Ersten Weltkrieges handelt, sind zweifelsohne ein starker psychologischer Impuls für den offiziellen deutschen Gedächtnisschwund. Ein noch wichtigerer Grund ist der Holocaust. Die Deutschen wurden nicht nur schuldig befunden für den Kriegsausbruch und die Naziverbrechen. Sie haben sich zu ihrer Schuld bekannt, sie haben sich Asche aufs Haupt gestreut und tun das weiterhin. Sie entschuldigen sich, sie leisten Abbitte und erinnern sich. Da ist kein Platz mehr dafür, sich auch noch für den Ersten Weltkrieg an die Brust zu schlagen. (…)

Ich erinnere mich an eine Diskussion von vor Jahren zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Martin Walser, in der die beiden sich geradezu darin überboten zu beweisen, dass das ganze Übel in Versailles begonnen habe, wo die Deutschen einen für sie erniedrigenden Vertrag unterschreiben mussten.
-Das ist eine zu groβe Vereinfachung, aber sie enthält ein Körnchen Wahrheit – sagt Hartmann. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Deutschen von dem ihnen angetanen Unrecht überzeugt. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt schon die politische Korrektheit, und entsprechend den Thesen des Hamburger Historikers Fritz Fischer in seinem Buch „Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschlands 1914-1918“, wurde Deutschland zu recht für die Entfesselung des Ersten Weltkrieges verantwortlich gemacht. Die Strafe für die Schuld an den beiden Kriegen war die Teilung Deutschlands. Und so sollte es sein. Nicht alle waren damit einverstanden. Fischers Buch entfesselte eine heftige Diskussion, aber im Prinzip galt das Anzweifeln der deutschen Schuld als geschichtlicher Revisionismus und wurde verurteilt. (…)

Die Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist nicht so einfach zu erklären, wie die für den Zweiten Weltkrieg. Daran erinnert der in Cambridge lehrende Christopher Clark in seinem neusten Buch „Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“. Er beweist, dass man mit der Schuld für diesen Krieg auch andere Teilnehmer belasten kann: Österreich-Ungarn, das Serbien ein Ultimatum nach dem Attentat auf Erzherzog Ferdinand und seine Frau stellte. Russland, das sich schützend vor die Slawen auf dem Balkan stellen wollte. Frankreich, den gröβten Feind Deutschlands und ein Verbündeter Russlands, und auch Groβbritannien, das sein Imperium verteidigte. Das alles gefällt in Deutschland sehr. (…).

RdP




Polnischer Blick auf den 20. Juli

„Gelungenes Attentat auf Hitler hätte für Polen nicht unbedingt von Vorteil sein müssen“.

Aus Anlass des 70. Jahrestages des fehlgeschlagenen Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze bei Rastenburg (heute Gierłoż bei Kętrzyn) im ehem. Ostpreussen, veröffentlichte die Polnische Pressagentur PAP ein Gespräch mit Dr. habil. Piotr M. Majewski, Historiker an der Warschauer Universität, von 2008 bis 2011 Berater von Ministerpräsident Donald Tusk und seit Juni 2009 stellvertretender Direktor des von Tusk angeregten Museums des Zweiten Weltkrieges in Gdańsk/Danzig. Nachstehend die Besprechung der wichtigsten Thesen von Dr. Majewski:

● Der Tod Adolf Hitlers im Sommer 1944 hätte Veränderungen für alle kämpfenden Seiten mit sich gebracht, aber es hätten keineswegs nur Veränderungen zum Besseren sein müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verschwörer, die ja die Macht in Deutschland übernehmen wollten, den Krieg gegen die UdSSR und den Krieg gegen den Westen sehr unterschiedlich betrachtet haben. Gewiss, aus moralischen Gründen widersetzten sie sich den Verbrechen Hitlers, u. a. der Vernichtung der Juden und den Morden an der Zivilbevölkerung im Osten, doch im Prinzip hatten sie nichts gegen die Eroberung des Ostens einzuwenden. Nach der Beseitigung Hitlers hofften sie einen günstigen Friedensvertrag abschlieβen zu können.

Dr. habil. Piotr M. Majewski
Dr. habil. Piotr M. Majewski.

