AfD und Polen

Hans-Olaf Henkel: „Deutsche stecken ihre Nase in fremde Angelegenheiten“.

Unter diesem Titel veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „W Sieci“ („Im Netzwerk“) in der Ausgabe vom 6. Juli 2014 ein Interview mit Hans-Olaf Henkel, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD), in dem der Politiker u. a. sein eigenes und das Verhältnis seiner Partei zu Polen erläutert.

Im Vorspann zu dem Gespräch, heiβt es u.a.:

Die AfD ist die jüngste deutsche politische Partei. Sie ist gerade eben ins Europäische Parlament gelangt, gut ein Jahr nach ihrer Entstehung. Es ist umso mehr ein Erfolg, als es der AfD im Herbst 2013 nicht gelang die Fünfprozenthürde bei den Bundestagswahlen zu nehmen.

Die AfD wird von der deutschen politischen Klasse und den Medien hart kritisiert. Ihr Chef, Bernd Lucke, wurde sogar auf einer Parteikundgebung in Hamburg tätlich angegriffen.

In ihrem Programm fordert die Partei die Rückkehr zur D-Mark mittels Beseitigung des Euro oder des Austritts aus der Euro-Zone. Sie spricht sich für ein Europa der Nationalstaaten aus und ist entschieden gegen eine föderative EU. Sie bekennt sich zu den traditionellen Werten, womit sie sich Angriffen seitens der Linken aussetzt. Sie wird gar des „Rechtsextremismus“ bezichtigt.

Ein unangenehmes Signal war aus polnischer Sicht die Aussage des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland vom September 2013, der in den Beziehungen zu Russland eine Rückkehr zu den Bismarckschen Ideen einforderte. Andere AfD-Führungsmitglieder distanzierten sich entschieden von dieser Aussage. Auch Gauland selbst nahm sie zurück. Ein übler Nachgeschmack jedoch ist geblieben.

Die AfD strebt seit ihrem Entstehen eine Zusammenarbeit mit der konservativen polnischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an. Diese Kooperation ist mit der gerade begonnen neuen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments Wirklichkeit geworden. Die AfD befindet sich gemeinsam mit der PiS, den britischen Konservativen und einiger weiterer Gruppierungen, in der Fraktion Europäische Konservative und Reformer.

„AFD? Gute Nacht Polen!“ – ein weiterer Bericht zum Thema hier nachzulesen.

Frage: Erika Steinbach von der CDU sprach vor kurzem im „Spiegel“ von ihren Hoffnungen „auf eine Öffnung der Union, hin zur AfD“. Die AfD sei ihrer Meinung nach eine rechtsstaatliche und demokratische Gruppierung, was aus ihr „sowohl unseren Konkurrenten, als auch einen möglichen Partner macht“. Sehen Sie in der CDU einen Koalitionspartner der AfD?

Henkel: Nein. Die CDU-CSU engagiert sich, im Gegensatz zu dem was die AfD verkündet, in der Aufrechterhaltung des Euro und der gemeinsamen europäischen Politik. Wir indes befürworten die Existenz souveräner Staaten in Europa. Um den Euro zu retten, marschiert die CDU-CSU schnurgerade auf den europäischen Superstaat zu. Wir sprechen uns für die Subsidiarität aus. Die CDU-CSU steht für Zentralismus, wir wollen die europäische Vielfalt erhalten. Die CDU-CSU will Europa harmonisieren, wir wollen die Verantwortung des eigenen Landes für die finanzielle Stabilität und das Bankwesen beibehalten. Die CDU-CSU will etwas völlig anderes. Sie will die Schulden mit Hilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Europäischen Bankenunion vergemeinschaften.

Frage: Können Sie sich Erika Steinbach als ihre mögliche Parteikollegin vorstellen? Wollte Frau Steinbach der AfD beitreten, wären Sie dafür oder dagegen?

Henkel: Nein! Frau Steinbach repräsentiert die CDU-CSU. Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei bedeutet doch das Umsetzten einer konkreten Philosophie, und nur jemand, der ihre Prinzipien anerkennt, kann Mitglied der jeweiligen Partei sein. Die AfD-Führung bekundet bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Sympathie für Polen. Wir Betrachten Polen als einen Freund und einen vertrauenswürdigen Nachbarn. Aus unserer Sicht sollte die deutsche Regierung die Interessen Polens mit gröβerer Sorgfalt berücksichtigen. In der Auβenpolitik lehnen wir eine Verständigung mit Russland oder einem anderen Staat auf Kosten polnischer Interessen kategorisch ab.

Frage: Die Deutschen in Polen verfügen über alle Rechte, die einer nationalen Minderheit zustehen, während die Polen in der Bundesrepublik lediglich eine „ethnische Gruppe“ sind. Glauben Sie, dass die Rechte der polnischen Minderheit in Deutschland an die der deutschen Minderheit in Polen angeglichen werden sollten?

Henkel: Ich gestehe ein, dass ich nie darüber nachgedacht habe. Mein Eindruck ist, dass Personen polnischer Herkunft sich nicht als eine nationale Minderheit betrachten und keinerlei Rechte einfordern. Wurden sie nicht durch die vielen Jahre, die vielen Jahrhunderte, assimiliert? Ich höre auch nicht, dass man bei uns viel polnisch spricht. Doch steht meiner Meinung nach ihrem Wunsch,, den hier lebenden Menschen Minderheitenrechte einzuräumen, wie sie die Dänen in Schleswig-Holstein haben, nichts im Wege. Die Polen sollen zeigen, dass sie in einer ähnlichen rechtlichen Konstellation leben wollen wie die deutschen Dänen.

