AfD? Gute Nacht Polen!

Warum Polens Nationalkonservative die AfD meiden.

Die gerade einmal drei Jahre lang bestehende Alternative für Deutschland (AfD) hat bereits den neunten von sechzehn Landtagen erobert, und wenn es so weiter geht, werden ihre Vertreter ab dem nächsten Jahr auch im Bundestag sitzen. Ist das gut oder schlecht für Polen?

Diese Frage stellte am 7. September 2016, kurz nach dem AfD-Triumph in Mecklenburg-Vorpommern, Piotr Cywiński, einer der kompetentesten polnischen Deutschland-Beobachter im konservativen politischen Lager. Nachfolgend seine Analyse, erschienen im Internetportal „wPolityce.pl“ („inder.Politik.pl“). Zwischentitel von RdP.

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Autor Piotr Cywiński.

Die AfD hat bereits ihre Abgeordneten in den Landtagen von Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt, Baden-Würtemberg, Rheinland-Pfalz sitzen und, seit Sonntag, dem 4. September, nun auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie sogar die Partei von Angela Merkel besiegte. Wie man sieht, ist die AfD vor allem auf dem Gebiet der dünn besiedelten ehemaligen DDR erfolgreich, besitzt aber auch Brückenköpfe in den alten Bundesländern. In einigen Tagen wird in Niedersachsen auf kommunaler Ebene gewählt, bald darauf zum Abgeordnetenhaus in Berlin. Nächstes Jahr sind Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Rotes Signal in polnischen Köpfen

Gelingt es der Partei von Frauke Petry und Jörg Meuthen ihre Position auf der deutschen politischen Bühne zu stärken? Was hat sie anzubieten, und wie verhält sich das zu den Interessen Polens?
Um es vorweg zu nehmen: es wundert und beunruhigt mich zu hören und zu lesen, wie die AfD in manchen Kommentaren bemitleidet und mit der, bei uns früher von den Regierenden zurück gedrängten Partei, Recht und Gerechtigkeit verglichen wird. Manche sehen in der AfD bereits eine Partnerin für die Partei von Jarosław Kaczyński.

Da stehen einem buchstäblich die Haare zu Berge. Die polnischen AfD-Sympathisanten begreifen immer noch nicht, wie das politische Erdbeben jenseits der Oder für uns alle enden kann.

Sind die Deutschen dermaβen dumm, dass sie die „Mutter der Nation“, wie Angela Merkel noch bis vor kurzem genannt wurde, und eine Regierung, die die Interessen ihrer Bürger gut vertritt, zukünftig an der Machtausübung hindern wollen? Der Haushalt ist ausgeglichen, der Staat wird entschuldet, die Wirtschaft wächst, beim Exportüberschuss wird Deutschland in diesem Jahr China überholen und Export-Weltmeister werden, die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste seit dem Krieg. Wer würde eine solche Kanzlerin zum Teufel jagen?

Zweifelsohne gründen die Erfolge der AfD auf der Angst der Müllers und Schmidts vor den Folgen der arroganten Immigrationspolitik der CDU/CSU-SPD-Regierung. Eine nicht geringe Rolle spielt auch das „Nein“ der AfD zum Brüsseler Zentralismus und der Wandlung der Vielvölker-EU in einen Multikulti-„Superstaat“. Obwohl man annehmen kann, dass der Widerstand der Müllers und Schmidts schwächer wäre, wenn die Deutschen im Made-in-Germany-Europa auch das letzte Wort haben könnten.

Doch auch wenn einige Forderungen der AfD mit der polnischen Sichtweise übereinstimmen, so bedeutet das nicht, dass in Deutschland mit der AfD ein neuer Alliierter für irgendeine bedeutende politische Partei in unserem Land heranwächst.

Ein rotes Signal müsste in den polnischen Köpfen bereits vor einem Jahr aufgeleuchtet sein. Damals warf Bernd Lucke, einer der AfD-Begründer, auf dem Essener Parteitag, der AfD das Schüren von Fremdenfeindlichkeit und eine prorussische Orientierung vor, und verlieβ demonstrativ deren Reihen. Gleichzeitig mit ihm gingen mehr als zweitausend Mitglieder, unter ihnen das Vorstandsmitglied und MdEP Hans-Olaf Henkel, ehem. Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und IBM-Manager.