 ● Ein gelungenes Attentat auf Hitler hätte für das besetzte Polen nicht unbedingt von Vorteil sein müssen, weil die Verschwörer bei den späteren Friedensverhandlungen darauf hinwirken wollten, die eroberten und ins Reich eingegliederten polnischen Gebiete zu behalten: den sogenannten polnischen Korridor mit Grudziądz, Bydgoszcz, Toruń, die ehemalige Freie Stadt Danzig, dazu das sogenannte Wartheland (Groβpolen mit Poznań und Lodz), den östlichen Teil Oberschlesiens, die an Ostpreuβen angeschlossenen polnischen Gebiete mit Ciechanów/Ziechenau. Die Attentäter wollten im Osten auf nichts verzichten, sondern lediglich einen Waffenstillstand mit den westlichen Alliierten erwirken.

☻ Noch in den 50er Jahren wurde Stauffenberg von den meisten Deutschen als Verräter angesehen. Es gab damals keinen Kult um die Verschwörer des 20. Juni. Das ist eine verhältnismäβig neue Erscheinung, die erst in den 80er Jahren entstand und nach und nach immer gröβere Ausmaβe annahm. Das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung, weil die Attentäter ein schreckliches Regime herausgefordert haben. Das Problem besteht jedoch darin, dass die Verschwörer und auch Stauffenberg selbst Nazis gewesen sind, die anfänglich Hitler akzeptiert haben. Das sehen wir beispielsweise in den Briefen Stauffenbergs aus dem Krieg gegen Polen im September 1939.

● Die Deutschen gedenken zu recht des Attentates vom 20. Juli 1944, aber man sollte nicht vergessen, dass die Attentäter Leute waren, die früher die nationalsozialistische Politik umgesetzt haben. Die heutigen Deutschen wollen sich mit der Opposition gegen Hitler identifizieren, aber sie müssen darauf Acht geben, dass dabei nicht ein falsches Bild entsteht von einem Volk in Opposition zu Hitler, dass von einer Verbrecherclique regiert wurde. So ist es nicht gewesen, denn die meisten Deutschen unterstützten das verbrecherische Regime und seine Anführer, so Prof. Piotr M. Majewski.

RdP




Erikas siegreicher Abgang

Ein polnischer Nachruf auf Frau Steinbachs Wirken.

Die Ankündigung Erika Steinbachs, sie stehe nicht mehr als Kandidatin für den Posten der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen zur Verfügung, wurde in Polen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Davon zeugt der „Abschiedskommentar“ vom 8. Juli 2014 von Jerzy Haszczyński, Deutschland-Fachmann und Chef des Auslandsressorts der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ („Die Republik“), in dem er alle Vorwürfe und Bedenken gegen Steinbach noch einmal aufgelistet hat.

Jerzy Haszczyński
Jerzy Haszczyński

Erika Steinbach, schreibt Haszczyński, „beendet ihre lange Karriere als Führungsperson der deutschen Ausgesiedelten. Sie kann zufrieden sein. Sie hinterlässt eine geschminkte Version der umformulierten Geschichte des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen. Es gelang ihr einen bedeutenden Teil ihrer Landsleute davon zu überzeugen, sie seien Opfer des Nationalsozialismus und Hitlers, das heiβt: die Deutschen sind, genauso wie die anderen Völker, Opfer deutscher Verbrechen.“
„Jahrelang, erinnert der Autor, stand Erika Steinbach auf der kurzen Liste der bekanntesten deutschen Politiker in Polen. Sie spielte eine besondere Rolle in dem von Erfolg gekrönten Vorhaben, das Kriegs- und Nachkriegsbild Deutschlands auf Kosten Polens zu verändern.“

Dieses Vorhaben, meint Haszczyński, „besteht zum einen darin, Debatten über die deutsche Verantwortung auszulöschen und die Abrechnung mit der Vergangenheit zu beenden (was umso leichter fällt, weil die letzten Verbrecher entweder in Ruhe gestorben sind oder sie stehen mit einem Bein im Grab). Zum anderen geht es darum, das deutsche Leid und die deutsche Widerstandsbewegung gegen Adolf Hitler hervorzuheben. Steinbach gelang es die These salonfähig zu machen, dass alle Aussiedlungen in der Geschichte des 20. Jh. unterschiedslos zu verurteilen sind, egal aus welchen Gründen sie stattgefunden haben. Auf diese Weise wird die Aussiedlung der Deutschen aus Polen nach sechs Jahren der Besatzung genauso behandelt, wie die völkermordartigen Umsiedlungen der Armenier während der Ersten Weltkrieges in der osmanischen Türkei.“

