5.12.2022. Deutscher Hochsprung, polnischer Fußball. Eine WM-Nachlese

Ohne Überschwang der Freude, aber auch ohne dem Katzenjammer zu erliegen, verabschiedete sich Polen am Sonntag, dem 4. Dezember vor den Fernsehschirmen von der Fußball-WM in Katar. Die polnische Nationalmannschaft verlor 1 : 3 gegen Frankreich, den Weltmeister von 2018.

Eine Blamage war es nicht, denn die Elf konnte das ungleiche Duell mit dem großen Favoriten über weite Strecken besser als angenommen gestalten. Vorher, mit einer Prise Glück und bei eher mittelprächtigem Können, war es dem polnischen Team gelungen, zum ersten Mal seit 1986, in die K. o.-Runde einer Fußball-WM zu gelangen. Wenigstens „wyjść z grupy“ („aus der Vorrunde herauskommen“) lautete der millionenfach wiederholte, hoffnungsvolle Stoßseufzer, seitdem sich Polen für diese WM qualifiziert hatte. So gesehen kann von Enttäuschung keine Rede sein.

Und sonst?

Vor der WM wurde beklagt, dass durch die Zulassung von vielen „Schwächlingen“ das Turnier nur unnötig verlängert wird, und dass es zu viele Spiele auf nur ein Tor geben würde. Es wäre am besten, so der Tenor, fünf Top-Mannschaften aus Europa und fünf aus Südamerika gegeneinander antreten zu lassen. Der Rest der Welt zähle ohnehin nicht.

Die erste Runde der Meisterschaft hat das widerlegt. Die Teams, die den besten Eindruck machten, waren genau diejenigen, die im Vorfeld als Punktelieferanten abqualifiziert worden waren: Saudi-Arabien, die USA, Kanada oder Japan. Und es geht nicht nur um die sensationellen Ergebnisse, wie Japan gegen Deutschland 2 : 1, sondern um den Stil, den Kampfeswillen, die Freude am Spiel, die sie gezeigt haben.

Ansonsten lassen sich die Überlegungen zur WM und diejenigen, die sie formulieren, in zwei Gruppen einteilen. Den einen geht es um Fußball, den anderen um Katar.

Nach dem Spiel Deutschland-Japan verkündete Moderatorin Monika Olejnik, die Oberfurie des linksradikalen polnischen Journalismus, in ihrer Sendung auf dem Fernsehkanal TVN, dass Deutschland zwar gegen Japan verloren, aber abseits des Spielfeldes gewonnen habe, weil das DFB-Team gegen die Geschehnisse in Katar zu protestieren wagte. „Danke Deutschland!“, platzte es auf Deutsch emphatisch aus ihr heraus, und sie hielt sich, zusammen mit ihren Talk-Gästen, ausschließlich Politikern der Linken, die Hand vor den Mund.

Diese groteske Szene zeigt die Scheinheiligkeit der linksliberalen Medien, der großen Politik und nicht zuletzt des großen Kapitals, die viele Jahre lang Zeit hatten die Fußballweltmeisterschaft in Katar zu verhindern, es aber, aus bekannten Gründen, nicht getan haben. Was blieb, waren leere Gesten.

In Polen überwog einfach die Vorfreude darauf, endlich wieder einem Festival des Spitzenfußballs beiwohnen zu können. Unsere deutschen Nachbarn, soweit man das aus der Ferne überblicken konnte, vermittelten eher den Eindruck, sich auf eine Weltmeisterschaft im Hochsprung vorzubereiten und sich damit zu beschäftigten, ihre moralische Messlatte so hoch zu legen, wie es nur geht. Nicht dabei, sondern dagegen zu sein schien ihr wichtigstes Anliegen zu sein. Schmerzhaft mussten sie auf dem Spielfeld erfahren, dass Haltung keine Leistung ersetzen kann.

Die deutsche Innenministerin trug in Katar stolz die „One-Love“-Binde. Kurz zuvor hatte ihr Kabinettskollege Habeck beim katarischen Scheich um Gas gefleht. Seinem Drängen und Bitten wurde stattgegeben. So war für beides gesorgt, was den Deutschen wichtig ist: die überlegene ethische Gesinnung und die warme Stube für den Winter. Notgedrungen haben die beiden ein triple pack geschnürt, denn eine ungebetene „Gästin“, die Doppelmoral, gesellte sich hinzu und wollte partout nicht enteilen.

Es gibt noch viele Staaten, in denen die Ehe das ist, was sie eigentlich ist: eine dauerhafte Verbindung zwischen Mann und Frau. Dazu gehören u. a. Polen, Griechenland, Japan (wo das vor wenigen Tagen bestätigt wurde), Russland, die Slowakei, Bulgarien, Lettland, die Ukraine, Ungarn usw., usf. Werden deutsche Politiker, Herr Scholz, Herr Habeck, Frau Baerbock, Herr Lindner u. a. jetzt klein beigeben oder konsequenterweise auch bei ihren Besuchen in diesen „Zeichen setzen“ und trotzig die „One-Love“-Binden tragen?

Jedenfalls ist für Abermillionen von Menschen auf der ganzen Welt die WM in Katar das, was sie für große Teile der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr zu sein scheint: ein großes Fest des Fußballs. Auch weil die Duelle zwischen den Nationalmannschaften die letzten Bastionen eines Fußballs sind, den es sonst nicht mehr gibt. Hier werden Spieler nicht für Millionenbeträge ge- und verkauft, sie können höchstens eingebürgert werden, aber das ist eher nebensächlich. Man feuert die eigenen Landsleute an, schwingt die eigene Nationalfahne. Nur bei den Weltmeisterschaften besiegt David den Goliath.

Die Begeisterung in Polen (und anderswo) nach der Niederlage Deutschlands gegen Japan war kein antideutscher Reflex, sondern einfach die Freude darüber, dass der Fußball offensichtlich noch nicht verloren ist, wenigstens so lange so etwas passieren kann.

Zwar weiß und macht man in Deutschland gemeinhin alles besser, dennoch sei von dieser Warte aus die Bemerkung erlaubt, dass man den Sportlern nicht die Aufgaben von Politikern zumuten sollte. Fußballer verdienen viel Geld mit ihrem Sport, weil sie vor allem das machen, was sie am besten können: Fußball spielen. In anderen Dingen sind sie oft eher blauäugig und unwissend. Wäre es also nicht besser, die Fußballprofis Fußball spielen und die deutschen Polit-Profis ihre Arbeit verrichten zu lassen, allerdings weit weg von den Stadien, wenn möglich? Nur so machen sich beide nicht lächerlich.

RdP