Henkel hatte seinerzeit die deutschen Christdemokraten scharf kritisiert wegen ihrer Einmischung in innerpolnische Angelegenheiten, der „Treibjagd gegen Recht und Gerechtigkeit“ und „des Unterstützens der Bürgerplattform“. Mit ihm gingen u. a. der bekannte Volkswirt Joachim Starbatty und die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius.

AfD und Polen. Gespräch mit Hans-Olaf Henkel – hier nachzulesen.

Die AfD verlor in dieser Zeit ihre aus bekannten und hochgeschätzten Leuten bestehende Führungsspitze. Diese riefen eine neue Gruppierung ins Leben, die Allianz für Fortschritt und Aufbruch. Die Zahl der AfD-Mitglieder verkleinerte sich fast um ein Viertel.

AfD, NPD und die „Polen-Invasion“

Die Vorwürfe der AfD-Mitbegründer waren nicht unbegründet. In ihrem ersten siegreichen Landtagswahlkampf, in dem an Polen grenzenden Sachsen, trat die AfD unter der Losung auf „Sichere Grenzen, statt grenzenloser Kriminalität“. Dies Parole stimmte andeutungsweise mit den Losungen der NPD-Neonazis von der „Polen-Invasion“ überein, und Plakaten auf denen „polnische Krähen“ den Deutschen Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegpicken.

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AfD (oben) und NPD-Wahlplakate in dem an Polen angrenzenden Sachsen.

afd-bis-npd-plakat-fotEs gibt unzählige Beispiele von informellen Kontakten, gegenseitigen Besuchen auf Parteitagen, Bindungen und der Unterstützung der AfD für Forderungen der NPD. Ähnlich verhält es sich mit AfD-Mitgliedern, ehemaligen Zöglingen der verbotenen Wiking-Jugend (die an die Hitler-Jugend anknüpfte), mit Aktivisten der ebenfalls verbotenen neonazistischen Organisation Blut und Ehre usw. Die AfD-Vorsitzende Petry hat sich entschieden verwehrt dagegen, dass ihre Partei zu den braunen Strömungen gezählt wird. Als jedoch bei einem MDR-Interview die Journalisten konkrete Beispiele anführten, sagte sie, sie werde „etwas damit machen müssen“.

Eine der wichtigsten AfD-Forderungen ist die Gestaltung der nationalen Identität und Formung patriotischer Einstellungen, was an sich nicht schlecht ist, doch in polnischen Ohren einen besonderen Beiklang hat.

Alexander Gauland, stellv. Vorsitzender der AfD und ihr Fraktionschef im Brandenburgischen Landtag ist der Meinung, dass die Deutschen endlich ihre Minderwertigkeitsgefühle, die aus der Nazi-Zeit resultieren, aufgeben und entschiedener für ihre eigenen Interessen eintreten sollten. Die Schuljugend sollte das „Deutschlandlied“ singen, der Geschichtsunterricht sollte in höherem Maβe „die deutschen Befreiungskriege des 19. Jh. berücksichtigen“ und im Radio sollte man das Abspielen ausländischer Musik einschränken. Auβerdem sollte die doppelte Staatsbürgerschaft (von der auch Polen in Deutschland Gebrauch machen) abgeschafft und den Gastarbeitern das Kindergeld gestrichen werden.

Idol Bismarck: „Polen ausrotten“

Gauland wurde auch mit der Erarbeitung des AfD-Konzeptes zur deutschen Auβenpolitik betraut. Sein Vorbild ist Otto von Bismarck, der „eiserne Kanzler“, der sich von dem Prinzip leiten lieβ: „Um Gottes Willen, nur keine sentimentalen Bündnisse, bei denen das Bewusstsein der guten Tat der Lohn edler Aufopferung zu bilden hat“.

Bei uns in Polen wurde das politische Idol des AfD-Vizechefs u. a. durch Zitate, wie dieses berühmt:

„Haut doch die Polen, daß sie am Leben verzagen; ich habe alles Mitgefühl für ihre Lage, aber wir können, wenn wir bestehen wollen, nichts andres tun, als sie ausrotten.“

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Alexander Gauland und sein Idol Bismarck.