Entstanden daraus ist eine „Gemeinschaft des Leids“, die Steinbach zur „wichtigsten Botschaft des Zentrums gegen Vertreibungen“ gemacht hat. Es genügt ja nur, schreibt Haszczyński, „die Internetseite des Zentrums zu öffnen, und uns begrüβt der Satz, dass etwa 80 bis 100 Mio. Menschen im 20 Jh. Opfer von Aussiedlungen, Säuberungen und Vertreibungen geworden sind. Niemand mehr lässt sich davon beindrucken, dass die Einmaligkeit der deutschen Verbrechen hinter einem Vorhang verschwindet, der sich „die Gemeinschaft des Leids der Deutschen und anderer ausgesiedelter Nationen“ nennt.“

Symbolträchtig ist auch, so Haszczyński, „dass so etwas einer Person gelang, die ihre politische Karriere auf einer Lüge aufgebaut hat. Entgegen ihren Behauptungen hat Erika Steinbach keinesfalls ihre Heimat in einem Gebiet verloren, das erst seit 1945 zu Polen gehört, was, wenn ich so unbescheiden sein darf, im Jahr 2000 meine journalistische Entdeckung gewesen ist.“

Steinbach ist 1943 als Tochter eines deutschen Besatzungssoldaten in Rumia bei Gdynia auf die Welt gekommen, „in einer Gegend, die vor dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehörte. Es war ein zufälliger Geburtsort, keine Heimat. Zudem waren die Polen aus Rumia vertrieben worden, um für ihre Eltern Platz zu schaffen.“

In dieser auf einer Lüge aufgebauten Karriere, erinnert der Autor, „spielt auch die deutsche Gesetzgebung keine geringe Rolle. Obwohl Steinbach nicht die Heimat an Polen verloren hat, darf sie sich als Vertriebene betrachten. Die deutsche Gesetzgebung schafft eine solche Möglichkeit einem jeden, der in einem Gebiet auf die Welt kam, aus dem später ausgesiedelt wurde. Hätte Hitler ein Kind und wäre es im besetzen Warschau auf die Welt, es hätte nach dem Krieg den Vertriebenenstatus zuerkannt bekommen.

Sogar in Polen bringt kaum jemand mehr die Kraft auf, sich der neuen deutschen historischen Politik zu widersetzen. Ihre Ergebnisse sieht man in dem auf der ganzen Welt vertriebenen Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“, in dem deutsche Soldaten als empfindsame, nette Leute agieren, während die Soldaten der polnischen Heimatarmee die eigentlichen Antisemiten sind. Am allertraurigsten in alledem ist jedoch unsere eigene Erschöpfung in diesem Kampf um die historische Wahrheit.“, so das Fazit des Autors.

RdP




AfD und Polen

Hans-Olaf Henkel: „Deutsche stecken ihre Nase in fremde Angelegenheiten“.

Unter diesem Titel veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „W Sieci“ („Im Netzwerk“) in der Ausgabe vom 6. Juli 2014 ein Interview mit Hans-Olaf Henkel, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), in dem der Politiker u. a. sein eigenes und das Verhältnis seiner Partei zu Polen erläutert.

Im Vorspann zu dem Gespräch, heiβt es u.a.:

Die AfD ist die jüngste deutsche politische Partei. Sie ist gerade eben ins Europäische Parlament gelangt, gut ein Jahr nach ihrer Entstehung. Es ist umso mehr ein Erfolg, als es der AfD im Herbst 2013 nicht gelang die Fünfprozenthürde bei den Bundestagswahlen zu nehmen.

Die AfD wird von der deutschen politischen Klasse und den Medien hart kritisiert. Ihr Chef, Bernd Lucke, wurde sogar auf einer Parteikundgebung in Hamburg tätlich angegriffen.

In ihrem Programm fordert die Partei die Rückkehr zur D-Mark mittels Beseitigung des Euro oder des Austritts aus der Euro-Zone. Sie spricht sich für ein Europa der Nationalstaaten aus und ist entschieden gegen eine föderative EU. Sie bekennt sich zu den traditionellen Werten, womit sie sich Angriffen seitens der Linken aussetzt. Sie wird gar des „Rechtsextremismus“ bezichtigt.

Ein unangenehmes Signal war aus polnischer Sicht die Aussage des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland vom September 2013, der in den Beziehungen zu Russland eine Rückkehr zu den Bismarckschen Ideen einforderte. Andere AfD-Führungsmitglieder distanzierten sich entschieden von dieser Aussage. Auch Gauland selbst nahm sie zurück. Ein übler Nachgeschmack jedoch ist geblieben.