Frage: Alexander Gauland, der stellvertretende AfD-Vorsitzende sagte vor nicht langer Zeit, man solle erwägen, dass in Zukunft „Elemente der Bismarckschen Rückversicherungspolitik gegenüber Russland *) gepflegt werden“ sollten. Wie sollen wir in Polen die Worte einer der wichtigsten Persönlichkeiten der AfD verstehen? Ein wichtiger Bestandteil der damals so guten deutsch-russischen Beziehungen waren das gemeinsame Entgegenwirken der Wiederentstehung einiger Staaten in Europa und die Aufteilung des Kontinents in Einfluβzonen.

Henkel: Ich bin überzeugt, es waren rein private Überlegungen des Herrn Gauland. Ich kann in der Tat verstehen, dass im Zusammenhang mit den Ereignissen auf der Krim in Deutschland politische Befürchtungen mit dem Blick auf Russland wach geworden sind. Ich gehe davon aus, dass es in Polen und in den baltischen Staaten ähnlich gewesen ist. Wir sind der Meinung, dass das Streben nach Sicherheit nicht auf Kosten eines dritten Staates stattfinden darf, und schon gar nicht auf Kosten Polens. Der Hitler-Stalin-Pakt sitzt nicht nur die Polen in den Knochen. Ich spüre ihn auch. Ich habe den Vater im Krieg verloren, zweimal wurden wir aufgrund von Bombardierungen obdachlos. Die AfD verurteilt Putins Methoden aufs schärfste. Im Gegensatz zur Verteidigungsministerin von der Leyen aus der CDU sind wir nicht für die Schaffung einer europäischen Armee. Wir sind für eine starke Nato und die Stationierung ihrer Truppen in den zentralen und östlichen Randlagen des Verteidigungsbündnisses. Wenn ich noch hinzufügen darf, ich war stets gegen den Bau der Gasleitung unter der Ostsee, und ich betrachte die Vorgehensweise Gerhard Schröders als einen groβen Skandal, der in dieser Angelegenheit einen Vertrag mit Putin geschlossen hat und sich anschlieβend von ihm einstellen lieβ.

Frage: Die AfD wird in Deutschland als der „öffentliche Feind Nummer eins“ angesehen. Wieso hat Ihre Partei solche Probleme mit den Medien und mit der Mehrheit der Öffentlichkeit?

Henkel: Wir stellen den Sinn der Euro-Währung in Frage und beweisen allseits, dass sie dem südlichen Europa schadet, weil sie die hohe Arbeitslosigkeit mitverursacht, vor allem unter jungen Menschen. Der Euro schadet auch dem Norden Europas, weil die milliardenschweren Hilfspakete von den deutschen Steuerzahlern finanziert werden. Der Euro ist zu teuer für Frankreich und zu schwach für die deutsche Industrie. Wir zeigen, dass der Euro am Ende Streit und Konflikte verursachen muss, weil deutsche Politiker, wie nie zuvor, ihre Nasen in Angelegenheiten anderer Staaten stecken. Da man unseren Argumenten nichts Gescheites entgegensetzen kann, werden andere Methoden angewandt. Will man einen Menschen oder eine Organisation vernichten, stellt man sie in die national-populistische Ecke. Wir bedauern das. Doch sind, Gott sei Dank, die ausländischen Berichte über unser Programm und die Betrachtungsweise einzelner Personen aus der AfD viel positiver. (…)

Frage: Der AfD sind die konservativen und traditionellen Werte sehr nah. Man sieht jedoch deutlich, dass extrem linke Werte in Europa den Sieg davontragen. Wie können sich die Konservativen dagegen wehren, etwa gegen die Gender-Propaganda?

Henkel: Gute Frage. Gemeinsame Werte muss man gemeinsam vertreten. Bei allen groβen Unterschieden zwischen der polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), den britischen Konservativen und der AfD, gibt es doch mehr was uns verbindet, als was uns teilt. Deswegen sollten wir im Europäischen Parlament gemeinsam auftreten. Es kann sein, dass unsere „Fraktion“ sich als die dritte Kraft im Europäischen Parlament, nach den Sozialisten und der Volkspartei, entpuppt. Das ist die Gelegenheit, gemeinsame Werte gemeinsam zu verteidigen.

Frage: Wie sehen Sie die Rolle der christlichen Kirchen in Europa?

Henkel: Christen dürfen nirgendwo in Europa diskriminiert werden. Christliche Werte gehören zu Europa. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass andere Religionen toleriert werden müssen, so lange wie sie die Regeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte befolgen.

Anmerkung RdP:

*  Am 18. Juni 1887 schloss der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck mit Russland ein geheimes Neutralitätsabkommen . Deutschland versprach stillzuhalten, sollte Österreich-Ungarn einen Krieg gegen Russland beginnen, und gewährte Russland freie Hand in seinem Streben Bulgarien und die Meerenge im Bosporus unter seine Kontrolle zu bringen. Im Gegenzug verpflichtete sich Russland militärisch nicht an die Seite Frankreichs zu treten, sollte Frankreich Deutschland überfallen. Der Vertrag lief 1890 aus und wurde nicht verlängert.

RdP