 

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Ginge es nach Gauland, so müssten in der bundesdeutschen Politik grundlegende Änderungen eintreten. Deutschland sollte „mehr Verständnis für Russland“ an den Tag legen, darunter auch für sein Vorgehen gegenüber den ehemaligen Sowjetrepubliken. Der AfD-Vize verglich den Verlust von Russlands „Keimzelle – dem Heiligen Kiew“ mit der   Abspaltung von Aachen oder Köln von Deutschland.

Gauland erinnert auch daran, dass Russland „Preuβen vor dem Niedergang bewahrte (…), Bismarcks Reichsvereinigung und die deutsche Vereinigung 1990/91 unterstützte.“

Man müsse also an die traditionellen deutsch-russischen Verbindungen anknüpfen. Käme es zu bewaffneten Konflikten mit Drittstaaten dann sollte Deutschland zu dem Rückversicherungsvertrag, dem geheimen Neutralitätsabkommen mit Russland von 1887, zurückkehren. Gauland wünscht sich geradezu eine bismarckische Zusammenarbeit mit Präsident Wladimir Putin. Seiner Meinung nach sei der Westen für die Verschlechterung der Beziehungen mit Russland verantwortlich, weil er Russland provoziere, weil er sein Versprechen gebrochen habe, dass „die Nato nicht bis hinter die Oder erweitert wird, und doch habe man Polen aufgenommen.“

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Treue zu Russland als Alternative für Deutschland .

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Was sei also zu tun? Vor allem muss man Sanktionen gegen Russland aufheben, die nach der Krim-Annexion verhängt wurden, und man sollte sich nicht in seine inneren Angelegenheiten einmischen.

„Lasst uns einen Nationalstaat aufbauen!“, rief Gauland während des Wahlkampes in Rheinland-Pfalz, wo die AfD heute die dritte Kraft ist (nach den Christdemokraten und den Sozialdemokraten und vor der FDP und den Grünen). Für den Anfang wäre es gut, wenn das Schengen-Abkommen entfiele. Man sollte auch den Schusswaffengebrauch gegen illegale Emigranten erwägen, so seine Chefin Petry. Ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch, erweiterte den Vorschlag ausdrücklich auf Frauen mit Kindern.

Sollten die deutschen Wähler so verrückt sein, dass die AfD mittels einer sonderbaren Koalition an die Macht gelangen sollte und Gauland Auβenminister werden könnte, dann „gute Nacht Polen!“, wie es Erika Steinbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und ehem. Chefin des Bundes der Vertriebenen zu sagen pflegt, als inoffizielle Sprecherin der AfD unter den Christdemokraten.

Derweil fassen die AfD-Leute die Gelegenheit beim Schopf und bauen ihre Kontakte aus. AfD-Vorstandsmitglied Georg Pazderski gab auf dem Internetportal der Partei bekannt, dass es ein „wie immer sehr konstruktives Gespräch“ in der russischen Botschaft in Berlin gab. Der AfD-Vorstand bestätigte, dass es Treffen seiner Mitglieder in der russischen Vertretung seit Langem gebe. In den deutschen Medien wurde darüber spekuliert, ob diese Kontakte vielleicht mit einer finanziellen Unterstützung Moskaus für die AfD zusammenhängen.

Po-Vielfalt

Zum Schluss gilt es noch den Mythos vom angeblichen Anti-Genderismus der AfD zu zerstreuen. Der gröβte Kritiker dieser Strömung, Bernd Lucke hat die Partei bereits verlassen. Derweil wirkt in ihrem Rahmen ein Homosexuellenkreis, der um die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Hetero-Ehen kämpft, samt Kinder-Adoptionsrecht für Homosexuelle. Der Jugendverband der AfD hat nichts an der „sexuellen Vielfalt“ auszusetzten und tritt unter der Losung „P(r)o Vielfalt“ auf. „Po“ ist auf Deutsch ein anderes Wort für „Hintern“.

Wer nach der Frömmigkeit und der Familienverantwortung der AfD-Führung fragt, der erfährt, dass die Vorsitzende Petry ihren Mann, einen Pastor, für einen Parteifunktionär aus dem Rheinland verließ und damit eine Familie mit vier Kindern zerrüttete. Ähnlich hält es der Mit-Vorsitzende Jörg Meuthen, Vater von fünf Kindern aus zwei Ehen. Das aber sind ja private Angelegenheiten.

Die Liebe zur AfD verlangt also Opfer. Vor allem, wenn sie blind ist.

RdP