Die AfD strebt seit ihrem Entstehen eine Zusammenarbeit mit der konservativen polnischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an. Diese Kooperation ist mit der gerade begonnen neuen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments Wirklichkeit geworden. Die AfD befindet sich gemeinsam mit der PiS, den britischen Konservativen und einiger weiterer Gruppierungen, in der Fraktion Europäische Konservative und Reformer.

„AFD? Gute Nacht Polen!“ – ein weiterer Bericht zum Thema hier nachzulesen.

Frage: Erika Steinbach von der CDU sprach vor kurzem im „Spiegel“ von ihren Hoffnungen „auf eine Öffnung der Union, hin zur AfD“. Die AfD sei ihrer Meinung nach eine rechtsstaatliche und demokratische Gruppierung, was aus ihr „sowohl unseren Konkurrenten, als auch einen möglichen Partner macht“. Sehen Sie in der CDU einen Koalitionspartner der AfD?

Henkel: Nein. Die CDU-CSU engagiert sich, im Gegensatz zu dem was die AfD verkündet, in der Aufrechterhaltung des Euro und der gemeinsamen europäischen Politik. Wir indes befürworten die Existenz souveräner Staaten in Europa. Um den Euro zu retten, marschiert die CDU-CSU schnurgerade auf den europäischen Superstaat zu. Wir sprechen uns für die Subsidiarität aus. Die CDU-CSU steht für Zentralismus, wir wollen die europäische Vielfalt erhalten. Die CDU-CSU will Europa harmonisieren, wir wollen die Verantwortung des eigenen Landes für die finanzielle Stabilität und das Bankwesen beibehalten. Die CDU-CSU will etwas völlig anderes. Sie will die Schulden mit Hilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Europäischen Bankenunion vergemeinschaften.

Frage: Können Sie sich Erika Steinbach als ihre mögliche Parteikollegin vorstellen? Wollte Frau Steinbach der AfD beitreten, wären Sie dafür oder dagegen?

Henkel: Nein! Frau Steinbach repräsentiert die CDU-CSU. Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei bedeutet doch das Umsetzten einer konkreten Philosophie, und nur jemand, der ihre Prinzipien anerkennt, kann Mitglied der jeweiligen Partei sein. Die AfD-Führung bekundet bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Sympathie für Polen. Wir Betrachten Polen als einen Freund und einen vertrauenswürdigen Nachbarn. Aus unserer Sicht sollte die deutsche Regierung die Interessen Polens mit gröβerer Sorgfalt berücksichtigen. In der Auβenpolitik lehnen wir eine Verständigung mit Russland oder einem anderen Staat auf Kosten polnischer Interessen kategorisch ab.

Frage: Die Deutschen in Polen verfügen über alle Rechte, die einer nationalen Minderheit zustehen, während die Polen in der Bundesrepublik lediglich eine „ethnische Gruppe“ sind. Glauben Sie, dass die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschland an die der deutschen Minderheit in Polen angeglichen werden sollten?

Henkel: Ich gestehe ein, dass ich nie darüber nachgedacht habe. Mein Eindruck ist, dass Personen polnischer Herkunft sich nicht als eine nationale Minderheit betrachten und keinerlei Rechte einfordern. Wurden sie nicht durch die vielen Jahre, die vielen Jahrhunderte, assimiliert? Ich höre auch nicht, dass man bei uns viel polnisch spricht. Doch steht meiner Meinung nach ihrem Wunsch,, den hier lebenden Menschen Minderheitenrechte einzuräumen, wie sie die Dänen in Schleswig-Holstein haben, nichts im Wege. Die Polen sollen zeigen, dass sie in einer ähnlichen rechtlichen Konstellation leben wollen wie die deutschen Dänen.

Frage: Alexander Gauland, der stellvertretende AfD-Vorsitzende sagte vor nicht langer Zeit, man solle erwägen, dass in Zukunft „Elemente der Bismarckschen Rückversicherungspolitik gegenüber Russland *) gepflegt werden“ sollten. Wie sollen wir in Polen die Worte einer der wichtigsten Persönlichkeiten der AfD verstehen? Ein wichtiger Bestandteil der damals so guten deutsch-russischen Beziehungen waren das gemeinsame Entgegenwirken der Wiederentstehung einiger Staaten in Europa und die Aufteilung des Kontinents in Einfluβzonen.

Henkel: Ich bin überzeugt, es waren rein private Überlegungen des Herrn Gauland. Ich kann in der Tat verstehen, dass im Zusammenhang mit den Ereignissen auf der Krim in Deutschland politische Befürchtungen mit dem Blick auf Russland wach geworden sind. Ich gehe davon aus, dass es in Polen und in den baltischen Staaten ähnlich gewesen ist. Wir sind der Meinung, dass das Streben nach Sicherheit nicht auf Kosten eines dritten Staates stattfinden darf, und schon gar nicht auf Kosten Polens. Der Hitler-Stalin-Pakt sitzt nicht nur die Polen in den Knochen. Ich spüre ihn auch. Ich habe den Vater im Krieg verloren, zweimal wurden wir aufgrund von Bombardierungen obdachlos. Die AfD verurteilt Putins Methoden aufs schärfste. Im Gegensatz zur Verteidigungsministerin von der Leyen aus der CDU sind wir nicht für die Schaffung einer europäischen Armee. Wir sind für eine starke Nato und die Stationierung ihrer Truppen in den zentralen und östlichen Randlagen des Verteidigungsbündnisses. Wenn ich noch hinzufügen darf, ich war stets gegen den Bau der Gasleitung unter der Ostsee, und ich betrachte die Vorgehensweise Gerhard Schröders als einen groβen Skandal, der in dieser Angelegenheit einen Vertrag mit Putin geschlossen hat und sich anschlieβend von ihm einstellen lieβ.

Frage: Die AfD wird in Deutschland als der „öffentliche Feind Nummer eins“ angesehen. Wieso hat Ihre Partei solche Probleme mit den Medien und mit der Mehrheit der Öffentlichkeit?

Henkel: Wir stellen den Sinn der Euro-Währung in Frage und beweisen allseits, dass sie dem südlichen Europa schadet, weil sie die hohe Arbeitslosigkeit mitverursacht, vor allem unter jungen Menschen. Der Euro schadet auch dem Norden Europas, weil die milliardenschweren Hilfspakete von den deutschen Steuerzahlern finanziert werden. Der Euro ist zu teuer für Frankreich und zu schwach für die deutsche Industrie. Wir zeigen, dass der Euro am Ende Streit und Konflikte verursachen muss, weil deutsche Politiker, wie nie zuvor, ihre Nasen in Angelegenheiten anderer Staaten stecken. Da man unseren Argumenten nichts Gescheites entgegensetzen kann, werden andere Methoden angewandt. Will man einen Menschen oder eine Organisation vernichten, stellt man sie in die national-populistische Ecke. Wir bedauern das. Doch sind, Gott sei Dank, die ausländischen Berichte über unser Programm und die Betrachtungsweise einzelner Personen aus der AfD viel positiver. (…)

Frage: Der AfD sind die konservativen und traditionellen Werte sehr nah. Man sieht jedoch deutlich, dass extrem linke Werte in Europa den Sieg davontragen. Wie können sich die Konservativen dagegen wehren, etwa gegen die Gender-Propaganda?

Henkel: Gute Frage. Gemeinsame Werte muss man gemeinsam vertreten. Bei allen groβen Unterschieden zwischen der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), den britischen Konservativen und der AfD, gibt es doch mehr was uns verbindet, als was uns teilt. Deswegen sollten wir im Europäischen Parlament gemeinsam auftreten. Es kann sein, dass unsere „Fraktion“ sich als die dritte Kraft im Europäischen Parlament, nach den Sozialisten und der Volkspartei, entpuppt. Das ist die Gelegenheit, gemeinsame Werte gemeinsam zu verteidigen.

Frage: Wie sehen Sie die Rolle der christlichen Kirchen in Europa?

Henkel: Christen dürfen nirgendwo in Europa diskriminiert werden. Christliche Werte gehören zu Europa. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass andere Religionen toleriert werden müssen, so lange wie sie die Regeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte befolgen.

Anmerkung RdP:

*  Am 18. Juni 1887 schloss der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck mit Russland ein geheimes Neutralitätsabkommen . Deutschland versprach stillzuhalten, sollte Österreich-Ungarn einen Krieg gegen Russland beginnen, und gewährte Russland freie Hand in seinem Streben Bulgarien und die Meerenge im Bosporus unter seine Kontrolle zu bringen. Im Gegenzug verpflichtete sich Russland militärisch nicht an die Seite Frankreichs zu treten, sollte Frankreich Deutschland überfallen. Der Vertrag lief 1890 aus und wurde nicht verlängert.

RdP